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18.1.12

Rettet das Web, bevor Apps es töten

Passend zum #SOPA-Aktionstag und zum gerade heute aktuellen Thema Freiheit hier die letzte Folge der Blogposts rund um meine sechs Ansagen für 2012. Es ist vielleicht die politischste, "ideologischste" These dieses Jahr. Aber eine, an der sich die Haltung zum Web entscheidet und in der es mehr als in allen anderen um die Zukunft geht. Alle sechs Teile und die Thesen selbst habe ich mit dem gleichen Stichwort versehen, so dass ihr sie hier zusammengefasst findet.
Das Web ist tot? Apps sind die Zukunft? Das will ich doch nicht hoffen. Es wäre eine schreckliche Zukunft, in der ich nicht leben, lesen, reden und arbeiten wollte. Apps (ob auf dem iPhone, anderen Smartphones oder auf Facebook) sind praktisch. Wenn ich eine klar umrissene Aufgabe für sie habe. Fahrpläne. Das Ausleihen eines Fahrrades. Die Uhrzeit in Tokio. Ein Einkauf in meinem Stammladen. Aber Apps haben nichts zu tun mit dem Internet. Weder mit dem Inter noch mit dem Net im Internet.



AOL (die Älteren werden sich vielleicht noch an den Namen erinnern) starb irgendwann unter anderem daran, dass es ein Silo war, das seine Nutzer einsperrte. Super praktisch, denn ich konnte alles machen, was AOL dachte, dass ich es will: Shoppen, Mailen, Chatten, Bankgeschäfte, Nachrichten lesen und so weiter. Nur rauslinken konnte ich nicht.

Das Internet lebt von Hyperlinks. Davon, dass hinter jedem Satz, jedem Stichwort, jedem Zitat potenziell eine ganze weitere Geschichte liegt. Nicht umsonst fahren die Onlinemedien am besten, auch wirtschaftlich, die das begriffen haben. Die auch auf Seiten verlinken, die nicht auf ihrem eigenen Server liegen. Die kein Silo mehr sind, sondern verstehen, dass jede, die ich wegschicke, umso lieber wieder zu mir zurück kommt. So wie ich lieber auf eine Party im Café gehe als auf einem Boot. Ich muss die Gastgeberinnen schon sehr gut kennen, um mich auf einem Boot einsperren zu lassen, so dass ich die Party nur dann verlassen kann, wenn sie entscheiden, mal anzulegen.

Um Nachrichten zu lesen oder Websites aufzurufen, brauchen wir keine App. Das geht genauso gut über eine gute Website, über eine, die auch auf dem kleinen Display meines mobilen Internetzugangsgerätes gut aussieht. Klar, wenn ich eine Website betreibe, die dem Anachronismus huldigt, auf 1024 Pixel Breite fest eingestellt zu sein, habe ich ein Problem, dann denke ich vielleicht über eine App nach, für Facebook oder für das iPhone. Aber wir reden hier ja über die Zukunft. Und nicht über das Jahr 2002.

Einer der großen alten Denker rund um das Web und Erfinder so kluger Dinge wie RSS (remember, those where the days) Dave Winer hat im Dezember sehr gut und schlank zusammen gefasst, warum Apps nicht die Zukunft sein können, egal, was die so genannten Technologie-Leitmedien schreiben:
The great thing about the web is linking. I don't care how ugly it looks and how pretty your app is, if I can't link in and out of your world, it's not even close to a replacement for the web. It would be as silly as saying that you don't need oceans because you have a bathtub. How nice your bathtub is. Try building a continent around it if you want to get my point.
Modernes Webdesign und moderne Technik hinter Websites ermöglichen uns, wunderbare Dinge zu bauen, die toll im Browser aussehen, ganz anders und trotzdem sehr gut auf dem kleinen Touchscreen in meiner Hand, und die großartig als Tab unserer Facebook-Seite funktionieren, wenn wir sie als iframe einbauen.

Im Grunde ist der App-Boom ja ohnehin absurd. Erst sagen sie, das Web werde omnipräsent und mobil und sozusagen das immer verfügbare Nebenbeimedium. Und dann schaffen sie das Netz und die Vernetzung ab und reduzieren das Thema auf Datenübertragung und Interaktion auf Displays?

Das Besondere am Internet ist sein eingebauter Hang zur Gleichheit aller Inhalte. Aus denen sich dann - nicht als Demokratie, aber im Kern schon als Meritokratie - die relevanten und besseren Inhalte herausschälen können. Hyperlinks untergraben die Autorität. Auch die von Apple. Oder des Spiegel. Oder der Marken. Apps dagegen sind autoritär. Denn sie entscheiden für ihre Nutzerinnen, was diese sehen, machen, erleben dürfen.

