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16.12.18

#schnippschnapp

Ich war ein bisschen überrascht, dass ich so viel Resonanz bekam, als ich neulich auf Twitter fragte, wieso eigentlich so wenige Männer eine Vasektomie machen lassen – und wieso noch wenige darüber sprechen. Mir war gar nicht klar, wie viele merkwürdige "Argumente" es teilweise gibt, die aus Sicht von Jungs dagegen sprechen könnten. Denn in meinem Umfeld ist eine Vasektomie normal. Und etwas, worüber wir auch sprechen. Und, um das gleich vorweg zu sagen, bei niemandem, den ich kenne, mit Einschränkungen oder Problemen verbunden.

Schere. Autor: Richard Huber, Lizenz: cc-by 3.0
Ganz ehrlich – ich kann noch nicht einmal nachvollziehen, wieso es rund um eine Vasektomie überhaupt zu Diskussionen kommen kann. Für mich war es klar, als Quarta geboren wurde, dass dieses unser letztes Kind sein soll (und aus gesundheitlichen Gründen auch sein musste). Und es gibt de facto nur eine wirklich sichere Verhütungsmethode, die mit keinen Nebenwirkungen und einem minimalen Eingriff verbunden ist: das Durchtrennen der Samenleiter beim Mann. 

Weil es dazu so viele Mythen gibt, hier mal das, was da wirklich passiert: Ein Vorgespräch, eine Beratung (in unserem Fall aus gemeinsam als Paar). Und dann ein Termin zur ambulanten Operation in der Praxis des Urologen meines Vertrauens. Konnte ich zu Fuß hingehen. Und konnte ich zu Fuß wieder nach Hause nach einer Stunde. Zweimal zur Wundkontrolle, einmal Ejakulat abgeben zur Erfolgskontrolle. Und Ende Gelände. Schnippschnapp. Fertig. Weitere Folgen: keine. Wirklich nicht. Und auch bei niemandem sonst in Familie und Freundeskreis.

Warum schreibe ich darüber?

Weil ich es absurd finde, dass so wenige Männer eine Vasektomie machen lassen. Und weil mich die "Argumente", die ich höre, wenn welche sagen, warum sie es nicht machen, erschrecken. Sicher, ich bin in der besonderen Situation, dass meine Beziehung schon aus religiösen Gründen auf dieses ganze Leben angelegt ist und sich mir die Frage, ob ich vielleicht im Zuge meiner Midlifecrisis noch mal eine neue Familie zu brauchen glaube, nicht stellt. 

Aber was für ein Menschen- und Männerbild spricht denn aus der Angst, ich könnte im Alter nicht mehr Kinder zeugen? Aus der Vorstellung, dass nur das aktive Verstreuen meines Samens mich zum richtigen Mann macht? Das ist mir zu dicht an der Vorstellung, Männer seien Tiere, seien "nun mal so", was ja auch als Entschuldigung bei anderem absurden und übergriffen Verhalten angeführt wird. Wobei ja lustigerweise Tiere sehr oft an der Fortpflanzung gehindert werden.

Wer zu einem Zeitpunkt, zu dem die Familienplanung abgeschlossen ist (und nur darum geht es hier ja), die Verhütung der Partnerin aufbürdet, obwohl es eine einfache, preiswerte und sichere Methode gibt, die ich selbst anwenden kann, zeigt am Ende doch nur, dass das Gerede von der Gleichberechtigung und Partnerschaftlichkeit doch eben nur leer war. Die Frage, ob über eine Vasektomie in dieser Situation auch nur nachgedacht werden muss, ist doch am Ende der "ground truth check" in der Gleichberechtigungsdebatte, wie es ein Freund neulich formulierte. Und dem stimme ich zu.

Toll fand ich andererseits die Geschichte von dem großen Handwerksbetrieb, in dem als Schwächling gilt und als unmännlich, wer die Sterilisation seiner Frau zumutet anstatt selbst unters Messer zu gehen. Weil diese Geschichte zeigt, wie durch Vorbilder und durch Framing Verhalten geändert werden kann.

Ich denke, je mehr wir, die wir es gemacht haben, darüber reden – und auch darüber, wie unproblematisch das war und ist und dass es keine Einfluss auf unsere Sexualität hat –, desto eher wird es auch für andere so normal. 

15.1.18

Pimmelparade

Symbolbild
Sehr passend finde ich ja, sich über (fast) reine Männerlisten, Männerumfragen, Männerpanels mit diesem Wort lustig zu machen. Denn wo es sie gibt, ist es genau so lächerlich wie dieses Wort suggeriert: sehr.

Daran musste ich Ende letzten Jahres wieder denken, als ein Rundruf bei Medienschaffenden dazu, wie denn 2018 so werde, in einem Fachdienst rund 15 Männer und eine Frau mit ihren Antworten aufgeführt waren. Was für eine beknackte Pimmelparade. Die Redaktion gab sich selbstbewusst und wies darauf hin, dass die Frage an etwa gleich viele Männer wie Frauen geschickt worden sei - aber fast nur Männer geantwortet hätten. Na sowas. Womit sie das Phänomen der Pimmelparade sehr gut beschrieben hat.

Mit dieser Frage beschäftige ich mich ja schon lange. Ich hab gerade mal nachgeguckt - im Zusammenhang mit meiner Partei schrieb ich 2011 schon mal was dazu. Und als ich feststellte, das das tatsächlich schon 2011 war, erschrak ich sogar etwas.

