Meine Weigerung, mich über Herrn Spitzer zu äußern, weiche ich jetzt auf. Dass ich mich über den massiven Flurschaden, den er unter Eltern anrichtet mit seinen TV-Auftritten (von denen ich keinen bisher in längerer als homöopathischer Dosierung online gesehen habe), entsetzt bin, ist der wesentliche Grund. Dabei geht es mir nicht um sein Buch. Das kenne ich nicht, ich habe nur die eine oder andere vernichtende Rezension darüber gelesen.
Zugleich sprach ich mit Menschen, die Herrn Spitzer als Redner auf Konferenzen zu anderen Themen erleben und ihn großartig finden. Und auch in diesem kurzen Backstage-Gespräch vor einem Doppelauftritt zweiter Professoren ist er mir sympathisch und hat er mit sehr vielem Recht.
Er mag sogar, alle Polemik einmal beiseite gelassen, mit vielen in seinem Buch Recht haben. Und - und hier beginnt dann der Übergang zum Flurschaden - er adressiert eine reale Angst meiner "Peergroup", also akademisch geprägter Eltern der oberen Mittelschicht.
Ich nehme ihm und anderen ab, dass es ihnen Ernst ist mit den Warnungen. Und anzunehmen, es wäre für die Entwicklung von Kindern (und für das Leben von Erwachsenen) nicht schädlich, wenn sie auf Sinneseindrücke wie Lesen (mit Bildern, die im Kopf entstehen und der unendlichen Langsamkeit der Geschichten, wenn ich sie lesen muss), Hören (ohne Bilder), Atmen (die Düfte der Stadt und des Landes), Laufen (Untergründe, Atemnot, Schweißgeruch), Verkriechen (Enge, Dunkelheit) verzichten, ist so grotesk wie eben ja eindeutig falsch. In all dem hat Recht, wer kritisiert, dass Kinder, Jugendliche, Erwachsene stundenlang "vor dem Computer sitzen".
Und ich verstehe sogar den volksgesundheitlichen Ansatz, eine (geringe) Mediennutzungszeit als allein gesund zu bezeichnen - jene berühmten "30 Minuten", mit denen wir Eltern immer wieder unbelegt als "gutes Maß" konfrontiert werden. Denn wenn dies hilft, dass Menschen, die ihre Kinder - wie schon in meiner Kindheit übrigens teilweise - vor dem Fernseher parken, über ihr Verhalten nachdenken oder - und sei es durch ein schlechte Gewissen - deshalb einmal im Monat mit ihnen auf den Spielplatz gehen, ist viel erreicht. Und fast möchte ich sagen, dass der Kollateralschaden unter naiven Akademikerinnen mir dann auch egal sein kann - wenn da nicht ihre Kinder wären, die darunter zu leiden haben. Und die durch ihre Eltern die Erfahrung eingeimpft bekommen, dass Erwachsene eben dies sind: naive Schwachköpfe, die angelogen werden wollen und zu doof sind, ihre Regeln (a) selbst zu befolgen - denn sie sind selbstverständlich immer online - oder (b) durchzusetzen oder technisch zu kontrollieren.
Ich bin der letzte, der für laissez-faire in der (Medien-) Erziehung plädiert. Aber ich bin der allerletzte, der absurde und sozial in ihrer Umgebung absonderliche Mediennutzungen gegen seine Kinder durchzusetzen versucht.
Vielleicht bin ich in einer privilegierten Situation (nein, nicht vielleicht - ganz bestimmt sogar). Denn alle meine vier Kinder und Jugendlichen haben Freundinnen, ein Fahrrad, das sie nutzen, einen (Leistungs-) Sport, ein Instrument und aktiven Zugang zu Büchern, den sie nutzen.
Aber ich lasse mir von anderen Akademikerinnen mit Kindern mit Freizeitstress doch kein schlechtes Gewissen machen, wenn meine Kinder in der Zeit, in der ihre fernsehen, ein MMORG spielen und dabei mit ihren Cousins sprechen, die es auch spielen.
Ich glaube, dass die Thesen von Spitzer und seine TV-Auftritte (Wobei ich es erschreckend finde, wie viele meiner Bekannten den im TV gesehen haben - was für absurden Medienkonsum die also haben müssen, um die Zeit jedenfalls bin ich in der Sauna und rede mit meiner Frau. Oder ich bin noch auf dem Hof nach dem Reiten. Aber das nur am Rande.) Menschen beunruhigen, die es besser wissen könnten. Die nicht gemeint sind oder sein müssten, falls das stimmt, was Spitzer da oben im Gespräch sagt.
