Posts mit dem Label radio werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label radio werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

10.5.22

Schreiben wie Sprechen

Als ich ab Mitte der 90er Jahre Radio gelernt und dann gemacht habe, hat sich meine Sprache verändert. Ich kam aus dem Studium ins Studio. Und von einer leicht vernerdeten, ziemlich arrogant-überkandidelten Sprache zu einer, die einfach, klar und verständlich ist. Witzigerweise hat es mich nachhaltig für die Langform verdorben, dass ich Geschichten in maximal 90 Sekunden erzählen musste. So lang war damals ein BmE, Beitrag mit Einspieler.

Das eigentlich Besondere aber an der Sprache, die ich im und für das Studio lernte, war, dass sie direkt und persönlich wurde. Mit relativ viel Druck, mit Rhythmus, mit Klarheit. Gesprochene Sprache schreiben, heißt diese Disziplin. Und in meinem speziellen Fall kam noch etwas dazu: als einer, der im Privatradio, also im auf Unterhaltung optimierten Sprachprogramm von Musiksendern, für die A-Themen zuständig war (Arme, Ausländer*innen, Arbeitslose, Afrika und so weiter), eine (An-) Sprache zu finden, die einerseits sensibel genug war, um unsere Themen zu tragen – und andererseits in den Gesamtduktus der Sender passte, in denen wir unsere Sendungen via Drittsenderecht hatten. Ich machte ja Kirchenfunk, bezahlt und verantwortet von der evangelischen Kirche, aber im Konsens mit Sendern wie RSH und Radio Hamburg.

Es ist eine erzählende Sprache, die so entsteht. Eine, die jeweils eine einzelne Hörerin in den Blick nimmt. Darum ist Radio auch so anders als andere Medien. Und darum bereitet Radio so gut vor auf Sprechen und Schreiben in Social Media und in dieser Zeit gerade, die von direkter und persönlicher Ansprache lebt.

Mirkofon in einem Radiostudio

Inspiriert von dieser Radio-Sprache ist eine Sprache für Vorträge und für Texte entstanden, die nicht schreit, aber dennoch Druck entwickelt; die nicht predigt, aber dennoch verändern will; die nicht die Vielen anspricht sondern jede einzelne*n – so eine Sprache kann berühren und kann Menschen bewegen. Und: so eine Sprache verändert auch die Inhalte und die Haltung, mit der ich spreche. Weil der Druck und das Direkte eben auch verhindern, dass ich mit Worten und Sprache verschleiere, was ich sagen müsste. Wenn ich geradeaus spreche, habe ich eine sehr viel größere Klarheit. Wenn ich nicht doziere sondern mich unterhalte, habe ich fast automagisch einen Hang zu differenzieren.

Schon als Robert Habeck das erste Mal Landesminister wurde, war ich ob seiner Sprache und seinem Sprechen sehr aufgeregt. Fand ihn nicht nur intellektuell unglaublich anregend (so sehr wie seit Engholm niemanden mehr in der Politik), sondern auch neu. Und in den letzten Monaten erleben wir das auf der großen Bühne. Ich denke, dass Habeck so anders wirkt, so viel Zustimmung für seine Art der Kommunikation bekommt, hängt mit genau dieser Sprache zusammen. Und das, obwohl ich am Beginn der Corona-Pandemie mit ihren virtuellen Parteitagen und so weiter sehr den Eindruck hatte, dass ihm "Radio" schwer fällt, also das Sprechen mit einer Einzelnen, ohne Reaktion aus dem Publikum. Das hat er inzwischen unglaublich gut gelernt.

Habecks schnörkellose Sprache, verbunden mit dem rhythmisch-poetischen Sprechen, seine direkt zu erlebende Suche nach der richtigen Formulierung, sein lautes Nachdenken – all das prägt einen neuen Stil. Und ich bin davon überzeugt, dass es auch einen neuen Stil für andere prägen wird, die professionell schreiben und sprechen. Ich nenne das "Schreiben wie Sprechen". Gesprochene Schriftsprache. Oder geschriebene gesprochene Sprache. Es ist eine Kunstform, die mir vielleicht so auffällt, weil ich mich daran – anders als Habeck, logisch – ebenfalls seit vielen Jahren versuche.