Kurzfristig mag es verlockend sein, als Unternehmen, als Marke, als Service auf dieses autoritäre Modell zu setzen, selbst wenn ich es nur als von Apple oder Facebook geliehene Autorität umsetzen kann. Aber schon 2012 wird der Gegentrend einsetzen und werden die Nachteile überwiegen. Denn hinter das verlinkte und verlinkende Internet kommen wir nicht mehr zurück. Und das ist auch gut so.

25.5.09

Liebe Freunde und Bekannte, liebe Familie

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, aber auch kein bürgerrechtsfreier Raum.

Langsam steigen auch Medien ein. Und das ist gut so. Dennoch ist die Debatte um den Einstieg in die Internetzensur über das Vehikel, vorgeblich etwas gegen Kinderpornographie tun zu wollen, noch zu unsichtbar. Darum haben in den letzten Stunden, ausgehend vom Blog netzpolitik.org, eine Reihe von Leuten begonnen, ihre Freunde und Kontakte anzuschreiben, um noch einmal auf das Thema aufmerksam zu machen. Mich hat vor allem Djures Mail sehr beeindruckt, die ich darum auch selbst, nur leicht ergänzt, an eine Anzahl meiner Kontakte weitergeleitet habe. Er schreibt (und ich schließe mich an):
Vielleicht mag ja der eine oder andere meinem Beispiel noch folgen und seinen Adressbuchkontakten etwas Ähnliches zumuten, wie ich heute. Der Text meiner Mail, die gerne in Teilen oder ganz übernommen werden darf, lautet wie folgt.

50hz - Werkstatt für Netzkommunikation » Blogarchiv » Netzsperren: Liebe Freunde und Bekannte, liebe Familie!

Das hier ist der Text meiner Mail:

Liebe Freunde und Bekannte, liebe Familie,

am Ende dieser Mail werde ich auf eine Petition beim Deutschen Bundestag verlinken, die sich gegen ein aktuelles Gesetzesvorhaben der Bundesregierung richtet - und um deren Mitunterzeichnung ich bitte.

Das Gesetzesvorhaben hat zum Ziel, die Verbreitung von Kinderpornographie in Deutschland einzudämmen. Das Vorhaben wurde von drei(!) Ministerien (von der Leyen, Zypries, zu Guttenberg) erarbeitet und wird von einer breiten Mehrheit des Bundestages getragen. Ein Gesetz also, an dem eigentlich nichts grundlegend falsch sein kann.

Und dennoch werde ich am Ende dieser Mail darum bitten, Euch mit Euren vollen Namen unter der Petition gegen dieses Gesetzesvorhaben einzusetzen.

Eine ziemliche Zumutung. Aber ich halte das Anliegen für so wichtig, dass ich niemandem diese Zumutung ersparen möchte.

Vorweg: Die Herstellung, die Verbreitung und auch der Konsum von Kinderpornographie sind ekelhafte Verbrechen. Staat uns Gesellschaft sind verpflichtet, dagegen mit allen geeigneten Mitteln des Rechtsstaates vorzugehen.

Leider ist es alles andere als trivial, gegen Kinderpornographie wirksam vorzugehen. Dieses Verbrechen findet überwiegend in einem dem gesunden Menschenverstand kaum zugänglichen Milieu und allzu häufig im unmittelbaren familiären Umfeld statt. Den Austausch von Bildern und Filmen organisiert man über schwer aufzufindende Wege, teilweise auch über das Internet.

In diese Mechanismen einzudringen und sie zu unterbinden erfordert akribische und teure Polizeiarbeit. Obwohl das seit Jahren bekannt ist, wird vergleichsweise wenig in diese Arbeit investiert. Insbesondere gibt es viel zu wenige Polizisten mit ausreichenden Kenntnissen über das Internet.

Unterstützt werden könnte die Polizei zudem von einer aufgeklärten und aufmerksamen Bürgerschaft, die sich nicht scheut, das Thema Kinderpornographie offen zu diskutieren und auf Verdachtsfälle hinzuweisen.

Das nun zur Beratung vorliegende Gesetz beruht vor allem auf der Initiative von Ursula von der Leyen. Ich schätze Frau von der Leyen für manche ihrer Initiativen zum Thema Familienpolitik. Beim Thema Kinderpornographie hat sie sich allerdings völlig vergaloppiert.

Das vorgelegte Gesetz - da sind sich alle einig, die sich mit dem Internet auskennen - ist in der Sache weitgehend wirkungslos. Gleichzeitig stellt es einen massiven Eingriff in bewährte Verfassungsprinzipien - bspw. das der Gewaltenteilung - dar.