Der Flurschaden, den er anrichtet, ist der, dass Menschen, die bisher eher mit schlechtem Gewissen wie ein Ochs vorm Berg vor der Internet- und Computernutzung ihrer (jugendlichen) Kinder standen, nun dieses schlechte Gewissen ablegen und entlastet werden. Dass der Fehler der letzten Elterngeneration mit den "Videospielen" sich wiederholt. Zumal diese Eltern, bei denen Spitzer auf offene Ohren stößt, zugleich nicht willens oder in der Lage sind, tatsächlich Maßnahmen zu ergreifen, um das durchzusetzen, von dem sie bei Stammtischen, Elternabenden und Grillfesten tönen, dass sie es richtig fänden.
Ich denke, dass ich gar nicht weit weg bin von Spitzer. Und auch nicht von den anderen Eltern in unserem Speckgürtel. Nur dass ich von der anderen Seite auf das Thema gucke, ähnlich wie auch im beruflichen Kontext.
Meine Frage ist, ob wir tatsächlich das Thema Medien- und Internetznutzung von den 2-15% pathologischen Fällen betrachten sollen - oder ob wir diese pathologischen Fälle sehr, sehr ernst nehmen müssen, ohne gleich alle zu betrafen oder allen zu unterstellen, dass sie schon halb auf dieser pathologischen Bahn seien. Ob wir nicht lieber Koinzidenz und Begründung auseinander halten sollten.
Es gibt Studien, habe ich gehört, die zeigen, dass Menschen, die sehr aktiv auf Facebook sind, sich häufiger mit Freundinnen treffen als andere. Toll. Aber im Grunde sagt diese Studie doch nur, dass gesellige Menschen häufiger (auch) auf Facebook sind.
Es gibt mit Sicherheit Studien, dass unter Menschen mit suchtartigem Umgang mit dem Internet sozialer Abstieg und Vereinsamung und ein Nachlassen der Hirntätigkeit häufiger ist als unter anderen. Ja, Aber im Grunde sagt so eine Studie doch nur, dass Menschen mit Problemen häufiger Zuflucht in virtuellen Welten suchen. (Und ja, Spitzer hat Recht, dass dann dieses Symptom kuriert werden muss. Aber das sagt dennoch nichts - und zwar wirklich gar nichts - darüber aus, ob das eine aus dem anderen folgt. Oder gar was aus welchem.)
Ich bin nicht naiv und nicht euphorisiert. Aber ich gucke auf die Chancen und nicht (nur) auf die Risiken. Ich rede mit meinen Kindern über ihre Mediennutzung und auch über ihre Internet- und Spielgewohnheiten. Aber ich entscheide nicht allein und nicht einmal hauptsächlich, was für sie "Qualitätszeit" zu sein hat. Chillen? Lesen? Tanzen? Reiten? - Mir im Prinzip alles Recht. Solange es nicht heimlich passiert. Und sie hin und wieder schlafen, essen und sich bewegen.
***
Gestern Abend sprach ich mit meinem zehnjährigen Tertius ganz lange über Kunst und Stile. Er mochte den Kunstunterricht in der Grundschule nie, denn da sollten sie malen, was er weder mag noch kann, findet er. Aber gestern redeten wir bestimmt eine Stunde lang voller Begeisterung. Er liebt den Kunstunterricht, vor allem die aktuelle Aufgabe für die Studienzeit. Er erzählte, wie sehr ihn der "Schrei" von Munch mitnimmt, wie sehr der ihm Angst macht, je länger er ihn ansieht, wie sehr er reingezogen wird und wie die Details sich zu einem Monster verdichten. Und dann sprachen wir über Picasso. Ich erzählte ihm von meinem Erlebnis vor dem Guernica-Bild. Und er kannte es, aus dem Internet, denn er hatte zu Picasso in Büchern und online recherchiert. Am meisten beeindruckte mich, wie er mir den Kubismus erklärte, ich saß mit offenem Mund in seinem Zimmer auf dem Boden. "Das ist", sagte er, "wie ein Puzzle, wo die Puzzleteile nebeneinander gelegt werden und nicht so rund herum." Das stimmt genau, hätte ich nicht so beschrieben, aber es stimmt. Und die Frage, wie oft Picasso verheiratet war, konnte ihm keines der Bücher in der Schulbibliothek enthüllen. Er hat es aber rausgefunden.
Digitale Demenz sieht anders aus. Tertius verbringt täglich mehrere Stunden mit dem Internet. In der Schule, auf dem iPod und an seinem Computer.
