29.3.05

Jerusalem, Tours, Wien, NY

Das Titelbild des aktuellen Stern ist - vorsichtig formuliert - irreführend:



Die Geschichte über die Kreuzzüge selbst ist dann zwar wesentlich besser (leider nicht online) und meines Wissens weitgehend richtig (wobei mein konkretes Wissen auf diesem Spezialgebiet zwar mal sehr fundiert war aber auch schon fast zehn Jahre alt ist) - aber musste selbstverständlich aufgesext werden durch die eineindeutige Beweiseführung, dass die Kreuzzüge unmittelbar zu 9/11 geführt hätten.

Das ist natürlich Quatsch.

Ärgerlich wird es aber, wenn auf das unter uns Linken so beliebte Stereotyp bemüht wird, die bösen Christen hätten die guten und friedlichen Moslems brutalst angegriffen und damit erst den Hass gesäht, der nun auf uns zurück schlägt. Ausgeblendet werden ja zwei oder drei Kleinigkeiten, wenn ich so argumentiere:

(1) Im gesamten Mittelmeerraum lebten zum Zeitpunkt der Entstehung des Islam Christen. Sie wurden in einem bis dahin beispiellosen und fast beispiellos erfolgreichen Eroberungskrieg von arabischen Stämmen, die muslimisch waren, vertrieben, ermordet oder zum rechten Glauben geführt. Die Geburtsurkunde des fränkischen Mitteleuropa war der Erfolg, diese Krieger zurück über die Berge nach Spanien zu treiben, als sie mitten im heutigen Frankreich standen - unter der Führung des Großvaters Karls des Großen.
Der Beginn der Begegnung zwischen Islam und Christentum war also, was oft unterschlagen wird, ein brutaler Feldzug einmal rund ums Mittelmeer.

(2) Die vielgelobte Toleranz im islamischen Spanien (wo angeblich Christen und Juden friedlich leben durften) gab es in dieser Form gar nicht. Zwar war es hier (wie später auch in den meisten Phasen egal unter welcher der drei semitischen Religionen) denkbar, nicht komplett zum Islam zu konvertieren - aber friedlich war das Leben dann nicht. Und das aktive Bekenntnis zu einem der anderen Glauben lebensgefährlich.

(3) Im zweiten Eroberungsfeldzug unter islamischem Vorzeichen, der sich auf Europa richtete - diesmal ausgehend von der heutigen Türkei und nördlich ums Mittelmeer geführt -, lief es umgekehrt ähnlich wie ein paar Jahrhunderte vorher: Erst die Zusammenarbeit der verfeindeten Reiche der angegriffenen Region führte dazu, dass die Eindringlinge zurück geschlagen werden konnten. Und das bekanntlich erst kurz vor Wien, also ähnlich zentral gelegen wie Jerusalem.

Es ist blanke Geschichtsklitterung, wenn heute sich die eine oder die andere Seite auf die Zeit der Kreuzzüge beruft. Islam und Christentum halten sich gegenseitig für die falsche Religion und voll der Blasphemie. Sie einte über Jahrhunderte allein der Hass auf Juden. Aber so wie bis heute Moslems nicht verstehen können, dass Christen und Juden - obwohl ja schon auf dem richtigen Weg - nicht den letzten Schritt tun und die Offenbarung des Propheten annehmen, so halten Christen Moslems im Grunde für eine irregeleitete Sekte. Beides jetzt etwas überspitzt formuliert.

Ich persönlich denke, dass erst eine Bewegung im Islam, die vergleichbar ist mit dem, was in Europa durch die Reformation und in ihrem Gefolge die Aufklärung passiert ist, mittelfristig dazu führen kann, dass beide Welten in irgendeiner Form werden zusammen leben können.

2 Kommentare:

  1. So oder so: Kannst Du verstehen, dass bei mir Ungläubiger in erster Linie die Bestätigung für den Verdacht ankommt, dass Religion das Zusammenleben von Menschen massiv erschwert?

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  2. Ja und nein.
    Ja, weil Religionen oft (und bis heute) als ideologische Verbrämung von Kriegen genutzt werden.
    Nein, weil viele Relgionen (auch der Islam, wenn man sich anguckt, wo er herkommt) einen enormen zivilisatorischen Fortschritt bedeuten.

    Ich selbst halte unaufgeklärte Religion und Religiosität auch für gefährlich.

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