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25.2.10

Elternfortbildung, erster Aufschlag

Gegen die politischen Zensur- und vermeintlichen Jugendschutzbegehren gegen das Internetz gibt es meiner Meinung nach nur ein Mittel (also neben der politischen Arbeit): Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Das war einer der Gründe, warum ich im Januar die Facebook-Gruppe und Initiative digital dads gegründet hatte. Nun habe ich die erste Elternfortbildung durchgeführt - an Primus' Schule bei uns draußen. Hier die Präsentation, mit der ich durch den Abend geführt habe:



Mein erstes Fazit:

Es war super spannend, mit anderen Eltern, die ganz überwiegend sehr anders mit dem Internet leben und umgehen als ich, über diese Fragen zu sprechen. Ich hatte mehr Protest dagegen erwartet, dass ich die Botschaft hatte, sich das einmal vorurteilsfrei anzusehen - und dass ich der Meinung bin, dass für unsere Kinder auch sehr vieles sehr viel besser wird durch die Art, wie sie das Internet nutzen. Dieser Protest ist vollständig ausgeblieben, sondern die über 150 Eltern waren ernsthaft interessiert und bereit, sich darauf einzulassen. Vielleicht sind nur bestimmte Eltern bereit, zu so einer Fortbildung zu kommen - aber die, die da waren, teilten meine Einschätzung, dass es nicht darum geht, die Kinder beispielsweise an SchuelerVZ oder Facebook zu hindern, sondern eher, ihnen Hilfestellung zu geben, wie sie es sinnvoll und gefahrloser nutzen können.

Über zwei Punkte war ich überrascht, die ich etwas anders eingeschätzt hätte: Nur drei oder vier der Eltern, die dort waren, haben ein eigenes Facebook-Profil (oder es zumindest zugegeben). Aber bestimmt zwei Drittel haben in ihren Wohnungen oder Häusern WLAN.

Mir hat es Spaß gemacht und es hat mich gefreut, dass ich auch positive Rückmeldung bekam von vielen Eltern, die dabei waren. Es war mit Sicherheit nicht das letzte Mal, dass ich diesen Vortrag und diese Diskussion geführt habe (und ich komme auch gerne woanders vorbei, Kontaktdaten sollten zu finden sein).

Hier findet ihr übrigens die Facebookgruppe digital dads....

16.7.09

Was ich gerne mag an diesem Interweb

Ja, auch Kampagnen, an denen meine Kolleginnen beteiligt waren, sind schon "Opfer" der Kreativität derer geworden, die Vodafone nun die Generation Upload nennt. Das kann auch weh tun.

Was ich aber immer wieder erstaunlich finde, ist, mit welcher Hingabe, Genauigkeit und eben - ja - Kreativität Menschen sich über Werbung, Kommunikation, Ideen hermachen und sie umdeuten, beispielsweise weil sie sie nicht für glaubwürdig halten. Als jemand, der selbst Kommunikation als Beruf hat, habe ich mich mit der Vodafone-Debatte zurück gehalten und nur drüben in meinem PR-Blog mehrfach die Implikationen jenseits des konkreten Falles beleuchtet.

Aber der dürre und - so finde ich es - dumme Post im Vodafoneblog zum Vorwurf, dass Vodafone allzu willfährig auf die Zensurwünsche der Regierung reagiert habe (siehe dazu Vetters law blog, da ist alles gesagt), hat mich doch mehr als nur kopfschüttelnd zurück gelassen. Zumal ich, obwohl ja am Thema interessiert und halbwegs engagiert, Vodafones Verhalten gar nicht mitbekommen hatte, sondern erst im Zuge der aktuellen Kampagne darauf gestoßen bin (übrigens auch ein interessanter Nebeneffekt, wenn man sich auf den Spielplatz Social Media begibt).

Was ich eigentlich sagen will, ist dies: Ich finde - aus dem politischen Kontext der Anti-Zensur-Aktion heraus - diese Version des Werbespots großartig und kreativ:

Vodafone-Werbung "Heroes" Satire from Generation Upload on Vimeo.

19.6.09

Zensur

Nur immer frisch verboten,
nur immer konfisziert!
Und ging' es auch nach Noten,
ihr weckt doch nicht die Toten,
das Leben triumphiert!

