Auf Facebook und Twitter habe ich den einen oder anderen Versuch unternommen, über Pediga* und mit Pegida-Versteherinnen zu diskutieren, auf viele Artikel verlinkt, oft den virtuellen Kopf geschüttelt. Und - man höre und staune - ein bisschen nachgedacht. Das dann auch an anderen Orten. Und die letzten Tage auch an der einen oder anderen Stelle in der Kohlenstoffwelt darüber gesprochen. Übrigens erstaunlich wenig, weil eigentlich alle, denen ich begegnete, ungefähr einer Meinung waren und diesen Pegida-Mob auch tatsächlich uninteressant und irrelevant fanden.
Ratlos stehe ich tatsächlich vor dem Phänomen, dass hier Menschen sich ungehört und nicht wahrgenommen fühlen, obwohl sie fast schon unangemessen viel Raum in der Berichterstattung und unangemessen viel Beachtung (jetzt auch hier) bekommen. Ähnlich wie die reaktionären Publizisten, die etwas "ja wohl mal sagen dürfen müssen", was irgendwie unangemessen oft überall gesagt wird, von dem sie aber glauben, dass es niemand sagen darf in diesem Land und seinen Medien.
Drei Gedanken machten sich in mir die letzten Tage immer breiter, so dass sie raus müssen. Neben der Frage, ob diese Menschen, die den Mob der Straße bilden gerade, ob die vielleicht von ihren Müttern oder Vätern nicht geliebt wurden. Ob ihnen die Nähe und das Kuscheln fehlte. Ich weiß es nicht, meine ich auch nicht zynisch. Aber ich kann mir die große, epische Grundverunsicherung kaum anders erklären als damit, dass das Grundvertrauen fehlt. Und ich werde das nicht Weiterpsychologisieren. Auch nicht, ob es Zufall ist, dass es sich in Dresden Bahn bricht.
1. Sorgen Ernst nehmen?
Immer mehr kritische, nachdenkliche Stimmen kritisieren das Medien- und Politik-Sprech vom "Ernst nehmen der Sorgen" dieses Mobs. Tatsächlich halte ich das auch schon von Tonfall und Wortwahl für falsch und gefährlich.
Ja, ich muss versuchen, die Ängste und Ressentiments dieser Menschen zu verstehen (im Sinne von: nachzuvollziehen). Aber "Sorgen", die aus einer Mischung aus Verschwörungsdenken und Ressentiments entstehen, kann niemand Ernst nehmen, der dieses Land und seine Menschen am Herzen liegen.
Dass es eine große Minderheit gibt, immer schon gegeben hat, die Verschwörungstheorien glaubt und weiter verbreitet, ist ja nicht neu. Das gehörte auch schon zum 20. Jahrhundert dazu. Von der Weltverschwörung des Judentums oder der Freimaurer über die Dolchstoßlegende bis hin zum Verrat der katholischen Kirche, die unter dem Kölner Dom ihren Goldschatz versteckt habe, den sie im großen Krieg 14/18 nicht rausgerückt habe, weshalb (und so weiter). Die meisten werden solche Menschen in ihrem Bekanntenkreis haben, die meisten davon sind harmlose Teilspinnerinnen. Und (siehe Punkt 2) meistens eingehaust. Und (siehe Punkt 3) nicht mit Argumenten zu überzeugen.
Das Tolle an Verschwörungstheorien (und ja, ich fand auch mal die eine oder andere davon toll, sei es Gesells Freiwirtschaftsidee, deren Logik auf einer Verschwörungstheorie basiert, oder rund um 9/11) ist ja, dass sie per definitionem nicht widerlegbar sind. Weshalb sich da auch aktuell der Kreis zur "Lügenpresse" schließt: Teil der Verschwörungstheorie ist ja, dass es eine Verschwörung gibt, zu der sich alle die verschworen haben, die gegen die Theorie sprechen.
Wer "Sorgen" von Menschen Ernst nimmt, die auf Verschwörungen besieren, die ihre Ressentiments bestätigen, kann nur verlieren - und infantilisiert die Diskussion. Das heißt nicht, dass alle diese Menschen Idioten sind oder Nazis. Sondern nur, dass sie nicht ansprechbar sind. Und nicht Ernst genommen werden können.
2. Die Leistung der Parteien bis vor Pediga
Bei den Pegida-Versteherinnen auf der konservativen Seite kommt immer wieder ein Argument, das so bestechend wie absurd ist: Es gebe ja unter Anhängerinnen aller Parteien (auch von SPD und Grünen, bei den Linken sowieso) einen großen Prozentsatz, der den "Anliegen" (welchen eigentlich?) von Pegida zustimme.
Ja, sag nur! Echt?
Was dieses "Argument" verkennt, ist doch aber gerade, dass es - bis vor Pegida und, so schätze ich, auch bald wieder nach Pegida - den klassischen Parteien gelingt, diese Teilspinnerinnen zu binden und "einzuhausen". Wer sich mit Weltbildern und Ressentiments in Deutschland beschäftigt, wird schnell entsetzt sein, wie groß der Anteil derer ist, die ein verfestigtes rechtsextremes Weltbild haben - ohne jemals rechtsextrem zu wählen oder auf die Straße zu gehen. Je nach Studie und Methode sind das bis zu 40% der Erwachsenen, bei jungen und alten mehr als in mittleren Altersgruppen.
Die besondere Leistung unseres politischen Systems - und hier besonders eine Leistung von CDU, Linken und SPD - ist es, diesen Menschen einen Ankerpunkt zu geben, der ihre dunkle Seite nicht durchdringen lässt. Ich habe nie so viele echte Rechtsradikale erlebt wie in Hamburger Ortsvereinen, als ich noch in der SPD war. Das sage ich ganz ohne Zynismus (heute, damals hat mich das erschreckt). Darum ist die AfD ja auch so gefährlich - weil sie die Chance sieht und hat, diese Menschen aus den bisherigen Parteien herauszubrechen.
Darum kann ich die Panik und Unsicherheit der Parteien verstehen. Da haben es beispielsweise die beiden großen Kirchen einfacher, weshalb sie sich auch klarer geäußert haben (auch wenn der liberale Bischof Bedford-Strohm aus München etwas brauchte, bis er zur Klarheit fand).