Internetexperten weisen über alle Parteigrenzen hinweg seit Beginn der Diskussion über die geplanten so genannten Internetsperren auf die Probleme hin. Die klassischen Medien haben die Kritik lange Zeit ignoriert und seitens der Minister wird immer wieder der schwerwiegende Verdacht geäußert, alle Kritiker nähmen das Leid der Kinder auf die leichte Schulter oder würden gar die Kinderpornographie wissentlich unterstützen.

Damit wurde ein Klima geschaffen, das eine offene Diskussion der Netzsperren nicht eben angenehm macht.

Viele Kritiker sind dennoch bei der Stange geblieben und inzwischen wurde ein Hebel gefunden, das Thema einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Beim deutschen Bundestag ist eine Petition anhängig, die innerhalb weniger Tage das erforderliche Quorum von 50.000 namentlichen Unterzeichner erreicht hat. Damit hat es die Kritik in die Tagesschau geschafft und wird zumindest von den Medien langsam ernst genommen. Inzwischen gibt es sogar über 90.000 Mitzeichner.

Auf die verantwortlichen Minister macht das leider bislang keinen Eindruck. Im Gegenteil, sie diskreditieren die Kritiker weiter öffentlich, indem sie ihnen mittelbare Unterstützung beim Missbrauch von Kindern vorwerfen.

Ich halte es daher wie erwähnt für angemessen, Euch die Auseinandersetzung mit dem Thema zuzumuten.

Aus meiner Sicht geht es bei dem Ausgang der Beratungen über das vorgelegte Gesetz um einen Wendepunkt im Umgang mit dem Thema Internet. Es geht um den Einstieg in eine mit einer freiheitlichen Grundordnung nicht zu vereinbarende Überwachung des Internets. Oder es setzt sich endlich die Erkenntnis durch, dass wir alle uns in dem "Lebensraum Internet" gleichermaßen engagieren müssen, wie wir es hoffentlich in der realen Welt schon tun.

Wer sich jetzt fragt, warum er mir in dieser Sache mehr Vertrauen entgegen bringen soll als drei Bundesministern und der Mehrheit des deutschen Bundestages, dem möchte eine flapsige Frage mit einem ernstem Kern stellen: "Wen werdet ihr beim nächsten Mal fragen, wenn Euer Internet mal wieder nicht geht? Eher eine Ministerin von der Leyen oder jemandem wie mich?"

Wer sich noch weitergehend informieren möchte, dem kann ich folgende Texte ans Herz legen:

Für Zeitleser gibt es hier einen Leitartikel von Josef Joffe http://www.zeit.de/2009/21/Zeitgeist-21 und für FAZ-Leser einen längeren Text von Oliver Jungen http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~EAD036B1E03B84213841CFC2B08E5A989~ATpl~Ecommon~Scontent.html.

Jens Scholz hat sehr nachvollziehbar begründet, warum es sich bei der Netzsperre gegen Kinderpornographie zwar nicht um materielle Zensur geht, warum es aber dennoch um Zensur geht. Ich habe diesen Text hier dokumentiert: http://www.haltungsturnen.de/2009/04/warum-es-um-zensur-geht.html

Sehr fundierte Argumente finden sich auch bei Hanno Zulla, der hunderte Familien mit IT-Hintergrund hinter einer eigenen Initiative gegen die Netzsperren versammelt hat: http://www.hanno.de/blog/2009/erklarung-von-eltern-aus-it-berufen-zu-internetsperren/

Und wem Lesen zu anstrengend ist, der kann natürlich auch einfach mal Fernsehen: http://www.50hz.de/einfach-mal-fernsehen-zapp-ueber-zensursula/

Und hier geht es nun zur angekündigten Petition:
https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=3860

Wer mag, darf meine Mail gerne weiterleiten!

Ich bitte euch, macht mit, leitet die Mail weiter, ruft eure Freunde und Verwandten auf, mitzumachen. Dieses Thema ist zu wichtig, um weiterhin so behandelt zu werden, wie es zurzeit geschieht.