Ich höre von Menschen, für die ich Texte schreibe und Geschichten erzähle, dass sie genau dieses gerade suchen und wollen: eine Sprache und ein Sprechen und Schreiben, das davon inspiriert ist, wie Habeck Dinge erklärt und Menschen mitnimmt. Und ich höre von vielen anderen, die für ihre Kund*innen schreiben, dass das überall gefragt wird. Das finde ich toll. Denn es ändert so viel in der Kommunikation, wenn sich immer mehr Menschen darum bemühen, Jargon und stereotype Sprachbilder zu vermeiden. Geradeaus zu schreiben und zu sprechen. Schreiben und Sprechen dichter zusammenzurücken. Eben zu schreiben wie sie sprechen. Und auch so zu sprechen.

Wenn Robert Habeck die schreibende Kommunikationszunft zu besserer Sprache inspiriert: ist das nicht wunderbar?


 

18.1.21

Ich liebe Radio

Radio

Ich wollte nie zum Fernsehen. Weil ich immer Radio liebte. Nur mit der Stimme, sehr direkt, sehr intim – und trotzdem für alle zu hören, die zufällig oder bewusst einschalten. Die Zeit als Kirchenfunker im Privatradio war sehr cool, bis hin zu den Experimenten, on air zu beten.

Radio ist aber vor allem auch flüchtig. Weshalb ich noch die Generation Mix-Tapes bin, die Lieder aus dem Radio auf Kassette aufgenommen hat und am Doppelkassettendeck neu zusammenstellte.

Ich mag auch Podcasts und Hörbücher, sehr sogar. Die höre ich beispielsweise bei der Hofarbeit, beim Pferdescheißeschaufeln, beim Zäunebauen, beim Kochen.

Ephemeral Media

Und ich mochte schon immer Ephemeral Media. Damit habe ich mich damals, vor sechs Jahren, als es losging mit Ephemeral Media, intensiv beschäftigt und viel drüber geschrieben und Vorträge gehalten. Das Flüchtige als Antwort auf die unangenehme Erfahrung, dass "das Web nicht vergisst", hat mich die gesamte Zeit fasziniert. Ebenso übrigens, wie dann dieses Flüchtige für uns doch permanent sein sollte - wie die Highlights auf Insta, die eigentlich ephemere Storys haltbar machen.

Radio ist eigentlich auch Ephemeral Media, immer schon. Sogar noch radikaler, weil es eben nur im Moment funktioniert und nicht mal die sonst üblichen 24 Stunden.

Clubhouse

Und nun also Clubhouse. Dieses Wochenende ist es so richtig offiziell in Deutschland angekommen, es sieht so aus, als ob es tatsächlich für fast alle, die ein iPhone haben, geöffnet wird. Clubhouse machte seit rund einem Jahr ein bisschen Furore, vor allem in Nordamerika, weil es zunächst nur für kleine exklusive Zirkel zugänglich war, um auszuprobieren, was da geht und was nicht. 

In aller Kürze: Nur Audio, kein Video, kein Text, keine Bilder. Nur live, nur im Moment. Wer einen Raum öffnet, kann sprechen und entscheiden, wer mit sprechen darf, andere können zuhören und darum bitten, mitsprechen zu dürfen. Also im Grunde eine Mischung aus Talkradio und Open Mic.

Hype oder nachhaltig?

Im Grund ist es egal, ob es "nur" ein Hype ist oder ob da ein neues, nachhaltiges Netzwerk entsteht. Für Hype spricht, dass ich von Freund:innen, die es vor Monaten anfingen zu nutzen und anfangs hell begeistert waren, höre, dass das schnell wieder abflaute und sie noch ein, zwei Mal in der Woche oder sogar nur im Monat die App öffnen. Das scheinen auch andere zu hören. Und es ist auch allzu sehr männlich und weiß und teilweise offenbar auch echt kakke.

Aber: es ist, gerade für einen alten Radiomenschen wie mich, auch irgendwie super aufregend, wie dort eine Community versucht, im Grunde die Brecht'sche Vision vom Radio zum Leben zu erwecken. Und da steckt etwas drin. Ich denke, dass da auch die Nachhaltigkeit liegt.

Erste Überlegungen eines Kommunikationsmenschen 

1. Ask Me Anything
Gerade für Top-Executives kann es eine Umgebung sein (und ist es bisher, als es noch kuschelig war, auch gewesen), in der sie live und "intim", flüchtig, erzählen und Fragen beantworten können. Das haben wir von Leuten aus der Start-Up-Szene gesehen, von einigen wenigen Politiker:innen, das könnten wir auch für andere sehen.

