Es ist nicht härter geworden
Hamburger Kessel 1986 |
Aber härter oder unduldsamer ist die Diskussion nicht geworden aus meiner Sicht. Höchstens mag es so sein, dass Gruppen, die in den 80ern und 90ern sehr einfach aneinander vorbei gehen konnten, ohne sich wirklich zu sehen, einander jetzt - durch die Verschriftlichung und Auffindbarkeit ihrer eigentlich für intern gedachten und gesagten Diskurse - sehen. Das macht es mühsamer, aber die Idee, dass ich mich mit jeder rassistischen, misogynen, antisemitischen Idiotin freundlich, geduldig und argumentativ auseinandersetzen müsste, könnte oder auch nur wollte, ist mir ohnehin fremd - und finde ich tatsächlich absurd.
Der Entsolidarisierung begegne ich nicht mit Piep-piep-piep
Ähnlich ist es bei der - aus meiner Sicht: zutreffenden - Diagnose, dass eine Entsolidarisierung in der Gesellschaft zunimmt. Allerdings kann doch die Alternative nicht sein, dass wir uns voll doll lieb haben - sondern eher, dass Menschen, die der Entsolidarisierung Vorschub leisten, hart und härter angegangen werden. Seien es klassische Neoliberale oder solche, die Einheitsgewerkschaften fordern. Seien es Kinderhasserinnen oder solche, die meinen, Kinder sollten immer und überall alles dürfen.
Tatsächlich denke ich eher, dass die Auseinandersetzungen härter werden müssen, als sie es zurzeit sind. Tatsächlich mache ich mit klaren Grenzziehungen ("Toleranz endet mit z") gute Erfahrungen.
Härte in der Auseinandersetzung ist ein Zeichen, dass es Ernst wird
Ich halte es für politisch naiv und gefährlich, gegen harte und ausgrenzende Auseinandersetzungen zu sein. Denn emanzipatorische Veränderungen können nur über (harte) Auseinandersetzungen passieren. Und reaktionäre Veränderungen können nur über (harte) Auseinandersetzungen verhindert werden.
Um bei einem Beispiel zu bleiben: Zwischen Maskulinisten (und anderen reaktionären Vollpfosten) einerseits und Feministen und Feministinnen andererseits gibt es keine Möglichkeit eines Diskurses. Aus meiner Sicht gibt es nicht einmal eine Möglichkeit einer echten Koexistenz. Sondern diese Weltanschauungen "kämpfen" um die Deutungshoheit. Dass sich zurzeit die Reaktionäre schlauer anstellen als die fortschrittlichen Kräfte - geschenkt. Sie haben allerdings auch mehr zu verlieren.
Aber - und hier stimme ich, was ja nicht soooo oft passiert, Michael Seemann ausdrücklich zu - in diesem Kampf (und ja, es ist ein Kampf, und wer den durch Kritik an seiner Härte abzuschwächen sucht, nutzt in aller Naivität faktisch der Reaktion aus meiner Sicht) geht es um viel, weshalb er so hart geführt wird. Auf zwei Aspekte weist Michael Seemann hin, lest das mal, finde ich richtig: Zum einen auf den Kampf um die Plattformen. Und zum anderen auf die Isolierung der Bösen.
Böses muss auch böse genannt werden
Und bevor jemand schreit: das Wort "die Bösen" steht da bewusst. Denn wiederum halte ich es für naiv und für politisch dumm, aus falsch verstandener Duldsamkeit das Böse nicht als böse zu benennen. Call me Fundamentalist - aber Dinge wie Pegida oder Maskulinismus sind böse.
Hitler hat Autobahnen bauen lassen, im Stalinismus hatten alle einen Job, Nazis und Salafisten machen in von ihnen majorisierten Gegenden Sozialarbeit, Bild-Reporter schreiben mal einen Satz, dem ich zustimme.
Politisch aber ist Verhalten, wenn es solidarisch ist und berechenbare und belastbare Allianzen bildet. Eklektizismus ist unpolitisch. Flexible Haltungen und flexible Moral sind unpolitisch. Und darum entfloge ich zwar nicht jeder sofort, die einmal jemandes Tweet retweetet, die an sich böse ist. Und darum kann ich zivilisiert und höflich mit (intellektuell anspruchsvollen) Gegnerinnen in den großen gesellschaftlichen Konflikten dieser Zeit reden. Aber sie bleiben Gegnerinnen oder böse. Und da bin ich nicht flexibel.
Ja, Don Dahlmann, auch G.W. Bush hat sich auf den alten Weltkampf eingelassen, der klar zwischen für mich und gegen mich unterscheidet. Weil er politischer war als ihr alle zusammen. Und die Gesellschaft verändern wollte und es auch getan hat. Wer dem ausweicht und den Kampf, in den die Reaktion "uns" zwingt, nicht annimmt, ist meiner Meinung nach naiv. Ich kann euch trotzdem mögen. Und gut leiden.