28.9.12
21.9.12
Die letztgültige Erklärung des Julia-Schramm-Problems
Aus meiner Sicht ist das Problem rund um die Zugänglichkeit von Julia Schramms Schulhofprosa (ich habe reingelesen, das war das erste, was mir dazu einfiel, vielleicht lese ich noch mal weiter, weiß ich noch nicht, ich habe lange genug gebraucht, um zu lernen, dass ich Bücher nicht weiterlesen muss, wenn ich sie nicht mag, war echt schwer) "Klick mich" nicht etwa, dass sie bigott wäre oder so was. Dazu hat Stefan Niggemeier detailreich etwas gesagt, das in der Frage gipfelt:
Dass Frau Schramm nicht mal versucht hat (oder dass es ihr nicht gelungen ist, etwas entsprechendes durchzusetzen, was ich aber unwahrscheinlich finde, da sie das bestimmt gesagt hätte irgendwo), anlässlich ihres eigenen Buches eine Lösung zu finden, wie immaterielles Teilen ihres Textes und der Wunsch, es auch auf Papier gegen Geld zu teilen, austariert werden können. Nichts. Keine Idee, keine Experimente, keine Anstrengung.
Dass ich weder Frau Schramm noch andere Piraten, die ich bisher kennen lernte oder mit denen ich arbeitete, politisch ernst nehmen kann (abgesehen davon, dass ich sie - und das schrieb ich ja auch schon oft in diesem Blog - mit ihren Fragen und Anregungen und ihrem Kulturbruch sehr ernst nehme), hängt eben genau damit zusammen. Ich empfinde das als Kindergartenniveau. Vorpubertär.
Etwas zugespitzt geht die Geschichte ja so: Ich finde, es muss sich was ändern rund um Urheberrecht und immaterielle Güter. Wir merken ja alle, dass es so nicht geht, vor allem werden Nutzerinnen zu Unrecht kriminalisiert. Aber huch, ich habe gar keine Idee, was man da machen könnte. Also schade, naja, dann eben nicht, dann muss mein Buch wohl einfach nach den Spielregeln erscheinen, die ich so doof finde. Doof, aber Pech.
Ihr seht: Mir geht es nicht um Bigotterie. Und ich finde auch, wenn jemand Frau Schramm viel Geld gibt für dieses Manuskript, soll sie das tun. Gönne ich Frau Schramm übrigens. Und bin mir sicher, dass es genug ängstliche Menschen über 45 gibt, die es kaufen werden.
Das Problem ist vielmehr - so sehe ich es -, dass sie unernsthaft ist und kindisch. Warum gibt es kein offizielles PDF oder - vielleicht noch charmanter - eine reine html-Variante des Buchs? Oder in Blogform. So dass es geteilt werden kann, wie es Frau Schramm und die Piraten - und ich auch, da stimme ich ihnen zu - sinnvoll fänden für Gedanken und Ideen und Texte und so weiter. Und daneben ein preiswertes E-Book. Und ein gedrucktes Buch für den hohen Preis, den der Verlag kalkuliert hat.
Die These von uns allen, die wir etwas ändern wollen in diesem Bereich, ist doch, dass es eben nicht stimme, dass das Verschenken von Inhalten und unterschiedliche Preise je nach "Hardware" des Buchs beispielsweise zu einem Zusammenbruch der kommerziellen Kulturproduktion führen werden. Frau Schramm hätte hier den Beweis (oder zumindest das Experiment) antreten können. Macht sie aber nicht. Und das nenne ich kindisch und vorpubertär (und hey, damit will ich keine Kinder beleidigen, sondern im Zuge ihrer Entwicklung kommt Biss und Konsequenz nun mal erst später, ich weiß das, denn einige meiner Kinder machen diese Phase gerade durch). Und dazu ist es nicht nur politisch kindisch - sondern auch politisch dumm. Denn jetzt haben die Verfechterinnen des Status Quo wie meine mir unerträgliche Parteifreundin Krummwiede ein tolles Scheinargument an der Hand: Seht, nicht mal die Piratin Schramm meint das Ernst. Es geht einfach nicht, was ihr naiven Utopistinnen euch vorstellt.
Darum bin ich auch ernsthaft böse auf Frau Schramm.
Die letztgültige Erklärung des Julia-Schramm-Problems ist also eine, die mir wirklich Sorgen macht: Sie wird einfach nicht erwachsen. So wie ihre Mitpiraten auch nicht, so weit ich es sehen kann. Kommt nach den Berufsjugendlichen der Generationen von Schröder/Trittin bis Gabriel nun eine politische Generation von Kindern?
Worin soll nun der Widerspruch zwischen diesen Äußerungen vorher und dem aktuellen Vorgehen von ihr und ihrem Verlag bestehen? Was genau ist die Heuchelei?Witzigerweise weist er zwar schön nach, wie so genannten Journalistinnen durch ihren Hass auf Piraten blind für das Thema werden - scheint mir aber durch seinen Hass auf so genannte Journalistinnen (ok, etwas überspitzt der Pointe wegen) blind zu sein für das, was ich als das tatsächliche Problem empfinde. Und was zugleich aus meiner Sicht ein grundsätzliches Problem der Piraten ist, das immer und immer wieder durchkommt.
