Es gibt einen großen Unterschied zwischen egoistischen Arschlöchern und Menschen, die ich um mich haben mag. Mal so klar gesagt. Und in meinem obere-Mittelschicht-Metropolen-Speckgürtel-Umfeld kann ich die auch ganz gut unterscheiden. Im Grunde an einer ganz einfachen Haltungsfrage.
Viele Arschlöcher sind nämlich gute Menschen. Die ganz viel spenden und mildtätig sind. Und sich damit auch gut fühlen. Und alles versuchen, um keine Steuern zu zahlen. Sondern selbst entscheiden wollen, wofür ihr vieles Geld verwendet wird. Und wofür nicht. Dass es auch wirklich denen zu gute kommt, die es brauchen. Das ist so das typische Argument.
Oft spenden diese Arschlöcher auch richtig viel Geld. Geben sehr viel ab. Tun sehr viel Gutes. Aber eben nach Gutsherrenart.
Denn am Ende ist es ja so, dass es absolut egoistisch ist, sich wie ein Gutsherr zu verhalten. Selbst zu entscheiden, was etwas wert ist und was nicht. Und den Rest ohne auch nur einen Hauch schlechten Gewissens an der Steuerkasse vorbei zu schleusen.
Wobei es nicht nur um kriminelles Verhalten geht. Mir sogar gar nicht. Sondern um die Haltung. Ich kann jede verstehen (auch wenn ich es anders sehe), die findet, dass die Steuern zu hoch seien. Was ich aber nicht verstehen kann und für eine Arschlochhaltung halte, ist, wenn jemand nicht gerne Steuern zahlt. Sondern, sagte ich das schon?, lieber selbst entscheiden will, was mit dem Geld, das sie abgibt, passiert.
Solidarität heißt, dass Starke Lasten für alle schultern. Und das unterscheidet Solidarität von Mildtätigkeit. Denn bei Mildtätigkeit schultere ich nichts. Sondern verteile gutsherrlich Brotkrumen (oder von mir aus auch ganze Brotlaibe). Spenden und Mildtätigkeit sind wichtig. Und finde ich gut. Aber sie ersetzen keine Solidarität.
Und darum ein kleines Wort zu Hoeneß, das sich aber nicht nur auf ihn bezieht sondern auf viele:
Das, was seine Verteidiger immer wieder anführen, ist die andere Seite der Arschloch-Medaille. Und nicht etwa etwas, das jetzt zerstört wird. Es ist sogar vollkommen konsequent, dass er sehr, sehr viel Geld spendet, Leute großzügig unterstützt, den FC St. Pauli rettet und so weiter. Es ist eben genau die gleiche Gutsherrenart, wie Geld zur Seite zu schaffen. Es ist die Hybris, wie ein Gott entscheiden zu wollen und zu meinen, über den Verabredungen einer soldarischen Gesellschaft zu stehen. Und wer enttäuscht ist von ihm, wer seine Mildtätigkeit für ein Zeichen hielt, dass er ein Guter sei, war, so scheint mir, eher blind für die Haltung, die aus beiden Seiten dieser Medaille spricht und sprach.
26.4.13
22.4.13
Himmel
Da fragt man sich ja schon, was denn los ist mit dieser Regierung und vor allem mit ihren Frauen. Die eine, von der ich auch denke, dass sie eigentlich unbedingt Kanzlerin werden will, wird von der für jeden Irrsinn immer wieder gern zu habenden Parteiradikalen zum Rücktritt aufgefordert:
Die andere, meine liebste Freundin "emanzipiert sind wird selber" Kristina Schröder, muss fast zur selben Zeit offenbar zugeben, dass sie politisch und privat gescheitert ist mit der Vorstellung, dass Emanzipation und Gleichberechtigung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht sei und damit nun Privatsache der Frauen.
Das finde ich interessant. Und bedrückend. Beides.
In meiner "Filterblase" sind wir so viel weiter als die da in der CDU offenbar.
Bei aller Kritik an ihrem Politikstil und ihrer zuweilen sehr plumpen Demagogie (die ich zugleich als virtuos bis brillant einschätzen würde übrigens) halte ich Ursula von der Leyen doch für eine moderne Konservative, die versucht, den Konservatismus so zu interpretieren, dass Menschen, die in Städten leben und jünger als - sagen wir mal - 45 sind, ihn mindestens verstehen. Sie wird seit Wochen am rechten Rand ihrer Partei systematisch demontiert - und das, obwohl sie nun in fast allem, was sie sagt, macht und (öffentlich) denkt, weit weg davon ist, in ihrer Partei eine Linksabweichlerin zu sein.
Und dann ist da die junge, forsche, oft nicht von Gedanken an die Realität der Menschen (und vor allem sehr vieler Frauen) in diesem Land angekränkelte Schröder, habituell moderner als von der Leyen, politisch meiner Meinung nach aber weit rechts von ihr (siehe Link oben). Die erste Ministerin, die den Versuch unternahm, es so zu machen, wie viele jüngere Frauen, die im Beruf stehen - und ein Leitungsamt bald nach der Geburt ihres ersten Kindes wieder aufnahm. Das war auch ein politisches Statement: Seht her, es geht, was regt ihr euch auf, jede Frau kann alles, wenn sie es sich nimmt, es gibt gar keine strukturellen Barrieren. Das ist ja der Orgelpunkt ihrer Politik und ihrer öffentlichen Äußerungen.
