31.5.23

Gerste

Jetzt ist ein bisschen Ruhe vor dem Sturm. Die ersten Silageschnitte sind drin, das erste Pferdeheu ebenfalls. Der Raps ist verblüht, die Ackerbohnen und selbst der Mais machen die letzten Flächen langsam grün. Und das Wintergetreide dominiert das Bild. 

In dieser Zeit, im Übergang von Frühling und Frühsommer, liebe ich vor allem die Gerstenfelder. Bei der Fahrt übers Land kann ich mich daran kaum sattsehen. Da liegen sie mit ihrem weichen Pelz, der sich im Wind leicht bewegt und die Fläche fast glitzern lässt. Noch ist alles in einem frischen hellen Grün, fast sinnlich, vor allem, wenn ich aus einem Stück Buchenwald komme, diesem warmen, lichten, halbschattigen Ort der Kühle, dann in die flirrende offene Landschaft, wo es wogt und changiert. 

Das Herz will fast zerspringen vor Freude über das Leben. Für einen Moment ist alles vergessen, was Ärger macht oder traurig, wo Arbeit wartet und der Rücken schmerzt. 

Jedes Jahr am Anfang, wenn der Raps in voller Blüte steht, denke ich, es kann nicht mehr schöner werden. Und dann kommt diese Zeit mit der Gerste. 

Hach. 

29.5.23

Sport

Diese Saison bin ich nicht als Turniertrottel unterwegs. Oder Groom, wie es im offiziellen Turniersprech heißt. Quarta macht Abitur, da passen die aufwändigen Campingwochenenden mit Pferd nicht so gut rein. Dafür haben wir gestern den Tag genutzt, um zu dem großen Spitzensport in Norddeutschland zu fahren, auf den Kronshof direkt südlich der Elbe. 

26.5.23

Gewaltlosigkeit ist Gewalt

Bei all den überaus absurden rhetorischen Verrenkungen der letzten Wochen, in denen die Gesetzesbrecher*innen innerhalb der Regierung und von der parlamentarischen Opposition, all diese Radikalen, die wider jedes Wissen sagen, dass wir mit dem Umbau, der Wärmewende, der Dekarbonisierung noch Zeit haben, in denen diese also behaupten, gewaltfreier Widerstand sei Gewalt und Opposition sei organisiertes Verbrechen, musste ich öfter an die radikalen Äußerungen der CSU-, CDU-, vieler SPD- und FDP-Leute während der Auseinandersetzungen in den 80ern um Pershings, Startbahn West, Brokdorf, Kalkar und Wackersdorf denken.

Die Irren unserer Zeit stehen dabei ja wirklich in der Tradition von Friedrich Zimmermann, der mir auch das Vorbild von Olaf Scholz zu sein schien, als der Innensenator in Hamburg war. Zu Zimmermann hat Heinz Rudolf Kunze damals ja ein tolles Lied geschrieben. Aus Mastodon fischte ich dann gestern den Hinweis auf einen anderen intensiven Text von ihm. Damals war er einfach ein wirklich guter Texter. 1984 schrieb und performte er seine Variationen über einen Satz des Bundesinnenministers aus dem Monat Juli des Jahres 1983. Und dem ist auch heute nichts hinzuzufügen.

Mutloses Abwinken
ist Mut
Tatenloses Zusehen
ist Tat
Rechtloser Zustand
ist Recht
Hoffnungslose Anpassung
ist Hoffnung
Rettungslose Verzweiflung
ist Rettung
Skrupelloser Zynismus
ist Skrupel
Schonungslose Ausrottung
ist Schonung
Erbarmungsloses Dreinschlagen
ist Erbarmen
Gnadenlose Zukunftsvernichtung
ist Gnade
So hätten sie's gern
gewaltloser Widerstand
ist Gewalt
widerstandslose Gewalt aber
Ist nur Widerstand
gegen die Gewalt der Gewaltlosen

Und ein ärmelloses Hemd
ist ein Norwegerpullover
Und George Orwell
ist Walt Disney


25.5.23

Glück

Wenn du nach drei Tagen Bahnfahren, Workshops und Kreativarbeit zurück aufs Land kommst – und drei Fohlen auf der Weide spielen. Und du dich auf die Bank setzt, die du da aufgestellt hast, das Gesicht in die Abendsonne hältst, die Füße baumeln lässt. Wenn dann die Fohlen erschöpft ausruhen und ihre Mütter entspannt grasen. Wenn drüben im Haus die Sauna aufheizt und die Hunde unter der Bank liegen. 