27.4.09

Warum es um Zensur geht

Diesen großartigen Beitrag, den ich zu 100% unterschreibe, hat Jens Scholz am vergangenen Sonnabend geschrieben und in seinem Blog gepostet. Er bittet ausdrücklich darum, ihn weiterzuverbreiten, wenn er gefällt. Und da ich ihn für den bisher verständlichsten und richtigsten Beitrag zu diesem komplizierten Thema halte - und da ich bisher noch nicht darüber geschrieben habe, weil mir die richtigen Worte nicht einfielen -, tue ich genau das hiermit und schließe mich Kollegen wie René Walter (Nerdcore) oder Ralf Bendrath (Netzpolitik) an:


von Jens Scholz

Da reiben sich gerade so viele die Hände, daß man eigendlich ein beständiges Rauschen hören müsste. Die Idee, das Thema Kinderpornografie als Popanz vorzuschicken, um das nun geplante Internet-Zensursystem einzuführen war aber auch wirklich eine richtig gute. Hat das ja zuvor mit den Themen Terrorismus und Internet-Kriminalität nicht wirklich hingehauen, kann man hier spitzenmäßig mit dem Holzhammer wedeln und Kritiker einfachst diffamieren, indem man die eigentliche Kritik ignoriert und ihnen vorwirft, sie wollten die Verbreitung von Kinderpornografie schützen. Wie schnell schon der Vorwurf zum beruflichen und gesellschaftlichen Tod führen kann, zeigte man nur wenige Wochen zuvor ja schonmal anschaulich am Exempel Tauss (der übrigens natürlich nicht im Netz "erwischt" wurde, sondern über Handykontakte und DVDs per Post).
Aber ich schweife schon wieder - wie es durch die Wahl dieses Themas ja auch gewünscht ist - ab.
Denn das Problem, das die Kritiker haben, ist ja natürlich nicht, daß man den Zugang zu Kinderpornografie sperren will, sondern das Sperrinstrumentarium, das man dazu baut. Schaut man sich das an, merkt man schnell: Es geht nicht um Kinderpornos und wie man dagegen vorgeht. Ging es nie.
Es geht um die Installation eines generellen technischen Systems und die generelle Art und Weise, wie es betrieben wird: Es geht darum, daß eine waschechte, diesen Namen zu Recht tragende, Zensur ermöglicht wird. Auch wenn die zunächst gesperrten Websites tatsächlich nur Kinderpornografie beinhalten (was die Liste eigentlich extrem kurz halten müsste) wäre sowohl die Technik, die Verwaltung und sogar die Psychologie installiert, um sofort eine effektive Zensur betreiben zu können.

Technik
Die Provider sollen ihre Nameserver so umbauen, daß Webseiten, die das BKA aussucht und ihnen nennt, nicht erreichbar sind und dem Nutzer bei Aufruf stattdessen eine Sperrseite angezeigt wird. Gleichzeitig soll das BKA jederzeit abrufen könne, welche Nutzer auf Webseiten aus dieser Liste zugreifen wollten und stattdessen auf die Sperrseite geleitet wurden.
Ein normaler Internetnutzer, der seinen Nameserver nicht auf einen freien DNS-Server umstellt, sieht bestimmte Seiten nicht und erhält die Mitteilung, er wolle sich gerade Kinderpornografie ansehen. Ob das stimmt, weiß er nicht und nachprüfen darf er das auch nicht, da ja schon die Suche nach Kinderpornografie strafbar ist. Der Nutzer muss sich in diesem Moment weiterhin im Klaren sein, daß er gerade etwas getan hat, was das BKA als illegal ansieht und als Grund ansehen kann, gegen ihn vorzugehen.
Die allein schon technisch verursachten Risiken für jeden Internetnutzer sind immens, noch dazu, weil man damit auch noch eine perfide Beweisumkehr eingebaut hat: Sie müssen künftig ihre Unschuld beweisen, z.B. daß sie "versehentlich" die gesperrte Seite angesteuert haben. Viel Spaß beim Versuch, Richtern TinyUrls, iFrames, Rootkitangriffe, Hidden Scripting und so weiter zu erklären, wenn Sie überhaupt wissen, was das ist.
Die Lösung zunächst: Den Nameserver umstellen, um sich dieser Gefahr vollständig zu entziehen. Geht schnell und kann jeder.
Die Technik ist allerdings interessanterweise das kleinste Problem in dieser ganzen Geschichte. Es gibt Staaten, die in ihren Zensurbemühungen schon wesentlich weiter sind. Die Menschen dort können dennoch sowohl anonym als auch unzensiert das Internet benutzen. Das Internet ist von Nerds gebaut worden. Ein Staat kann da so viel fordern wie er will, er wird das Netz auf technischer Ebene never ever kontrollieren können.