Damit ist sie nun also krachend gescheitert.
Wobei es mir nicht darum geht, dass ich denke, eine Frau mit Kleinkind müsse berufstätig sein. Diesen "sozialdemokratischen Emanzipationsterror", wie ich ihn seit Jahren nenne, finde ich nun auch überhaupt nicht gut, sondern bin sehr für Wahlmöglichkeiten. Nur: diese Wahlmöglichkeiten bestehen in der Praxis nicht (überall). Allem Schröder'schen Pfeifen im Walde zum Trotz. Genau das zeigt jetzt auch der Rückzug auf Raten der Frau Schröder. Dass es eben nicht geht. Die Überlegung, ein Ministerinnenamt in Teilzeit zu führen? Oder sich mit einer anderen zu teilen? Nichts. Weil es nicht sein kann, dass es ein Systemproblem gibt. Darum muss Frau Schröder das Problem auch in ihrem eigenen Fall privatisieren.
So lange wir nicht über eine moderne Interpretation von Familie und Beruf reden, sei es von konservativer Seite (wo von der Leyen immer mal wieder Ansätze zeigt), sei es von linker oder liberaler Seite, so lange werden wir die Nöte und Sorgen von Eltern - und in den allermeisten Fällen: von Müttern - weiter privatisieren. Und als persönliches Pech und Einzelschicksal zeichnen.
Aber genau das ist die Nachricht über Frau Schröder nicht. Es ist kein persönliches Pech. Sondern es ist enorm politisch und ein Zeichen, dass sie selbst mit ihrer (Frauen- und Familien-) Politik gescheitert ist. Dass sie von falschen Voraussetzungen ausging, als sie die Emanzipationsfrage für gelöst erklärte. So dass sie nun allein die Konsequenzen tragen muss.
Der eigentliche Skandal der Personalie Schröder war schon 2011, dass es so etwas wie Mutterschutz und Elternzeit, obwohl gesetzlich geregelt, für Minister und Ministerinnen nicht gibt (war doch so, oder?). Dass es immer noch die irrige Vorstellung gibt, Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Führungskräften, vor allem höheren Führungskräften, hieße, dass ich den Beruf mache und jemand anders sich um die Familie kümmert. Das kann auf Dauer keine Lösung sein, egal ob für Mütter oder Väter.
Meine These ist, dass jede Aufgabe teilbar ist, jede Position auch in Teilzeit zu machen sein muss. So lange, bis das so ist, haben wir noch zu tun und die Voraussetzungen zu schaffen. In meinem "Beritt" werde ich das meine dazu beitragen. Und wenn alles gut geht, werden eine meiner Führungskräfte und ich im Laufe des Jahres zeigen, dass Führung auch in Teilzeit, auch in schmaler Teilzeit geht.
Darauf freue ich mich. Und darüber, dass die Personalie Schröder und das Gehacke um von der Leyen das Thema wieder in den Vordergrund rückt.
Damit ist Grundlage für Wahlprogrammzusage entfallen. Rücktritt ist fällig! : Leyen bringt Union gegen sich auf - tagesspiegel.de/politik/streit…
— Erika Steinbach (@SteinbachErika) April 21, 2013
Die andere, meine liebste Freundin "emanzipiert sind wird selber" Kristina Schröder, muss fast zur selben Zeit offenbar zugeben, dass sie politisch und privat gescheitert ist mit der Vorstellung, dass Emanzipation und Gleichberechtigung und Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht sei und damit nun Privatsache der Frauen.
Das finde ich interessant. Und bedrückend. Beides.
In meiner "Filterblase" sind wir so viel weiter als die da in der CDU offenbar.
Bei aller Kritik an ihrem Politikstil und ihrer zuweilen sehr plumpen Demagogie (die ich zugleich als virtuos bis brillant einschätzen würde übrigens) halte ich Ursula von der Leyen doch für eine moderne Konservative, die versucht, den Konservatismus so zu interpretieren, dass Menschen, die in Städten leben und jünger als - sagen wir mal - 45 sind, ihn mindestens verstehen. Sie wird seit Wochen am rechten Rand ihrer Partei systematisch demontiert - und das, obwohl sie nun in fast allem, was sie sagt, macht und (öffentlich) denkt, weit weg davon ist, in ihrer Partei eine Linksabweichlerin zu sein.
Und dann ist da die junge, forsche, oft nicht von Gedanken an die Realität der Menschen (und vor allem sehr vieler Frauen) in diesem Land angekränkelte Schröder, habituell moderner als von der Leyen, politisch meiner Meinung nach aber weit rechts von ihr (siehe Link oben). Die erste Ministerin, die den Versuch unternahm, es so zu machen, wie viele jüngere Frauen, die im Beruf stehen - und ein Leitungsamt bald nach der Geburt ihres ersten Kindes wieder aufnahm. Das war auch ein politisches Statement: Seht her, es geht, was regt ihr euch auf, jede Frau kann alles, wenn sie es sich nimmt, es gibt gar keine strukturellen Barrieren. Das ist ja der Orgelpunkt ihrer Politik und ihrer öffentlichen Äußerungen.
Damit ist sie nun also krachend gescheitert.