Dann denke ich wieder, wie gut die Entscheidung war, aufs Land zu gehen. Wie es mich immer wieder in schnellster Zeit auftankt und besser macht. Wie sehr sich die knappe Stunde lohnt, die sich eine Fahrt seitdem verlängert. 

Dann merke ich, was für Glück ich habe. 

24.5.23

Orban gefällt das

Vor allem in frühen Phasen ist ein Terrorregime schwer zu erkennen. Aber zu den untrüglichen Signalen gehört wohl, dass es seine Gegner*innen als Terroristen bezeichnet. Dann sollten wir hellhörig werden. Ein weiteres untrügliches Zeichen ist eine geduldete, schleichende Aushöhlung der Gewaltenteilung, so wenn die Exekutive agiert, als wenn beispielsweise eine Verhaftung bereits ein Schuldspruch sei. Oder wenn Regierungsmitglieder von ihren Gegner*innen sprechen, als wären sie verurteilte Straftäter*innen. Wenn sie den Versuch unternehmen, Gerichten Entscheidungen zu diktieren. 

Am Ende der frühen Phase eines Terrorregimes wird es dann deutlicher. Regierungsmitglieder schlagen dem Parlament nicht mehr vor, Gesetze zu ändern, sondern ignorieren sie einfach. Der Übergang in die Zustimmungsdiktatur wird dann davon begleitet, Entscheidungen mit Umfrageergebnissen zu begründen. Dann ist Widerstand nicht nur legitim sondern geboten. Dann ist das Terrorregime etabliert. 

Oder, wie Orban sagen würde: eine illiberale Demokratie. 

21.5.23

Die Deutsche Religion

Die deutscheste aller Religionen ist ja wohl der Spargelkult. Ich bin ein Anhänger dieses Glaubens. Aber nach Jahren einer geradezu zelotischen Richtung bin ich in die etwas lockerere, synkretistische Denomination gewechselt.

Und so haben wir eine Vielzahl großartiger Gerichte entdeckt. Aktuell mein liebstes gab es gestern. 

20.5.23

Musik und Menschen

Vor sehr viele Jahren waren wir ein paar Mal bei den Sommerlichen Musiktagen Hitzacker, damals das interessanteste Kammermusikfest im Norden Deutschlands, inspiriert von Donaueschingen im Grunde. Letztes Jahr hat Constantin Stahlberg mit seiner Stiftung und seinem Kultur Gut Hasselburg ein neues Kammermusikfest gegründet, dessentwegen wir in den Freundeskreis eingetreten sind – und das dieses Wochenende seine zweite Auflage erlebt.

17.5.23

Beobachtungen (Kommunalwahl)

 Mit zwei Tagen Abstand doch noch ein paar Überlegungen zur Kommunalwahl in Schleswig-Holstein und ganz konkret bei mir auf dem Land. Denn ich finde es fast etwas schade, dass diese Wahl so wenig im medialen Fokus ist außerhalb unserer Lokalmedien – lassen sich doch einige Dinge daraus lernen für die aktuellen Debatten und Strategien auch über die kommunale Ebene hinaus.

16.5.23

Es geht los

Das erste Fohlen ist da, drei sollen es dieses Jahr werden, wenn alles losgeht. Passend am ersten Tag, der nicht mehr schön und warm war, wollte es also raus. Naja. Wir freuen uns trotzdem. Es ist ein Falbe und ein Hengst. Auch, wenn ich erst dachte, es werde ein Braunfalbe sein, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass es ein Mausefalbe ist. Zumal seine Mutter wahrscheinlich auch mausfalben ist. 

Herzlich Willkommen, kleiner Áli. Mehr Fotos im Pferdeblog.

Áli von Heidhörn mit seiner MutterÁli von Heidhörn mit seiner MutterÁli von Heidhörn mit seiner Mutter



13.5.23

Erstaunlich

… finde ich, wenn eigentlich vernunftbegabte Menschen, die ein gerüttelt Maß an Haltung haben, all dies über Bord werfen, wenn ihnen ein billig-effektvoller Text über den Weg läuft, der ihr Gruppenunbehagen halbwegs elegant formuliert. 

Zumindest vermute ich, dass es darum geht, wenn sie einen Link auf dieser facebookigen Plattform drüben teilen, in dem es offenbar um diese Plattform geht. Große Selbstbefriedigungsvermutung. 

Aber was weiß ich. Ich klicke nicht. Nicht mal, wenn ihr alle sagt, das sei ein toller Text. Wenn ihn jemand auf einer demokratiezersetzenden Plattform eines ehemaligen Verlages publiziert, dann ist mir das egal. Denn dafür hat sie sich ja entschieden. Sie ist ja bewusst Ressortleiterin einer Hetz- und Desinformationsseite. Dann können wir dies eine sprichwörtliche Korn auch aussortieren, das sie vielleicht gefunden haben könnte. Wenn wir einen Kompass zur Hand haben, werden wir das sicher tun, oder?

