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21.12.11

Glaskugel 2012

Kennt ihr ja. Kaum droht ein neues Jahr, kann ich nicht an mich halten und muss irgendwie mehr oder weniger steile Vorhersagen machen, die dann eintreten. War letztes Jahr auch so. Da haben wir es mit der Absatzwirtschaft gemacht. Dieses Jahr mit w&v - dort findet ihr also dieses Jahr meine Ansagen, wie ich denke, dass 2012 wird. Hier nur kurz die Überschriften angedeutet, ausführlich dort, geht mal rüber....
1. Zielgruppen sind wieder da.
2. Social Media? Wieso Social Media?
3. Daten, Daten, Daten.
4. Das Jahr der Entscheidung zwischen Privatsphäre und Bequemlichkeit.
5. Social Commerce kommt, anders als wir dachten.
6. Der App-Boom endet.
Besonders wichtig ist mir persönlich übrigens die vierte Ansage. Dass dieser privacy divide kommt, davon bin ich überzeugt, er deutet sich ja bereits an. Dazu schreib ich auch noch mal ausführlicher, denn das ist ein Thema, das nicht nur mich als Kommunikationsberater betrifft sondern auch mich als Vater und mich als Politiker.

Und die sechste ist mir eine Herzensangelegenheit, die ich damit herbeischreiben und im kommenden Jahr herbeiarbeiten will. Weil mir das Internetz wichtig ist. Und Apps vielleicht online sind. Aber kein Internet.

10.12.11

Der Spin von SchülerVZ rund um den Flop-Button

Ich bin wirklich sehr froh, dass SchülerVZ am Ende eingesehen hat, dass ihre Pausenhof-App gar nicht geht. Es ist mir noch nie passiert, dass ich (mit ein oder zwei Ausnahmen und - selbstverständlich - einigen Trollen, die ich überwiegend gelöscht habe dieses Mal) eine so einhellige Zustimmung zu meiner scharfen Interpretation einer Sache, die mich aufregt, bekommen habe. Besonders von Menschen, die mit Kindern und Jugendlichen zusammenleben, aber nicht nur. Wie ein Kollege es so unfein ausdrückte, war die Sachlage hier wohl einfach nur eindeutig: "Der Bauer erkennt seine Schweinchen am Gang."

Vielleicht ganz kurz ein zeitlicher Abriss der letzten zwei Tage:
  • Am 8.12.2011 um 13:06 Uhr habe ich den ersten Tweet zu dem Thema geschrieben, die Resonanz darauf war so groß, dass ich um 13:28 Uhr meinen zornigen Blogpost online gestellt habe. Weil ich mich mit Johnny Haeusler von Spreeblick ohnehin oft über Kinder und Internet unterhalte, habe ich ihn zeitgleich auf das Thema hingewiesen - sein Beitrag hat dann die Geschichte so richtig ins Rollen gebracht. Weit über 10.000 Menschen haben allein bei mir den Beitrag angeguckt, die Erwähnungen bei Twitter, Google+ und Facebook waren Legion.
  • Rund 26 Stunden später (am 9.12.2011 um 15:11 Uhr) hat SchülerVZ dann die Pressemitteilung veröffentlicht, die ich hier dokumentiere - und einen Exit angekündigt. Damit ist das Thema nicht erledigt, es wird noch mehr nachkommen, von Medien, Eltern, Aktivisten. Vor allem aber sieht man an der Dokumentation, dass es nicht wirklich befriedigend ist - und dass SchülerVZ mindestens an einer Stelle in der Mitteilung versucht, einen Spin (so nennen wir PR-Leute den Versuch einer Umdeutung an der Kante zur Wahrheit) auf die Geschichte zu legen, der sogar für einen Spin das, was man landläufig so "Wahrheit" nennen würde, extrem überdehnt.
Darum hier die Pressemitteilung, die Anleitung der Pausenhof-App vom Vortag und ein Screenshot von der Situation in der App gestern Abend. Da ich keinen SchülerVZ-Account mehr in der Familie habe, endet meine Dokumentationsmöglichkeit damit. Die Situation vor dem Eingeständnis von SchülerVZ hatte ich ja schon am 8.12. dokumentiert.