So wenig sind wir seitdem weitergekommen? Es ist immer noch die gleiche Ausrede? Dieses "wir haben ja gefragt, sie wollten ja nicht" wird von sehr vielen immer noch nicht als Teil des Problems erkannt? Das finde ich sehr, sehr traurig und grotesk.

Eine Pimmelparade bleibt beknackt

Egal, welche Ausrede ich finde, sie bleibt falsch. Und wenn es, wie in dem Beispiel im Dezember, auf eine Idee nur Zustimmung von Männern gibt, sehe ich zwei Möglichkeiten: Entweder ich akzeptiere, dass ich eben eine Pimmelparade mache und stehe dazu. Oder ich hinterfrage das, was ich da angeschoben habe.

Denn es kann ja auch sehr gut sein, dass nur so wenige Frauen auf den Rundruf reagiert haben, weil sie die Frage und das Format genau so doof fanden wie ich es auch fand. Nur dass ich mich in meiner Eitelkeit wahrscheinlich dafür entschieden hätte, eine Antwort zu schicken, um mein Bild auf der Website zu sehen. Eine solche Rücklaufquote wäre also eigentlich die ideale Gelegenheit, über das Format nachzudenken. Oder zumindest (zumindest!) einmal nachzufragen bei der einen oder anderen, wieso sie nicht geantwortet hat.

Wenn ich für Fensterredenkongresse nicht genug Sprecherinnen finde, kann das daran liegen, dass ich doof bin. Oder daran, dass das Format Fensterrede doof ist. Wenn sich in einer Debatte irgendwann nur noch Männer zu Wort melden, kann es sein, dass das Thema nur Männer interessiert. Oder dass schon alles gesagt ist und es langweilig wird.

These: Eine Pimmelparade ist ein untrügliches Zeichen, dass Thema oder Format langweilig und irrelevant ist.

9.11.17

Der Blaumann

Als jemand, der gerne und viel redet und sich (wie es ein Deutschlehrer einmal in eines meiner Zeugnisse schreiben ließ) "allzu sehr für am Rande liegende Spitzfindigkeiten interessiert", ist mein größtes Problem auf dem Weg in eine post-patriarchale Kommunikationsumgebung das sogenannte "Mansplaining" – oder, ich weiß nicht mehr, wer auf Twitter diesen wunderbaren Vorschlag für eine Übersetzung machte: "Herrklären".

Für mich ist dieses Herrklären immer der blinde Fleck gewesen und es ist immer noch schwer für mich, es regelmäßig zu erkennen. Weshalb ich, aber das ist eine andere Geschichte, sogar bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen kann, wenn es manchen sehr schwer fällt, ihr eigenes Verhalten als sexistisch zu erkennen. Nachvollziehen aber nur so lange, bis sie abstreiten, es sei eben dies.

Aber zurück zum Blaumann

Kaum etwas illustriert Mansplaining vielleicht so gut wie dieser hinreißend absurde Dialog auf Twitter:


Das Problem ist, glaube ich, dass "wir" uns nicht mal als übergriffig, als mansplaining, als Herrklärer empfinden in diesem Moment. Aber, wie immer in Fragen der zwischenmenschlichen Sensibilität: Das ist auch irrelevant. So wie es irrelevant ist, ob ein ekliger sexistischer Witz "nicht so gemeint war" oder ich "dich nicht verletzen wollte" – denn unangemessenes Verhalten kann ich nicht als Absenderin beurteilen (oder zumindest nicht allein und letztgültig).

Für mich merke ich, dass es mir sehr schwer fällt, aus dem Herrklärungsmuster auszubrechen. Vor allem, weil es sich für mich schlecht anfühlt, andere nicht an meiner grenzenlosen Weisheit und überlegenen Lösungskompetenz teilhaben zu lassen. Was ich lernen musste, ist, dass es sich für andere allerdings schlecht anfühlt, wenn ich ihnen dauernd die Welt erkläre oder für ihre vermeintlichen Probleme Lösungen präsentiere, ohne gefragt worden zu sein.


Und was ist nun mit dem Blaumann?

Mir hat eine Geschichte sehr geholfen, die mir eine Freundin von ihrer Freundin erzählte. Denn die hat mit ihrem Partner ein Ritual entwickelt, um gemeinsam aus der Herrklärenfalle in der Beziehung zu kommen. 
Wenn sie etwas erzählt und sich aufregt, fragt er sie: "Willst du Rotwein oder den Blaumann?" – Und je nach Antwort hört er zu. Oder denkt sich eine Lösung aus. Und war überrascht, wie oft sie Rotwein wollte.
Mir hilft dieses Bild, nicht nur in der Beziehung sondern auch im (beruflichen, politischen) Alltag. Als an Logorrhoe leidender Mensch gelingt mir das nicht immer. Aber es hat mir geholfen, den blinden Fleck zu entdecken und mehr und mehr mit ihm umzugehen.

Denn, ganz ehrlich? Herrklärer sind doof. Und das sage ich euch mal ganz ungefragt.

28.6.16

#TeamGinaLisa

Mich lässt der "Fall" Gina-Lisa Lohfink nicht los. Als wir vor drei Wochen einen Preis für Onlinekommunikation für unsere (Cohn & Wolfe) Kampagne #nurwennicheswill gewonnen haben, widmeten wir den Preis bewusst allen Frauen, die sich gegen Übergriffe wehren, obwohl sie nur selten Recht bekommen in diesem Land und obwohl sie von Behörden und Justiz sehr oft sehr schlecht behandelt werden.