Dass Frau Schramm nicht mal versucht hat (oder dass es ihr nicht gelungen ist, etwas entsprechendes durchzusetzen, was ich aber unwahrscheinlich finde, da sie das bestimmt gesagt hätte irgendwo), anlässlich ihres eigenen Buches eine Lösung zu finden, wie immaterielles Teilen ihres Textes und der Wunsch, es auch auf Papier gegen Geld zu teilen, austariert werden können. Nichts. Keine Idee, keine Experimente, keine Anstrengung.
Dass ich weder Frau Schramm noch andere Piraten, die ich bisher kennen lernte oder mit denen ich arbeitete, politisch ernst nehmen kann (abgesehen davon, dass ich sie - und das schrieb ich ja auch schon oft in diesem Blog - mit ihren Fragen und Anregungen und ihrem Kulturbruch sehr ernst nehme), hängt eben genau damit zusammen. Ich empfinde das als Kindergartenniveau. Vorpubertär.
Etwas zugespitzt geht die Geschichte ja so: Ich finde, es muss sich was ändern rund um Urheberrecht und immaterielle Güter. Wir merken ja alle, dass es so nicht geht, vor allem werden Nutzerinnen zu Unrecht kriminalisiert. Aber huch, ich habe gar keine Idee, was man da machen könnte. Also schade, naja, dann eben nicht, dann muss mein Buch wohl einfach nach den Spielregeln erscheinen, die ich so doof finde. Doof, aber Pech.
Ihr seht: Mir geht es nicht um Bigotterie. Und ich finde auch, wenn jemand Frau Schramm viel Geld gibt für dieses Manuskript, soll sie das tun. Gönne ich Frau Schramm übrigens. Und bin mir sicher, dass es genug ängstliche Menschen über 45 gibt, die es kaufen werden.
Das Problem ist vielmehr - so sehe ich es -, dass sie unernsthaft ist und kindisch. Warum gibt es kein offizielles PDF oder - vielleicht noch charmanter - eine reine html-Variante des Buchs? Oder in Blogform. So dass es geteilt werden kann, wie es Frau Schramm und die Piraten - und ich auch, da stimme ich ihnen zu - sinnvoll fänden für Gedanken und Ideen und Texte und so weiter. Und daneben ein preiswertes E-Book. Und ein gedrucktes Buch für den hohen Preis, den der Verlag kalkuliert hat.
Die These von uns allen, die wir etwas ändern wollen in diesem Bereich, ist doch, dass es eben nicht stimme, dass das Verschenken von Inhalten und unterschiedliche Preise je nach "Hardware" des Buchs beispielsweise zu einem Zusammenbruch der kommerziellen Kulturproduktion führen werden. Frau Schramm hätte hier den Beweis (oder zumindest das Experiment) antreten können. Macht sie aber nicht. Und das nenne ich kindisch und vorpubertär (und hey, damit will ich keine Kinder beleidigen, sondern im Zuge ihrer Entwicklung kommt Biss und Konsequenz nun mal erst später, ich weiß das, denn einige meiner Kinder machen diese Phase gerade durch). Und dazu ist es nicht nur politisch kindisch - sondern auch politisch dumm. Denn jetzt haben die Verfechterinnen des Status Quo wie meine mir unerträgliche Parteifreundin Krummwiede ein tolles Scheinargument an der Hand: Seht, nicht mal die Piratin Schramm meint das Ernst. Es geht einfach nicht, was ihr naiven Utopistinnen euch vorstellt.
Darum bin ich auch ernsthaft böse auf Frau Schramm.
Die letztgültige Erklärung des Julia-Schramm-Problems ist also eine, die mir wirklich Sorgen macht: Sie wird einfach nicht erwachsen. So wie ihre Mitpiraten auch nicht, so weit ich es sehen kann. Kommt nach den Berufsjugendlichen der Generationen von Schröder/Trittin bis Gabriel nun eine politische Generation von Kindern?
17.9.12
Reiten und Führung
Der eine oder die andere weiß ja, dass ich ein begeisterter Reiter bin. Noch nicht so ewig, denn wie die meisten reitenden Männer, die ich kenne, war ich am Anfang Mit-Reiter meiner Frau und Turniertrottel für eines meiner Kinder. Vor rund 25 Jahren saß ich dann also erstmals auf einem Pferd, fein durch die Lüneburger Heide juckelnd. Und als wir vor fast genau sieben Jahren wieder anfingen, war ich dann auch recht bald wieder dabei, seit ziemlich genau einem Jahr habe ich mein eigenes Pferd, mein Riesenteddypferdchen, hier kuschelnd mit meinem Sohn:
Was ich über die Jahre beim Reiten gelernt habe (abgesehen von der Binsenweisheit, die sicher viele Eltern von reitenden Jugendlichen bestätigen können, dass Kinder, die reiten, oft etwas leichter oder besser oder ausgeglichener oder so durch die Pubertät kommen), ist vor allem eine schöne Kombination aus Demut und Führungsstärke. Eine Kombination also, die ohnehin sehr hilfreich ist und gut tut und zur Grundausstattung von Führungskräften dazu gehören sollte, wenn es gut läuft.