3. Isolieren statt umarmen
Was gerade stattfindet, ist keineswegs neu oder singulär. Wir hatten das zuletzt in den 90ern. Rostock, Solingen, Mölln, erinnert ihr euch? Der Mob in Rostock, der applaudierend und sich einpischernd neben den Mördern stand, ist so unähnlich nicht dem, was wir zurzeit auf den Straßen laufen sehen. Auch die Parolen sind nicht so unähnlich. Und auch die Umarmungsversuche vor allem der Konservativen sind so unähnlich nicht.
Der Spuk verschwand in den 90ern von den Straßen, nachdem die SPD unter Engholm umkippte und das Asylrecht zusammen mit der Regierung abschaffte - und nachdem es die großen Lichterketten gab, in denen Menschen aufstanden und dem Mob zeigten, dass er nicht die Macht auf der Straße ist.
Was ich aus den 90ern lerne, ist, dass die vielen "Latenznazis", wie etwas polemisch Sascha Lobo den Mob aus "normalen" Menschen nennt, die da rumlaufen, nicht durch Umarmung wieder in die Zivilisation zurück zu bekommen sind. Sondern nur dadurch, dass wir sie aktiv und konsequent ausgrenzen.
Ich erlebe, wie meine jugendlichen Kinder intuitiv genau das Richtige tun gerade. In ihren Kreisen gibt es jeweils einzelne, die Pegida-Dinge nachplappern oder auf Facebook weitersagen. Da gibt es dann eine (einzige!) klare Ansage mit dem Hinweis, was sie da tun (einigen war das gar nicht bewusst und sie kamen kleinlaut und voller Reue zurück) - und dann werden sie, falls sie nicht sofort umkehren, aktiv und nachhaltig ausgegrenzt.
Das können nur Menschen, die direkte Beziehungen zu welchen haben, die im Mob mitlaufen oder ihn gut finden. Aber das scheint mir erfolgversprechend (wenn wir nicht den Weg der Symbolpolitik gehen wollen, auf Kosten eines vom Mob auserwählten Sündenbocks die Lage zu beruhigen wie damals in den 90ern). Ein klarer Warnschuss aus dem nahen Umfeld. Und dann eine konsequente Isolation.
Denn die latenten, die nicht überzeugte rechtsextreme Aktivistinnen sind, wollen dazu gehören. Wollen nicht ausgegrenzt sein, halten sich für "das Volk". Das ist ihr wunder Punkt. Siehe oben die Vermutung mit den Müttern und Vätern.
Wer einmal versucht hat, mit AfD-Leuten oder anderen Verwirrten zu diskutieren (Pegida haben wir in meinem Speckgürtel nicht), weiß, dass das nicht geht. Siehe oben, die Sache mit der Verschwörungstheorie. Mein einer Sohn hatte nach drei erfolglosen Versuchen überlegt, ob er (jetzt ist ja gerade beginnender Wahlkampf in Hamburg) AfD und NPD auf die Wahlkampftische kackt. Er hat sich überzeugen lassen, dass das eine nicht so elegante Idee ist. Stattdessen hat er sich vorgenommen, auf sie zuzugehen, sie in den Arm zu nehmen und zu trösten. Und sie zu fragen, ob ihre Mutter sie nicht geliebt hat.
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* Für die Zeit, in der dieses Wort wieder verschwunden ist: So nannte sich Ende 2014 eine ressentimentgetriebene "Bewegung", die vor allem aber nicht nur in Dresden teilweise mehr als zehntausend Menschen auf die Straßen trieb, die nicht mit der "Lügenpresse", wie sie die Medien in schöner Nachfolge von Rosenbergs "Mythus des 20. Jahrhunderts" nannten, reden wollten, sondern Angst vor der Islamisierung des Abendlandes hatten.
29.12.14
Was ich 2014 beruflich bemerkenswert fand
Neben dem Blick in die Glaskugel (mal sehen, ob ich den auch noch mal auf deutsch mache), finde ich es ja um dieses Jahreszeit ganz spannend, zu gucken, was mich (beruflich) dieses zu Ende gehende Jahr beeindruckt hat. Darum hier meine fünf ganz spontanen, subjektiven, unvollständigen Dinge, die ich für einen Kommunikationsmenschen mit Schwerpunkt im Digitalen wichtig fand.
I. Facebook veränderte sich von Social Media zu einem Performance Channel.
2014 war Facebook zumindest für die professionelle Kommunikation kein Social Media mehr. Dass die Reichweite massiv zurück geht, war ja schon in der zweiten Jahreshälfte 2013 so und für 2014 mehr als nur absehbar. In diesem Jahr noch irgendwas auf Facebook zu starten, ohne auch Mediabudget in die Hand zu nehmen, war Quark. Hat auch kaum jemand versucht. Und wenn, dann aus anderen Gründen als Reichweite, Sichtbarkeit oder Markenkommunikation. Beispielsweise, um einen Blitzableiter für Krisen an der Hand zu haben. Aber das ist noch mal eine andere Geschichte.
Dafür hat sich herausgestellt, dass Facebook ein sinnvoller und effizienter (im Sinne von Mitteleinsatz) Kanal für Performance Marketing und andere Programme sein kann, die auf Performance setzen. War es im Jahr davor eher für Branding, also Markenbildung etc. zu gebrauchen, ist der Performanceaspekt immer wichtiger geworden und war 2014 wirklich sehr dominant.
Das ist auch kein Problem. Wer über zurück gehende Reichweiten jammerte oder ernsthaft glaubte, dass es stimmen kann, dass es allein um guten Content gehe, hatte eh selbst Schuld...
II. Wearables sind vollkommen gefloppt.
Was waren viele aufgeregt angesichts Google Glass und Co. Und haben sich damit überschlagen, diese Brille einmal aufzusetzen und cool zu finden. Im Nachhinein, jetzt, wo wir wissen, dass dies alles gefloppt ist, ist es etwas billig, darauf hinzuweisen, dass ich das absehbar fand. Mache ich darum nicht.
Aber das Konzept, den Körper und seine Peripherie als Zugangsmodule zum WWW zu nutzen, ist doof. Und das haben die allermeisten auch gemerkt. Ich bin gespannt, wie viele so genannte Expertinnen die peinlichen Bilder und Posts mit Google Glass heimlich gelöscht haben werden.
Dass Kleidung und Körperteile mit dem Internet verbunden werden, ist auch mir klar. An der einen oder anderen Stelle ist das auch sinnvoll (naja, zumindest mit einem erkennbaren Mehrwert verbunden). Aber nicht mit dem WWW, also dem Teil des Internets, der für Menschen zur Interaktion und Kommunikation da ist.