Wobei es mir nicht darum geht, dass ich denke, eine Frau mit Kleinkind müsse berufstätig sein. Diesen "sozialdemokratischen Emanzipationsterror", wie ich ihn seit Jahren nenne, finde ich nun auch überhaupt nicht gut, sondern bin sehr für Wahlmöglichkeiten. Nur: diese Wahlmöglichkeiten bestehen in der Praxis nicht (überall). Allem Schröder'schen Pfeifen im Walde zum Trotz. Genau das zeigt jetzt auch der Rückzug auf Raten der Frau Schröder. Dass es eben nicht geht. Die Überlegung, ein Ministerinnenamt in Teilzeit zu führen? Oder sich mit einer anderen zu teilen? Nichts. Weil es nicht sein kann, dass es ein Systemproblem gibt. Darum muss Frau Schröder das Problem auch in ihrem eigenen Fall privatisieren.
So lange wir nicht über eine moderne Interpretation von Familie und Beruf reden, sei es von konservativer Seite (wo von der Leyen immer mal wieder Ansätze zeigt), sei es von linker oder liberaler Seite, so lange werden wir die Nöte und Sorgen von Eltern - und in den allermeisten Fällen: von Müttern - weiter privatisieren. Und als persönliches Pech und Einzelschicksal zeichnen.
Aber genau das ist die Nachricht über Frau Schröder nicht. Es ist kein persönliches Pech. Sondern es ist enorm politisch und ein Zeichen, dass sie selbst mit ihrer (Frauen- und Familien-) Politik gescheitert ist. Dass sie von falschen Voraussetzungen ausging, als sie die Emanzipationsfrage für gelöst erklärte. So dass sie nun allein die Konsequenzen tragen muss.
Der eigentliche Skandal der Personalie Schröder war schon 2011, dass es so etwas wie Mutterschutz und Elternzeit, obwohl gesetzlich geregelt, für Minister und Ministerinnen nicht gibt (war doch so, oder?). Dass es immer noch die irrige Vorstellung gibt, Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Führungskräften, vor allem höheren Führungskräften, hieße, dass ich den Beruf mache und jemand anders sich um die Familie kümmert. Das kann auf Dauer keine Lösung sein, egal ob für Mütter oder Väter.
Meine These ist, dass jede Aufgabe teilbar ist, jede Position auch in Teilzeit zu machen sein muss. So lange, bis das so ist, haben wir noch zu tun und die Voraussetzungen zu schaffen. In meinem "Beritt" werde ich das meine dazu beitragen. Und wenn alles gut geht, werden eine meiner Führungskräfte und ich im Laufe des Jahres zeigen, dass Führung auch in Teilzeit, auch in schmaler Teilzeit geht.
Darauf freue ich mich. Und darüber, dass die Personalie Schröder und das Gehacke um von der Leyen das Thema wieder in den Vordergrund rückt.
17.4.13
SchülerVZ in den Mediaplan!
Heute früh stolperte ich über eine in meiner Regionalzeitung abgedruckte dpa-Meldung, nach der der medienpädagogische Forschungsverbund Südwest herausgefunden habe, dass Facebook vor YouTube die beliebsteste Webseite bei Kindern in Deutschland sei. Mir fiel die Zeitung aus der Hand. Absurd, dachte ich. Jede Nutzungsstatistik von Facebook und YouTube und jede Privatempirie spricht dagegen.
Also guckte ich mir das mal genauer an. Und es wird noch absurder. Es geht um die (direkter Link auf das pdf) KIM-Studie 2012. Und in der Pressemitteilung spricht der mpfs davon, dass an dritter Stelle der Beliebtheit das überaus erfolgreiche (meine Polemik) Netzwerk SchülerVZ stehe. Das immerhin scheint die dpa nicht in die Meldung übernommen zu haben, die ansonsten komplett aus dem ersten Absatz der Pressemitteilung besteht. In einer Pressemitteilung vom 16.4. (!) ist dabei kein Wort darüber zu lesen, dass eben dieses SchülerVZ zum 30.4. (!) schließt.
Ich sehe schon die Mediapläne für dieses Jahr vor mir, in denen mit Verweis auf die aktuellste verfügbare Kinder-Internet-Nutzungsstudie SchülerVZ dringend empfohlen wird.
Schon bevor ich das SchülerVZ-Thema sah, das zugegebenermaßen ein bisschen billig von mir ist, war ich allerdings massiv irritiert über die Aussage, dass Facebook bei unter 13-jährigen Kindern größer und beliebter sein soll als YouTube. Alles, was ich in den letzten Monaten an Zahlen las und jede Form von Privatempirie (und ich habe mit vier Kindern zwischen 7 und 17 ja nun schon ein kleines bisschen Zugang zu einer größeren Zahl Menschen in der Zielgruppe) widersprechen dieser Kernaussage der Studie.
Ich war dann sehr beruhigt, als ich die Methodik las. Die Zahlen für eine Studie, die in dieser Woche veröffentlicht wird, wurden vor etwa einem Jahr erhoben. Im pdf der Studie (oben verlinkt) heißt es auf Seite 4:
In einem Bereich, der schon bei Erwachsenen so volatil ist, dass jede, die sich ernsthaft mit Onlinenutzung beschäftigt, nie auf die Idee käme, Zahlen heranzuziehen, die älter als maximal drei Monate sind, wird vom mpfs für Kinder, deren Verhalten noch schneller Veränderungen unterworfen ist, auf 11 Monate alte Zahlen referenziert?
