13.7.16

Führung und Leben

Nach dem (ja, finde ich) unsäglichen kress.de-Text über die mögliche Unmöglichkeit von Teilzeitführung in einer Redaktion (und der Bestätigung dieser an sich meines Erachtens abstrusen These durch den Verlag selbst, um den es ging) gibt es jetzt zwei hilfreiche Texte, die etwas Sachlichkeit in die Debatte bringen. Von der geschätzten Kollegin Nicola Wessinghage ebenfalls auf kress.de; und vom einzigen anderen bekennenden feministischen Unternehmensführer, Robert Franken, in seinem Blog.  Tatsächlich haben Nicola und Robert die Perspektive gerade gerückt – hin zum wie, weg vom ob.

Oder, wie ich letzte Woche sagte,
Womit wir bei Agenturen, Jobs, Führung und meiner eigenen Erfahrung wären.

Alles ist in Teilzeit möglich
Als ich in den 90ern ins Parlament meiner Kirche gewählt worden war, habe ich einmal versucht, eine Leitungsstelle (eine Pröpstin in dem Fall) mit einem Tandem zu besetzen. Wir haben mit einer Gruppe Feministinnen ein Tandem für eine Kandidatur zusammen zu stellen versucht und zugleich die Lücke im Gesetz ausfindig gemacht, die dieses ermöglichen würde. Seit dem, noch bevor ich selbst in die Berufstätigkeit startete, bin ich überzeugt, dass jede Aufgabe auch über Teilung des Jobs erledigt werden kann. Und in Teilzeit.

Seit ich an Stellen angekommen bin, an denen ich das aktiv gestalten und mitbestimmen kann, versuche ich zu zeigen, dass das stimmt. Und bisher merke ich, dass es (1) im Prinzip tatsächlich stimmt und (2) trotzdem nicht klappt, ohne dass wir zerrissen werden zwischen Anspruch, Wirklichkeit und den verschiedenen Verantwortungen, die wir im Leben so übernehmen.

Planung und Bereitschaft
Es ist ja eben kein Zufall, dass auf einer meiner Stationen die einzige Führungskraft jener Firma, die nach Mutterschutz und Elternzeit wieder in ihren bisherigen Job zurück kehren konnte, eine meiner Mitarbeiterinnen war – und wir es nicht nur vorher sehr genau besprochen und geplant hatten; sondern uns auch genau die Frage gestellt hatten, die Robert als zentral formuliert (wo ich ihm exakt zustimme):
Wie stellst Du, lieber Arbeitgeber, sicher, dass ich meinen Job auch während meiner Zeit mit Baby so ausüben kann, dass meine Bedürfnisse nicht hinter den Deinen zurückstecken müssen?
Wir haben damals die Aufgaben genau auf die zehn Stunden zugeschnitten, die meine Mitarbeiterin während der Elternzeit weiterarbeiten wollte. Und nach und nach die Stunden erhöht, wie es die Familiensituation zuließ. Das einzige, was sich nie änderte: sie blieb für genau die Menschen Vorgesetzte, für die sie es vorher war. Und war ihre Chefin, auch wenn sie wenig vor Ort war. Ging gut. Sehr gut sogar.

Verantwortung und Teilzeit
Ich bin inzwischen ja, wie ihr wisst, verantwortlich für die Geschäftsführung einer Agentur in Deutschland, Cohn & Wolfe. Und mein Führungsteam hat neben mir zurzeit fünf Direktorinnen. Von denen arbeiten zwei in Vollzeit bei Cohn & Wolfe, eine hat mehrere Aufgaben in unseren Firmen und steht uns in Teilzeit zur Verfügung – und zwei arbeiten in Teilzeit, mit unterschiedlich vielen Stunden. Beide haben in Teilzeit Karriere gemacht übrigens. Und für ihre letzte Beförderung auf dieses Führungslevel, das Budget-, Kundinnen-, Profit- und Mitarbeiterinnenverantwortung umfasst, haben sie auch nicht ihre Stunden erhöht.

Es wäre gelogen, zu sagen, bei uns liefe es optimal. Und es wäre ebenso gelogen, zu sagen, dass sie nur die Stunden arbeiten, für die sie bezahlt werden (das ist bei niemandem so, der oder die in einer Agentur Verantwortung trägt, aber das wissen wir Agenturleute). Aber was funktioniert, ist, dass wir es schaffen, unseren Teil dazu beizutragen, die Balance zwischen den verschiedenen Rollen, die (nicht nur, aber vor allem) Führungskräfte in Teilzeit in ihrem Leben haben, immer wieder herzustellen.

Organisation und Erfolg
Ich bin fest davon überzeugt, dass der Erfolg, den meine Agentur gerade hat – immerhin haben wir Honorarvolumen und Anzahl der Mitarbeiterinnen im letzten Jahr verdreifacht und eine sehr, sehr unheimliche Pitch-Gewinn-Quote –, vor allem damit zusammen hängt, dass wir genau dies ermöglichen. Dass wirklich gute Leute wirklich an der Stelle Verantwortung übernehmen können, an der sie besonders wertvoll sind, unabhängig von der Anzahl der Stunden, die sie uns zur Verfügung stellen (können und wollen). Dass wir gelernt haben, uns zu organisieren und Verantwortung so weit wie möglich zu delegieren, so dass wir schnelle Entscheidungswege haben. Dass wir die Selbstorganisation im Team durch Scrum-Methoden stärken.

Und dass wir die Frage stellen
Wie stelle ich als Arbeitgeber sicher, dass ihr euren Job auch während eurer Zeit mit Kindern so ausüben könnt, dass eure Bedürfnisse nicht hinter meinen zurückstecken müssen?
Nämlich.