2. Formatierung
Eines der wichtigsten Erfolgsrezepte von Radio ist die Formatierung. Dass ich also weiß, was mich wann erwartet: Von 18 Uhr bis 18.40 Uhr beispielsweise die abendliche Aktuell-Sendung, und dann von 18.40 Uhr bis 19.00 Uhr ein ausführlicher Hintergrund (im Beispiel Deutschlandfunk). Flüchtige Live-Medien werden Formate brauchen. Erste gibt es schon auf Clubhouse. Und hier sehe ich tatsächlich große Chancen. Sowohl für Profis als auch für Marken.

3. Talkradio
In Deutschland gibt es wenig bis kein echtes Talkradio. Anders als in vielen anderen Ländern. Clubhouse könnte diese Lücke schließen. Es könnte sich zu einem Talkradio entwickeln. Und damit wäre auch alles, was in Talkradios, vor allem live, denkbar ist, hier denkbar. Da lohnt es sich wahrscheinlich, kreativ zu werden. Muss ja nicht alles wie Domian sein.

Erste Erfahrungen
Was mir auffällt: anders als die meisten anderen Formen von Ephemeral Media muss zumindest ich mich auf die Gespräche in den Räumen von Clubhouse konzentrieren. Das geht nicht einfach so nebenbei oder aus dem Augenwinkel. Und während ich Twitter wunderbar neben Filmen, TV-Events oder Wahlberichterstattung nutzen kann und nutze, kann ich das mit diesem Talkradio nicht. Also ich zumindest kann das nicht. Ich muss mir also bewusst und echt Zeit nehmen, um eine Sendung auf Clubhouse zu hören oder an einer Diskussion teilzunehmen. Zumal es eben nicht asynchron ist, was ich beispielsweise an Twitter oder an Messengern sehr mag. Auch das spricht übrigens für Formate, denn dann kann ich mich darauf einstellen.

Kleiner Nebeneffekt – aber ich glaube, das ist super wichtig und kann einer der Treiber sein, dass Clubhouse (oder so was) bleibt – sind darüberhinaus die Zufallsbegegnungen. Menschen, die sich in Gespräche einklinken und die mich begeistern. Andere, die ich nicht kannte, lerne ich kennen, folge ihnen, sehe mehr von ihnen. 

Weil ich Radio so liebe, gebe ich Clubhouse eine Chance. Und habe ihm trotzdem nicht Zugriff auf mein Adressbuch gegeben. Es funktioniert dennoch, übrigens.

[Und auf LinkedIn habe ich noch einen englischen Artikel über Clubhouse geschrieben, etwas anderer Schwerpunkt, aber die Gedanken hier weiterführend.]

23.12.08

Zurück zu den Wurzeln

Naja, nicht ganz. Aber wie ihr wahrscheinlich wisst, habe ich meine ersten beruflichen Schritte nach dem Studium im Radio gemacht. Von Anfang 1996 bis Ende 1999 war ich kirchlicher Redakeur und Moderator für mehrere norddeutsche Privatradios von Alsterradio, als es noch ein Oldie- und Schlagersender war, über den Sender, der damals dauernd seinen Namen geändert hat, bevor er jetzt bei Oldie95 angekommen ist, bis hin zu einer Art Talkshow auf Radio Paradiso in Berlin.

Insofern habe ich das Thema Podcast immer mit etwas mehr als nur kleinem Interesse verfolgt (und immer auch kritisch, was sich jetzt vielleicht rächen könnte).

Im November haben der Mr Podcast von Deutschland, Alex Wunschel, und ich dann spontan entschieden, wir wolles es mal zusammen machen, denn im Bereich Kommunikation und Social Media fehlt noch ein Podcast in deutscher Sprache, fanden wir. Idee ist, dass wir uns regelmäßig (mal sehen, monatlich wohl) ein Thema rausgreifen und darüber reden, was da passiert ist und was wir und andere Marketer und Kommunikatoren daraus lernen können. An sich soll es sich mal bei rund 10 min Länge einpendeln, das haben wir bei unserer Nullnummer nicht geschafft.

Alex, danke, dass du eine super Verpackung gebastelt hast und es online gestellt hast - unter Brouhaha alle (noch rudimentären) Infos. Hier die Nullnummer. Wir freuen uns über jedes Feedback. Und werden 2009 richtig loslegen....

Download MP3 (15,8 MB)




24.8.07

Gänsehaut

Was für Erinnerungen an die 80er. Heute abend, als ich auf die Übertragung des HSV-Spiels auf 90,3 wartete (ich ertrage solche Sender, seit ich in den 90ern bei Alsterradio und dann bei Oldie95 moderiert habe), wurde dieses Lied gespielt. Witzigerweise in einer Gesprächssendung, in der der oberste Soldat der Stadt, wie immer sein Titel war, zu Gast war: Hans Hartz, Die weißen Tauben sind müde....