III. 3D-Drucker sind in den Massenmarkt eingedrungen und haben das kreative Denken verändert.
Die Geschwindigkeit, in der 3D-Drucker dieses Jahr erschwinglich wurden - selbst Tchibo hatte jetzt einen im Angebot - war schon enorm. Ich finde spannend, wie sehr das schon die kreativen Überlegungen in unserer Branche beeinflusst hat. Und wie viel weiter wir sind, als die Idee 1972 in Tim und der Haifischsee war - siehe ab 19:30 min...
IV. Die Schockwellen von Snowden haben – fast unbemerkt von Politik und Öffentlichkeit – den Markt für Cloud-Anwendungen durcheinandergewirbelt.
Während ist es fast erstaunlich und zumindest betrüblich finde, wie wenig die Totalüberwachung des Internets bei den meisten Menschen ausgelöst hat (obwohl ich mich aktuell frage, ob nicht auch die ressentimentgetriebenen Verschwörungsanhängerinnen, die seit ein paar Wochen in Deutschland montags auf den Straßen rumlungern, wenigstens teilweise eine Katalyse durch diesen Schock erfahren haben), hat dies bei Unternehmen und bei denen, die Investitionsentscheidungen in der IT treffen, durchaus Folgen.
Zumindest habe ich den Eindruck, dass das Cloud-Thema seitdem in professionellen Zusammenhängen anders diskutiert wird. Und dass die Frage, wo physikalisch Daten gelagert werden und welches Rechtssystem dort herrscht, eine größere Rolle spielt. Finde ich auch eher gut, ehrlich gesagt.
V. Mobiles Internet war zum ersten Mal ein gesamtes Jahr lang dominanter als TV, was die Nutzungszeit angeht.
Mich fasziniert, dass es immer noch viele Menschen überrascht, dass und wie sich die Internetnutzung verändert hat. Und das, obwohl dieselben, die erst einmal überrascht sind, bei näherem Überlegen feststellen, dass es bei ihnen - privat - genau so ist. Witzig. Ähnlich wie damals am Beginn von Social Media fiel es dieses Jahr vielen Kommunikationsverantwortlichen noch schwer, von ihrer eigenen privaten Erfahrung als Verbraucherinnen und Internetnutzerinnen für ihre beruflichen Entscheidungen zu profitieren.
Aber dass dieses Jahr das erste Jahr war, in dem mobiles Internet (im Sinne von: Internet auf Geräten mit so genannten mobilen Betriebssystemen wie iOS oder Android und meistens mit Touchsteuerung) täglich eine höhere Verweildauer hatte als TV, dass also - gerade weil in den meisten Altergruppen TV nicht zurück ging von der Nutzungszeit - die parallele Nutzung mehrerer Medien massiv zugenommen hat, ist schon etwas, das Kommunikation durcheinander gewirbelt hat.
I. Facebook veränderte sich von Social Media zu einem Performance Channel.
2014 war Facebook zumindest für die professionelle Kommunikation kein Social Media mehr. Dass die Reichweite massiv zurück geht, war ja schon in der zweiten Jahreshälfte 2013 so und für 2014 mehr als nur absehbar. In diesem Jahr noch irgendwas auf Facebook zu starten, ohne auch Mediabudget in die Hand zu nehmen, war Quark. Hat auch kaum jemand versucht. Und wenn, dann aus anderen Gründen als Reichweite, Sichtbarkeit oder Markenkommunikation. Beispielsweise, um einen Blitzableiter für Krisen an der Hand zu haben. Aber das ist noch mal eine andere Geschichte.
Bild bei Thomas Hutter im Blog |
Dafür hat sich herausgestellt, dass Facebook ein sinnvoller und effizienter (im Sinne von Mitteleinsatz) Kanal für Performance Marketing und andere Programme sein kann, die auf Performance setzen. War es im Jahr davor eher für Branding, also Markenbildung etc. zu gebrauchen, ist der Performanceaspekt immer wichtiger geworden und war 2014 wirklich sehr dominant.
Das ist auch kein Problem. Wer über zurück gehende Reichweiten jammerte oder ernsthaft glaubte, dass es stimmen kann, dass es allein um guten Content gehe, hatte eh selbst Schuld...
II. Wearables sind vollkommen gefloppt.
Was waren viele aufgeregt angesichts Google Glass und Co. Und haben sich damit überschlagen, diese Brille einmal aufzusetzen und cool zu finden. Im Nachhinein, jetzt, wo wir wissen, dass dies alles gefloppt ist, ist es etwas billig, darauf hinzuweisen, dass ich das absehbar fand. Mache ich darum nicht.
Aber das Konzept, den Körper und seine Peripherie als Zugangsmodule zum WWW zu nutzen, ist doof. Und das haben die allermeisten auch gemerkt. Ich bin gespannt, wie viele so genannte Expertinnen die peinlichen Bilder und Posts mit Google Glass heimlich gelöscht haben werden.
Dass Kleidung und Körperteile mit dem Internet verbunden werden, ist auch mir klar. An der einen oder anderen Stelle ist das auch sinnvoll (naja, zumindest mit einem erkennbaren Mehrwert verbunden). Aber nicht mit dem WWW, also dem Teil des Internets, der für Menschen zur Interaktion und Kommunikation da ist.
III. 3D-Drucker sind in den Massenmarkt eingedrungen und haben das kreative Denken verändert.
Die Geschwindigkeit, in der 3D-Drucker dieses Jahr erschwinglich wurden - selbst Tchibo hatte jetzt einen im Angebot - war schon enorm. Ich finde spannend, wie sehr das schon die kreativen Überlegungen in unserer Branche beeinflusst hat. Und wie viel weiter wir sind, als die Idee 1972 in Tim und der Haifischsee war - siehe ab 19:30 min...
IV. Die Schockwellen von Snowden haben – fast unbemerkt von Politik und Öffentlichkeit – den Markt für Cloud-Anwendungen durcheinandergewirbelt.
Während ist es fast erstaunlich und zumindest betrüblich finde, wie wenig die Totalüberwachung des Internets bei den meisten Menschen ausgelöst hat (obwohl ich mich aktuell frage, ob nicht auch die ressentimentgetriebenen Verschwörungsanhängerinnen, die seit ein paar Wochen in Deutschland montags auf den Straßen rumlungern, wenigstens teilweise eine Katalyse durch diesen Schock erfahren haben), hat dies bei Unternehmen und bei denen, die Investitionsentscheidungen in der IT treffen, durchaus Folgen.