Meine Punkte zu diesen Dokumenten und zur Gesamtsituation sind diese:
  1. Es gab den Flop Button, siehe die Screenshots. Dass man die Flops nicht sah, war erst bei längerer Nutzung zu merken. Mir scheint, die, die das abwiegeln, haben die App nicht getestet. Dass Mobbing nicht möglich gewesen sei, wie SchülerVZ in seiner Pressemitteilung behauptet, ist nicht wahr. Ich konnte es, wenn ich wollte.
  2. Es wurden nicht etwa Profilbilder bewertet sondern Personen. Hier sagt SchülerVZ in seiner Pressemitteilung nicht die Wahrheit. Sie schreiben, es gebe die "Möglichkeit, über Profilbilder von anderen schülerVZ-Mitgliedern ... abzustimmen". Unter 'VI. Top oder Flop' schreibt SchülerVZ jedoch in der Erklärung des Pausenhof-App, es sei möglich, "verschiedene Profile ansehen und diese per 'Daumen hoch' oder 'Daumen runter' bewerten." Könnt ihr oben nachlesen.
  3. SchülerVZ killt den Flop-Button, was ich gut finde. Die PM dazu ist das übliche PR-Geschwurbel, das wissen wir hier alle, kein Grund zur Aufregung. Dass sie durch konkludentes Verhalten anerkennen, dass sie falsch lagen, reicht mir grundsätzlich. Allerdings wünsche ich mir, dass sie zugeben, dass die Aufforderung an Kinder, andere Kinder als Flop zu bezeichnen, ein Überschreiten der Grenze ist. Ein Modell zur Rettung einer untergehenden Plattform (weil sie am Nutzermarkt nicht mehr nachgefragt wird) darauf aufzubauen, dass Kinder nun mal grausam sein können und oft auch grausam sind, halte ich für zynisch und eklig. Und dabei bleibe ich.
  4. Die Tonalität der Pressemitteilung spiegelt die Gesamthaltung der VZ Netzwerke Ltd. wider, die mir seit langem von einer Weigerung geprägt zu sein scheint, die Realität wahrzunehmen. Aber das ist mir ehrlich gesagt egal.
  5. Dass sie auf Druck reagieren, und das recht schnell (rund 26h), ist gut. Ich kann ja nicht nur meckern. Dass sie so reagieren, wie sie reagieren, zeigt aber auch, dass sie offenbar anders zu der Frage stehen, ob man sexualisiert und auf die Grausamkeit von Kindern spekulierend werben sollte, als ich es tue.
  6. Unklar ist mir, wie der Pausenhof funktionieren soll, wenn die zentrale Funktion wegbricht. Etwa so wie auf dem Screenshot von gestern abend? Das könnte ja nun wirklich nicht der Ernst sein, SchülerVZ, oder? Den gesenkten Daumen durch einen Pfeil nach rechts ersetzen? Vielleicht ist es ein Schnellschuss, um etwas zu tun, dann ist es ok. Aber vielleicht lohnt es sich, das weiterzuverfolgen.
Danke für alle Unterstützer. Danke für eure Tweets, Artikel, Anfragen. Es lohnt sich, auf die Barrikaden zu gehen und nicht einfach hinzunehmen, wenn ein Unternehmen die Grenze überschreitet.

8.12.11

Es wird Zeit, zu gehen, SchülerVZ



Ich habe mich geirrt. Das Jahr geht zu Ende und die VZs gibt es noch. Formal zumindest. Das, was man an Insiderdingen hört, lässt zwar vermuten, dass ich mich nur um wenige Monate vertan habe mit der Prognose, dass sie dieses Jahr aufgeben oder ihr Geschäftsmodell ändern, aber...

HALT.

Geschäftsmodell ändern? Vielleicht hatte ich doch recht. Zumindest bei SchülerVZ. Das Bild oben ist aus einer Mail, die sie heute an ihre Mitglieder verschickt haben, zumindest an die Inaktiven (andere kenne ich nicht). Offenbar will SchülerVZ die mehr oder weniger offizielle Mobbingplattform an deutschen Schulen werden, also ungefähr das Gegenteil dessen, was ich ihnen als Ausweg empfohlen hätte (denn hey, für sehr junge Kinder könnte es - in Zusammenarbeit mit den Eltern - spannend sein, in einem Netzwerk mit deutschen Moderatoren und deutschem Datenschutz zu sein oder so, naja, Chance vertan).