Geht's noch?
Für Langzeittrends mag eine Studie wie die KIM irgendwelchen Nutzen haben. Für Forschung vielleicht auch. Aber weder für Menschen, die sich mit Jugendmarketing beschäftigen, noch für solche, als als Lehrerinnen oder Eltern mit Kindern heute zu tun haben und etwas über die Gegenwart wissen wollen.
Ich bin sehr, sehr ärgerlich über die Kommunikation der Studie und finde sie (also die Kommunikation, nicht die Studie) massiv unseriös.
Ceterum Censeo: Wer glaubt, mit Facebook Jugendliche zu erreichen, schreibt denen wohl auch noch SMS.
Startseite SchülerVZ, Screenshot vom 17.4. |
Ich sehe schon die Mediapläne für dieses Jahr vor mir, in denen mit Verweis auf die aktuellste verfügbare Kinder-Internet-Nutzungsstudie SchülerVZ dringend empfohlen wird.
Schon bevor ich das SchülerVZ-Thema sah, das zugegebenermaßen ein bisschen billig von mir ist, war ich allerdings massiv irritiert über die Aussage, dass Facebook bei unter 13-jährigen Kindern größer und beliebter sein soll als YouTube. Alles, was ich in den letzten Monaten an Zahlen las und jede Form von Privatempirie (und ich habe mit vier Kindern zwischen 7 und 17 ja nun schon ein kleines bisschen Zugang zu einer größeren Zahl Menschen in der Zielgruppe) widersprechen dieser Kernaussage der Studie.
Ich war dann sehr beruhigt, als ich die Methodik las. Die Zahlen für eine Studie, die in dieser Woche veröffentlicht wird, wurden vor etwa einem Jahr erhoben. Im pdf der Studie (oben verlinkt) heißt es auf Seite 4:
Für die KIM-Studie 2012 wurden im Zeitraum von 29. Mai bis 13. Juli 2012 insgesamt 1.220 deutschsprechende Kinder im Alter von sechs bis 13 Jahren in einem persönlichmündlichen Interview (CAPI) befragt.Nur for the record: Der medienpädagogische Forschungsverbund Südwest verschickt allen Ernstes eine Pressemitteilung, in der suggeriert wird, es sei aktuell so, dass Facebook das beliebteste und SchülerVZ das drittbeliebteste Webangebot deutscher Kinder zwischen sechs und 13 Jahren sei. Und stützt diese Behauptung auf Zahlen, die ein Jahr alt sind, was sie ganz hinten in der Pressemitteilung auch kurz antippen allerdings.
In einem Bereich, der schon bei Erwachsenen so volatil ist, dass jede, die sich ernsthaft mit Onlinenutzung beschäftigt, nie auf die Idee käme, Zahlen heranzuziehen, die älter als maximal drei Monate sind, wird vom mpfs für Kinder, deren Verhalten noch schneller Veränderungen unterworfen ist, auf 11 Monate alte Zahlen referenziert?
Geht's noch?
Für Langzeittrends mag eine Studie wie die KIM irgendwelchen Nutzen haben. Für Forschung vielleicht auch. Aber weder für Menschen, die sich mit Jugendmarketing beschäftigen, noch für solche, als als Lehrerinnen oder Eltern mit Kindern heute zu tun haben und etwas über die Gegenwart wissen wollen.
Ich bin sehr, sehr ärgerlich über die Kommunikation der Studie und finde sie (also die Kommunikation, nicht die Studie) massiv unseriös.
Ceterum Censeo: Wer glaubt, mit Facebook Jugendliche zu erreichen, schreibt denen wohl auch noch SMS.
16.4.13
Alte-Leute-Medium
In Abwandlung eines Ausspruches von Don Tapscott lässt sich schon heute sagen:
Die Zeichen mehren sich in fast allen Märkten, dass die nächste Generation sich nicht mehr zu 110% bei Facebook anmelden wird. Und dass schon jetzt ein signifikanter Teil der Jugendlichen, auch der älteren Jugendlichen, Facebook anders nutzt als wir uns das mal so vorgestellt haben.
Facebook hat aus meiner Sicht zwei offene Flanken, die sie nicht schließen können. Und nicht schließen werden. Dass sie strategisch auch in eine andere Richtung laufen als diese Flanken zu schließen, zeigt Facebook Home. Aber auch das ist eine andere Geschichte.
1. Facebook ist elternverseucht
Zeit, umzudenken.
Ceterum Censeo: Wer glaubt, mit Facebook Jugendliche zu erreichen, schreibt denen wohl auch noch SMS.
Edit 17.4.
Sozusagen als Fortsetzung ist hier der Beitrag über die am gleichen Tag veröffentlichte scheinbar dem hier widersprechende Studie des mpfs mit uralten Zahlen von vor einem Jahr.