Ihr traurigen Kapuzen,
ihr aller Wahrheit Feind,
ihr wollt den Adler stutzen,
die Sonne wollt ihr putzen,
weil sie zu hell euch scheint?!

Umsonst! Ihr könnt nicht hindern,
auch nicht das kleinste Wort!
Ihr könnt den Haß nicht mindern,
ihr könnt die Glut nicht lindern,
die grimmig euch verdorrt!

Gebt acht, die Stunden schleichen,
die Morgensonne strahlt:
Gebt acht, ich seh' ein Zeichen,
da werden noch mit Streichen
die Striche euch bezahlt!

So nährt ihr selbst die Flamme,
die selber euch verzehrt:
Schon knistert es am Stamme -
O daß euch Gott verdamme!
Ihr seid kein Mitleid wert.

1842
Robert Eduard Prutz (1816-1872)


(via Lyrikmail #2003)

Vom Abstimmungsverhalten eines Drittels der Abgeordneten meiner Partei bin ich sehr, sehr enttäuscht und halte es für einen Skandal. Wie sehr direkte und unmittelbare Gespräche etwas ändern können (und dass es sich auch jetzt noch lohnt, die Kärrnerarbeit auf sich zu nehmen anstatt die Flinte ins Korn zu werden), zeigt übrigens das Abstimmungsverhalten in der CDU.

6.6.09

Wer hat uns verraten, vol. 2

Wieder einmal. Schon am 9.11.2007 waren es Sozialdemokraten, die uns (da bei der Vorratsdatenspeicherung) verraten haben. Immerhin sind sie aber nicht so glatt gebügelt, dass sie einfach nur den kommunikativ brillanten Coup mit der Kinderpornographie landen, um das durchzusetzen, was sie wirklich wollen. Ja, ich denke auch, dass die CDU wenig erfreut sein wird, dass Wiefelspütz wieder einmal nicht die Klappe halten kann. Aber wer auch nur entfernt mit dem Gedanken gespielt haben sollte, morgen oder im September die SPD zu wählen, sollte sich dessen Äußerungen gegenüber der Berliner Zeitung einmal ansehen. Und wird dann sicher Ralf Bendrath zustimmen:
Wir sollen auch umstrittene Inhalte im Netz nicht mehr zur Kenntnis nehmen dürfen, weil unsere geliebte Bundesregierung besser weiss, was ihre Bürger lesen und worüber sie sich eine eigene Meinung bilden dürfen.

Die einzige Schlussfolgerung kann sein: Jegliche Zensur ist vollständig abzulehnen.

Dieter Wiefelspütz macht klar, dass es um Zensur geht : netzpolitik.org
Nur eines stimmt nicht: Das ist nicht die einzige Schlussfolderung. Die andere ist: Wenn die SPD ihrem Innenexperten nicht aus- und nachdrücklich widerspricht, ist sie nicht wählbar. Egal, was sie ansonsten an guten Ideen haben möge.

Im Grunde aber bin ich Wiefelspütz dankbar. Denn in den letzten Wochen bin ich bei Freunden und Verwandten aus dem sozialdemokratischen Umfeld oft auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen, wenn ich in der Debatte um Netzsperren auf den Einstieg in die Zensur hingewiesen habe. Das wurde oft als Panikmache und Übertreibung angesehen. Damit dürfte nun Schluss sein.

(Dass ich empfehle, morgen die Grünen zu wählen, dürfte ja kaum jemanden überraschen, der dieses Blog schon mal gelesen hat.)

25.5.09

Liebe Freunde und Bekannte, liebe Familie

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, aber auch kein bürgerrechtsfreier Raum.

Langsam steigen auch Medien ein. Und das ist gut so. Dennoch ist die Debatte um den Einstieg in die Internetzensur über das Vehikel, vorgeblich etwas gegen Kinderpornographie tun zu wollen, noch zu unsichtbar. Darum haben in den letzten Stunden, ausgehend vom Blog netzpolitik.org, eine Reihe von Leuten begonnen, ihre Freunde und Kontakte anzuschreiben, um noch einmal auf das Thema aufmerksam zu machen. Mich hat vor allem Djures Mail sehr beeindruckt, die ich darum auch selbst, nur leicht ergänzt, an eine Anzahl meiner Kontakte weitergeleitet habe. Er schreibt (und ich schließe mich an):
Vielleicht mag ja der eine oder andere meinem Beispiel noch folgen und seinen Adressbuchkontakten etwas Ähnliches zumuten, wie ich heute. Der Text meiner Mail, die gerne in Teilen oder ganz übernommen werden darf, lautet wie folgt.