Um es ganz klar zu sagen: Damit überschreitet SchülerVZ eine Grenze, die sie niemals hätten überschreiten dürfen. Hat von denen eigentlich irgendjemand Kontakt zu Jugendlichen? Also im richtigen Leben jetzt? Mobbing ist kein Kavaliersdelikt. Mobbing ist eine der schlimmsten Formen von Gewalt, die im Alltag deutscher Schulen vorkommt.

Heute abend, wenn sie zu Hause sind, werde ich mich mit meinen (jugendlichen) Söhnen hinsetzen und sie werden ihre (selbstverständlich ohnehin inaktiven) Accounts bei SchülerVZ löschen. So einen Dreck wie dieses Pausenhofmobbing mache ich nicht mit, nicht mal passiv. Und ich rufe hier und via Twitter und Facebook alle Eltern auf, es ebenso zu machen. Eure Kinder, die sich damals mal bei SchülerVZ angemeldet haben, bevor sie zu Facebook gewechselt sind, wurden auf ein Portal umgezogen, das damit wirbt, dass man da super einfach und spaßig mobben kann. Das ist eklig. Fast noch ekliger als diese eklige Mediamarktwerbung mit diesem Konsumbaumdingens.

SchülerVZ, es wird Zeit für dich, zu gehen. Nicht, damit ich recht behalte. Sondern weil deine Zeit abgelaufen ist. Weil du in deiner Verzweiflung offenbar nur noch in die unterste Schublade greifen kannst. Im Sommer, mit deinen Porno-Chic-Mails an die Schülerinnen (weißt du noch, dieses Ding mit den Bildern, auf denen die jungen Leute fast nix anhatten), da dachte ich, es geht nicht mehr schlechter und weiter nach unten. Ich hatte mich schon wieder geirrt.

SchülerVZ, das Maß ist nun voll, das Fass ist nun übergelaufen. Ich bin beileibe kein Fanboy von Facebook und finde, dass die Kosten (Daten, Sicherheit, Cookies) dort langsam anfangen, den Nutzen nicht mehr aufzuwiegen. Aber mit dir, SchülerVZ, will ich nichts mehr zu tun haben. Nicht mal passiv. Und ich verbiete meinen Kindern, bei dir Mitglied zu sein. Da bin ich ganz altmodisch und autoritär. Stirb allein. Lass Menschen mit Hirn und Herz in Ruhe.

Edit 9.12.2011, 18.00 Uhr
Wir haben es geschafft: SchülerVZ killt den Flop-Button. Gut so.

Edit 10.12.2011, 10:00 Uhr
Alle neuen Punkte, meine Bewertung des Sieges der Pädagogik und der guten Sitten über SchülerVZ und eine Dokumentation der Pressemitteilung und der vorherigen Nutzungsbedingungen - siehe meinen zusammenfassenden aktuellen Post.

23.6.11

Did u hear me?

Für das Jahr 2011 habe ich vorausgesagt, dass mindestens StudiVZ so am Ende sein wird, dass es entweder verschwinden oder den Weg Mypaces gehen wird, also sein Modell verändern, kein Netzwerk mehr sein will. Das haben sie ja dann auch schneller als gedacht untermauert, als sie zum 1.4. eine Vermarktungsgemeinschaft geschaffen haben. Auf den einen oder die andere wirkte das, als ob zwei Halbtote sich zusammen tun, damit es so aussieht, als ob sie lebendig wären. Aber gut, jeder, wie er mag.