Facebook is a former mainstream network good for sending birthday greetings to your friends' parents.Schon im August 2011 schrieb ich ja etwas zu reißerisch, dass ich auf Dauer Facebook keine Chance einräume. Die Gründe mögen fragwürdig sein und gelten heute teilweise nicht mehr so richtig - meine Einschätzung, was die Verschmelzung der Betriebssysteme angeht, stimmt so nicht. Aber dass sich Facebook zu einem Alte-Leute-Medium entwickelt, ist unübersehbar. Und das ist schlecht (für Facebook und die Kommunikatorinnen, die sich langsam endlich daran gewöhnt haben, Facebook ernst zu nehmen, teilweise noch als Jugendplattform lustigerweise, aber das ist beinahe schon eine andere Geschichte).
Die Zeichen mehren sich in fast allen Märkten, dass die nächste Generation sich nicht mehr zu 110% bei Facebook anmelden wird. Und dass schon jetzt ein signifikanter Teil der Jugendlichen, auch der älteren Jugendlichen, Facebook anders nutzt als wir uns das mal so vorgestellt haben.
@luebue Den Tweet habe ich mir gebookmarkt. Für einen Vortrag im Herbst. Danke. :-)Die Zahlen von zurückgehendem Wachstum in der sehr jungen Zielgruppe gepaart mit meiner Privatempirie legen mir nahe, dass es jetzt an der Zeit ist, die Augen offen zu halten.
— Citykirche SW (@citykirche_sw) April 16, 2013
Facebook hat aus meiner Sicht zwei offene Flanken, die sie nicht schließen können. Und nicht schließen werden. Dass sie strategisch auch in eine andere Richtung laufen als diese Flanken zu schließen, zeigt Facebook Home. Aber auch das ist eine andere Geschichte.
1. Facebook ist elternverseucht
Wenn inzwischen mehr als die Hälfte der Eltern von Jugendlichen, die auf Facebook sind, dort auch rumturnen, ist das eher übel für dessen Reputation. Ja, noch nutzen sie massiv vor den Augen ihrer Eltern verborgene Funktionen wie Gruppen und Chat. Aber das wird zurück gehen, wenn das Posing für sie nicht mehr attraktiv ist auf diesem Netzwerk. Und das ist es schon jetzt immer weniger. Die starken Wachstumsraten von Twitter (auch in Deutschland jetzt erstmals, fast nur unter Jugendlichen) und Instagram (was mich weniger überrascht hat) sprechen dafür, dass sie ausweichen auf Netzwerke, in denen bisher nur wenige Erwachsene sind. Oder gleich ganz andere Dinge ausprobieren - ich bin beispielsweise sehr gespannt auf Wachstumsraten von SnapChat, vor allem, wo sie jetzt auch für das bei Jugendlichen sehr beliebte Android verfügbar sind (und ich halte SnapChat für tatsächlich sehr interessant, vor allem das Privatsphärekonzept, das daraus spricht).
Warum sollten Jugendliche auf Dauer ein Netzwerk nutzen, auf dem die Eltern sind? Wenn, dann werden sie es so "sauber" nutzen wie wir Xing oder LinkedIn.2. Sollbruchstelle Ausweisstelle
Die Funktion von Facebook, die de-facto-Ausweisstelle des Internet zu sein, trägt viel zu seinem aktuellen Erfolg und Sog, vor allem unter Erwachsenen, bei. Aber sie ist zugleich der Punkt, an dem sich die nächste Generation abwenden wird. Zunächst nur einige Subgruppen, die besonders stark auf Abgrenzung setzen, so wie es in linken Szenen lange schon große Facebook-Aversionen gibt. Und nach und nach weitere. Je mehr Facebook faktisch zu einem Silo wird, egal wie sehr sie den AOL-Fehler zu vermeiden suchen, desto schneller werden sich nachwachsende Gruppen abwenden.Ich glaube nicht, dass sich Tertius, der jetzt 11 Jahre alt ist und sich sehr für Onlinenetze interessiert und für den selbstverständlich YouTube der First Screen ist, noch bei Facebook anmelden wird. Und wenn, dann nur, um es so zu nutzen, wie meine großen Kinder E-Mail: Als Notfallequipment, um mit Erwachsenen kommunizieren zu können.
Zeit, umzudenken.
Ceterum Censeo: Wer glaubt, mit Facebook Jugendliche zu erreichen, schreibt denen wohl auch noch SMS.
Edit 17.4.
Sozusagen als Fortsetzung ist hier der Beitrag über die am gleichen Tag veröffentlichte scheinbar dem hier widersprechende Studie des mpfs mit uralten Zahlen von vor einem Jahr.
10.4.13
Kopf hoch, tanzen
Jetzt hört mal auf zu Jammern. Maybe oder YOLO oder was weiß ich. Legt mal diese alberne Neon-Pose ab. Ihr seid ja schlimmer als die Generation meiner Eltern, die auch nicht erwachsen werden wollte und zig Berufsjugendliche hervorgebracht hat.
Ich hab ja oft über diese Generation geschimpft, die sich Y oder YOLO oder Millennials nennt. Was mich aber am allermeisten stört: Das weinerliche, jammernde Ausschauen nach einem Schlaraffenland (googlet das, wenn euch das nichts mehr sagt). Dafür gibt es keinen Grund, also für das Jammern jetzt. Für die Scheu, sich zu entscheiden.