50hz - Werkstatt für Netzkommunikation » Blogarchiv » Netzsperren: Liebe Freunde und Bekannte, liebe Familie!

Das hier ist der Text meiner Mail:

Liebe Freunde und Bekannte, liebe Familie,

am Ende dieser Mail werde ich auf eine Petition beim Deutschen Bundestag verlinken, die sich gegen ein aktuelles Gesetzesvorhaben der Bundesregierung richtet - und um deren Mitunterzeichnung ich bitte.

Das Gesetzesvorhaben hat zum Ziel, die Verbreitung von Kinderpornographie in Deutschland einzudämmen. Das Vorhaben wurde von drei(!) Ministerien (von der Leyen, Zypries, zu Guttenberg) erarbeitet und wird von einer breiten Mehrheit des Bundestages getragen. Ein Gesetz also, an dem eigentlich nichts grundlegend falsch sein kann.

Und dennoch werde ich am Ende dieser Mail darum bitten, Euch mit Euren vollen Namen unter der Petition gegen dieses Gesetzesvorhaben einzusetzen.

Eine ziemliche Zumutung. Aber ich halte das Anliegen für so wichtig, dass ich niemandem diese Zumutung ersparen möchte.

Vorweg: Die Herstellung, die Verbreitung und auch der Konsum von Kinderpornographie sind ekelhafte Verbrechen. Staat uns Gesellschaft sind verpflichtet, dagegen mit allen geeigneten Mitteln des Rechtsstaates vorzugehen.

Leider ist es alles andere als trivial, gegen Kinderpornographie wirksam vorzugehen. Dieses Verbrechen findet überwiegend in einem dem gesunden Menschenverstand kaum zugänglichen Milieu und allzu häufig im unmittelbaren familiären Umfeld statt. Den Austausch von Bildern und Filmen organisiert man über schwer aufzufindende Wege, teilweise auch über das Internet.

In diese Mechanismen einzudringen und sie zu unterbinden erfordert akribische und teure Polizeiarbeit. Obwohl das seit Jahren bekannt ist, wird vergleichsweise wenig in diese Arbeit investiert. Insbesondere gibt es viel zu wenige Polizisten mit ausreichenden Kenntnissen über das Internet.

Unterstützt werden könnte die Polizei zudem von einer aufgeklärten und aufmerksamen Bürgerschaft, die sich nicht scheut, das Thema Kinderpornographie offen zu diskutieren und auf Verdachtsfälle hinzuweisen.

Das nun zur Beratung vorliegende Gesetz beruht vor allem auf der Initiative von Ursula von der Leyen. Ich schätze Frau von der Leyen für manche ihrer Initiativen zum Thema Familienpolitik. Beim Thema Kinderpornographie hat sie sich allerdings völlig vergaloppiert.

Das vorgelegte Gesetz - da sind sich alle einig, die sich mit dem Internet auskennen - ist in der Sache weitgehend wirkungslos. Gleichzeitig stellt es einen massiven Eingriff in bewährte Verfassungsprinzipien - bspw. das der Gewaltenteilung - dar.

Internetexperten weisen über alle Parteigrenzen hinweg seit Beginn der Diskussion über die geplanten so genannten Internetsperren auf die Probleme hin. Die klassischen Medien haben die Kritik lange Zeit ignoriert und seitens der Minister wird immer wieder der schwerwiegende Verdacht geäußert, alle Kritiker nähmen das Leid der Kinder auf die leichte Schulter oder würden gar die Kinderpornographie wissentlich unterstützen.

Damit wurde ein Klima geschaffen, das eine offene Diskussion der Netzsperren nicht eben angenehm macht.