Verwaltung
Hier liegen die springende Punkte, die das Ganze zum Zensurinstrument machen:
1. Die gesperrten Inhalte stehen auf einer Liste, die das BKA direkt und ohne Prüfungsinstanz erstellt und die die Provider möglichst ohne sie anzuschauen zu installieren haben. Es entscheidet kein Richter über den Inhalt, es überprüft keine unabhängige Institution über die Rechtmäßigkeit, es gibt keine Regelung, wie Adressen überhaupt wieder von der Liste gelöscht werden könnten. Die Polizei, die Verbrecher verfolgt, bestimmt, welcher Wunsch nach welcher Information ein Verbrechen ist. Vorab zu definieren, was ein Verbrechen ist und hinterher darüber zu entscheiden, ob ein Verbrechen begangen wurde ist aber nicht Aufgabe der Polizei.
2. Die Liste ist geheim. So lange diese Liste nicht in die Öffentlichkeit gerät kann alles drinstehen und nichts davon muss gerechtfertigt werden. Wer das in Frage stellt wird zum Verdächtigen. Wie Zensur in Reinform eben funktioniert.
3. Der Gesetzentwurf ist schwammig genug, daß das BKA im Prinzip alles in die Liste setzen kann. Da im Web jeder Inhalt nur einen Klick weiter vom letzten entfernt ist und das Gesetz möchte, daß auch "mittelbare" Seiten gesperrt werden können, kann somit de facto auch jede Seite gesperrt werden.
4. Das System soll die direkte Verfolgung von Zugriffen erlauben. es wird nicht nur gesperrt, sondern es kann auch nachgeschaut werden, wer sich die gesperrten Seiten ansehen will. Dies kann dann Anlass für verdeckte Überwachungen, Hausdurchsuchungen und andere existenzbedrohende Vorgänge sein.
Die Staatsanwälte dieses Landes üben ja seit einiger Zeit kräftig an der Vorverurteilungsfront, indem Sie inzwischen gerne mal Pressemitteilungen über eingeleitete Verfahren rausgeben und die Presse direkt zu möglichst spektakulär und öffentlichkeitswirksam inszenierten Verhaftungen mitnehmen (Zumwinkel, Tauss, Frau B.).

Psychologie
Womit wir schon beim gewünschten Effekt von Zensur sind: Die Einführung der Schere im Kopf. Die wirksame Selbstzensur, weil man nicht weiß, was eventuell passiert, wenn man zu laut und deutlich Kritik äußert. Die Geheimhaltung der Sperrliste und ihre völlige Unverbindlichkeit durch das Fehlen jeglicher Kontolle ist ein bewußt eingesetzes Instrument, um Verunsicherung zu erzeugen.
Ein anderes ist die Verknüpfung mit dem Thema Kinderpornografie, womit wir wieder am Beginn dieses Artikels wären. Man weiß ja inzwischen, daß auch nur der leiseste Ruch, man könnte eventuell irgendwas mit Kindesmissbrauch und Pädophilen zu tun haben, die Existenz vernichten kann, selbst wenn hinterher rauskommt, daß tatsächlich nichts an den Vorwürfen dran war. Wie nahezu generell nichts rauskommt. Das ist ein so extrem starkes und wirksames Druckmittel, was natürlich beispielsweise ein Herr Gorny sofort erkennt, weil sein Versuch, diese Schere im Kopf einzuführen (durch den Versuch, Filesharing als schreckliches Verbrechen zu diskriminieren), wirkungslos blieb und er sich nun an den besser funktionierenden Trigger dranhängt (indem er Urheberrechtsverletzung mit Kindesmissbrauch gleichsetzt).
Die Justizministerin gibt dann noch Tipps in die richtigen Richtungen, die natürlich prompt reagieren. Überhaupt, das mal ganz nebenbei, finde ich es immer wieder seltsam, daß Frau Zypries immer wieder als Warnerin vermittelt wird. Dabei war - so sagt sie zumindest - sie es, die den Gesetzentwurf gegenüber dem Vorabvertrag von Frau von der Leyen verschärfen ließ und dieser nun schon den Zugriff auf Stopp-Seiten verfolgen lassen will.

Um die Frage zu beantworten, warum und wann es in einer Gesellschaft überhaupt dazu kommen kann, daß ein Teil davon meint, einen solchen Eingriff vornehmen zu müssen und der andere Teil (zu dem ich u.a. mich zähle) darin ein so massives Unrecht sieht, das es zu bekämpfen gilt, kann man sich bitte den Artikel "Kampf der Kulturen" drüben bei netzpolitik.org durchlesen.

24.3.09

HDL statt HDS

Ich ertappte mich vor einiger Zeit dabei, dass ich auf LOL in der gesprochenen Sprache meiner Söhne ähnlich reagierte wie meine Eltern damals auf das Wort geil (das heute ja schon zur Alltagssprache von uns alten Säcken gehört, also wohl nicht so schlimm war, oder?). Ich hab das dann länger reflektiert und am Ende dieses Prozesses die klare Ansage gemacht, dass ich LOL nicht hören will, wenn sie mit mir reden.
(Ich mein, irgendwomit müssen sich die Jungs ja auch von mir abgrenzen können und mich schocken und so. Denn der Versuch mit dem Nietengürtel ist gründlich daneben gegangen, weil ich nicht entsetzt war.)