Das Faszinierende an der Freizeit (oder dem Arbeiten, je nach Belieben) mit Pferden ist ja, dass dieses Tier einerseits so sehr viel größer und gewaltiger und schwerer und kräftiger ist als ich. Selbst für unsere kleinen, netten Islandpferde gilt dies ja, noch viel mehr für die großen, die dazu auch oft noch schreckhafter sind. Und dass es andererseits so bereitwillig nach Führung und Anlehnung sucht und diese auch dankbar annimmt, wenn nicht irgendwas irgendwann einmal komplett falsch gelaufen ist mit dem Tier.
Ich bin beileibe kein guter Reiter. Aber mit ein bisschen Übung schaffe sogar ich, dass ein Pferd mir zuhört und macht, was ich will. Wenn ich es weiß. Also, was ich will. Denn genau das ist das Geheimnis. Und genau das ist es, was Reiten so sehr mit Führung gemeinsam hat.
Etwas holzschnittartig gesagt, braucht das Pferd klare Ansagen von mir. Keine groben, nicht mit Gewalt oder Kraft - aber klare Ansagen und die Sicherheit, dass ich es schon richtig machen werde. Wie sonst sollte es rückwärts gehen, obwohl es weiß, dass da irgendwann ein Zaun kommt. Wie sonst sollte es in einen Bach gehen, obwohl es nicht weiß, was da unter der Wasseroberfläche lauert.
Was mich immer wieder mit Erstaunen erfüllt, ist das große Bedürfnis meines Pferdes, es richtig zu machen, mir zu gefallen in gewisser Weise. Darauf einzugehen, was ich von ihm will, wenn es denn versteht, was ich will. Und genau das ist es, was ich erstmal lernen musste: Wie ich nicht nur weiß, was ich will - sondern auch noch ausdrücken kann, was ich will, auf eine Weise, die mein Pferd versteht. Denn der wunderbare Satz, dass man beim Reiten lernen müsse, nicht mit dem Kopf sondern mit dem Arsch zu denken, stimmt ja einfach.
Pferde sind gutmütige Tiere. Aber sie sind Fluchttiere. Ihr "natürlicher" Instinkt ist es, wegzulaufen, wenn etwas merkwürdig ist. Darum brauchen sie so viel Sicherheit, darum sprechen meine Reittrainerinnen von "Anlehnung", von der Kombination aus "Versammlung" und "Losgelassenheit", wenn sie beschreiben, was ich für mein Pferd erreichen soll. Und die Parallele zur Führung eines Teams, eines Unternehmens und so weiter schenke ich mir einfach, sie ist allzu offensichtlich.
Wenn ich dem Tier Sicherheit gebe und es mir vertraut, dass ich es nicht in die Irre führe, wenn ich vermittele, zu jedem Zeitpunkt gelassen zu wissen, wo es hin geht - dann wird es fast immer machen, was ich will. Wenn ich unsicher bin, wird es auch unsicher, verspannt sich, macht Fehler.
Zu lernen, dieses große, großartige, sensible, ängstliche Tier zu führen, ist für mich sehr beglückend gewesen. Dass ich mit Hintern und Schenkeln helfen kann und die Zügel nur noch brauche, weil ich die Hände ja irgendwo lassen muss. Mich zugleich auszuliefern (denn hey, wenn es will, kann mein Pferd immer noch machen, was es will, ich habe faktisch keine Chance gegen es, wenn es drauf ankommt) und zu wissen, dass ich mich nicht ausliefere. Gegenseitig zu vertrauen, obwohl Vertrauen in ein Tier an sich absurd ist. In einer Extremsituation, wenn das Pferd durchgeht, zu realisieren, dass nur eine paradoxe Intervention hilft, die Situation zu meistern (hier: treiben und es dazu zu bringen, dass es eher noch schneller wird, anstatt an den Zügeln zu reißen und Gegendruck aufzubauen).
Nicht alles das kann ich wirklich oder gar immer. Und die Angst da oben ist mir durchaus und immer noch vertraut. Wie bewundere ich dann meinen Sohn und seine Freundinnen, die auf ihren Pferden groß geworden sind und machen können, was sie wollen - draufspringen, turnen, tanzen, ohne Sattel und Zügel galoppieren. Denen ihre Tiere so vertrauen, weil sie genau von einander wissen, was sie machen, wollen und können.