Diese Woche sind nun zwei Dinge passiert, die mich meine These verändern lassen:
Ich bin überzeugt, dass nicht nur StudiVZ dieses Jahr verschwinden wird - sondern auch SchülerVZ.
Um die wirklichen Größenverhältnisse der Social Networks in Deutschland festzustellen, nutze ich den doubleclick ad planner.
Grund: In Statistiken, die auf der IVW beruhen, sind nicht nur die VZs (also Studi-, Schüler- und Mein-VZ) nicht vernünftig ausgewiesen (sondern nur völlig unbrauchbar für Kommunikationsagenturen gemeinsam als "VZ Netzwerke") - sondern Facebook gar nicht. Der ad planner hat seine eigenen Probleme, aber für die Entwicklung von Monat zu Monat und für den Vergleich der Seiten untereinander ist er brauchbar, denn die Fehler und Schwächen gelten ja für alle Seiten, die er ausweist.
Und der zeigt für den Mai dramatische Entwicklungen:
  • StudiVZ ist inzwischen sogar hinter Xing (!!) zurück gefallen und erreichte nur noch 2,4 Mio Visits.
  • SchülerVZ verliert erstmals seit langem im Mai dramatisch an Visits.
  • Allein von März bis Mai verliert SchülerVZ über 30% und StudiVZ noch einmal rund 25% bei den monatlichen Visits.
  • meinVZ ist inzwischen nach Visits das "größte" der VZ-Netzwerke.
  • Facebook ist inzwischen nach Visits zweimal größer als alle anderen Netzwerke in Deutschland zusammen.
  • Auch wenn die Vermarktung der VZs und die IVW und einige Mediaagenturen, die noch mit der VA 2010 (!) operieren, beispielsweise behaupten, SchülerVZ sei eine relevante Onlineplattform für Jugendliche, bin ich da inzwischen nicht mehr nur skeptisch. Und finde es zunehmend absurd, eine Kampagne für das zweite Halbjahr 2011 (um mal ein Beispiel zu nehmen) auf solchen Zahlen zu entscheiden, wenn aktuelle Zahlen nahelegen, dass die VZs weiterhin und radikal abzuschmieren scheinen.

    Aber heute früh ist dann etwas passiert, das noch viel deutlicher als alles andere bisher zeigt, dass auch SchülerVZ am Ende ist. Siehe den Screenshot einer Mail von SchülerVZ hier, die offenbar an alle Mitglieder geht, ebenso wie gestern nahezu gleichlautend (!) an StudiVZ und meinVZ - nur mit etwas anderen Bildern. André Vatter nannte das schon gestern Abend den Start des Ausverkaufs. Und er hat Recht. Und als Vater, dessen ältere Kinder eine kurze Zeitlang dort aktiv waren und noch immer einen toten Account dort haben, setze ich noch eines drauf: Wer so Kinder anspricht, bekommt von mir Hausverbot.

    Bisher konnte ich diejenigen Eltern verstehen, die sagten, dass sie SchülerVZ als im Vergleich zu Facebook geschütztere Umgebung bevorzugen für ihre Kinder. Communitymanagement und so, u know. Jugendschutz. Ethikstandards. Und nun?

    Wie groß muss die Verzweiflung der VZs sein, wenn sie alles über Bord werfen, was sie hätte retten können oder was ihnen hätte helfen können, sich in die Nische "Kinder unter 14" zurück zu ziehen - also in die Nische, in der sie eine theoretische Überlebenschance gehabt hätten (denn ab 14 ist SchülerVZ aufgrund seiner faktisch maximal nationalen Ausrichtung ohnehin irrelevant für alle Kinder, die auf eine weiterführende Schule mit Fremdsprachenangebot gehen, Austausche, Reisen und so).

    Dann geht halt sterben. OK. Aber hört wenigstens auf, unsere Kunden zu verwirren.

    16.11.10

    Massenhafte Medien. Die Präsentation.

    Die Seminarsaison 2010 geht zu Ende. Und darum wird es Zeit, die (sehr gekürzten) Basisfolien mal online zu stellen. Klar - da kommen noch sehr viele Beispiele und Strategieansätze und so was dazu, was sich nicht für das Internetz eignet. Aber die Grundrichtung und Grundphilosophie wollte ich doch mit euch teilen.