12.5.23

Parallelgesellschaft

Am meisten fasziniert mich in den letzten Wochen, wie sehr quasi alle journalistischen Medien mitsamt einem Teil "der Politik" nur noch eine Parallelgesellschaft abbilden – und wie verschwindend deren Relevanz in der Breite zu sein scheint. Aufgefallen ist mir das als Medienextremnutzer inklusive Diskussionsmedien im Kommunalwahlkampf auf dem Land in einer CDU-Hochburg.

Beispielsweise spielte die Desinformationskampagne der CDU über privates Heizen exakt keine Rolle in Gesprächen. Und wenn jemand das Thema ansprach, war es ganz anders als erwartet – eher ein "Ist irgendwie doof für mich, aber muss ja sein". Selbstverständlich haben einige CDU-Kandidaten hier auf den Dörfern in ihren alten Häusern in den letzten Jahren Photovoltaik und Wärmepumpen eingebaut. Was zum Teil auch daran liegt, dass eine bestimmte soziale Schicht für die kandidiert, klar. Selbstverständlich waren nur drei CDU-Gemeindevertreter als befangen rausgegangen, als das Konzept für die PV-Freiflächenanlagen in der Gemeinde beraten wurde. Weil sie nämlich schon mal ihren Bedarf angemeldet haben. So wie die meisten Landwirt*innen.

11.5.23

Gold

Ich finde wenig so schwer in Worte zu fassen wie Düfte. Vielleicht habe ich darum auch nicht so gute Dufterinnerungen. Ja klar, wenn ich etwas wiederrieche, erinnere ich mich. Aber wenn ich im Winter an Raps denke, habe ich nur Honig in der Nase, weil das die völlig unzureichende Beschreibung ist, die ich dafür kannte. 

Ist das eigentlich normal, im Sinne von: geht das vielen so, dass sie Gerüche nicht imaginieren können?

Jedenfalls Raps, unser Gold. In diesen Wochen ist es nicht nur wunderschön anzusehen - sondern jeder Schritt vor die Tür, jedes Öffnen eines Fensters bringt den ganz besonderen Duft heran. Für mich riecht es gelbgold. So riecht gelbgold. So intensiv wie englische Rosen, aber eben nicht zartrot sondern massivgelb.

Massiv, weil es irgendwie schwer riecht. Schwer, blumig, auch etwas nach Honig, nach Nektar, ein bisschen wie der Geschmack, wenn wir als Kinder an den Blüten der Taubnesseln lutschten. Aber immer noch bleibt es ungelenk beschrieben.

Eines aber ist toll damit: in diesen Tagen riecht es überall, im ganzen Landkreis, immerzu danach.

Der Kopf meines Pferdes vor einem Rapsfeld, aus dem Sattel aufgenommen


10.5.23

Nicht woke

Ach ja. Ich weiß es wirklich nicht. Hatte ja gerade ein, ja, leicht geschwätziges, aber sehr gutes und amüsantes Buch zu dem Thema gelesen gehört, fühle mich also nicht so direkt angesprochen, wenn die Frage aufkommt, wieso erst ein mittelalter Mann ein Buch über #metoo schreiben muss, damit das alle lesen wollen. Mich interessierte es auch und vor allem, weil ich in dem Laden da ja Leute kenne, weil ich nah genug am Medienzirkus bin, weil ich die Berichterstattung über den Chefredakteur relativ intensiv verfolgt habe, weil ich „den Freund“ von früher kenne, aus seiner Hamburger Zeit.

9.5.23

Gefahr

Ungefähr drei Wochen, bevor die Kampagne losging, die zumindest für mich erst im Laufe der Zeit und mit der plötzlichen Erinnerung an dieses drei Wochen vorher als Kampagne wirklich erkennbar wurde; mit ungefähr diesem Vorlauf hörte ich die ersten Gerüchte und „Fragen“ aus dem Umfeld einiger Verbände. 

Interessanterweise als erstes über die Finanzierung des Think Tanks oder wie immer man das bezeichnete. Erstmal nur Geraune über amerikanische Philanthropen und so was. Wahrscheinlich testweise, ob es nicht eine gute Vaterlandslosegesellengeschichte werden könnte. 

