1967 regierte eine große Koalition. Schon einige Zeit rumorte es unter jungen Leuten und einigen etwas älteren. Die groteske Mischung aus Ignoranz gegenüber der Verstrickung ihrer Generation in den Nationalsozialismus (mit dem Symbol eines Ex-Nazis als Bundeskanzler der großen Koalition) und Ignoranz gegenüber der Lebenswirklichkeit der nächsten Generation hat die herrschende Elite an die Grenze ihrer Möglichkeiten gebracht. Und während die Entideologisierung die SPD zwar in die Regierung geführt hat, bildete sie doch nicht mehr die Hoffnung der sich radikalisierenden Teile der Jüngeren.
Was fehlte, was das Fanal. Und das geschah am 2. Juni 1967. Mit der Ermordung von Benno Ohnesorg.
An diesem Datum, an diesem Fanal, spaltete sich die Opposition, im Grunde mit ihrer eigentlichen Gründung schon. Ich finde es faszinierend zu sehen, wie die Menschen in der Generation meiner Eltern unterschiedliche Erinnerungen an diese Zeit haben - so unterschiedlich wie ihre Wege, die sie damals gingen. Von denen, die den Demokratieaufbruch Willy Brandts mitgingen (und 1972 begeisterte Juso-Wahlkämpferinnen wurden), über die, die sich der DKP oder den K-Gruppen anschlossen, um ihre bürgerliche Existenz ertragen zu können, bis hin zu denen, die eine zeitweise sogar offene Sympathie für diejenigen hegten, die den Weg in den Untergrund gingen. Persönlich kenne ich in meinem Umfeld keine, die den Weg in den Untergrund selbst gingen, nur vom Hörensagen und aus der Entfernung.
In einer Situation, die sie als totalitär empfinden - und die damals, wenn wir es recht bedenken, auch tatsächlich totalitär war -, einen anderen Weg zu gehen als den durch die Institutionen, ist folgerichtig. Und ist historisch auch wohl der richtigere Weg gewesen, denn der demokratische Aufbruch nach 1969 war überwiegend doch nur Kosmetik.
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Angesichts der Unfähigkeit und Unwilligkeit der jetzt begonnenen großen Koalition, elementarste Rechte der Bürgerinnen auch nur zu beachten oder gar zu verteidigen, angesichts der postdemokratisch-technokratischen Haltung der Kanzlerin und ihrer Verbündeten ("alternativlos", "die Märkte" etc), und angesichts einer Bevölkerung, die in ihrer breiten, ganz überwiegenden Mehrheit diese Postdemokratie und ihre Vertreterinnen richtig und gut findet und das Problem nicht einmal sieht, das wir damit haben - angesichts dieser Entwicklung kann ich auf einmal nicht nur die Sympathie meiner Eltern für den Untergrund verstehen. Sondern fühle mich auch sonst an 1967 erinnert. Mit allem Mehltau, mit einer zwar nicht revolutionären Situation aber einer, die eigentlich einer Revolution bedürfte.
Ich bin mir sicher, dass ich nicht 30 Jahre warten will, bis diejenigen, die diesen Mehltau so spüren und kaum ertragen mögen, selbst in die Regierung kommen - wie es die Generation meiner Eltern tat, die später erst die Bewegungen gründeten und dann die "bunten Listen" und so weiter, die in den Grünen aufgingen.
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Die Frage ist, was wir aus 1967 lernen können. Wie wir nicht die gleichen Fehler machen, wenn wir uns engagieren und das System ändern wollen. Wie wir vermeiden, so isoliert zu werden, wie es der militante Teil des Widerstandes war. Wie wir widerständig und damit in einem postdemokratischen System wie dem unseren notwendig auch immer wieder legitim illegal sein werden, ohne die Anschlussfähigkeit zu denen zu verlieren, die ein Unbehagen gegenüber dem Totalitarismus der Technokraten empfinden, ohne schon widerständig sein zu wollen oder zu können. Vielleicht sollten wir noch einmal gründlich Gramsci lesen.
Das einzige, mit dem ich mir sicher bin in dieser vorrevolutionären Situation, ist, dass es nur eines Funkens, eine Fanals bedarf, um den Widerstand manifest werden zu lassen. So wie 1967 den Mord an Ohnesorg. Ein Fanal, mit dem Regime, Regierung und Gesellschaft nicht umgehen können. Und das den Widerstand formiert. Was immer das sein mag und sein wird.
Auffällig ist nur: Die Eliten des Regimes, die Technokraten und Postdemokratinnen leben gefährlich nah am Pulverfass, ohne die Zündschnur zu sehen.
30.12.13
18.12.13
Netzwerk-Reset
Vielleicht liegt es ja doch am Jahresende. Oder daran, dass ich dabei bin, die Ausblicke auf 2014 zu schreiben. Oder den Jahresbrief der Familie. Dass ich also gerade gucke, was mir gefallen hat, was mich nervte, was sich änderte. Und gestern schrieb Nico etwas, das mir zwar anders geht, aber vom Prinzip her ähnlich. Wo Nicos Twitterblase kaputt ist, ist es meine bei Facebook, merke ich immer wieder und immer mehr. Dauernd schreiben Vollspacken irgendwelchen merkbefreiten Kram, auf den dann andere Schwachköpfe antworten. Sorry for being so rude. Ist doch aber so.