Ich hab wirklich eine Gänsehaut bekommen, denn was für Erinnerungen. Und das Lebensgefühl dieser Zeit war wieder da, das ich nicht wirklich vermisse, aber an das ich echt gerne zurück denke. Es war eine tolle Zeit.

19.1.07

Langsam geht ein chaotischer aber auch cooler Tag zu Ende

Nun sitze ich im Metronom nach Hamburg - und damit scheine ich die Stadt doch noch heute zu erreichen. Die letzten Stunden ging es immer Schritt auf Schritt mit Bummelbahnen von Stadt zu Stadt. Meine Reisegruppe hat sich aufgeloest, denn der letzte ist hier in Bremen am Ziel...

Zwischendurch noch mal schnell mit BBC telefoniert, bei Christianes Sendung mitgemacht, und mit einem Landwirt aus Rheinland-Pfalz gesnackt, der sein Musical heute aberd verpassen wird.

Aber nun wird es Zeit, dass es vorbei ist...


Technorati Tags: ,

30.12.06

sachliches Verhältnis

Es ist ja nicht so, dass ich nicht geliebt werden möchte. Aber wenn man nicht mehr 25 ist, bekommt man tendenziell ein etwas entspannteres Verhältnis zu Vielem. Vielleicht hilft mir auch, dass ich nicht erst seit diesem Jahr ein Grenzgänger bin.

OK, damit beginne ich nun doch so etwas wie einen Rückblick auf dieses für mich extrem spannende und abwechslungsreiche Jahr. Dabei habe ich mir so fest vorgenommen, es nicht zu tun. Tststs.

Es war ein Skandal, als ich damals zu den Dudelfunkern ging. Ich saß in der Synode meiner Landeskirche neben Ortwin Löwa, dem Kulturchef der Hamburg-Welle (die damals noch keine Schlager spielte), einem erklärten Gegner des Privatfunks. Meine theologische Peergroup (in Hamburg rund um Dorothee Sölle und ihren Mann Fulbert Steffensky) hatte viel Zeit und Mühe drauf verwandt, zu erklären, warum das gar nicht geht. Ich bin trotzdem mit ihnen weiter gut ausgekommen - und das Grenzgehen machte Spaß und war sinnvoll.

Ähnlich habe ich das letzte halbe Jahr erlebt. Was auf außenstehende Groupies hin und wieder indolent wirkte, war vor allem dem geschuldet, dass ich keinem was beweisen musste - und dass mir meine Freunde und ihre Meinungen wichtig sind, nicht aber die aller selbsternannter Sittenwächter.

Konkret: Es gibt sie in jeder Gruppe, in manchen gehöre ich auch dazu - die Fundamentalisten, also die, die sich um die Fundamente kümmern. Das ist für mich, wer mich kennt, weiß das, noch kein Schimpfwort.

Und obwohl es großartige Journalisten gibt, die Artikel schreiben wie "feuern Sie Ihre PR-Agentur", obwohl es ein am Ende latent ausgelutschter Running Gag der media coffees war, die ich moderierte, dass das Verhältnis zwischen Redaktionen und PR-Leuten durch Praktikantinnenanrufe zerrüttet sei - die Realität spricht wie immer eine andere Sprache. Das ist gut so. Und das lässt Profis auf beiden Seiten auch so relativ entspannt sein.

So ist es nach meiner Wahrnehmung auch mit Bloggern: So wie es die "Kommunikatoren" gibt, die glauben, dass Spam-Kommentare hilfreich seien, gibt es die Blogger, die erstmal jeden PR-Fuzzi für einen schlechten Menschen halten. Dass es micht kalt ließe, wenn auch Leute, die mich kennen und mit denen ich bereits gemeinsame Schlachten geschlagen habe, so eine menschenverachtende Position beziehen, wäre gelogen. Es hat mich auch getroffen, als damals Genossen nicht unterscheiden konnten zwischen ihren Vorurteilen und ihre Erlebnissen mit mir. Aber weder das eine noch das andere wirft mich aus der Bahn oder bereitet mir schlaflose Nächte.

Das, was mir gerade als Grenzgänger wichtig ist und bleibt, ist, dass ich Haltung bewahre und sie einübe und ihr, wenn ich sie auch weiter entwickele, so doch in den Grundlinien treu bleibe. Es mag selbstgerecht klingen - aber ich habe den Eindruck, dass mir das zurzeit gelingt. Nicht nur deshalb freue ich mich auf das kommende Jahr und auf die Projekte, die wir vorbereitet haben und die nun starten werden.