Zumindest habe ich den Eindruck, dass das Cloud-Thema seitdem in professionellen Zusammenhängen anders diskutiert wird. Und dass die Frage, wo physikalisch Daten gelagert werden und welches Rechtssystem dort herrscht, eine größere Rolle spielt. Finde ich auch eher gut, ehrlich gesagt.
V. Mobiles Internet war zum ersten Mal ein gesamtes Jahr lang dominanter als TV, was die Nutzungszeit angeht.
Mich fasziniert, dass es immer noch viele Menschen überrascht, dass und wie sich die Internetnutzung verändert hat. Und das, obwohl dieselben, die erst einmal überrascht sind, bei näherem Überlegen feststellen, dass es bei ihnen - privat - genau so ist. Witzig. Ähnlich wie damals am Beginn von Social Media fiel es dieses Jahr vielen Kommunikationsverantwortlichen noch schwer, von ihrer eigenen privaten Erfahrung als Verbraucherinnen und Internetnutzerinnen für ihre beruflichen Entscheidungen zu profitieren.
Aber dass dieses Jahr das erste Jahr war, in dem mobiles Internet (im Sinne von: Internet auf Geräten mit so genannten mobilen Betriebssystemen wie iOS oder Android und meistens mit Touchsteuerung) täglich eine höhere Verweildauer hatte als TV, dass also - gerade weil in den meisten Altergruppen TV nicht zurück ging von der Nutzungszeit - die parallele Nutzung mehrerer Medien massiv zugenommen hat, ist schon etwas, das Kommunikation durcheinander gewirbelt hat.
19.12.14
Am Weihnachtsgottesdienst hängt die Zukunft unserer Kirche
Es sind die großen Geschichten, die faszinieren, die wir immer wieder hören können, die uns bewegen – zu Tränen, zum Lachen, zu tief empfundenem Glück. Und es sind die großen Ideen, die uns sofort ansprechen, die uns dazu bringen, innezuhalten, aufzubrechen, zu kommen.
Weihnachten hat alles, was eine große Geschichte braucht – Gut gegen Böse, Überraschung, einen Helden, dem niemand das Heldsein zutraut, die Rettung der Welt oder der Menschheit. Alles süßliche, wunderbare, überfrachtete Brauchtum könnte den Erfolg von Weihnachten nicht erklären, wenn es keine große Geschichte wäre.
Wenn wir als Werberinnen und Kommunikationsfachleute etwas bewegen wollen, sind wir immer auf der Suche nach so etwas wie Weihnachten. Einer großen Geschichte, hinter der eine große Idee steht, aus der die gesamte Kampagne fließt und sich entwickelt.
Wir brauchen große Ideen, um zu bewegen. Und eine große Idee ist eigentlich ganz einfach an drei Punkten zu erkennen (und das wiederum hilft, zu verstehen, wieso Weihnachten so irre erfolgreich ist):
(1) Sie muss nicht erklärt werden, sondern leuchtet sofort ein. (2) Aus ihr folgt sofort und quasi wie von selbst, was ich daraus machen kann, wie ich sie umsetze in eine Kampagne. Und sie beruht (3) auf einem Insight, wie wir in verschwurbeltem Agentursprech dazu sagen – was meint, dass sie eine tiefe, emotionale, menschliche Wahrheit anspricht, die sich so anfühlt, als würde ich sie schon immer kennen, selbst, wenn ich sie das erste Mal höre oder erlebe.
All dies trifft auf Weihnachten zu. Auf die Idee und die Geschichte. Und dass dann auch noch die Idee von Weihnachten auf eines der größten und etabliertesten Feste gelegt wurde, die es schon gab, war ein genialer Schachzug, der nur den besten Werbern einfällt. Denn es ist die hohe Kunst der Kommunikation, mit der eigenen Geschichte und Idee nicht etwa eine Welle anzustoßen sondern eine bereits große Welle zu surfen.
Mit der Idee, dass die Welt und vor allem wir Menschen gerettet seien, ausgerechnet an den Tagen um die Ecke zu kommen, an denen wir aufzuatmen beginnen, weil die deprimierenden dunklen Tage langsam wieder heller und länger werden, ist genial. Denn das haben wir aus der Forschung gelernt, wie Werbung wirksam sein kann: Auch die beste und größte Idee und Geschichte muss auf fruchtbaren Boden fallen, um Resonanz auszulösen. Sonst wäre das alles ja viel besser planbar als es ist, sonst wären die großen sogenannten viralen Wellen nicht so sehr von Zufällen abhängig. Und die Wintersonnenwende ist genau das Umfeld, in dem die Hoffnung und der Traum von Weihnachten sofort einleuchtet.
Gegen allen Kitsch, gegen alles moderne Schimpfen auf den falschen Schein von Friede-Freude-Eierkuchen, gegen jede der Statistiken, die über Weihnachten besonders viel Streit in den Familien behaupten, gegen all dies steht die Idee und die Geschichte von dem kleinen, verletzlichen Kind im Stall, das unvorstellbar groß ist und eine so radikale Veränderung bedeutet. Und trifft auf eine tiefe Sehnsucht und eine tiefe emotionale Wahrheit. Die Wahrheit davon, dass es anders sein kann als im hektischen Alltag. Und dass es möglich ist, in dieser Welt bereits anders zu leben. Die Sehnsucht nach Frieden und Veränderung und – ja, auch – Erlösung.
Jedes irgendwie gelingende Weihnachtsfest ist ja tatsächlich ein Vorgeschmack auf das Reich Gottes. So klein es uns scheinen mag. Und so wenig substanziell es daher kommt. Wie oft hat es wirklich den Weihnachtsfrieden gegeben? Wir mögen ihn vergessen im Stress des Geschenkejagens und Essenkochens. Aber gerade in diesem Jahr, in dem sich der Beginn der großen europäischen Katastrophe des ersten Weltkrieges zum einhundertsten Mal gejährt hat, lohnt es sich, auf die Geschichten vom Weihnachtsfest über den Gräben der Front in Frankreich zu hören, um zu erahnen, was Weihnachten sein kann.
Tief in uns schlummern diese Geschichten und Erinnerungen. Sonnenlauf, Kindheitserinnerungen, kollektive Erlebnisse – all das bildet den Resonanzraum für die erfolgreichste Mobilisierungskampagne des Jahres, die unsere Kirchen zu bieten haben: Weihnachten wird in der Krippe entschieden.