Viele Kritiker sind dennoch bei der Stange geblieben und inzwischen wurde ein Hebel gefunden, das Thema einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Beim deutschen Bundestag ist eine Petition anhängig, die innerhalb weniger Tage das erforderliche Quorum von 50.000 namentlichen Unterzeichner erreicht hat. Damit hat es die Kritik in die Tagesschau geschafft und wird zumindest von den Medien langsam ernst genommen. Inzwischen gibt es sogar über 90.000 Mitzeichner.

Auf die verantwortlichen Minister macht das leider bislang keinen Eindruck. Im Gegenteil, sie diskreditieren die Kritiker weiter öffentlich, indem sie ihnen mittelbare Unterstützung beim Missbrauch von Kindern vorwerfen.

Ich halte es daher wie erwähnt für angemessen, Euch die Auseinandersetzung mit dem Thema zuzumuten.

Aus meiner Sicht geht es bei dem Ausgang der Beratungen über das vorgelegte Gesetz um einen Wendepunkt im Umgang mit dem Thema Internet. Es geht um den Einstieg in eine mit einer freiheitlichen Grundordnung nicht zu vereinbarende Überwachung des Internets. Oder es setzt sich endlich die Erkenntnis durch, dass wir alle uns in dem "Lebensraum Internet" gleichermaßen engagieren müssen, wie wir es hoffentlich in der realen Welt schon tun.

Wer sich jetzt fragt, warum er mir in dieser Sache mehr Vertrauen entgegen bringen soll als drei Bundesministern und der Mehrheit des deutschen Bundestages, dem möchte eine flapsige Frage mit einem ernstem Kern stellen: "Wen werdet ihr beim nächsten Mal fragen, wenn Euer Internet mal wieder nicht geht? Eher eine Ministerin von der Leyen oder jemandem wie mich?"

Wer sich noch weitergehend informieren möchte, dem kann ich folgende Texte ans Herz legen:

Für Zeitleser gibt es hier einen Leitartikel von Josef Joffe http://www.zeit.de/2009/21/Zeitgeist-21 und für FAZ-Leser einen längeren Text von Oliver Jungen http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~EAD036B1E03B84213841CFC2B08E5A989~ATpl~Ecommon~Scontent.html.

Jens Scholz hat sehr nachvollziehbar begründet, warum es sich bei der Netzsperre gegen Kinderpornographie zwar nicht um materielle Zensur geht, warum es aber dennoch um Zensur geht. Ich habe diesen Text hier dokumentiert: http://www.haltungsturnen.de/2009/04/warum-es-um-zensur-geht.html

Sehr fundierte Argumente finden sich auch bei Hanno Zulla, der hunderte Familien mit IT-Hintergrund hinter einer eigenen Initiative gegen die Netzsperren versammelt hat: http://www.hanno.de/blog/2009/erklarung-von-eltern-aus-it-berufen-zu-internetsperren/

Und wem Lesen zu anstrengend ist, der kann natürlich auch einfach mal Fernsehen: http://www.50hz.de/einfach-mal-fernsehen-zapp-ueber-zensursula/

Und hier geht es nun zur angekündigten Petition:
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=3860

Wer mag, darf meine Mail gerne weiterleiten!

Ich bitte euch, macht mit, leitet die Mail weiter, ruft eure Freunde und Verwandten auf, mitzumachen. Dieses Thema ist zu wichtig, um weiterhin so behandelt zu werden, wie es zurzeit geschieht.

27.4.09

Warum es um Zensur geht

Diesen großartigen Beitrag, den ich zu 100% unterschreibe, hat Jens Scholz am vergangenen Sonnabend geschrieben und in seinem Blog gepostet. Er bittet ausdrücklich darum, ihn weiterzuverbreiten, wenn er gefällt. Und da ich ihn für den bisher verständlichsten und richtigsten Beitrag zu diesem komplizierten Thema halte - und da ich bisher noch nicht darüber geschrieben habe, weil mir die richtigen Worte nicht einfielen -, tue ich genau das hiermit und schließe mich Kollegen wie René Walter (Nerdcore) oder Ralf Bendrath (Netzpolitik) an:


von Jens Scholz

Da reiben sich gerade so viele die Hände, daß man eigendlich ein beständiges Rauschen hören müsste. Die Idee, das Thema Kinderpornografie als Popanz vorzuschicken, um das nun geplante Internet-Zensursystem einzuführen war aber auch wirklich eine richtig gute. Hat das ja zuvor mit den Themen Terrorismus und Internet-Kriminalität nicht wirklich hingehauen, kann man hier spitzenmäßig mit dem Holzhammer wedeln und Kritiker einfachst diffamieren, indem man die eigentliche Kritik ignoriert und ihnen vorwirft, sie wollten die Verbreitung von Kinderpornografie schützen. Wie schnell schon der Vorwurf zum beruflichen und gesellschaftlichen Tod führen kann, zeigte man nur wenige Wochen zuvor ja schonmal anschaulich am Exempel Tauss (der übrigens natürlich nicht im Netz "erwischt" wurde, sondern über Handykontakte und DVDs per Post).
Aber ich schweife schon wieder - wie es durch die Wahl dieses Themas ja auch gewünscht ist - ab.
Denn das Problem, das die Kritiker haben, ist ja natürlich nicht, daß man den Zugang zu Kinderpornografie sperren will, sondern das Sperrinstrumentarium, das man dazu baut. Schaut man sich das an, merkt man schnell: Es geht nicht um Kinderpornos und wie man dagegen vorgeht. Ging es nie.
Es geht um die Installation eines generellen technischen Systems und die generelle Art und Weise, wie es betrieben wird: Es geht darum, daß eine waschechte, diesen Namen zu Recht tragende, Zensur ermöglicht wird. Auch wenn die zunächst gesperrten Websites tatsächlich nur Kinderpornografie beinhalten (was die Liste eigentlich extrem kurz halten müsste) wäre sowohl die Technik, die Verwaltung und sogar die Psychologie installiert, um sofort eine effektive Zensur betreiben zu können.

Technik
Die Provider sollen ihre Nameserver so umbauen, daß Webseiten, die das BKA aussucht und ihnen nennt, nicht erreichbar sind und dem Nutzer bei Aufruf stattdessen eine Sperrseite angezeigt wird. Gleichzeitig soll das BKA jederzeit abrufen könne, welche Nutzer auf Webseiten aus dieser Liste zugreifen wollten und stattdessen auf die Sperrseite geleitet wurden.
Ein normaler Internetnutzer, der seinen Nameserver nicht auf einen freien DNS-Server umstellt, sieht bestimmte Seiten nicht und erhält die Mitteilung, er wolle sich gerade Kinderpornografie ansehen. Ob das stimmt, weiß er nicht und nachprüfen darf er das auch nicht, da ja schon die Suche nach Kinderpornografie strafbar ist. Der Nutzer muss sich in diesem Moment weiterhin im Klaren sein, daß er gerade etwas getan hat, was das BKA als illegal ansieht und als Grund ansehen kann, gegen ihn vorzugehen.
Die allein schon technisch verursachten Risiken für jeden Internetnutzer sind immens, noch dazu, weil man damit auch noch eine perfide Beweisumkehr eingebaut hat: Sie müssen künftig ihre Unschuld beweisen, z.B. daß sie "versehentlich" die gesperrte Seite angesteuert haben. Viel Spaß beim Versuch, Richtern TinyUrls, iFrames, Rootkitangriffe, Hidden Scripting und so weiter zu erklären, wenn Sie überhaupt wissen, was das ist.
Die Lösung zunächst: Den Nameserver umstellen, um sich dieser Gefahr vollständig zu entziehen. Geht schnell und kann jeder.
Die Technik ist allerdings interessanterweise das kleinste Problem in dieser ganzen Geschichte. Es gibt Staaten, die in ihren Zensurbemühungen schon wesentlich weiter sind. Die Menschen dort können dennoch sowohl anonym als auch unzensiert das Internet benutzen. Das Internet ist von Nerds gebaut worden. Ein Staat kann da so viel fordern wie er will, er wird das Netz auf technischer Ebene never ever kontrollieren können.