Für mich ist dies aus vor allem zwei Gründen so wichtig:

  • Zum Einen, weil der Prozess gegen Frau Lohfink ein Thema nach vorne und in die größere Wahrnehmung holt, das mir wichtig ist – und in dem ich als Mann eine zuhörende Rolle übernehmen muss. Weshalb mich Richter Fischer so ankotzt, um es mal auf deutsch zu formulieren.
  • Und zum Anderen, weil gerade die Person Lohfink in diesem Zusammenhang so interessant ist.
Es bedrückt mich, wenn ich sehe, wie in meiner Generation (Mitte vierzig) und selbst noch in der Generation meiner älteren Kinder (um die zwanzig) Mackerverhalten und brutales Besitz- und Benutzdenken von Männern und Jungs Frauen gegenüber verbreitet ist. Das reicht vom ehemaligen Chef, der sich das Recht nimmt, junge Mitarbeiterinnen gegen ihren Willen anzufassen, über die Jungs, die ein Mädchen, das gerne Sex hat, als Matratze der Schule diffamieren, und emotionale Erpressung bis hin zu Vergewaltigung.

Und es erschreckt mich, wie die Tatsache, dass nahezu alle Menschen, die ich kenne, Frau Lohfink unangenehm finden und schräg und ihre Art, mit Sex umzugehen, ablehnen, wie diese Tatsache bei allzu vielen einen Reflex auslöst, der im günstigsten Fall fragt, ob das wirklich alles so war, und im ungünstigsten auf ein "selbst Schuld" hinausläuft.

Gerade weil mir Frau Lohfink unangenehm ist, ist der Prozess gegen sie so ein Fanal. Denn egal, ob jemand unter Drogen ist, betrunken oder nackt. Egal, ob eine schon mal Pornos gedreht hat oder ihren Körper vermarktet. Egal, ob eine schlau ist oder nicht, sich die Haare entfärbt oder Intimrasur betreibt. Alles egal – sie hat das Recht, nicht vergewaltigt zu werden. Punkt.  Dass ihr dann der Prozess gemacht wird, weil sie wollte, dass ihre Vergewaltiger betraft werden, ist krank.

Wie bei so vielen anderen Dingen auch gibt es bei Vergewaltigung keine "Mitschuld" des Opfers. Ja, es kann sich vorwerfen, nicht früh genug nein gesagt zu haben vielleicht. Es kann sich selbst vorwerfen, mit einem Arschloch und Verbrecher getrunken oder gefeiert zu haben. Aber es kann sich nicht vorwerfen oder vorwerfen lassen, dass es vergewaltigt wurde.

Es macht mich unendlich zornig, wenn ich sehe, was mit einer Frau (und Frau Lohfink steht hier nur stellvertretend für viele, viele tausend Frauen jedes Jahr, denen exakt das gleich passiert) gemacht wird, die sich traut, sich zumindest nachträglich gegen die Vergewaltigung zu wehren. 

Es irritiert mich zutiefst, wenn ich sehe, dass Menschen, Männer zumeist, die sich klar zu "Nein heißt Nein" bekennen, im Fall von Lohfink schwimmen und schwurbeln. Sich auf das Ablenkungsmanöver mit den K.O.-Tropfen oder eben nicht einlassen. Das Thema auf eine grundsätzliche Ebene ziehen. Allzu viele Fragen sehen, die ungeklärt seien. Ja, kann alles sein – aber eine Vergewaltigung bleibt eine Vergewaltigung. Und Sex gegen den Willen einer Person ist eine Vergewaltigung. Sex ohne aktive, explizite Zustimmung einer Person ist eine Vergewaltigung. Egal, welche Fragen sonst noch offen sind. Und wenn mir der Prozess gemacht wird, weil ich möchte, dass meine Vergewaltiger betraft werden, ist das krank (sagte ich das schon?).

Das Leben ist nicht nur schwarz-weiß und es gibt unendlich viele Spielformen, die im Konsens auch Dinge ermöglichen, die mir fremd sind. Und Zustimmung ist nicht so trivial festzustellen, schon klar. Was aber nichts daran ändert, dass ein Unterschreiten der Zehn-Zentimeter-Schutzschicht nun mal nicht geht, wenn sie nicht angefordert wurde... 

Ich meine: Wenn es nicht zu einer klaren Position zum Fall Lohfink führt, ist ein Bekenntnis zu "Nein heißt Nein" nichts wert. Weil es dann doch nur wieder um saubere, bürgerliche Mittelschichtdinge geht. Beweisen aber muss sich das Thema, so finde ich, an den Rändern. Aber wie so oft ist der aufgeklärte Bio-Aktivismus in der Gefahr, die soziale Frage unterzubelichten.



24.5.16

Väter! Ihr seid gefragt!

Mir gehen die Versteherinnen und Versteher der Leute, die überall auf der Welt autoritäre Bewegungen unterstützen, ohnehin auf die Nerven. Ob wir die – der Einfachheit wegen – Nazis nennen oder Idioten oder eben Autoritäre, das ist mir fast egal. Nicht egal ist mir, dass sie den Handlungsspielraum massiv einschränken, den eine Demokratie hat, weil es auf einmal keinen Wettstreit der Ideen unter nicht-autoritären Politikansätzen mehr gibt. Aber, an dem Rumreiten auf dem Wort "Autoritäre" merkt ihr es, diese Beschreibung dessen, was politisch nicht nur bei uns sondern eben auch in fast allen anderen Ländern mit ehemals bürgerlichen Demokratien passiert, leuchtet mir ein.