So kommen Menschen über unsere Kirchentüren. Getrieben von einer Mischung aus Erwartung, Tradition und tiefen Sehnsüchten. Sie haben sich vorbereitet, wie man sich auf ein Fest vorbereitet – geschmückt mit ihrer besten Kleidung, die Wohnung geputzt, das Essen geplant, die Familie zusammen getrommelt. Voll freudiger Erwartung.
Mein Kommunikatorenherz schlägt schneller, wenn ich an diese Chance denke. Menschen, die bereit sind, zuzuhören, aufzunehmen, zu fühlen. Die wissen und erwarten, dass etwas passiert, das nicht wirklich und voll in diese Welt und Gegenwart passt. Offen für die Magie der großen Geschichte. Für das Heilige. Bereit für die Begegnung.
Aus Sicht eines Christen, der in Werbung und Kommunikation arbeitet und Ideen und Kampagnen entwickelt, ist Weihnachten ein Geschenk. Im Grunde so etwas wie der Elfmeterpfiff – es legt uns den Ball auf den Punkt, wir, die Kirche, die Gemeinde, die Pastorinnen, müssen ihn nur noch reinmachen. Die beste Werbung sind gute Produkte, das wissen wir. Was wir mit Kampagnen und Ideen machen, ist, Menschen dazu zu bringen, sie auszuprobieren. Wir stellen die Menschen sozusagen an die Rampe. Danach muss das Produkt überzeugen, mehr kann eine gute Geschichte, eine große Idee nicht leisten.
Weihnachten bringt so viele Menschen wie nie über die Schwelle der Kirchentür. Danach muss Kirche, muss das Bodenpersonal überzeugen und begeistern. Nur dann hat die große Geschichte einen Sinn. In der großen Kampagne, die wir Mission nennen könnten, ist Weihnachten der wichtigste Baustein, dicht gefolgt von Hochzeiten und Taufen. Sie sind die großen Leuchtturmprojekte der Kampagne. Und sind doch nur so viel Wert, wie das, was wir mit unserem „Produkt“ daraus machen.
Gelingt es uns, die Menschen, die so offen zu uns kommen, anzurühren? Mit dem etwas widerständigen, aus der Zeit gefallenen, irgendwie etwas von der Ewigkeit erzählenden Erleben und Hören und Singen im Gottesdienst? Es ist alles bereitet. Und doch erkennen so viele dieser Menschen nicht, sehen nicht, schmecken nicht, fühlen nicht, wie freundlich und anders und quer zum Alltag Gott ist.
Mein Kommunikatorenherz blutet, wenn ich in den Gottesdiensten, zu denen die Menschen durch die großen, ewigen Geschichten von Liebe, Freude, Hoffnung und Frieden kommen, geistliche Armut erlebe oder eine Nachlässigkeit aus Arroganz oder Langeweile. Oder wenn eine Predigt vergessen wird. Oder ich ohne geistliche Nahrung nach Hause geschickt werde. Oder es nur modern, schick oder feierlich war.
Ich habe den Traum, dass ich nach der Christvesper aufstehe, nach oben sehe, tief Atem hole und sicher bin, etwas Besonderes erlebt zu haben. Etwas, das mir in den nächsten Wochen etwas bedeutet und mir etwas mitgegeben hat auf meinem Weg, auf den mich der Segen geschickt hat. Das mich trägt und in mir den Funken und die Sehnsucht nach mehr und mehr richtigem Leben entzündet. Und mich früher als Ostern oder das nächste Weihnachten wieder hier hin zieht.
Oft fühlt es sich an, als wäre der Weihnachtsgottesdienst für die, die mich doch eingeladen haben, eine lästige Pflicht. Oft machen Ablauf und Predigt, wenn es denn überhaupt eine gibt, den Eindruck, als wäre dieser Gottesdienst nicht wirklich mit Herzblut vorbereitet. Dabei müsste es doch derjenige sein, der die meiste, frischeste, aufmerksamste Arbeit des gesamten Jahres bedeutet. Denn die große Geschichte, die Kampagne von der Rettung der Welt durch dieses kleine Kind, hat so viele offene Menschen wie sonst nie zu uns gebracht. Hier brauchen wir unsere besten Predigerinnen und Sänger, die begnadetsten Menschenfischer. Denn hier, einmal im Jahr, entscheidet sich, ob wir als Kirche eine Zukunft haben, ob uns die Menschen zutrauen, ihnen das zu geben, was sie suchen und brauchen und was Gott ihnen versprochen hat: Save Our Souls.
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Eine gekürzte Version dieses Textes erscheint in der aktuellen Ausgabe der Evangelische Zeitung, der Kirchenzeitung für Norddeutschland. Ich bin gespannt auf die Reaktionen. Die Christvesper werden wir wahrscheinlich in Volksdorf mitfeiern.
Weihnachten hat alles, was eine große Geschichte braucht – Gut gegen Böse, Überraschung, einen Helden, dem niemand das Heldsein zutraut, die Rettung der Welt oder der Menschheit. Alles süßliche, wunderbare, überfrachtete Brauchtum könnte den Erfolg von Weihnachten nicht erklären, wenn es keine große Geschichte wäre.
Wenn wir als Werberinnen und Kommunikationsfachleute etwas bewegen wollen, sind wir immer auf der Suche nach so etwas wie Weihnachten. Einer großen Geschichte, hinter der eine große Idee steht, aus der die gesamte Kampagne fließt und sich entwickelt.
Wir brauchen große Ideen, um zu bewegen. Und eine große Idee ist eigentlich ganz einfach an drei Punkten zu erkennen (und das wiederum hilft, zu verstehen, wieso Weihnachten so irre erfolgreich ist):
Herrnhuter Weihnachtssterne |
All dies trifft auf Weihnachten zu. Auf die Idee und die Geschichte. Und dass dann auch noch die Idee von Weihnachten auf eines der größten und etabliertesten Feste gelegt wurde, die es schon gab, war ein genialer Schachzug, der nur den besten Werbern einfällt. Denn es ist die hohe Kunst der Kommunikation, mit der eigenen Geschichte und Idee nicht etwa eine Welle anzustoßen sondern eine bereits große Welle zu surfen.