Aus einem nun schon etwas längeren Leben kann ich euch berichten: Das Leben ist toll oder kann es sein. Und keine Entscheidung, kein Job, kein Haus ist für die Ewigkeit. Nicht mal ein Studium oder eine Ausbildung. Was habe ich allein schon alles gemacht an Berufen. Und was haben alle die Leute in meinem Alter, die ich kenne, alles schon gemacht. Na und? Mein abseitiges Studium würde ich immer wieder machen, und sei es nur für mich. Aber ich dachte danach auch nicht, ich sei jetzt fertig und könnte irgendwas außer studieren.
Ich weiß nicht, was es ist, das die von euch, die da rumjammern, von den anderen, die da richtig ranklotzen oder ausruhen oder Feierabend machen oder Kinder bekommen oder Bücher schreiben oder eine Firma gründen oder so, unterscheidet. Mein Verdacht ist: Ihr erwartet zu viel Kribbeln. Und zu viele gebratene Tauben.
Nur: Wenn ihr jammert, wie dieser Volontär bei Springer in diesem von so vielen von euch verlinkten Artikel in der "Welt", dann verstehe ich euch nicht. Optionen und Auswahl ist doch irre. Dann macht was. Und wenn wir euch nicht gefallen, geht ihr wieder. Wenn ihr so toll seid, wie ihr glaubt, dann habt ihr doch die Option zu gehen. Wenn wir euch aus eurer Komfortzone zu treiben versuchen (um mal dieses Modebuzzwortdings zu verwenden) und euch das zu anstrengend oder doof ist, dann geht halt. Erlebe ich auch immer wieder. Ist auch ok, warum nicht. Macht eure Erfahrungen. Aber jammert nicht rum.
Um noch einmal auf meine lange Erfahrung mit diesem Leben, das ihr nur einmal leben wollt, zurückzukommen: Es kann toll sein - aber nicht immer. Es gibt auch mal Durststrecken. Auch im Job. Es gibt auch mal Chefs, die etwas von mir wollen, was ich doof finde. Und es gibt immer wieder die Erfahrung zu machen, dass das nicht automatisch tatsächlich doof ist, nur weil ich das dachte. Manchmal ist es selbst auf dem Ponyhof anstrengend, fragt mal meinen Sohn, der verbringt da viele Stunden in der Woche. Und verzeiht mir, dass ich so klinge wie euer Vater. Vielleicht ist der allerdings auch nicht so doof.
Mein Eindruck, wenn ich mit anderen Chefs in meinem Alter spreche, ist manchmal, dass einige von uns es sich und euch zu leicht machen. Und dass einiges von eurer Unzufriedenheit (wenn die denn das Problem sein sollte) daher kommen könnte, dass wir euch nicht genug fordern. Euch nicht genug antreiben. Euch nicht genug quälen mit dem, was wir von euch und mit euch wollen. Lustigerweise höre ich das auch immer wieder von Leuten in meinem Alter: dass sie euch irgendwie mal schütteln wollen würden, damit ihr euch etwas schneller bewegt. Oder euch mal ausdenkt, wo ihr hinwollt oder was ihr wollen könntet. Egal, ob das dann sofort was wird. Oder euch bewusst macht, was ihr noch lernen könntet, wenn ihr wolltet. Sogar von uns.
Kurz nachdem ich vor zwanzig Jahren geheiratet hatte, gingen viele Beziehungen in unserem Bekanntenkreis in die Brüche. Und ganz oft hörten wir als Grund, es habe nicht mehr gekribbelt. Es ist also keineswegs so neu, was ihr fühlt und erlebt. Da sind wir alle durch. Wir waren mehr als ihr und haben, auch die gut ausgebildeten und intelligenten Akademikerinnen, mehr darum kämpfen müssen, die ersten Chancen im Beruf zu bekommen. Aber das ist auch der einzige Unterschied.
Und darum nehmt mal den Kopf hoch. Oder, wie es Kurt Marti sagte: "Wo kämen wir denn hin, wenn alle nur sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um nachzusehen, wohin man denn käme, wenn man denn ginge".
Ich hab ja oft über diese Generation geschimpft, die sich Y oder YOLO oder Millennials nennt. Was mich aber am allermeisten stört: Das weinerliche, jammernde Ausschauen nach einem Schlaraffenland (googlet das, wenn euch das nichts mehr sagt). Dafür gibt es keinen Grund, also für das Jammern jetzt. Für die Scheu, sich zu entscheiden.
Aus einem nun schon etwas längeren Leben kann ich euch berichten: Das Leben ist toll oder kann es sein. Und keine Entscheidung, kein Job, kein Haus ist für die Ewigkeit. Nicht mal ein Studium oder eine Ausbildung. Was habe ich allein schon alles gemacht an Berufen. Und was haben alle die Leute in meinem Alter, die ich kenne, alles schon gemacht. Na und? Mein abseitiges Studium würde ich immer wieder machen, und sei es nur für mich. Aber ich dachte danach auch nicht, ich sei jetzt fertig und könnte irgendwas außer studieren.
Ich weiß nicht, was es ist, das die von euch, die da rumjammern, von den anderen, die da richtig ranklotzen oder ausruhen oder Feierabend machen oder Kinder bekommen oder Bücher schreiben oder eine Firma gründen oder so, unterscheidet. Mein Verdacht ist: Ihr erwartet zu viel Kribbeln. Und zu viele gebratene Tauben.