Insgesamt bin ich eher entspannt, wenn es um die pubertäre Parallelsprache geht, die unsere Kinder entwickeln, denn das war ja im Grunde immer schon so. Und solange sie lesen (also richtige Bücher jetzt), sollen sie doch im Messenger reden, wie sie wollen. Und außerdem: lieber HDL als HDS*. Echt. Dass ich, wenn ich mich schriftlich mit ihnen unterhalte, dann hin und wieder nachfragen muss, was das da jetzt heißen soll, nehme ich gerne in Kauf.

Aber dieser Song von Jasper trifft es trotzdem gut, oder? Ebenso wie der nachdenkliche Beitrag von Frau Antonmann zum gleichen Thema, über den ich das Video gefunden habe und der mich zu diesem Eintrag hier inspiriert hat, nachdem ich dort kommentierte...




* Was keine mir bekannt Bedeutung hat, sondern nur ein billiger Trick ist, um sinnlosen Quatsch zu quatschen, weil ich ADS nicht schreiben wollte, aber eigentlich meinte.

13.9.07

Schäuble zurückgetreten

Wer hätte das gedacht? Schneller als erwartet, ist Wolfgang-Schaeuble.de zurückgetreten, wie ich vor etwa zwanzig Minuten seinem immer noch aktiven Twitteraccount entnehmen konnte:


onlinekosten.de erklärt die Hindergründe dieses Rücktritts, der so aussieht (nur aus Dokumentationsgründen, falls er doch noch mal vom Rücktritt zurück tritt, man hat schon Pferde kotzen sehen*):



* Übrigens ist es ein Märchen, dass das nicht ginge. Zwar haben Pferde keinen Würgereflex, aber meine Süße hat neulich trotzdem eines kotzen sehen. Das war kein witziger Anblick, anders als bei Jacquline, wie da die Suppe aus den Nüstern lief. Aber das nur am Rande....)

31.7.07

Kindersicherung

Medienerziehung ist schwer. Und während ich einerseits das Geflagge von bedenklichen Inhalten bei US-Portalen wie YouTube oder auch hier bei blogger.com irgendwie albern finde, lerne ich doch gerade auch den Vorteil sehen: Wenn meine Kinder anfangen, sich im Internet zu bewegen, sind ihre ersten Seiten nach MSN und E-Mail (die sie teilweise ja nicht über den Browser bedienen) deutsche Videoportale - vor allem solche mit trashigen Inhalten und Anbindung an TV-Netzwerke. Viel Fantasie braucht man da ja nun nicht mehr.

Ich bin etwas ratlos, was zu tun ist. Noch kann ich vor ihnen den an sich fiesen Kontrollmechanismus verbergen, wie ich sehen kann, welche Seiten sie aufgerufen haben. Und auhc Gespräche mögen zunächst helfen. Und dann? Irgendeine Idee oder Erfahrung? Ich mein, ich will ja das Internet und die Selbstständigkeit nicht wirklich beschränken...

9.7.07

Meta Social Network

Unabhängig vom Sponsoring durch Google ist das, was Socialstream über ihr Projekt schreiben, spannend, finde ich: Eine Art Meta Social Network, mit dem ich - in der Theorie - über eine Oberfläche in andere Networks posten kann (was beispielsweise für MySpace noch nicht geht, da die (noch?) keine offene Schnittstelle haben).

Mal abgesehen von den für mich auch beruflich lustigen Veränderungen in der Nutzung von Social Networks und der Frage, ob nicht bereits Facebook das eigentliche Meta Network ist, klingt auch das Präsentationsvideo vielversprechend:



Lohnt sicher auf jeden Fall die Beobachtung...


(via Mashable)