Die Idee, das, was politisch gerade passiert, über eine autoritäre Haltung zu beschreiben, begegnete mir erstmals im Januar in einem sehr spannenden Artikel über Trump und den amerikanischen Wahlkampf. Dieser Link lohnt sich sehr, auch weil er sehr einfach beschreibt, wie ein autoritäres Weltbild, eine autoritäre Haltung erforscht und festgestellt werden kann. Das Spannende ist, dass in diesem Fall über vier Fragen, die alle mit Erziehung der eigenen Kinder zu tun haben, zwischen autoritär und weniger autoritär unterschieden wird. Dazu gleich mehr, weil ich denke, dass das richtig ist, so lange wir die Verantwortung für die Entwicklungen nicht komplett privatisieren.

Diese Woche dann zwei weitere sehr lesenswerte Texte
Anlass war jeweils Österreich, wo ja spannenderweise das Konzept auch von SPD und CDU, mit der autoritären Herausforderung umzugehen, so krachend gescheitert ist.
Wer weiß, ob Olaf Scholz, den ich ja ohnehin für sehr problematisch halte, heute seinen meiner Meinung nach gefährlichen Text zum Umgang mit den deutschen Autoritären (naja, ist er ja selbst auch einer, also Autoritärer, darum wahrscheinlich auch dieses Problem) noch immer schreiben würde.

Zum einen der erste Text, den ich in deutschen Medien wahrgenommen habe, der die Erfolge der rechten Bewegungen über das Thema der Autoritären beschreibt, Bernd Ulrich in der Zeit. Zum anderen ein interessantes Interview auf jetzt.de über das, was nun der Anlass für diesen Text hier bei mir im Blog ist – dass es so einen auffälligen Unterschied im Wahlverhalten von (jungen) Frauen und Männern gibt.
Auch hier eine Anmerkung im Kleingedruckten: Den letzten Absatz, die letzte Antwort im Interview, sehe ich sehr anders. Denn die Hoffnung, dass sich autoritär-faschistische Parteien, einmal an der Macht, zivilisieren würden, halte ich für historisch widerlegt. Das war auch die Hoffnung des autoritären Bürgertums in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts.

Was hat das mit uns zu tun?
Alles. Denn ob unsere Jungs auf ihre Verunsicherung mit einer autoritären Haltung reagieren oder nicht, darauf haben wir die ersten zwanzig Jahre Einfluss. Und zwar ganz besonders wir Väter.
Es ist ja nicht zu bestreiten, dass die Vorstellung, wie Leben und Zusammenleben sein soll, die in Schule und Kindergarten, in einem großen Teil der Medien, in der Rechtsprechung und Gesetzgebung transportiert wird, von der gesellschaftlichen Realität sehr stark abweicht. Interessanterweise sind wir in diesem Land in der Theorie ja sehr viel weiter auf dem Weg in eine gerechte und nicht-patriarchale Gesellschaft als in der Praxis. Und das gilt noch mehr in den Ländern, in denen die autoritären Bewegungen schon länger als bei uns sehr wirkmächtig sind und massive Zustimmung bei Wahlen erfahren, beispielsweise in Skandinavien, den Niederlanden und den USA.

Mir leuchtet das Erklärungsmuster sehr ein, dass die autoritären Bewegungen ein gewaltsames Aufbäumen der Verlierer dieser Entwicklung sind. Derer, die sich (wenn sie älter als sagen wir mal 35 Jahre sind) nicht auf die Veränderungen einlassen wollen. Und derer, die – sicher auch zu einem guten Teil berechtigterweise – davon ausgehen, dass sie sich ändern müssten, wenn sie bestehen wollen, das aber nicht wollen. Möglicherweise befinden wir uns im letzten Abwehrkampf des gewalttätigen misogynen Mackertums.

Auf Dauer ist es nicht denkbar, wahrscheinlich nicht einmal möglich, dass die autoritären Macker diesen Kampf gewinnen. Aber er wird noch ein oder zwei Generationen andauern. Und unsere Söhne werden die sein, auf deren Rücken dieser Kampf aufgetragen wird. Sie sind es teilweise schon.

Wenn es tatsächlich so ist, dass die Frage, ob jemand eher autoritär "tickt", einen großen Einfluss darauf hat, ob sie sich gesellschaftlich und politisch bei autoritären Bewegungen verortet oder sogar engagiert, müssen wir, finde ich, unser Augenmerk sehr auf die Jungs, unser Söhne und Schüler, legen. Und ihnen helfen, vor allem durch unser Beispiel helfen, den Verlust einer autoritären Perspektive nicht als schlimm zu empfinden.

Eine autoritäre Haltung identifiziert Matthew MacWilliams im oben schon erwähnten Text auf politico anhand der Antworten auf vier Fragen zur Erziehung von Kindern:
Ist Ihnen bei Ihrem Kind wichtiger, dass es Respekt hat oder dass es unabhängig ist? Ist Ihnen wichtiger, dass es gehorcht oder dass es selbstständig ist? Wichtiger, dass es sich gut benimmt oder dass es rücksichtsvoll ist?  Dass es gute Manieren hat oder dass es neugierig ist?
Ich finde diese Fragen so interessant und überzeugend, weil die Alternativen ja keine reinen Alternativen sind – aber tatsächlich, wenn ich mich jeweils entscheiden muss ("wichtiger"), eine aussagekräftige Haltung erkennbar ist.