Mich macht das wahrscheinlich auch deshalb so emotional, weil die ersten meiner Kinder gerade an der Schwelle sind, die erste echt wichtige Weiche selbst zu stellen. In gut zwei, drei Jahren sind sie aus der Schule raus. Und müssen einen ersten Weg einschlagen. Selbst wenn der nicht für ewig oder nur für lange ist.Ich finde es super, wenn jemand klare Erwartungen und Ansprüche ans Leben und Arbeiten hat. Und ich finde es auch ganz klar, dass "wir Unternehmen", "wir Chefs" darauf hören. Von euch lernen, was euch wichtig ist. Und das auch machen, also das Hören, ohne gleich zu denken, dass ihr doof seid (jaja, ich weiß, manchmal tue ich so, als ob ich euch doof fände, aber pssst, das stimmt eigentlich nicht, auch wenn ich mich manchmal über euch ärgere). Und uns auch, denn es gibt irgendwie nicht so viele von euch, auf euch einstellen, vieles ändern an dem, wie wir arbeiten, wenn es sein muss.
Nur: Wenn ihr jammert, wie dieser Volontär bei Springer in diesem von so vielen von euch verlinkten Artikel in der "Welt", dann verstehe ich euch nicht. Optionen und Auswahl ist doch irre. Dann macht was. Und wenn wir euch nicht gefallen, geht ihr wieder. Wenn ihr so toll seid, wie ihr glaubt, dann habt ihr doch die Option zu gehen. Wenn wir euch aus eurer Komfortzone zu treiben versuchen (um mal dieses Modebuzzwortdings zu verwenden) und euch das zu anstrengend oder doof ist, dann geht halt. Erlebe ich auch immer wieder. Ist auch ok, warum nicht. Macht eure Erfahrungen. Aber jammert nicht rum.
Um noch einmal auf meine lange Erfahrung mit diesem Leben, das ihr nur einmal leben wollt, zurückzukommen: Es kann toll sein - aber nicht immer. Es gibt auch mal Durststrecken. Auch im Job. Es gibt auch mal Chefs, die etwas von mir wollen, was ich doof finde. Und es gibt immer wieder die Erfahrung zu machen, dass das nicht automatisch tatsächlich doof ist, nur weil ich das dachte. Manchmal ist es selbst auf dem Ponyhof anstrengend, fragt mal meinen Sohn, der verbringt da viele Stunden in der Woche. Und verzeiht mir, dass ich so klinge wie euer Vater. Vielleicht ist der allerdings auch nicht so doof.
Mein Eindruck, wenn ich mit anderen Chefs in meinem Alter spreche, ist manchmal, dass einige von uns es sich und euch zu leicht machen. Und dass einiges von eurer Unzufriedenheit (wenn die denn das Problem sein sollte) daher kommen könnte, dass wir euch nicht genug fordern. Euch nicht genug antreiben. Euch nicht genug quälen mit dem, was wir von euch und mit euch wollen. Lustigerweise höre ich das auch immer wieder von Leuten in meinem Alter: dass sie euch irgendwie mal schütteln wollen würden, damit ihr euch etwas schneller bewegt. Oder euch mal ausdenkt, wo ihr hinwollt oder was ihr wollen könntet. Egal, ob das dann sofort was wird. Oder euch bewusst macht, was ihr noch lernen könntet, wenn ihr wolltet. Sogar von uns.
Kurz nachdem ich vor zwanzig Jahren geheiratet hatte, gingen viele Beziehungen in unserem Bekanntenkreis in die Brüche. Und ganz oft hörten wir als Grund, es habe nicht mehr gekribbelt. Es ist also keineswegs so neu, was ihr fühlt und erlebt. Da sind wir alle durch. Wir waren mehr als ihr und haben, auch die gut ausgebildeten und intelligenten Akademikerinnen, mehr darum kämpfen müssen, die ersten Chancen im Beruf zu bekommen. Aber das ist auch der einzige Unterschied.
Und darum nehmt mal den Kopf hoch. Oder, wie es Kurt Marti sagte: "Wo kämen wir denn hin, wenn alle nur sagten, wo kämen wir hin, und keiner ginge, um nachzusehen, wohin man denn käme, wenn man denn ginge".
2.4.13
Disziplin
Kuddel heißt eigentlich Kurt, wie das so ist bei uns in Hamburg. Und wohnt seit mehr als sechzig Jahren im gleichen Block wie mein Opa. Ist allerdings zehn Jahre älter, wird also dieses Jahr noch 98. Meine Mutter und Kuddels Tochter sind zusammen zur Schule gegangen, sie ist jetzt in Amerika verheiratet und ja nun auch schon weit jenseits der 60, aber das ist eine andere Geschichte.
Kuddel ist seit etwas über 25 Jahren Witwer. Und hat eine eiserne Disziplin, wie das früher hieß. Jeden Tag geht er mit seinem Stock zum Einkaufen. Direkt um die Ecke zu Penny, etwas weiter zu Aldi - oder er steigt bei Penny in den Bus und fährt die eine Station zu Rewe. Und dann kocht er auch noch jeden Tag.
Seine Tasche für's Krankenhaus hat Kuddel immer im Flur stehen, denn er geht oft ins Krankenhaus, also lässt sich oft dahin fahren. Sozusagen das Gegenteil meines Opas, der nicht mal zu seiner Ärztin geht.