    Massenhafte Medien statt Massenmedien

    (ach witzig, die von YouTube eingebundenen Videos werden beim wiederum Einbinden der Präsentation im Blog nicht mit eingebunden. Also rüber gehen zu slideshare bitte, wenn die beiden Videos dabei sein sollen nach Folie 1 und 34 Update: hm. Jetzt werden die Videos hierhin mitgenommen, aber das tolle "A life on Facebook"-Video ist bei YouTube gesperrt worden einer Urheberrechtsverletzung wegen. Wie gut, dass ich es als mp4 lokal habe und dass es noch bei Vimeo zu sehen ist.)
    Zwei Punkte will ich als Erfahrung aus diesem Jahr schon weitergeben - die werden auch andere gemacht haben, die Fortbildungen und Beratung anbieten:
    • Erstmals begann der Kenntnisstand bei Teilnehmerinnen der Seminare, Workshops und Vorträge auseinanderzufallen. Das ist auch ein Grund, warum ich mit meinem bevorzugten Seminargastgeber (den media workshops von news aktuell) für das kommende Jahr einen Fortgeschrittenenworkshop anbieten werde. Es wurde zunehmend schwieriger, die verschiedenen Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Bei den allermeisten Seminaren, die ich gebe (in Unternehmen direkt), ist das nicht so ein Problem, weil wir die Inhalte genauer zuschneiden können, aber bei offenen Seminaren fällt es doch auf.
    • Die Motivation von Workshopteilnehmerinnen hat sich geändert. War es die ersten fünf Jahre eher so, dass viele mal gucken wollten, dass einige schon privat den Raum erkundeten und nun nachdachten, wie sie es in ihren Beruf integrieren, werden mehr und mehr Lernende bewusst in dieses Thema geschickt - so wie es nahezu keine Kundengewinne für Agenturen mehr gibt, wenn die Agentur nicht behauptet (und hoffentlich auch wirklich nachweist), dass sie "Social Media kann", bauen mehr und mehr Unternehmen gezielt weiteres Wissen in diesem Feld intern auf. Das freut mich, denn es macht die Arbeit leichter. Und es zeigt, dass das Thema im Mainstream angekommen ist.
    Ja, ich denke immer mehr, dass Social Media erwachsen geworden ist und als ein Baustein heute zu allen (!) Kommunikationsdisziplinen gehört. Fünf Jahre, nachdem die ersten Großagenturen weltweit und auch in Deutschland gezielt Social-Media-Expertise reingeholt und aufgebaut haben, kann man nicht mehr guten Gewissens von Experimentieren sprechen oder davon, dass es beispielsweise zu wenig Erfahrung gäbe, um [setze ein beliebiges Wort aus dem Kommunikationscontrollingwortschatz ein].

    Ein Freund, der zu den Leuten gehört, die ich in diesem Bereich tatsächlich guten Gewissens empfehle, sagte neulich, er rechne damit, dass 2011 die "Nacht der langen Messer" komme. Was er meint (und dem schließe ich mich komplett an, das denke ich auch), ist, dass sich 2011 die Spreu vom Weizen trennen wird. Wer nicht bei jedem Projekt den konkreten ROI der Maßnahmen in Social Media wird ausweisen können, ist weg vom Fenster. Punkt. Meine Prognose. Weitere werden folgen... ;)

    30.10.10

    Die peinliche Woche für die Berater

    Es ist schon witzig. Die meisten, die Unternehmen und Marken zu Social Media beraten, sind sich einig: das Wichtigste ist zunächst das Zuhören. Aber einige scheinen das zu vergessen, wenn sie die Chance zu einem Scoop wittern. Das kann auch nach hinten losgehen und im Ernstfall sogar massiv die eigene Reputation beschädigen. Ich denke, genau das ist einigen in den vergangenen beiden Wochen passiert.

    Auf der einen Seite sind da die Berater, die nicht aus der Praxis kommen, sondern vor allem mit Vorträgen und Workshops glänzen (was absolut ok ist, kein Problem damit). Denen kann und will ich nicht vorwerfen, dass sie nicht erkennen, was die Deutsche Bahn mit dem Chefticket will, was Sinn und Unsinn davon war - und dass sie dann zu dem übereilten Schluss kommen, es sei ein PR-Gau oder so was oder komme von Anjatanjas. Dass gerade deren Blogs von Journalisten gerne gelesen werden, führt dann halt auch mal zu absurden, recherchefreien Artikeln wie dem bei heute.de oder dessen lauwarmen Aufguss bei kress.de (den ich vor lauter Fremdschämen nicht mal verlinken mag).

    Und dann ist da der tragische Fall des PR-Bloggers, der so fest mit dem Namen des Kollegen Klaus Eck verknüpft ist, dass der unterirdische Schnellschuss seines Gastautors Jochen Hencke sogar geeignet ist, Klaus' Reputation zu beschädigen (was doppelt ironisch ist angesichts seines Tätigkeitsfeldes Reputationsmanagement).