Verwaltung
Hier liegen die springende Punkte, die das Ganze zum Zensurinstrument machen:
1. Die gesperrten Inhalte stehen auf einer Liste, die das BKA direkt und ohne Prüfungsinstanz erstellt und die die Provider möglichst ohne sie anzuschauen zu installieren haben. Es entscheidet kein Richter über den Inhalt, es überprüft keine unabhängige Institution über die Rechtmäßigkeit, es gibt keine Regelung, wie Adressen überhaupt wieder von der Liste gelöscht werden könnten. Die Polizei, die Verbrecher verfolgt, bestimmt, welcher Wunsch nach welcher Information ein Verbrechen ist. Vorab zu definieren, was ein Verbrechen ist und hinterher darüber zu entscheiden, ob ein Verbrechen begangen wurde ist aber nicht Aufgabe der Polizei.
2. Die Liste ist geheim. So lange diese Liste nicht in die Öffentlichkeit gerät kann alles drinstehen und nichts davon muss gerechtfertigt werden. Wer das in Frage stellt wird zum Verdächtigen. Wie Zensur in Reinform eben funktioniert.
3. Der Gesetzentwurf ist schwammig genug, daß das BKA im Prinzip alles in die Liste setzen kann. Da im Web jeder Inhalt nur einen Klick weiter vom letzten entfernt ist und das Gesetz möchte, daß auch "mittelbare" Seiten gesperrt werden können, kann somit de facto auch jede Seite gesperrt werden.
4. Das System soll die direkte Verfolgung von Zugriffen erlauben. es wird nicht nur gesperrt, sondern es kann auch nachgeschaut werden, wer sich die gesperrten Seiten ansehen will. Dies kann dann Anlass für verdeckte Überwachungen, Hausdurchsuchungen und andere existenzbedrohende Vorgänge sein.
Die Staatsanwälte dieses Landes üben ja seit einiger Zeit kräftig an der Vorverurteilungsfront, indem Sie inzwischen gerne mal Pressemitteilungen über eingeleitete Verfahren rausgeben und die Presse direkt zu möglichst spektakulär und öffentlichkeitswirksam inszenierten Verhaftungen mitnehmen (Zumwinkel, Tauss, Frau B.).

Psychologie
Womit wir schon beim gewünschten Effekt von Zensur sind: Die Einführung der Schere im Kopf. Die wirksame Selbstzensur, weil man nicht weiß, was eventuell passiert, wenn man zu laut und deutlich Kritik äußert. Die Geheimhaltung der Sperrliste und ihre völlige Unverbindlichkeit durch das Fehlen jeglicher Kontolle ist ein bewußt eingesetzes Instrument, um Verunsicherung zu erzeugen.
Ein anderes ist die Verknüpfung mit dem Thema Kinderpornografie, womit wir wieder am Beginn dieses Artikels wären. Man weiß ja inzwischen, daß auch nur der leiseste Ruch, man könnte eventuell irgendwas mit Kindesmissbrauch und Pädophilen zu tun haben, die Existenz vernichten kann, selbst wenn hinterher rauskommt, daß tatsächlich nichts an den Vorwürfen dran war. Wie nahezu generell nichts rauskommt. Das ist ein so extrem starkes und wirksames Druckmittel, was natürlich beispielsweise ein Herr Gorny sofort erkennt, weil sein Versuch, diese Schere im Kopf einzuführen (durch den Versuch, Filesharing als schreckliches Verbrechen zu diskriminieren), wirkungslos blieb und er sich nun an den besser funktionierenden Trigger dranhängt (indem er Urheberrechtsverletzung mit Kindesmissbrauch gleichsetzt).
Die Justizministerin gibt dann noch Tipps in die richtigen Richtungen, die natürlich prompt reagieren. Überhaupt, das mal ganz nebenbei, finde ich es immer wieder seltsam, daß Frau Zypries immer wieder als Warnerin vermittelt wird. Dabei war - so sagt sie zumindest - sie es, die den Gesetzentwurf gegenüber dem Vorabvertrag von Frau von der Leyen verschärfen ließ und dieser nun schon den Zugriff auf Stopp-Seiten verfolgen lassen will.

Um die Frage zu beantworten, warum und wann es in einer Gesellschaft überhaupt dazu kommen kann, daß ein Teil davon meint, einen solchen Eingriff vornehmen zu müssen und der andere Teil (zu dem ich u.a. mich zähle) darin ein so massives Unrecht sieht, das es zu bekämpfen gilt, kann man sich bitte den Artikel "Kampf der Kulturen" drüben bei netzpolitik.org durchlesen.