Zeit, sich das einmal genauer anzusehen und erste Konsequenzen zu ziehen. Zumal ich es auch zukunftsfähig halten will und die massiven Veränderungen in Nutzung und bei den Nutzerinnen der letzten Monate in allen Netzwerken mich ohnehin zu Veränderungen zwingen. Privat und beruflich. Zu letzterem mehr, wenn die Ausblicke oder Trends für 2014 kommen, die ich sehe.
Das, was private und berufliche (professionell-kommunikative) Nutzung speziell von Facebook aber gemeinsam haben, hängt damit zusammen, dass das Netzwerk zunehmend dysfuktional geworden ist - wenn wir es als Ort für Gespräche betrachten wollen.
Naja.
Meine These, dass das Silo Facebook von einer Vielzahl von sinnvollen Netzwerken und Plattformen abgelöst wird, ist ja auch nicht nur so daher gesagt. Wo immer ich mit anderen Menschen spreche, erzählen sie es auch: dass sich die Nutzung verändert (hat).
Für mich ist im ablaufenden Jahr beispielsweise Instagram immer wichtiger geworden und ein Ort, an dem ich Kontakte und Inspiration finde. Und Twitter hat wieder an Bedeutung zugenommen. Facebook war nett, um Geburtstagsgrüße zu bekommen. Und treibt einigen Traffic hier ins Blog. Aber das war es auch schon.
Mein "Netzwerk-Setup" ändert sich darum:
Zeit, sich das einmal genauer anzusehen und erste Konsequenzen zu ziehen. Zumal ich es auch zukunftsfähig halten will und die massiven Veränderungen in Nutzung und bei den Nutzerinnen der letzten Monate in allen Netzwerken mich ohnehin zu Veränderungen zwingen. Privat und beruflich. Zu letzterem mehr, wenn die Ausblicke oder Trends für 2014 kommen, die ich sehe.
Das, was private und berufliche (professionell-kommunikative) Nutzung speziell von Facebook aber gemeinsam haben, hängt damit zusammen, dass das Netzwerk zunehmend dysfuktional geworden ist - wenn wir es als Ort für Gespräche betrachten wollen.
Ich glaube ja, Leute, die Facebook für Social Media halten oder damit Cluetrain umsetzen wollen, sind ein bisschen dumm.
— Wolfgang Lünenbürger (@luebue) December 18, 2013
Naja.
Meine These, dass das Silo Facebook von einer Vielzahl von sinnvollen Netzwerken und Plattformen abgelöst wird, ist ja auch nicht nur so daher gesagt. Wo immer ich mit anderen Menschen spreche, erzählen sie es auch: dass sich die Nutzung verändert (hat).
Für mich ist im ablaufenden Jahr beispielsweise Instagram immer wichtiger geworden und ein Ort, an dem ich Kontakte und Inspiration finde. Und Twitter hat wieder an Bedeutung zugenommen. Facebook war nett, um Geburtstagsgrüße zu bekommen. Und treibt einigen Traffic hier ins Blog. Aber das war es auch schon.
Mein "Netzwerk-Setup" ändert sich darum:
- Wichtigster Ort für Gespräche, Blödeleien, Links und Inspiration bleibt Twitter. Es ist und bleibt mein wichtigster digitaler Raum, in dem ich mich wohlfühle, in dem ich die für mich richtigen Leute kenne, die mir helfen, das Wichtige und Relevante zu finden.
- Instagram ist mein wichtigster privater Raum. Privat im Sinne von "Wolfgang die Privatperson", nicht im Sinne von "nicht öffentlich". Immer häufiger ist der erste Griff morgens der zur Instagram-App.
- Für berufliche Kontakte werde ich ab sofort nur noch LinkedIn nutzen. Ich merke, dass ich einfach keine Lust habe auf die völlig unbrauchbare und dazu auch noch völlig an der Struktur meiner Kontakte vorbei ausgerichteten "Weiterentwicklung" von Xing. Erster Schritt war die Kündigung meiner Premiummitgliedschaft, im Laufe der nächsten Monate werde ich meinen Account dort löschen.
- Ich werde Facebook anders nutzen als bisher. Abmelden kann und will ich mich nicht, weil ich dort einige interessante Gruppen habe und es beruflich brauche. Aber ich werde bei den Kontakten aufräumen (sprich: massiv reduzieren), ich habe die Inhalte unsichtbarer gemacht, ich werde dort nur noch posten, um Traffic zu holen und meine Ideen unters Volk zu bringen. Facebook ist aus meiner Sicht kein Raum für Gespräche und kein Social Media.
- Weiterhin werde ich hin und wieder auf Medium schreiben. Nur auf Englisch. Und nur sporadisch, wenn es um Nachdenken geht. Aber ich liebe dieses Netzwerk sehr und finde es extrem gut und spannend. Einer der Entwürfe, wie ich mir das Internet vorstelle.