    Ernsthaft bestürzt war ich von Anfang an darüber, dass viele, viele aus dem so genannten "Berater-Mob" (nicht mein Wort, es fiel in diesem Zusammenhang mehrfach auf der Social Media Conference in München) von einem Zwang zum Dialog faselten, davon, dass hier eine Krise sei oder so was. Dass die Lautsprecher sich nicht die Mühe machten, mal zu gucken, ob das vielleicht einkalkuliert war, vielleicht sogar unter Kontrolle, oder - oh Schreck - bewusst provoziert. Sondern dann hektische Was-die-Bahn-jetzt-machen-muss-Artikel gebloggt haben oder mit E-Mails um sich warfen.

    Diese Woche nun, also die Woche, in der die Verkaufsaktion für das Chefticket begann,hat gezeigt, dass alle die Recht hatten, die schon von Anfang an den Kopf über die Schreihälse geschüttelt hatten. Denn auf einmal geht auch die Kampagne los, beispielsweise mit einigem Media-Aufwand, beispielsweise mit einem Wallpaper auf bild.de:

    Werbung für das Chefticket

    Im besten Fall wird den Beratern, die sich allzu schnell zu allzu voreiliger Kritik haben verleiten lassen, das Ganze peinlich sein. Im schlechtesten rennen sie unter Absehung der Fakten noch ein paar Monate über Konferenzen und haben das Chefticket als Negativbeispiel dabei (wie diese Woche beim Social Media Club Hamburg und bei der Social Media Conference München). Im realistischen und nicht minder absurden Fall werden sie das Ganze so drehen, dass sie Recht hatten und es trotzdem ein Erfolg war. Viel Spaß.

    Ich denke, dass einige von den "Beratern" deshalb so verschreckt auf die Chefticket-Aktion reagiert haben, weil sie Social Media bisher fast ausschließlich durch die PR-Brille betrachtet haben. Es waren ja auch vor allem Leute aus der PR oder dem Journalismus, die so geschrieen haben. Und für viele PR-Leute ist ja merkwürdigerweise "Dialog" immer noch die Monstranz ihrer Arbeit und für einige sogar immer noch ein Ziel. Was sie nicht erkennen, ist, dass Dialog immer nur ein Instrument zu einem wichtigeren Ziel ist, so wie PR immer nur ein (oft kleines, weshalb die Budgets auch so klein sind) Instrumentenfeld innerhalb der Gesamtkommunikation und vor allem innerhalb von Marketing und/oder Vertrieb ist.

    Die Reaktion der PR-Social-Media-Blase auf das Chefticket zeigt mir: Auch wenn der kritikfeste Dialog, die Heimat der PR, vor allem in den ersten Jahren ein sehr hilfreiches Instrument war, um in den Social Media zu bestehen, so ist er eben immer noch notwendig - aber längst nicht mehr hinreichend. Die guten und erfolgreichen Social-Media-Projekte kommen immer weniger aus der PR und immer mehr aus anderen Bereichen (siehe Chefticket, siehe "Telekom_hilft", siehe 1&1, siehe - jaja, pro domo, weil unsere Projekte - Hornbach und Carlsen). Und weil vor allem die Social-Media-Spezis, die aus der PR kommen, sich auch immer noch so schwer tun mit der Frage nach dem ROI (Return on Investment) schon ihrer Herkunftsdisziplin und erst Recht ihrer Social-Media-Maßnahmen, weil es ihnen so schwer fällt, zu benennen, was "bottom line" rauskommt, werden sie - das ist meine Prognose - auch dieses Feld wieder an andere verlieren. Und zwar im kommenden Jahr. Hear my words.

    Zu meiner Einschätzung des Chefticket bisher habe ich mit Alex Wunschel übrigens auch den jüngsten Brouhaha aufgenommen. Und wenn ich es mal so unbescheiden sagen darf: Ich finde, es ist einer der besten, die wir bisher gemacht haben.





    Download MP3 (24:27; 22.6MB)


    [disclosure: Ich leite den Bereich "digitale Strategie" bei achtung! und einer unserer größten Kunden ist die Deutsche Bahn AG. Wir haben mit dieser Kampagne nichts zu tun, waren nicht involviert und nicht betroffen. Aber ich kenne den einen und die andere, die damit zu tun hatten. Das habe ich übrigens mit einigen der heftigen Kritiker dieser Kampagne gemeinsam, von denen sogar welche zum engeren Zirkel gehörten, die diese Aktion geplant hatten.]