Aber ich denke - und damit komme ich am Ende doch noch ein einziges Mal auf das Thema Führung zurück -, dass Reiten eine gute Übung für Menschen ist, die führen wollen oder müssen. Und dass Menschen, denen Führung leicht fällt oder die es zumindest können, wohl auch Reiten lernen können. Meine Vermutung wäre sogar, dass ich an der Art, wie sie sich beim ersten Kontakt mit Pferden "anstellen", zu einem guten Teil sehen kann, wie sie führen im "richtigen Leben". Und dass Übungen auf und mit Pferden für das Lernen von Führung mehr bringen als viele andere Kurse, die gerade modern sind.
Vielleicht sollte ich wirklich mal Managementkurse anbieten. Auf und mit Pferden.
Was ich über die Jahre beim Reiten gelernt habe (abgesehen von der Binsenweisheit, die sicher viele Eltern von reitenden Jugendlichen bestätigen können, dass Kinder, die reiten, oft etwas leichter oder besser oder ausgeglichener oder so durch die Pubertät kommen), ist vor allem eine schöne Kombination aus Demut und Führungsstärke. Eine Kombination also, die ohnehin sehr hilfreich ist und gut tut und zur Grundausstattung von Führungskräften dazu gehören sollte, wenn es gut läuft.
Das Faszinierende an der Freizeit (oder dem Arbeiten, je nach Belieben) mit Pferden ist ja, dass dieses Tier einerseits so sehr viel größer und gewaltiger und schwerer und kräftiger ist als ich. Selbst für unsere kleinen, netten Islandpferde gilt dies ja, noch viel mehr für die großen, die dazu auch oft noch schreckhafter sind. Und dass es andererseits so bereitwillig nach Führung und Anlehnung sucht und diese auch dankbar annimmt, wenn nicht irgendwas irgendwann einmal komplett falsch gelaufen ist mit dem Tier.
Ich bin beileibe kein guter Reiter. Aber mit ein bisschen Übung schaffe sogar ich, dass ein Pferd mir zuhört und macht, was ich will. Wenn ich es weiß. Also, was ich will. Denn genau das ist das Geheimnis. Und genau das ist es, was Reiten so sehr mit Führung gemeinsam hat.
Etwas holzschnittartig gesagt, braucht das Pferd klare Ansagen von mir. Keine groben, nicht mit Gewalt oder Kraft - aber klare Ansagen und die Sicherheit, dass ich es schon richtig machen werde. Wie sonst sollte es rückwärts gehen, obwohl es weiß, dass da irgendwann ein Zaun kommt. Wie sonst sollte es in einen Bach gehen, obwohl es nicht weiß, was da unter der Wasseroberfläche lauert.
Was mich immer wieder mit Erstaunen erfüllt, ist das große Bedürfnis meines Pferdes, es richtig zu machen, mir zu gefallen in gewisser Weise. Darauf einzugehen, was ich von ihm will, wenn es denn versteht, was ich will. Und genau das ist es, was ich erstmal lernen musste: Wie ich nicht nur weiß, was ich will - sondern auch noch ausdrücken kann, was ich will, auf eine Weise, die mein Pferd versteht. Denn der wunderbare Satz, dass man beim Reiten lernen müsse, nicht mit dem Kopf sondern mit dem Arsch zu denken, stimmt ja einfach.
Pferde sind gutmütige Tiere. Aber sie sind Fluchttiere. Ihr "natürlicher" Instinkt ist es, wegzulaufen, wenn etwas merkwürdig ist. Darum brauchen sie so viel Sicherheit, darum sprechen meine Reittrainerinnen von "Anlehnung", von der Kombination aus "Versammlung" und "Losgelassenheit", wenn sie beschreiben, was ich für mein Pferd erreichen soll. Und die Parallele zur Führung eines Teams, eines Unternehmens und so weiter schenke ich mir einfach, sie ist allzu offensichtlich.
Wenn ich dem Tier Sicherheit gebe und es mir vertraut, dass ich es nicht in die Irre führe, wenn ich vermittele, zu jedem Zeitpunkt gelassen zu wissen, wo es hin geht - dann wird es fast immer machen, was ich will. Wenn ich unsicher bin, wird es auch unsicher, verspannt sich, macht Fehler.
Zu lernen, dieses große, großartige, sensible, ängstliche Tier zu führen, ist für mich sehr beglückend gewesen. Dass ich mit Hintern und Schenkeln helfen kann und die Zügel nur noch brauche, weil ich die Hände ja irgendwo lassen muss. Mich zugleich auszuliefern (denn hey, wenn es will, kann mein Pferd immer noch machen, was es will, ich habe faktisch keine Chance gegen es, wenn es drauf ankommt) und zu wissen, dass ich mich nicht ausliefere. Gegenseitig zu vertrauen, obwohl Vertrauen in ein Tier an sich absurd ist. In einer Extremsituation, wenn das Pferd durchgeht, zu realisieren, dass nur eine paradoxe Intervention hilft, die Situation zu meistern (hier: treiben und es dazu zu bringen, dass es eher noch schneller wird, anstatt an den Zügeln zu reißen und Gegendruck aufzubauen).
