23.9.14

Ich weinte vor Rührung und Freude. Und vor Zorn

Gestern und heute schwappte eine Geschichte durch meinen Facebook-Strom (merkwürdigerweise noch nicht in gleicher Intensität durch mein Twitter). Nicht alle verlinkten auf den gleichen Artikel und ich musste auch etwas suchen, bis ich ein Video in hoher Qualität von diesem Ereignis fand. Aber an vielen, vielen Stellen poppte diese Geschichte mit und von Emma Watson auf. Zu Recht.

Seit einiger Zeit horche ich immer auf, wenn von Frau Watson die Rede ist, weil sie sich klug und klar zu Fragen des Feminismus und der Geschlechtergerechtigkeit äußert. Das finde ich schon darum so besonders interessant und wichtig, weil meine Jungs mit ihr aufgewachsen sind, die ältesten mit ihr gemeinsam erwachsen geworden. Irgendwie gehört sie für meine Generation zur Familie, vielleicht geht es ja der einen oder anderen von euch auch so.

Ich habe mir also ihre Rede vor den Vereinten Nationen zur HeForShe-Bewegung angesehen.

Tränen der Rührung
Nun bin ich ohnehin eher nah am Wasser gebaut, was solche emotionalen Momente angeht - aber hier hat es mich wirklich gepackt. Frau Watson hat mich gepackt, gerade als männlichen Feministen.



Ihre zugleich emotionale und extrem scharfsinnige, intellektuell anspruchsvolle Rede ist großartig, finde ich. Wie sie gegen die dummerhaftigen und schrägen neuen Antifeministinnen anspricht, sich klar und deutlich positioniert als Feministin, erklärt, wie es kommt, dass sie Feministin wurde.

Ich selbst bin ja in einer feministischen Umgebung groß geworden, sozusagen in den Experimentalraum einer neuen Gemeinschaft von Männern und Frauen hinein geboren und gekommen. Seit den 80ern waren die links-evangelischen Kirchen und Gemeinden in Nordeuropa und damit auch in Norddeutschland, in denen ich aufwuchs, solche Räume, in denen es leicht und fast selbstverständlich war, als Mann Feminist zu sein. Bis heute ist es sowohl interessant als auch großartig, dass in den evangelischen Kirchen nicht-sexistische und geschlechtergerechte Sprache und Praxis üblich und verbreitet ist. Unter Frauen und Männern.

Als Vater von Söhnen und einer Tochter habe ich keine andere Wahl als Feminist zu sein. Und unterstütze ich Frau Watsons Aufruf, dass sich auch und gerade Männer ändern müssen und ihren Teil zu einer guten und gerechten Welt beitragen.

Tränen des Zorns
Und dann sah ich die Links auf die Artikel, die zwar Emma Watson zujubeln, es aber mit einem fiesen Derailing verbinden. Die behaupten, Frau Watson denke den Feminismus neu und wolle, dass Männer nicht so hart angegangen werden ("not shaming men in the process", dafür gibt es keine elegante Übersetzung irgendwie).

Diese Interpretationen machen mich wirklich sauer. Denn sie sind einfach falsch und so etwas sagte sie an keiner einzigen Stelle. Im Gegenteil fordert Frau Watson die Männer auf, sich an die Seite von Feministinnen zu stellen, selbst Feministen zu werden, und die Welt zum Besseren zu verändern. Auch, weil viele von uns Männern auch selbst krank werden und leiden unter der Ungerechtigkeit und den stereotypen Rollenzuschreibungen.

Damit hat sie aus meiner Sicht Recht. Und gerade als Vater von drei Söhnen ist mir deren feministische Erziehung ja nicht nur wichtig, damit sie zu denen gehören, die die Welt ein bisschen besser machen - sondern eben auch, weil es ihnen damit besser gehen wird. Davon bin ich überzeugt.

Wenn Emma Watson Männer mit anspricht in ihrer Rede und mit ihrem Programm, dann nicht sanft oder verständnisvoll. Sondern klar und deutlich. Und mit dem Hinweis, dass sie sich radikal ändern müssen. Dass gerade Männer diesen radikalen Weg mitgehen müssen. Was ich bewundere an ihrer Rede, ist, dass sie Männer einlädt, Teil der Bewegung für eine gerechtere Welt zu werden. Und sie auffordert, sich zu entscheiden. Denn Maskulinisten und vergleichbare Idioten sind eben dies: Idioten, für die es keine Entschuldigung gibt.

Schaut euch noch einmal ihre Rede an. Und noch einmal. Hört ihr sorgfältig zu, denkt nach. Ich bin mir sicher, dass diese Rede von Emma Watson dazu beitragen kann, den eigenen Blick auf Feminismus zu verändern. Und sich zu radikalisieren. Das hat sie jedenfalls mit mir gemacht.