Als Vater von Söhnen muss ich Feminist sein
Sage ich vielleicht auch, weil mir das wichtig ist, ja. Aber selbst wenn es mir persönlich egal wäre – schon aus Fürsorge meinen Söhnen gegenüber müsste ich es werden. Damit ich ihnen helfen kann, nicht zu den Verlierern dieses Kampfes zu werden, mit dem die Autoritären versuchen, eine mir lebenswert erscheinende Gesellschaft zugrunde zu richten. Daran werden sie scheitern, langfristig. Aber unsere Söhne werden dann am Ende zu den Opfern dieses Kampfes gehören (nach den Menschen, die von der Norm abweichen, die die Autoritären für sich definiert haben, die jetzt schon Opfer dieses Kampfes sind, so dass sich die Autoritären erstmal als Sieger fühlen), wenn sie es nicht schaffen, sich von den billigen Verlockungen eines autoritären Weltbildes, einer autoritären Haltung zu lösen.

Es ist fast ironisch
Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet die in den letzten 20 Jahren so verlachten Antiautoritären einmal die sind, von denen wir das Überleben dieser Gesellschaft in Freiheit lernen können. Wer hätte gedacht, dass der anti-antiautoritäre, anti-68er Impetus der neoliberalen Revolution der 90er uns einmal in diesen Kampf um unsere Gesellschaft führen würde. Dass das historische Versagen von New Labour und Schröder nicht einfach das Zerschlagen der Sozialdemokratie ist – sondern die Tatsache, dass sie den Grundstein für die autoritären Bewegungen heute gelegt haben, indem sie das dahinterstehende Weltbild zurück in die Mitte der Gesellschaft bugsierten.

Was mir Mut macht, ist, dass wir etwas tun können, jede von uns. Was mich verzagen lässt, ist, dass ich so viele Väter darin versagen sehe, ihren Söhnen die Grundlagen von Zivilisation vorzuleben. Väter, ihr seid echt gefragt gerade.

****
Update (24.5.)
Ich hatte den Text von Robert Franken, einem der wenigen sichtbaren Feministen in meinem Teil von Beruf und Internet, zum gleichen Thema noch nicht gelesen, als ich dieses schrieb. Er denkt über das gleiche nach, mit etwas anderem Schwerpunkt, stellt aber auch die Frage:
Sind Männer das prekäre Geschlecht?
Noch interessanter aber sein Hinweis beispielsweise auf ostdeutsche Männerüberschüsse etc. Lesen, da.

5.1.16

Es geht um dich

Köln, Hamburg, Stuttgart und anderswo nach Silvester.

Die gleichen Leute, die bis vor etwa einem Jahr bei jedem Versuch "Genderwahn" oder so was geschrieen haben, wenn über das Verhalten gegenüber Frauen geredet wurde, überschlagen sich nun vor frauenrechtlicher Rechtschaffenheit. Einige derjenigen, die versuchen, dem Pöbel, dem Hass, dem Rassismus entgegenzutreten, der sich als Sorge tarnt, zeigen merkwürdige Tendenzen, das Verbrechen an sich zu relativieren. Manches, was wir gerade sehen, würde in der politischen Theorie wohl als Querfront durchgehen (wie es in Nahost- und Russlandfragen ja schon länger in Deutschland üblich ist, dass sich Querfronten bilden). Zugleich gibt es einen gemeinsamen Aufruhr von feministisch geprägten Linken und Nazis über den (nicht nur verunglückt formulierten sondern grotesk blöden) Vorschlag, Frauen jetzt Verhaltensregeln zu geben.

Was dabei aber passieren könnte oder müsste oder sollte oder was weiß ich, wäre doch eine breite Berichterstattung und Diskussion über sexualisierte Gewalt gegen Frauen. Ja, es ist naiv, anzunehmen, dass Menschen, deren Abstiegs- und Zukunftsangst sich in dem Hass entlädt, den sie bei sich selbst mit Mühe und Not unterdrücken konnten, so lange sie noch nicht von diesen Ängsten vollkommen zerfressen waren, erreicht werden können. Aber deutet sich nicht eigentlich gerade ein Konsens an, was ein Männer-Verhalten ist, das nicht akzeptabel ist? Zum ersten Mal überhaupt?

Während die Gesellschaft gerade zerfällt, während auf der einen Seite mehr und mehr Menschen desozialisiert werden und auf der anderen Seite eine neue Zivilgesellschaft entsteht (und diese beiden großen Gruppen von Menschen nichts mehr miteinander zu tun haben), entsteht an einem anderen Grundkonflikt unserer Gesellschaft zumindest verbal ein Konsens, der überraschend ist.

Sexualisierte Gewalt geht nie und von niemandem.
Nicht Frauen brauchen Verhaltensregeln sondern Männer müssen die bestehenden Verhaltensregeln akzeptieren. Es ist kein Frauenthema, sondern ein Männerthema. Denn die einzige Gemeinsamkeit, die Täter sexualisierter Gewalt haben, ist, dass sie Männer sind (ok, und, dass sie Arschlöcher sind, ja).