Nicht alles das kann ich wirklich oder gar immer. Und die Angst da oben ist mir durchaus und immer noch vertraut. Wie bewundere ich dann meinen Sohn und seine Freundinnen, die auf ihren Pferden groß geworden sind und machen können, was sie wollen - draufspringen, turnen, tanzen, ohne Sattel und Zügel galoppieren. Denen ihre Tiere so vertrauen, weil sie genau von einander wissen, was sie machen, wollen und können.
Aber ich denke - und damit komme ich am Ende doch noch ein einziges Mal auf das Thema Führung zurück -, dass Reiten eine gute Übung für Menschen ist, die führen wollen oder müssen. Und dass Menschen, denen Führung leicht fällt oder die es zumindest können, wohl auch Reiten lernen können. Meine Vermutung wäre sogar, dass ich an der Art, wie sie sich beim ersten Kontakt mit Pferden "anstellen", zu einem guten Teil sehen kann, wie sie führen im "richtigen Leben". Und dass Übungen auf und mit Pferden für das Lernen von Führung mehr bringen als viele andere Kurse, die gerade modern sind.
Vielleicht sollte ich wirklich mal Managementkurse anbieten. Auf und mit Pferden.
10.9.12
Hannover ist ein bösartiger anonymer Sumpf
Quelle: Das Internet.
Quelle: Hannover.
Quelle: Irgendwelche Leute.
Anders als der Qualitätsjournalismus ist "das Internet" der anonyme Sumpf, der aktuell beispielsweise Schuld am Unwohlsein von Bettina Wulff ist.
Wie Herr Exner in der von mir aus irgendeinem Grund immer noch abonnierten Regionalzeitung schreibt:
In den letzten fünfzehn Monaten habe ich von mir namentlich bekannten Personen aus Hannover sowohl gehört, dass Frau Wulff ihren Mann bei der Ausübung eines Berufes kennen gelernt habe, der einen schlechten Leumund hat und als Gerücht zu hohen Absatzzahlen ihren Buches beitragen dürfte. Als auch, dass die frühere Bischöfin der Stadt mit einem früheren Freund lupenreiner Demokraten zusammen sei. Als auch, dass diese beiden letzteren tatsächlich und verbrieft in einem Auto gesessen haben, das dereinst von der Polizei angehalten worden war. Diese Person kennt übrigens alle die Personen persönlich, von denen sie berichtete, sagt sie. Interessant, oder?
Wäre ich Qualitätsjournalist, würde ich jetzt wahrscheinlich die oben als Überschrift dieses Artikels formulierte Aussage treffen. Da ich aber mindestens drei Leute aus Hannover persönlich kenne, die diese Gerüchte nicht verbreiten, lasse ich das.
***
Am Wochenende diskutierte und fragte ich, ob Frau Wulff (und der sieoffenbar möglicherweise beratende Herr Spreng) nun besonders doof oder besonders clever ist. Im Kern also, ob es geniale Buch-PR auf Kosten ihrer eigenen Gefühle ist, oder ob sie wirklich glaubt, das Gerücht damit eindämmen zu können. Lustigerweise wollten die Menschen, mit denen ich sprach, beides für möglich halten. Was wiederum ja recht erschreckend ist. Und - aber das nur am Rande - ein echtes Reputationsproblem, das Frau Wulff da hat.
Dabei kann ich es gut verstehen, dass sie sich gegen Gerüchte wehrt, wenn sie nicht stimmen (was ich weder beurteilen kann noch für mich oder meine Meinung über sie und ihren Mann interessant oder relevant finde). Und ich finde es ekelig, wenn Menschen solche Gerüchte erfinden oder weitersagen. Zumal meine Reaktion (inhaltlich) ohnehin ein Schulterzucken war, als ich davon hörte.
Wie wenig der Weg hilft, den Frau Wulff gewählt hat, zeigt in Bezug auf "das Internet" der Kollege Henne in seinem Blog. Und wer am Sonnabend die Seite 1 der bei uns in der Stadt verfügbaren "Bild"-Zeitung sah oder heute die Seite 1 der sich seriös gebenden oben verlinkten Regionalzeitung, konnte sich schon da fragen, was sie eigentlich genau bezweckt. Dass die Bild sie auf der Titelseite als Hure bezeichnet, kann ja an sich nicht ihr Ziel gewesen sein, nehme ich an.