8.5.23

Gutes Wetter

Und fällt immer wieder auf, wie sehr sich unsere Vorstellung von „gutem Wetter“ verändert hat, seit wir in Weidewirtschaft machen. Ja, so was wie Sonnabend mit 7 Grad und Feuchtigkeit, Regen war es dann ja irgendwie nicht mehr, finden wir auch nicht so cool. Das gleiche Wetter bei 10-15 Grad aber nennen wir „gutes Wetter“. Jedenfalls eher als 20 Grad mit leichtem Wind und null Regen über Tage im Frühjahr. Das ist kein gutes Wetter. Da wächst dann zu wenig, da vertrocknet zu viel. 

Darum sind auch unsere Emotionen dem Wetter gegenüber oft andere als die im Radio. Das sind ja meistens Menschen aus der Stadt, die sich über wochenlange Trockenheit bei strahlender Sonne freuen. Glücklicherweise finden unsere Pferde übrigens Regen und auch Kälte sehr viel besser als Sommer und Staub. Passen wir halbwegs zusammen. Und wenn wir sie zur Ausbildung ans Haus holen, können wir sie bei so mittelgutem Wetter durchs Fenster beobachten. 

Zwei Pferde im Garten durch das Fenster fotografiert


6.5.23

Irre oder dumm?

Tatsächlich frage ich mich in der letzten Zeit immer häufiger, ob unser Finanzminister irre, politisch panisch oder dumm ist. Jüngstes Beispiel ist diese Äußerung (zwar als "Team Lindner" gelabelt, aber in Varianten immer wieder gesagt, ich vermute, dass es auch hier eine Art Mitschrift einer Rede von ihm ist):

Tweet von Christian Lindner: "Bevor wir über soziale und ökologische Ziele in dieser Gesellschaft diskutieren, müssen wir uns vergewissern, dass unser wirtschaftliches Fundament funktioniert und dauerhaft stabil ist. Erst kommt das Erwirtschaften, danach kommt das politische Verteilen. TL #Dialogtour #JETZT"

Vorsichtshalber als Screenshot eingebaut, hier ist der Tweet zurzeit online. Was mich so irritiert an dieser Äußerung, ist, dass sie in sich komplett irre ist. 

Denn zum einen konstruiert sie einen Widerspruch, der keiner ist. Sie behauptet eine zeitliche Abfolge ("bevor"), die es nicht gibt – weil, einmal etwas verkürzt ausgedrückt, gerade so soziale und ökologische Ziele einer Gesellschaft ein dauerhaft stabiles wirtschaftliches (und politisches) Fundament schaffen. Mindestens aber hängen beide Dinge (wenn ich sie als getrennte Dinge betrachten will) doch direkt zusammen.

5.5.23

Freizeitstress

So ein Landleben hat genau so einen Freizeitstress wie das Leben in der Stadt. Diese Woche beispielsweise, diese kurze, werden wir nicht einen Abend zusammen verbracht haben. Dienstag war Männerstammtisch. Mittwoch Feuerwehr. Gestern Frauenstammtisch. Heute Vorstand des Kulturvereins. Und nächste Woche geht es weiter: erst Gemeindevertretung, später noch Ortsverbandsmitgliederversammlung der Partei. 

Wie Mrs Bennett so empört feststellt in Stolz und Vorurteil: Eintönig? Das Leben auf dem Land ist doch nicht eintönig. 

Das stimmt. 

Gestern habe ich Spagetti mit Kartoffeln und Pilzen gekocht. Heute wird es ein Pilzrisotto geben. Und letztes Wochenende lag erstmals nur ein Stück Fleisch auf dem Grill. Sonst Käse und Veggiburger und so. Auch alles wie in der Stadt. Nur ohne den anderen Stress der Stadt. Nämlich. 

4.5.23

Morgengang

Ich mag jede Jahreszeit. Seit ich aber mit Klima, Wetter und dem Land lebe, seit ich jeden Morgen nicht nur die Tiere versorge, sondern die Herden kontrolliere, seit mein Morgengang drei Kilometer über die Wiesen ist - seitdem liebe ich am Frühling, dass jeder Morgen anders ist. 

Den einen Tag beginne ich mit einer Sonne, die schon Kraft hat. Den nächsten mit Wolken vorm Mund und eisigen Fingern. Am einen Morgen zieht der Nebel durchs Moor. Den anderen liegen die Junghengste entspannt auf dem Heu. Und am dritten sind die Weiden weiß vor Raureif. Da ist der Tag, an dem es Bindfäden regnet und nicht richtig hell ist. Und der, an dem es nach Sommer riecht. 

Und an der Senke, wo sich dieser natürliche Teich bildet, riecht es immer nach Fuchs. Wie gut, dass die Hühner eine Wohngemeinschaft mit den Ziegen bilden. 