Dieses Thema geht (uns) Männer überall im Alltag an. In der Firma, wenn mal wieder "Jungswitze" gerissen werden. Auf Weihnachtsfeiern, wenn die Geschäftsführer Knotentänze mit den Auszubildenden einfordern. Auf Volksfesten, wenn einer mal wieder wie zufällig die Hände auf die Hüften oder den Po einer Frau legt (oder ihr, wie in jenem heute durch Twitter gereichten Beispiel, "spaßig" unter den Rock greift).

Aufkleber einer Kampagne, die meine Agentur für den Kunden HRA Pharma zurzeit macht

Es kann doch Bitteschön nicht sein, dass wir es "normal" finden, dass Frauen da, wo viele Männer (alkoholisiert) zusammenkommen, angefasst oder angegriffen werden. Ob es auf der Großen Freiheit ist, vor dem Kölner Hauptbahnhof oder auf dem Oktoberfest. Ob beim Karneval oder auf der Weihnachtsfeier der Agentur. Das ist nie normal und das ist immer Arschlochverhalten. Und das hat nichts mit Prüderie zu tun oder damit, dass eine Frau sich irgendwie verhalten sollte, um sich zu schützen (ja, dass sie es tut, ist eine andere Sache, logisch, aber das kann nicht die Forderung oder die "Lösung" sein).

Es geht um dich und mich
Stattdessen hat es etwas mit Zustimmung zu tun. Consent sagt das Englische dazu. Zustimmung. Die Regel ist doch eigentlich so einfach: ohne eine explizite Zustimmung keine Berührung. Punkt. Alles andere ist Gewalt. Es gibt welche, die finden, dass ich damit die "echte" Gewalt kleinrede, wenn ich dies schon Gewalt nenne und als übergriffig bezeichne. Aber ich bin überzeugt, dass wir Männer uns nur dann an diese Regeln halten werden, wenn sie so klar und so eindeutig benannt sind. Und wenn uns klar ist oder klar gemacht wird, dass jede körperliche Grenzüberschreitung Gewalt ist (und viele andere auch, ja).

Es geht um Männer bei diesem Thema. Denn hier haben nicht Frauen etwas falsch gemacht, weil sie sich irgendwo hinbegeben haben. Oder einen (kurzen) Rock anhatten. Oder betrunken waren. Sondern hier haben Männer etwas falsch gemacht. Und dafür gibt es keine Ausreden. Und das müssen wir Männer thematisieren.

Und darum müssen wir Männer gegenüber anderen Männern einschreiten. Ich habe es in der Vergangenheit auch nicht immer gemacht, hatte selbst Angst, oder habe gekündigt. Darum geht es hier auch um mich. Und um dich.

Update 7.1.16, 9.12 Uhr
Dieses gilt übrigens und selbstverständlich auch und/oder erst Recht, wenn die sexualisierte Gewalt gegen Frauen in der Großstädten in der Silvesternacht vor allem ein "Trick" gewesen sein sollte, um Diebstähle begehen zu können. Wir wissen zurzeit ja tatsächlich noch sehr wenig, die "Zeit" fasst das mit Stand gestern (6.1.) Abend gut zusammen. Über die sexualisierte Gewalt gegen Frauen zu sprechen, ist eines der wenigen Dinge, die aus meiner Sicht tatsächlich angemessen sind jetzt gerade.

23.9.14

Ich weinte vor Rührung und Freude. Und vor Zorn

Gestern und heute schwappte eine Geschichte durch meinen Facebook-Strom (merkwürdigerweise noch nicht in gleicher Intensität durch mein Twitter). Nicht alle verlinkten auf den gleichen Artikel und ich musste auch etwas suchen, bis ich ein Video in hoher Qualität von diesem Ereignis fand. Aber an vielen, vielen Stellen poppte diese Geschichte mit und von Emma Watson auf. Zu Recht.

Seit einiger Zeit horche ich immer auf, wenn von Frau Watson die Rede ist, weil sie sich klug und klar zu Fragen des Feminismus und der Geschlechtergerechtigkeit äußert. Das finde ich schon darum so besonders interessant und wichtig, weil meine Jungs mit ihr aufgewachsen sind, die ältesten mit ihr gemeinsam erwachsen geworden. Irgendwie gehört sie für meine Generation zur Familie, vielleicht geht es ja der einen oder anderen von euch auch so.

Ich habe mir also ihre Rede vor den Vereinten Nationen zur HeForShe-Bewegung angesehen.

Tränen der Rührung
Nun bin ich ohnehin eher nah am Wasser gebaut, was solche emotionalen Momente angeht - aber hier hat es mich wirklich gepackt. Frau Watson hat mich gepackt, gerade als männlichen Feministen.



Ihre zugleich emotionale und extrem scharfsinnige, intellektuell anspruchsvolle Rede ist großartig, finde ich. Wie sie gegen die dummerhaftigen und schrägen neuen Antifeministinnen anspricht, sich klar und deutlich positioniert als Feministin, erklärt, wie es kommt, dass sie Feministin wurde.