[Update]
Wobei alles in noch interessanterem Licht erstrahlt, da Frau Wulff auch noch eine PR-Agentur gründet. Böse Zungen bringen ja diesen Beruf mit dem aus den Gerüchten in Engführung, was ich aber nicht nachvollziehen kann als jemand, der lange in einer PR-Agentur arbeitete und nun in einer Kommunikationsagentur. Aber die Frage, ob ihr - äh -dum originelles Vorgehen gegen Gerüchte (oder ihr Limonademachen) eine Referenz sei, wage ich doch mit 'nein' zu beantworten.
***
Fun Fact: Ich habe - ja, nur privatempirisch, nicht repräsentativ - eine Umfrage gemacht. Vor Sonnabend wusste nur eine Person in meiner Umgebung außer mir von den Gerüchten um einen möglichen anderen früheren Beruf der Frau Wulff als in ihrem Lebenslauf steht. Und auch diejenigen, die den ganzen Tag online sind, intensiv facebooken und alle ihre Infos aus "dem Internet"klauen ziehen, hörten davon erstmals aus Radio und Zeitung. Sogar Menschen mit überdurchschnittlichem politischen Engagement und scharfe Kritiker des Ex-Bundeshorsts Wulff. Einige von denen kennen sogar Menschen in Hannover, u know, diesem bösartigen Sumpf.
Quelle: Hannover.
Quelle: Irgendwelche Leute.
Anders als der Qualitätsjournalismus ist "das Internet" der anonyme Sumpf, der aktuell beispielsweise Schuld am Unwohlsein von Bettina Wulff ist.
Wie Herr Exner in der von mir aus irgendeinem Grund immer noch abonnierten Regionalzeitung schreibt:
Kaum ein Stammtisch, kaum ein Friseurladen, kaum eine Redaktion, in dem die Spekulationen nicht herzlich willkommen geheißen wurden. Das Publizieren dieser heißen Geschichte überließ man allerdings dem Internet.Das Internet hat viel zu tun.
In den letzten fünfzehn Monaten habe ich von mir namentlich bekannten Personen aus Hannover sowohl gehört, dass Frau Wulff ihren Mann bei der Ausübung eines Berufes kennen gelernt habe, der einen schlechten Leumund hat und als Gerücht zu hohen Absatzzahlen ihren Buches beitragen dürfte. Als auch, dass die frühere Bischöfin der Stadt mit einem früheren Freund lupenreiner Demokraten zusammen sei. Als auch, dass diese beiden letzteren tatsächlich und verbrieft in einem Auto gesessen haben, das dereinst von der Polizei angehalten worden war. Diese Person kennt übrigens alle die Personen persönlich, von denen sie berichtete, sagt sie. Interessant, oder?
Wäre ich Qualitätsjournalist, würde ich jetzt wahrscheinlich die oben als Überschrift dieses Artikels formulierte Aussage treffen. Da ich aber mindestens drei Leute aus Hannover persönlich kenne, die diese Gerüchte nicht verbreiten, lasse ich das.
***
Am Wochenende diskutierte und fragte ich, ob Frau Wulff (und der sie
Dabei kann ich es gut verstehen, dass sie sich gegen Gerüchte wehrt, wenn sie nicht stimmen (was ich weder beurteilen kann noch für mich oder meine Meinung über sie und ihren Mann interessant oder relevant finde). Und ich finde es ekelig, wenn Menschen solche Gerüchte erfinden oder weitersagen. Zumal meine Reaktion (inhaltlich) ohnehin ein Schulterzucken war, als ich davon hörte.
Wie wenig der Weg hilft, den Frau Wulff gewählt hat, zeigt in Bezug auf "das Internet" der Kollege Henne in seinem Blog. Und wer am Sonnabend die Seite 1 der bei uns in der Stadt verfügbaren "Bild"-Zeitung sah oder heute die Seite 1 der sich seriös gebenden oben verlinkten Regionalzeitung, konnte sich schon da fragen, was sie eigentlich genau bezweckt. Dass die Bild sie auf der Titelseite als Hure bezeichnet, kann ja an sich nicht ihr Ziel gewesen sein, nehme ich an.
[Update]
Wobei alles in noch interessanterem Licht erstrahlt, da Frau Wulff auch noch eine PR-Agentur gründet. Böse Zungen bringen ja diesen Beruf mit dem aus den Gerüchten in Engführung, was ich aber nicht nachvollziehen kann als jemand, der lange in einer PR-Agentur arbeitete und nun in einer Kommunikationsagentur. Aber die Frage, ob ihr - äh -
***
Fun Fact: Ich habe - ja, nur privatempirisch, nicht repräsentativ - eine Umfrage gemacht. Vor Sonnabend wusste nur eine Person in meiner Umgebung außer mir von den Gerüchten um einen möglichen anderen früheren Beruf der Frau Wulff als in ihrem Lebenslauf steht. Und auch diejenigen, die den ganzen Tag online sind, intensiv facebooken und alle ihre Infos aus "dem Internet"
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