Mit der Idee, dass die Welt und vor allem wir Menschen gerettet seien, ausgerechnet an den Tagen um die Ecke zu kommen, an denen wir aufzuatmen beginnen, weil die deprimierenden dunklen Tage langsam wieder heller und länger werden, ist genial. Denn das haben wir aus der Forschung gelernt, wie Werbung wirksam sein kann: Auch die beste und größte Idee und Geschichte muss auf fruchtbaren Boden fallen, um Resonanz auszulösen. Sonst wäre das alles ja viel besser planbar als es ist, sonst wären die großen sogenannten viralen Wellen nicht so sehr von Zufällen abhängig. Und die Wintersonnenwende ist genau das Umfeld, in dem die Hoffnung und der Traum von Weihnachten sofort einleuchtet.
Gegen allen Kitsch, gegen alles moderne Schimpfen auf den falschen Schein von Friede-Freude-Eierkuchen, gegen jede der Statistiken, die über Weihnachten besonders viel Streit in den Familien behaupten, gegen all dies steht die Idee und die Geschichte von dem kleinen, verletzlichen Kind im Stall, das unvorstellbar groß ist und eine so radikale Veränderung bedeutet. Und trifft auf eine tiefe Sehnsucht und eine tiefe emotionale Wahrheit. Die Wahrheit davon, dass es anders sein kann als im hektischen Alltag. Und dass es möglich ist, in dieser Welt bereits anders zu leben. Die Sehnsucht nach Frieden und Veränderung und – ja, auch – Erlösung.
Deutsche und britische Soldaten am 26.12.1914 |
Tief in uns schlummern diese Geschichten und Erinnerungen. Sonnenlauf, Kindheitserinnerungen, kollektive Erlebnisse – all das bildet den Resonanzraum für die erfolgreichste Mobilisierungskampagne des Jahres, die unsere Kirchen zu bieten haben: Weihnachten wird in der Krippe entschieden.
So kommen Menschen über unsere Kirchentüren. Getrieben von einer Mischung aus Erwartung, Tradition und tiefen Sehnsüchten. Sie haben sich vorbereitet, wie man sich auf ein Fest vorbereitet – geschmückt mit ihrer besten Kleidung, die Wohnung geputzt, das Essen geplant, die Familie zusammen getrommelt. Voll freudiger Erwartung.
Mein Kommunikatorenherz schlägt schneller, wenn ich an diese Chance denke. Menschen, die bereit sind, zuzuhören, aufzunehmen, zu fühlen. Die wissen und erwarten, dass etwas passiert, das nicht wirklich und voll in diese Welt und Gegenwart passt. Offen für die Magie der großen Geschichte. Für das Heilige. Bereit für die Begegnung.
Aus Sicht eines Christen, der in Werbung und Kommunikation arbeitet und Ideen und Kampagnen entwickelt, ist Weihnachten ein Geschenk. Im Grunde so etwas wie der Elfmeterpfiff – es legt uns den Ball auf den Punkt, wir, die Kirche, die Gemeinde, die Pastorinnen, müssen ihn nur noch reinmachen. Die beste Werbung sind gute Produkte, das wissen wir. Was wir mit Kampagnen und Ideen machen, ist, Menschen dazu zu bringen, sie auszuprobieren. Wir stellen die Menschen sozusagen an die Rampe. Danach muss das Produkt überzeugen, mehr kann eine gute Geschichte, eine große Idee nicht leisten.
Weihnachten bringt so viele Menschen wie nie über die Schwelle der Kirchentür. Danach muss Kirche, muss das Bodenpersonal überzeugen und begeistern. Nur dann hat die große Geschichte einen Sinn. In der großen Kampagne, die wir Mission nennen könnten, ist Weihnachten der wichtigste Baustein, dicht gefolgt von Hochzeiten und Taufen. Sie sind die großen Leuchtturmprojekte der Kampagne. Und sind doch nur so viel Wert, wie das, was wir mit unserem „Produkt“ daraus machen.
Gelingt es uns, die Menschen, die so offen zu uns kommen, anzurühren? Mit dem etwas widerständigen, aus der Zeit gefallenen, irgendwie etwas von der Ewigkeit erzählenden Erleben und Hören und Singen im Gottesdienst? Es ist alles bereitet. Und doch erkennen so viele dieser Menschen nicht, sehen nicht, schmecken nicht, fühlen nicht, wie freundlich und anders und quer zum Alltag Gott ist.
Mein Kommunikatorenherz blutet, wenn ich in den Gottesdiensten, zu denen die Menschen durch die großen, ewigen Geschichten von Liebe, Freude, Hoffnung und Frieden kommen, geistliche Armut erlebe oder eine Nachlässigkeit aus Arroganz oder Langeweile. Oder wenn eine Predigt vergessen wird. Oder ich ohne geistliche Nahrung nach Hause geschickt werde. Oder es nur modern, schick oder feierlich war.
erste Seite des Weihnachtsoratoriums |
Oft fühlt es sich an, als wäre der Weihnachtsgottesdienst für die, die mich doch eingeladen haben, eine lästige Pflicht. Oft machen Ablauf und Predigt, wenn es denn überhaupt eine gibt, den Eindruck, als wäre dieser Gottesdienst nicht wirklich mit Herzblut vorbereitet. Dabei müsste es doch derjenige sein, der die meiste, frischeste, aufmerksamste Arbeit des gesamten Jahres bedeutet. Denn die große Geschichte, die Kampagne von der Rettung der Welt durch dieses kleine Kind, hat so viele offene Menschen wie sonst nie zu uns gebracht. Hier brauchen wir unsere besten Predigerinnen und Sänger, die begnadetsten Menschenfischer. Denn hier, einmal im Jahr, entscheidet sich, ob wir als Kirche eine Zukunft haben, ob uns die Menschen zutrauen, ihnen das zu geben, was sie suchen und brauchen und was Gott ihnen versprochen hat: Save Our Souls.
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Eine gekürzte Version dieses Textes erscheint in der aktuellen Ausgabe der Evangelische Zeitung, der Kirchenzeitung für Norddeutschland. Ich bin gespannt auf die Reaktionen. Die Christvesper werden wir wahrscheinlich in Volksdorf mitfeiern.
11.12.14
Internetz und Schule und so
Anfang des Jahres hatte ich allen, die nicht bei drei auf den Bäumen waren, das wunderbare Buch von Tanja und Johnny Haeusler mit auf den Weg gegeben. In der Hoffnung, dass sich die Sicht anderer Eltern und von Lehrerinnen auf das Thema “Internet und unsere Kinder” etwas ändern möge. Denn es ist meine Empfehlung dieses Jahr gewesen als Kontrastprogramm zu den üblichen Elternfortbildungen rund um das Internet, die überwiegend mit der Angst spielten.