Ich selbst bin ja in einer feministischen Umgebung groß geworden, sozusagen in den Experimentalraum einer neuen Gemeinschaft von Männern und Frauen hinein geboren und gekommen. Seit den 80ern waren die links-evangelischen Kirchen und Gemeinden in Nordeuropa und damit auch in Norddeutschland, in denen ich aufwuchs, solche Räume, in denen es leicht und fast selbstverständlich war, als Mann Feminist zu sein. Bis heute ist es sowohl interessant als auch großartig, dass in den evangelischen Kirchen nicht-sexistische und geschlechtergerechte Sprache und Praxis üblich und verbreitet ist. Unter Frauen und Männern.

Als Vater von Söhnen und einer Tochter habe ich keine andere Wahl als Feminist zu sein. Und unterstütze ich Frau Watsons Aufruf, dass sich auch und gerade Männer ändern müssen und ihren Teil zu einer guten und gerechten Welt beitragen.

Tränen des Zorns
Und dann sah ich die Links auf die Artikel, die zwar Emma Watson zujubeln, es aber mit einem fiesen Derailing verbinden. Die behaupten, Frau Watson denke den Feminismus neu und wolle, dass Männer nicht so hart angegangen werden ("not shaming men in the process", dafür gibt es keine elegante Übersetzung irgendwie).

Diese Interpretationen machen mich wirklich sauer. Denn sie sind einfach falsch und so etwas sagte sie an keiner einzigen Stelle. Im Gegenteil fordert Frau Watson die Männer auf, sich an die Seite von Feministinnen zu stellen, selbst Feministen zu werden, und die Welt zum Besseren zu verändern. Auch, weil viele von uns Männern auch selbst krank werden und leiden unter der Ungerechtigkeit und den stereotypen Rollenzuschreibungen.

Damit hat sie aus meiner Sicht Recht. Und gerade als Vater von drei Söhnen ist mir deren feministische Erziehung ja nicht nur wichtig, damit sie zu denen gehören, die die Welt ein bisschen besser machen - sondern eben auch, weil es ihnen damit besser gehen wird. Davon bin ich überzeugt.

Wenn Emma Watson Männer mit anspricht in ihrer Rede und mit ihrem Programm, dann nicht sanft oder verständnisvoll. Sondern klar und deutlich. Und mit dem Hinweis, dass sie sich radikal ändern müssen. Dass gerade Männer diesen radikalen Weg mitgehen müssen. Was ich bewundere an ihrer Rede, ist, dass sie Männer einlädt, Teil der Bewegung für eine gerechtere Welt zu werden. Und sie auffordert, sich zu entscheiden. Denn Maskulinisten und vergleichbare Idioten sind eben dies: Idioten, für die es keine Entschuldigung gibt.

Schaut euch noch einmal ihre Rede an. Und noch einmal. Hört ihr sorgfältig zu, denkt nach. Ich bin mir sicher, dass diese Rede von Emma Watson dazu beitragen kann, den eigenen Blick auf Feminismus zu verändern. Und sich zu radikalisieren. Das hat sie jedenfalls mit mir gemacht.

13.5.14

Einfach mal die Klappe halten

Ich lache jedes Mal laut, wenn jemand mit dieser wunderbaren Ausrede kommt, es gäbe keine Frauen, die mitmachen wollten. Oder es hätten keine Zeit gehabt. Oder keine gewollt. Oder sich keine gemeldet. Oder so.

Ach ja, doo. Das gleiche Argument, von der Struktur her, höre ich auch, wenn in meiner Partei, den Grünen, Männer (und teilweise auch Frauen) sich "beschweren", eine quotierte Liste hindere Männer an etwas, weil nicht genug Frauen mitmachen.

Meine Tipps dazu:
  1. Einfach mal die Klappe halten und sich nicht so wichtig nehmen.
  2. Einfach mal darüber nachdenken, ob es sein könnte, dass so wenige Frauen mitmachen wollen, weil es einfach doof ist, was ich vorhabe.
  3. Einfach mal absagen, wenn es nicht möglich ist, etwas mit mehr Verschiedenheit zu besetzen.
  4. Einfach mal anstrengen, wenn es dir wirklich wichtig ist, das Thema. Denn wenn es auch anderen so geht, werden sich auch andere finden. Sonst 2. oder 3. versuchen.
  5. Einfach mal die Klappe halten und sich nicht so wichtig nehmen. Bist du nicht.
In den letzten fünfundzwanzig Jahren, in denen ich halbwegs sensibilisiert für Verschiedenheiten und vor allem für feministische Fragestellungen unterwegs war, hat sich als über-den-Daumen-Realität herausgestellt, dass Dinge, für die sich kaum Frauen finden ließen, um mitzumachen, mitzudiskutieren etc auch echt doof waren. Und dass die Jungs es besser gelassen hätten. Denn die Bereitschaft von Frauen, sich zu engagieren und zu beteiligen, ist ein ziemlich guter Indikator für Undoofheit, so ist meine Erfahrung. Und die drei Fälle, in denen dieser Indikator falsch lag, sind dann ein verschmerzbarer Kollateralschaden.

Nein, ich rede weder explizit über den Krautreporter noch über die falschrum teilquotierten Listen der Grünen in Wandsbek und Rahlstedt für die Bezirksversammlungswahl.
Symbolbild.
Bild: By Elvis untot (Own work) CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) 








Aber irgendwie auch.

19.2.13

Wer A sagt

... muss gar nichts. Aber wer A sagt, um etwas ändern zu wollen, kann dann auch mal A rufen. Mache ich jetzt.