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27.6.07

Das heißt nicht Pedant, das heißt Pedant

Heute haben Sebastian und ich eine sehr interessante gegenseitige gegenseitige Schlussredaktion via Twitter und Skype gemacht - Ausgangspunkt war dieser Beitrag von Sebastian im fring-Blog und mein eleganter Einwurf bei Twitter...
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach 16:19
http://faql.de/numerus.html#status
Sebastian Keil 16:19
betterknower
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach 16:20
hihi
16:20
aber bei stati dreht sich mir alles um, tut mir leid
Sebastian Keil 16:20
jetzt muss ich mal kurz alle blogs öffnen und checken, wo ich wohl
stati geschrieben habe...
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach 16:20
fring
Sebastian Keil 16:21
guck jetzt nochmal
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach 16:23
sieht ja bekloppt aus, aber das hier: Selbstrededend drei Worte
vorher ist ja auch nicht schlecht.
Sebastian Keil 16:23
och meno
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach 16:23
hihihi
16:24
du weißt doch: das heißt nicht Pedant, das heißt Pedant
16:24
sagte ein Freund von mir immer
Sebastian Keil 16:24
siehe twitter
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach 16:26
nee, absolut nicht: http://en.wikipedia.org/wiki/Declination
16:26
http://en.wikipedia.org/wiki/Declension
16:26
typischer Fall von False Friends
Sebastian Keil 16:31
mmh, touche. aber ich hab weder im english studium noch in den
staaten Deklination von latein gehabt
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach 16:32
hihi
16:36
(im Übrigen hab ich nur Glück gehabt: ich hab Deklination
vorsichtshalber nachgesclagen, bevor ich getwittert hab, weil ich bei
Fremdwörtern immer vorsichtig bin - dass declination ein false friend
ist, wusste ich gar nicht vorher, wieder was gelernt)
Sebastian Keil 16:37
soweit ist es schon, recherche vorm twittern. und da sag noch einer,
blogger wären keine journalisten
Sebastian Keil 18:32
ich würde ja sagen, er stellt den laptop auf die kochinsel, but thats
just me
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach 18:34
oh, kakke, du hast Recht.
Sebastian Keil 18:34
puh, da bin ich aber froh, dachte schon, das wäre regional
Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach 18:35
ich hab im Duden nachgeguckt, der kennt keine Varianten.
18:35
warte, ich schreib ein Update....
18:39
update: http://luebue.blogspot.com/2007/06/frher-war-alles-komplizierter.html
Und das, wo wir irgendwie Konkurrenten oder so was sind, und trotzdem das hier parallel posten....

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Früher war alles komplizierter

Ich erlebe an meinen Kindern, wie sehr sich Kommunikation verändert hat. Meine beiden Großen nutzen wie selbstverständlich MSN und Mail und das Internetz. Wenn mein Zweiter beispielsweise was backen will (eines seiner Hobbys), dann guckt er auf einer seiner Lieblingsseiten nach neuen Rezepten, stellt das den* Laptop auf die Kochinsel und legt los. Wenn mein Größter vom Training kommt, guckt er noch kurz, wer von seinen Freunden online ist und redet mit ihnen - und das, wo er nicht gerne telefoniert. MIr ist das lieber, als wenn er SMS verschickt, aber ich bin in so was ja auch irgendwie geizig.

Seit meine Liebste mit mir über einen Instant Messenger verbunden ist, bekomme ich viel mehr an Kleinigkeiten mit vom Alltag zu Hause, inzwischen pingt mich auch mein Großer an, wenn er online geht. Und anders als beim Handy beispielsweise sehe ich ihn und bin nur einen Klick entfernt, wenn er eine Frage hätte oder ihm etwas komisch oder gefährlich vorkommt. Das beruhigt uns beide (nur mal so zum Vorurteil, dieses Netz sei für Kinder gefährlich), zumal wir klare Regeln vereinbart haben, wann und was ich an seinen Aktivitäten kontrolliere - und wo seine Privatsphäre auch vor mir halt macht.

Gerade habe ich mich über "früher" unterhalten - wie wir vor dem Telefon gesessen haben und auf Anrufe warteten, aufgeregt, was denn wohl käme. Ich glaube, meine Abneigung gegenüber dem Telefon kommt da her. Oder noch früher, wenn mein Vater meine Mutter von Langenhorn aus mit dem Fahrrad in Horn besuchte, ohne zu wissen, ob sie da ist. Telefon gab es nicht.

Ich finde es besser heute. Wirklich.

* Nun steht es in der Korinthenkakkmeisterschaft 1 : 1 zwischen dem Pöbler und mir. Ätzend. Er hat Recht, Laptop ist männlich und nur männlich lt. Duden....

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22.6.07

Hilfe, ein Kunde (2)

Neulich hatte ich ja schon mal über mein fantastisch erfolgloses Online-Gespräch mit Alice/ Hansenet geschrieben. Nun ist es noch besser gekommen:


Also, zum Mitschreiben:
  • Ich mache die "Live Online-Beratung" auf, die mein Telefon- und Internetdingens anbietet.
  • Da darf ich was reinschreiben.
  • Dann meldet sich eine Frau mit einem (echten) Namen.
  • Die schickt eine vorkonfigurierte Nachricht.
  • Dann frage ich noch mal und muss rund 25 sec. auf eine Antwort warten.
  • Und dann bekomme ich eine absurde Nullantwort aus dem Textbaukasten der hirnamput standardisierten Sorte.
So weit, so schlecht. Ich mein: Geht's noch???