Mein Opa duzt Kuddel und redet mit ihm, wenn sie sich auf der Straße treffen, was sie oft tun, denn mein Opa muss jeden Tag ein-, zweimal raus, möglichst einmal mit dem Rad. Solange das noch geht. Sie duzen sich, weil es so ist bei Arbeitern in der Generation, zumal mein Opa zwar bald ins kleinbürgerliche Milieu aufstieg als technischer Zeichner - aber nie auf Kuddel herabblickte, der als Maler bei der Genossenschaft arbeitete, in deren Wohnungen sie beide seit ihrem Wiederaufbau und bis heute wohnen. Ob meine Großmutter Kuddel kennt, weiß ich nicht übrigens. Seine Frau kannte sie sicher, damals, in der ersten Hälfte der Fünfziger, als die Mädchen zusammen zur Grundschule gingen, bevor sie auf verschiedene Schulen verteilt wurden.
Aber obwohl es kaum jemanden gibt, mit dem mein Opa mehr geredet hat außerhalb der Arbeit in den letzten gut sechzig Jahren, würde er Kuddel nie als Freund bezeichnen. Andersrum auch nicht. Denn beide sind introvertiert. Mein Opa bewundert Kuddels Disziplin und lacht über seinen Glauben an Ärztinnen und Krankenhäuser. Und das war es.
Denn nach der Arbeit sind meine Großeltern immer erstmal eine Stunde im Wandsbeker Gehölz spazieren gegangen. Und später, als sie dann ein Auto zusammengespart hatten, in den Rausdorfer und dann in den Trittauer Forst gefahren, mindestens dreimal in der Woche.
Ich fand meinen Opa früher immer sowohl schräg als auch faszinierend. Und konnte lange nicht fassen, was es ist. Und was es auch mit mir ist, dass ich nicht eigentlich schüchtern bin (sondern auch mal laut und meinungsstark und dickköpfig, alles Dinge, die ich von ihm habe), aber eben Distanz halte zu vielen Menschen.
Als die wunderbare Kaltmamsell die Introvertierten entdeckte, wurde mir einiges klar. Auch, warum mein Opa damals von einem auf den anderen Tag aufhören konnte mit arbeiten, ohne es zu vermissen oder sich ein Hobby zu suchen. Er liest nicht mal gern (außer den Spiegel). Und hat sich auch noch nie mit Kuddel getroffen.
Kuddel ist seit etwas über 25 Jahren Witwer. Und hat eine eiserne Disziplin, wie das früher hieß. Jeden Tag geht er mit seinem Stock zum Einkaufen. Direkt um die Ecke zu Penny, etwas weiter zu Aldi - oder er steigt bei Penny in den Bus und fährt die eine Station zu Rewe. Und dann kocht er auch noch jeden Tag.
Seine Tasche für's Krankenhaus hat Kuddel immer im Flur stehen, denn er geht oft ins Krankenhaus, also lässt sich oft dahin fahren. Sozusagen das Gegenteil meines Opas, der nicht mal zu seiner Ärztin geht.
Mein Opa duzt Kuddel und redet mit ihm, wenn sie sich auf der Straße treffen, was sie oft tun, denn mein Opa muss jeden Tag ein-, zweimal raus, möglichst einmal mit dem Rad. Solange das noch geht. Sie duzen sich, weil es so ist bei Arbeitern in der Generation, zumal mein Opa zwar bald ins kleinbürgerliche Milieu aufstieg als technischer Zeichner - aber nie auf Kuddel herabblickte, der als Maler bei der Genossenschaft arbeitete, in deren Wohnungen sie beide seit ihrem Wiederaufbau und bis heute wohnen. Ob meine Großmutter Kuddel kennt, weiß ich nicht übrigens. Seine Frau kannte sie sicher, damals, in der ersten Hälfte der Fünfziger, als die Mädchen zusammen zur Grundschule gingen, bevor sie auf verschiedene Schulen verteilt wurden.
Aber obwohl es kaum jemanden gibt, mit dem mein Opa mehr geredet hat außerhalb der Arbeit in den letzten gut sechzig Jahren, würde er Kuddel nie als Freund bezeichnen. Andersrum auch nicht. Denn beide sind introvertiert. Mein Opa bewundert Kuddels Disziplin und lacht über seinen Glauben an Ärztinnen und Krankenhäuser. Und das war es.
Denn nach der Arbeit sind meine Großeltern immer erstmal eine Stunde im Wandsbeker Gehölz spazieren gegangen. Und später, als sie dann ein Auto zusammengespart hatten, in den Rausdorfer und dann in den Trittauer Forst gefahren, mindestens dreimal in der Woche.
Ich fand meinen Opa früher immer sowohl schräg als auch faszinierend. Und konnte lange nicht fassen, was es ist. Und was es auch mit mir ist, dass ich nicht eigentlich schüchtern bin (sondern auch mal laut und meinungsstark und dickköpfig, alles Dinge, die ich von ihm habe), aber eben Distanz halte zu vielen Menschen.
Als die wunderbare Kaltmamsell die Introvertierten entdeckte, wurde mir einiges klar. Auch, warum mein Opa damals von einem auf den anderen Tag aufhören konnte mit arbeiten, ohne es zu vermissen oder sich ein Hobby zu suchen. Er liest nicht mal gern (außer den Spiegel). Und hat sich auch noch nie mit Kuddel getroffen.
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