Anderes wird sich ändern, wird weiter gehen, wird aufhören. Auf meiner Homepage werde ich weiterhin das zusammenführen, was ich teilenswert finde. Aber grob gesagt scheint mir dies ein sinnvolles Reset meiner Netzwerknutzung zu sein. Ich bin gespannt, ob damit der Nervfaktor zurückgeht und die Inspiration bleibt. Mitsamt den Gesprächen.
12.12.13
Medienerziehung
Früher hätten wir einen Brief oder eine Postkarte an die Plattenfirma geschrieben und einige Wochen später wäre etwa die gleiche Antwort mitsamt drei Autogrammkarten gekommen, wenn wir Glück hatten. Heute fragen wir mal eben nach.
Und so kommt es, dass Chris de Burgh mit Tertius einen netten Dialog hatte. Denn dessen Musiklehrer hatte die (wie ich finde: sehr gute) Idee, dass die Kinder Referate über die Lieblingssängerin oder die Lieblingsband ihrer Eltern halten. Und weil Sigur Rós ihm zu schräg und anstrengend war (dabei, hey, wäre er damit echt voll cool gewesen), nahm er meinen Lieblingssänger seit ewigen Zeiten (seit ich zur Konfirmation meine erste Platte von ihm geschenkt bekam). Positiver Nebeneffekt: Ich höre seit Tagen wieder diese Musik, die mir gute Laune und mich vor allem, wie ich immer wieder verwundert feststelle, glücklich macht.
Verwundert rieb ich mir erst die Augen heute früh. Und auch Tertius freute sich sehr. Und erst später wurde mir bewusst, dass dies ja recht eigentlich Medienerziehung für mein Kind war. Embedded sozusagen.
Mich fasziniert, wie einfach das Einüben neuer Kommunikation im Alltag sein kann. Und wie bereitwillig die Kinder etwas mit mir ausprobieren. Da muss ich ihnen gar nichts überstülpen.
Und ich merke, wie anders ich sie begleiten kann in ihre Wissenswelt, wenn ich selbst ihre Netzwerke nutze. Denn auf Twitter war Tertius ja schon etwas länger...
Und so kommt es, dass Chris de Burgh mit Tertius einen netten Dialog hatte. Denn dessen Musiklehrer hatte die (wie ich finde: sehr gute) Idee, dass die Kinder Referate über die Lieblingssängerin oder die Lieblingsband ihrer Eltern halten. Und weil Sigur Rós ihm zu schräg und anstrengend war (dabei, hey, wäre er damit echt voll cool gewesen), nahm er meinen Lieblingssänger seit ewigen Zeiten (seit ich zur Konfirmation meine erste Platte von ihm geschenkt bekam). Positiver Nebeneffekt: Ich höre seit Tagen wieder diese Musik, die mir gute Laune und mich vor allem, wie ich immer wieder verwundert feststelle, glücklich macht.
My son has to do a presentation at school about his dad's favorite singer. So I'm listening to the last 20 yrs of my @CdeBOfficial songs. :)
— Wolfgang Lünenbürger (@luebue) December 11, 2013
Vor allem aber dachten wir irgendwann, dass er ja mal neben Wikipedia, YouTube und dem Plattenschrank noch weitere Quellen konsultieren könnte. Und Chris hat auch zügig geantwortet.Verwundert rieb ich mir erst die Augen heute früh. Und auch Tertius freute sich sehr. Und erst später wurde mir bewusst, dass dies ja recht eigentlich Medienerziehung für mein Kind war. Embedded sozusagen.
Mich fasziniert, wie einfach das Einüben neuer Kommunikation im Alltag sein kann. Und wie bereitwillig die Kinder etwas mit mir ausprobieren. Da muss ich ihnen gar nichts überstülpen.
Und ich merke, wie anders ich sie begleiten kann in ihre Wissenswelt, wenn ich selbst ihre Netzwerke nutze. Denn auf Twitter war Tertius ja schon etwas länger...
10.12.13
Das Schweinesystem
Die einzige mögliche Antwort auf die absolut richtige Analyse von Sascha Lobo ist der Widerstand.
Wacht auf, Verdammte dieser Erde
die stets man noch zum Hungern zwingt!
Das Recht, wie Glut im Kraterherde
nun mit Macht zum Durchbruch dringt.
Reinen Tisch macht mit dem Bedränger!
Heer der Sklaven, wache auf!
Ein Nichts zu sein, tragt es nicht länger
alles zu werden, strömt zuhauf.
Völker, hört die Signale!
Auf, zum letzten Gefecht!
Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!
Völker, hört die Signale! Auf, zum letzten Gefecht!
Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.
Es rettet uns kein hö´hres Wesen,
kein Gott, kein Kaiser, noch Tribun.
Uns aus dem Elend zu erlösen,
können wir nur selber tun!
Leeres Wort: des Armen Rechte!
Leeres Wort: des Reichen Pflicht!
Unmündig nennt man uns und Knechte,
duldet die Schmach nun länger nicht!
Völker, hört die Signale!
Auf, zum letzten Gefecht!
Die Internationale erkämpft das Menschenrecht!
Völker, hört die Signale!
Auf, zum letzten Gefecht!
Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.
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