Haaalllloooooo! Es geht um eine Live Online-Beratung (so inklusive Deppenbindestrich wörtlich auf der Website) - und ich werde mit dem Hinweis auf eine kostenpflichtige Telefonhotline abgespeist? Die hätte ich auch so anrufen können.

Ich schließe also das Fenster und versuche es noch mal. Mit - ähäm - mittelgroßem Erfolg.


Aber immerhin mit dem Hinweis auf eine kostenfreie Nummer.

Kennt jemand einen zuverlässigen, preiswerten Dingens in Hamburg, bei dem ich DSL- und Festnetzflat mit einer gedeckelten Flat zu Mobilnummern bekomme? Und der empfehlenswert ist?

7.6.07

Hilfe, ein Kunde

Vor gefühlten hundert Jahren hatte ich mit einem Freund, der das auch hätte schrauben können, die Idee, reale Verkäufer über eine Chatanwendung zu entwickeln und sowohl die technische Umsetzung als auch die eigentliche Realisierung in einer Art "Chat-Center" anzubieten.

Wir waren etwas zu spät für die Blase damals, haben es dann auch zügig abgeblasen wieder. Und es hätte auch nicht geklappt, denn andere Leute, die etwas Vergleichbares (ok, nicht so gut wie wir, aber die gleich Grundidee) auf die Spur gesetzt hatten, gingen ganz schnell wieder hopps.

Heute hab ich erstmals seit Jahren versucht, einen solchen Chat zu nutzen, den ja immer mehr Unternehmen angeblich einsetzen. So auch mein Telefon- und Internetz-Anbieter Alice aka Hansenet. Das Ergebnis war - äh - ernüchtend:

20.2.07

Sackkarre

Das Branchenblatt Horizont ist immer ein ganz netter Indikator dafür, wann Trends im Mainstream angekommen sind. Das ist nun also mit Web 2.0 der Fall, denn die aktuelle Ausgabe hat gefühlt auf jeder Seite einen Artikel zu dem Thema. Spannend finde ich in dem Zusammenhang aber vor allem, dass die Zunahme der (fach)medialen Präsenz in keiner messbaren Analogie zu Wissenszuwachs und Sicherheit im Umgang mit dem Thema steht.

Aber das wollte ich eigentlich gar nicht erzählen, sondern diesen Screenshot posten, der in der gedruckten Ausgabe noch besser zur Geltung kommt. Und offenbart, dass auch in Kaffeerösterfilialen manchmal ein wunderbarer Humor herrscht:

3.1.07

Welcome to the Pleasure Dome

Oder auch: Willkommen im Jahr 2007. Denn manchmal denke ich ja, dass ich etwas zu bösartig zu den lieben Kollegen von den Altmedien (auch "Mainstream Media" genannt) bin, wenn ich ihre Zukunftsfähigkeit in Frage stelle. Und dann überholen mich herausragende Vertreter dieser Medien mit ihrer Analyse gnadenlos und ich fühle mich zahm und viel zu konsensuistisch.

Nehmen wir mal Birand Bingüls Kommentar in den Tagesthemen oder auch den von Stefan Kornelius in der SZ. Die passende Antwort hat der begnadete Sascha Lobo in einem Kommentar bei Stefan Niggemeier parat. Unbedingt lesen! Kostprobe? Hier, nach einem Exkurs über die Bronzezeit:
Dieses an den Haaren herbeigezogene Beispiel zeigt Dir, Sascha, dass sich die Kultur, der Sinn des Lebens nebenbei gesagt, scheidet in die Kulturtechnik und die Inhalte. Solltest Du sie je wieder verwechseln, diese beiden Zwillingsschwestern, so darfst Du nur noch Spinettmusik von Wachstrommeln hören und musst fortan ein Handy mit Dieselantrieb benutzen und SMS in Fraktur schicken - mit anderen Worten, Du wirst zum Vollkornelius und taumelst besinnungslos zwischen den Symptomen, Techniken, Ursachen, Wirkungen und Blüten der Neuzeit umher, mal hierdran riechend, mal dortdrauf spuckend, auf jeden Fall aber distanzlos die technische Oberfläche für das Mass aller Dinge haltend.

27.11.06

Gassner's Law

Das ist ja wieder typisch*. Da wird ein europaweites Blog im Intranet neu gestartet, da ruft der Europachef dazu auf, das in den RSS-Reader zu packen (und verknüpft das mit einem Gewinnspiel und einer Aufforderung zu kommentieren) - und wer kommt als erstes vollständig an? Die deutschen Blogger der Belegschaft.

Ha!


* Wobei: Es sei darauf hingewiesen, dass das mit dem typisch natürlich quatsch ist, da ja selbstverständlich auch hier Gassner's Law gilt...