Womit wir bei der Medienkompetenz wären. Der Ausschnitt, den ich selbst beobachten konnte, ist begrenzt, aber doch nicht zu sehr - von Grundschule über Förderschulen und mittlere Schulformen (die in Hamburg Stadtteilschulen heißen und Gesamtschulen mit Oberstufen sind) bis hin zu Gymnasium und einem Abiturjahrgang reicht es dann doch. Dazu kommen die Gespräche mit anderen Eltern und Lehrerinnen. Und die gute Nachricht ist, dass die Medienkompetenz in den letzten Jahren an den Schulen und bei den Lehrerinnen massiv zugenommen hat. Internetbasierte Arbeitsweisen gehören zum Methodencurriculum aller Schulformen, auch schon der Grundschulen.
Und ich bin froh, dass “das Netz” vor allem dort zu Hause ist. Methodencurriculum (das jede Schule für sich entwickelt haben muss) heißt ja, dass es verbindliche Aussagen darüber gibt, welche Methoden in der Schule wann und wie gelernt und angewendet werden. Und “das Internet” gehört da flächendeckend dazu, inzwischen nach meiner Beobachtung auch in einer Art und Weise, die ich oft als angemessen empfinde.
Das geht von selbstbestimmten Lernkontrollen in der Grundschule, die über Internetseiten stattfinden, so dass meine Tochter sowohl in der Schule als auch zu Hause auf den gleichen Stand zurück greifen kann, ihre Aufzeichungen und Fragen zu Büchern in der Freiarbeit in der Schule oder in der Hausarbeit am Küchentisch erledigen kann. Und es endet nicht bei Recherchen zu internationalen Diskussionen im Politikunterricht der Oberstufe.
Und wenn das Internet eher unter den Methoden abgehandelt wird, ist das auch ein gutes Zeichen dafür, dass es in der Mitte der Schule angekommen ist. Wie sehr, hängt dann noch etwas zu sehr vom eigenen Geschmack der jeweiligen Lehrerin ab, aber selbst die hartnäckigsten Anhängerinnen von baumbasierten Nachschlagewerken kommen nicht mehr umhin, Recherchen und Quellenarbeit auch anders anzuleiten und zuzulassen.
Inzwischen sind wir in den Schulen schon so weit, dass wir nicht mehr jede Grundsätzlichkeit diskutieren - sondern uns eher damit auseinandersetzen, dass es kein Netz gibt, weil mobiles Internet in den Betonklötzen nicht funktioniert und das schuleigene Netz, ob über Kabel oder WLAN wieder einmal down ist. Weil es niemanden gibt, der oder die sich damit auskennt und die Firma, die beauftragt ist, den Server und die Computer wieder flott zu machen, über die die Smartboards angesteuert werden, erst in vier Wochen vorbei kommt. Das Service Level Agreement und das Geld, das die Schulbehörde dafür investiert, reicht nicht zu mehr. Weshalb ja auch die Lehrerinnen die Zeugnisse zu Hause schreiben, weil sie nicht ins Netzwerk kommen. Oder ihr privates Handy nutzen, um einen Hotspot für die Schülerinnen zu bauen, wenn ihr Klassenraum weit genug an der Außenwand liegt, um zumindest eine EDGE-Verbindung zuzulassen.
Wer hätte gedacht, dass 2014 die technische Ausstattung das größere Problem ist als die Bereitschaft oder Kompetenz der Lehrerinnen. Der Generationswechsel macht sich inzwischen eben doch bemerkbar.
Also bringen die Schülerinnen ihre eigene IT mit. Smartphones und Tablets vor allem, auch ihr eigenes Internet, wenn es denn funktioniert, siehe oben. Weshalb nach Stricken und Rauchen nun also die Nutzung von mobilen Internetzugangsgeräten kontrovers zwischen Eltern, Schülerinnen und Lehrkörpern diskutiert wird.
An allen Schulen, an denen ich als Vater mehr oder weniger nicht aktiv bin, haben wir in diesem Jahr diese Frage verhandelt. Und sind an jeder Schule zu einem anderen Ergebnis gekommen. Spannend war dabei, dass der Riss immer einmal quer durch Kollegien und Elternschaft ging. Nur die Schülerinnen waren sich immer recht einig.
Von Handy- und Tablet-Verbot auf dem Schulgelände über gescheitere Regelungsversuche bis hin zu spannenden Kompromissen, die sehr differenziert zwischen Unterricht, Freiarbeitszeiten und Pausen unterschieden und Handy-Zonen auf dem Schulhof schufen, habe ich alles miterlebt.
Traurig macht mich, dass wir 2014 kaum einen Schritt damit weiter gekommen sind, Informatik als Pflichtfach für alle einzuführen. Dass die Sensibilität dafür immer noch kaum vorhanden ist - und es uns kaum gelungen ist, neue Verbündete zu finden -, dass es eine wichtige Zukunftsfrage für unsere Kinder ist, ob sie die Grundprinzipien von Programmen verstehen, ob sie in Ansätzen Code lesen können, ob sie eine Vorstellung davon haben, wie mächtig Algorithmen sind und wie viel Macht es verleihen kann, sie zu kennen und ändern zu können. Vielleicht sogar eine wichtigere Frage als die nach der Position von Brom im Periodensystem.
Belustigt stand ich vor den Diskussionen anderer Eltern und einiger Lehrerinnen über Facebook. Während unsere Kinder schon längst Freshtorge auf Youtube folgten und sich via Instagram die nächste große Liebe andeutete. Während sich die einen darüber beklagten, dass ihre Kinder die Lokalzeitung nicht mehr lesen (oder die Zeitungsverleger gar nach dem Schutzzollgesetz auch noch das Pflichtfach Medienarchäologie an den Schulen forderten), war ich überrascht, was mein 12-Jähriger alles über die Welt und die Politik weiß - bis ich rausfand, dass er natürlich Le Floid auf Youtube abonniert hat. Ganz ehrlich: mir ist das Medienverhalten meiner Kinder auch fremd. Aber ich finde es faszinierend.
Und seit in der Schule im sozialen Brennpunkt die Kommunikation zwischen der Klassenlehrerin und den Schülerinnen über Whats App läuft, vergessen die auch ihren Turnbeutel nicht mehr. Eine kurze Nachricht morgens - und alles ist geritzt.
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Etwas bearbeitet ist dieser Text auch im Jahresrückblickbuch von iRights media erschienen.
Hier kann man ihn online lesen.