Unsere Weiden im Morgennebel


3.5.23

Korruption

Es gibt ja zwei Gelegenheiten, zu denen ich alles über Korruption, Vermeidung von Korruption und Vermeidung des Anscheins von Korruption gelernt habe. Ob es noch andere gibt, weiß ich nicht. Aber beides sind Dinge, die (denke ich, zumindest für die, die nicht an sich Böse sind) künftige Korruption und vor allem die Grauzonen wie so genannte Vetternwirtschaft (gibt es dafür eigentlich ein modernes, für jüngere Menschen verständliches Wort?) relativ zuverlässig verhindern. Und wenn ich beide Gelegenheiten nicht hatte, ist das vor allem in den Naivität geschuldeten Fällen wahrscheinlich ein echtes Problem.

Das eine ist die Arbeit in einem internationalen Unternehmen, das seine Ethik-Standards aus den USA bezieht. Denn während viele Menschen, die sich gerne unwidersprochen widerlich benehmen wollen, oft sagen, Deutschland sei ja so schlimm und korrekt und so was, ist das nichts – in Worten: nichts – im Vergleich zu Kulturen, die von Achtsamkeit oder von hohen Strafen für widerliches Verhalten geprägt sind. In jedem US-Unternehmen, in dem ich war, sind ausführliche, jährliche Ethiktrainings und Antikorruptionstrainings Pflicht für alle Mitarbeiter*innen. Und vor allem in den Antikorruptionstrainings lernen Deutsche dann, dass vieles, was wir als völlig normales Verhalten empfinden, eigentlich schon mindestens auf halbem Weg in die Korruption ist. So wie auch nur befreundet zu sein oder mal zusammen Handball gespielt zu haben, angezeigt werden muss, wenn ich mit jemandem als Lieferant*in oder so was zusammenarbeiten will. Sonst ist das Korruption. Lernten wir alle in den Trainings dieser Unternehmen.

Das andere ist Kommunalpolitik. Weil direkt und unmittelbar vor Ort jede jeden kennt irgendwie, achten alle gemeinsam sehr darauf, dass niemand über irgendwas bestimmt, das dann zu eng an ihnen dran ist. Verwandt (was ja auch sehr oft der Fall ist auf dem Land) geht gar nicht. Bei sehr vielen Entscheidungen in kommunalpolitischen Gremien, Ausschüssen etc. ist immer irgendjemand befangen und geht raus und diskutiert nicht mit. Auch kommunalpolitisches Engagement ist also eine gute Schule dafür, nicht einfach durch Nicht-Nachdenken und Freundlichkeit auf abschüssige Pfade zu kommen.

Wenn ich beide Gelegenheiten nicht hatte, muss ich wahrscheinlich irgendwie anders an so Trainings kommen. Denn der "normale" (jaja, geht gar nicht das Wort) "gesunde" (auch das geht gar nicht, ich weiß) Menschenverstand reicht in unserer traditionell von Abhängigkeiten und Gefälligkeiten geprägten Kultur eben gerade nicht aus, um hier die richtigen Leitplanken für das eigene Verhalten zu finden. Finde ich interessant.

Aber zum Schluss noch was Schönes. Islandpferdeparadies sozusagen.

unser Hund vor der Stutenherde auf der hügeligen Weide in der Morgensonne


2.5.23

Sonne

Ich hatte mir so fest vorgenommen, dass ich keine Sonnenbrände mehr bekomme. Dass ich mich immer richtig eincreme. Und doch habe ich es an den ersten Tagen, an denen die Sonne richtig Kraft hat, wieder geschafft. Ich glaube, es ist der Wind.

Denn ja, es war richtig warm am langen Wochenende. Und ja, ich konnte endlich im T-Shirt auf den Weiden arbeiten, den Zaun fertig stellen, die Stromversorgung aufbauen, die Pferde umweiden, die Deckweide einrichten, die Zuchtstuten auf die Sommerweide treiben. Und so weiter. Und wieder habe ich nicht gemerkt, wie stark die Sonne ist, weil es schön, warm aber nicht zu warm war. Und der leichte Wind, der bei uns an jeder Stelle geht, die Haut wunderbar gestreichelt und gekühlt hat. 

Also sehe ich jetzt aus wie früher nach den ersten Tagen Strandurlaub, als ich so was noch machte. Oups. Nicht gut. Ab zweiter Tageshälfte Sonntag war ich dann mit der tollen Anti-Aging-50er-Sonnendings der Liebsten eingecremt. Viel besser.

Beschweren will ich mich aber nicht. Die Sonne tut ansonsten wirklich gut. Uns allen hier. Und nächstes Jahr denke ich bestimmt auch am ersten Tag dran.