Womit wir bei der Medienkompetenz wären. Der Ausschnitt, den ich selbst beobachten konnte, ist begrenzt, aber doch nicht zu sehr - von Grundschule über Förderschulen und mittlere Schulformen (die in Hamburg Stadtteilschulen heißen und Gesamtschulen mit Oberstufen sind) bis hin zu Gymnasium und einem Abiturjahrgang reicht es dann doch. Dazu kommen die Gespräche mit anderen Eltern und Lehrerinnen. Und die gute Nachricht ist, dass die Medienkompetenz in den letzten Jahren an den Schulen und bei den Lehrerinnen massiv zugenommen hat. Internetbasierte Arbeitsweisen gehören zum Methodencurriculum aller Schulformen, auch schon der Grundschulen.
Symbolbild "Schule und Internet" |
Und ich bin froh, dass “das Netz” vor allem dort zu Hause ist. Methodencurriculum (das jede Schule für sich entwickelt haben muss) heißt ja, dass es verbindliche Aussagen darüber gibt, welche Methoden in der Schule wann und wie gelernt und angewendet werden. Und “das Internet” gehört da flächendeckend dazu, inzwischen nach meiner Beobachtung auch in einer Art und Weise, die ich oft als angemessen empfinde.
Das geht von selbstbestimmten Lernkontrollen in der Grundschule, die über Internetseiten stattfinden, so dass meine Tochter sowohl in der Schule als auch zu Hause auf den gleichen Stand zurück greifen kann, ihre Aufzeichungen und Fragen zu Büchern in der Freiarbeit in der Schule oder in der Hausarbeit am Küchentisch erledigen kann. Und es endet nicht bei Recherchen zu internationalen Diskussionen im Politikunterricht der Oberstufe.
Und wenn das Internet eher unter den Methoden abgehandelt wird, ist das auch ein gutes Zeichen dafür, dass es in der Mitte der Schule angekommen ist. Wie sehr, hängt dann noch etwas zu sehr vom eigenen Geschmack der jeweiligen Lehrerin ab, aber selbst die hartnäckigsten Anhängerinnen von baumbasierten Nachschlagewerken kommen nicht mehr umhin, Recherchen und Quellenarbeit auch anders anzuleiten und zuzulassen.
Symbolbild "Wände in Schulgebäuden" |
Wer hätte gedacht, dass 2014 die technische Ausstattung das größere Problem ist als die Bereitschaft oder Kompetenz der Lehrerinnen. Der Generationswechsel macht sich inzwischen eben doch bemerkbar.
Also bringen die Schülerinnen ihre eigene IT mit. Smartphones und Tablets vor allem, auch ihr eigenes Internet, wenn es denn funktioniert, siehe oben. Weshalb nach Stricken und Rauchen nun also die Nutzung von mobilen Internetzugangsgeräten kontrovers zwischen Eltern, Schülerinnen und Lehrkörpern diskutiert wird.
An allen Schulen, an denen ich als Vater mehr oder weniger nicht aktiv bin, haben wir in diesem Jahr diese Frage verhandelt. Und sind an jeder Schule zu einem anderen Ergebnis gekommen. Spannend war dabei, dass der Riss immer einmal quer durch Kollegien und Elternschaft ging. Nur die Schülerinnen waren sich immer recht einig.
Von Handy- und Tablet-Verbot auf dem Schulgelände über gescheitere Regelungsversuche bis hin zu spannenden Kompromissen, die sehr differenziert zwischen Unterricht, Freiarbeitszeiten und Pausen unterschieden und Handy-Zonen auf dem Schulhof schufen, habe ich alles miterlebt.
Traurig macht mich, dass wir 2014 kaum einen Schritt damit weiter gekommen sind, Informatik als Pflichtfach für alle einzuführen. Dass die Sensibilität dafür immer noch kaum vorhanden ist - und es uns kaum gelungen ist, neue Verbündete zu finden -, dass es eine wichtige Zukunftsfrage für unsere Kinder ist, ob sie die Grundprinzipien von Programmen verstehen, ob sie in Ansätzen Code lesen können, ob sie eine Vorstellung davon haben, wie mächtig Algorithmen sind und wie viel Macht es verleihen kann, sie zu kennen und ändern zu können. Vielleicht sogar eine wichtigere Frage als die nach der Position von Brom im Periodensystem.
Belustigt stand ich vor den Diskussionen anderer Eltern und einiger Lehrerinnen über Facebook. Während unsere Kinder schon längst Freshtorge auf Youtube folgten und sich via Instagram die nächste große Liebe andeutete. Während sich die einen darüber beklagten, dass ihre Kinder die Lokalzeitung nicht mehr lesen (oder die Zeitungsverleger gar nach dem Schutzzollgesetz auch noch das Pflichtfach Medienarchäologie an den Schulen forderten), war ich überrascht, was mein 12-Jähriger alles über die Welt und die Politik weiß - bis ich rausfand, dass er natürlich Le Floid auf Youtube abonniert hat. Ganz ehrlich: mir ist das Medienverhalten meiner Kinder auch fremd. Aber ich finde es faszinierend.
Und seit in der Schule im sozialen Brennpunkt die Kommunikation zwischen der Klassenlehrerin und den Schülerinnen über Whats App läuft, vergessen die auch ihren Turnbeutel nicht mehr. Eine kurze Nachricht morgens - und alles ist geritzt.
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Etwas bearbeitet ist dieser Text auch im Jahresrückblickbuch von iRights media erschienen.
Hier kann man ihn online lesen.
4.12.14
Don't call me Pony
Es war damals eine große Freude, zu sehen, dass jemand aus der Ursuppe der eigenen Internet- und Social-Media-Nutzung das gleiche Hobby die gleiche Leidenschaft hat. Ich mochte ihre Arbeit schon, als ich das noch nicht wusste. Umso größer war die Freude. Als sich Kathy Sierra nach den brutalen Angriffen auf sie aus dem Onlineleben zurück zog, hat sie sich noch intensiver mit den großartigen Pferden, der Krone von Gottes Schöpfung, beschäftigt.
Und ist seit einiger Zeit wieder ins Onlineleben zurück gekehrt, sogar mit Blog. Und mit wunderbaren Filmen. Wie diesem hier. Der wahr ist. Und schön. Und so, wie ich fühle.
Und ist seit einiger Zeit wieder ins Onlineleben zurück gekehrt, sogar mit Blog. Und mit wunderbaren Filmen. Wie diesem hier. Der wahr ist. Und schön. Und so, wie ich fühle.
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