Nur kurz zur Erinnerung: ich schrieb am 16.11.2012 unter der Überschrift Von Pubertät und Podien mal auf, was mir an Veranstaltungen und den üblichen Alphamännlein nicht passt, die da rumturnen. Und stellte mir selbst Regeln auf. Unter anderem:
3. Ist die (in der Regel ja obligatorische) Diskussionsrunde mit mindestens 40% Frauen besetzt? Dann komme ich gerne. (Blogpost)
Und ich mache gute Erfahrungen mit der Auswahl der Dings, auf denen ich spreche. Beispielsweise kommende Woche beim PR Kongress des EHI, der gut und ausgeglichen besetzt ist und sogar spannende Themen bietet. Die Social Media Week Hamburg als Großformat ist auch gut, unterschiedlich, variantenreich von den Methoden und so weiter. Darum habe ich auch gerne zugesagt, als ich damals angefragt wurde, ob ich an einer Markenkommunikationsdiskussionsrunde teilnehmen wolle. Denn Markenkommunikation finde ich gut. Und weiß ich was zu. Und hab ich Erfahrung und so.

Dann ging es in die Detailplanung. Also schrieb ich am 4.1.:

Übrigens gehe ich davon aus, dass da noch Frauen aufs Panel kommen, oder? ... Ich nehme ja eigentlich nicht mehr an Podien teil, auf denen keine Frauen sind :)
Und der Organisator kannte auch meine Selbstverpflichtung, wir kennen uns und arbeiten hin und wieder zusammen seit vielen vielen Jahren. Es blieb bei der ursprünglich angedachten Alphamännerrunde. Sehr groß übrigens. Und sozusagen nur Agenturen (ok, und ein Inkubator und der Gastgeber).

Hiermit sage ich meine Teilnahme an der Runde ab.

Es mag Themen geben, bei denen es keine Frauen gibt, die Lust hätten, auf ein Podium zu klettern. Aber bei diesem Thema? Eher nicht. Ohne Recherche fallen mir allein aus Hamburg spontan einige ein, mit denen ich auch schon zusammen gearbeitet habe, von denen also sogar ich beurteilen kann, dass sie gut sind, und mit dem Lob bin ich ja nun nicht beliebig freigiebig: Claudia SommerIna SteinbachSanja Stankovic, Nina Galla. Oder etwas weiter geguckt über den lokalen Tellerrand, es kommen ja auch Leute von woanders auf dieses Podium, gleiches Kriterium (schon zusammen gearbeitet, für gut befunden): Claudia Hilker (ohnehin zur SMWHH hier), Stefanie Babka (Kundin) - und das sind jetzt mal nur die allerersten sechs, die mir eingefallen sind. Ein bisschen Recherche bei einer Podiumszusammenstellung kann da bestimmt Wunder wirken.

Nein, hier besteht keine Not, ein rein männliches Panel zu machen. Das ist nach meiner Meinung Nachlässigkeit, auch wenn das Torsten Panzer, der es moderieren wird, anders sieht, sagt, es sei ihm nur um Kompetenz gegangen, nicht um Geschlecht. Nur: So ändert sich nichts, wenn dir nicht eine einzige kompetente Frau eingefallen ist, obwohl es so viele gibt. Es hat verdammt noch mal auch etwas mit Wahrnehmung der Realität zu tun. Was ich übrigens doppelt schade finde, weil insgesamt die Ausgewogenheit bei der Social Media Week extrem gut ist - und eben sehr viele Frauen sprechen und was anbieten. Nur bei diesem Thema nicht? Nun, dann mache ich bei der Realitätsverzerrung eben nicht mit.

Vielleicht ändert sich dann mal was. Auch wenn ich zwar eitel bin aber nicht so eitel, anzunehmen, dass ich so wichtig sei, dass meine lautstarke Absage allein etwas ändern könne. Nur muss ja irgendwer anfangen.

26.1.13

Derailing und die Lämmerfrage

Dass der direkt unter der Oberfläche der Wahrnehmung brodelnde Zorn von vielen Frauen über den alltäglichen Sexismus in der Nacht von Donnerstag auf Freitag unter dem Stichwort #aufschrei sich auf Twitter entlud und seitdem nicht zur Ruhe kommt, ist gut, finde ich. Dass damit eine Diskussion beginne, ist allerdings falsch. Für viele Menschen mag es so scheinen - insbesondere, wenn sie sich nie mit Feminismus beschäftigt haben oder - als Mann - noch nie damit konfrontiert wurden. Aber das, was gerade passiert, ist eigentlich nur, dass eine jahrelange Diskussion in die medial verstärkte Wahrnehmung der breiten Masse gespült wird.

Oder, wie Antje Schrupp (wieder einmal) passend beschrieb: Es zeigt, wie auf einmal "Lappalien" relevant werden (Anmerkung: Lest wirklich mal den verlinkten Beitrag, nicht umsonst ist Antje Bloggerin des Jahres 2012).

Und ehrlich gesagt, ist mir angesichts des Themas egal, dass der Anlass (nicht die Ursache - der Unterschied ist wie bei fast allem, was passiert, immens wichtig) eine Geschichte im "Stern" ist, die die eine oder andere sogar zu Recht ob Tonalität und Agenda kritisiert hat. Nach meiner Wahrnehmung war übrigens keineswegs die Brüderle-Geschichte der Anlass für den Aufschrei - sondern die Reaktionen einiges alter Männer on- und offline. Denn erst als der Minister Hahn (Hessen) und andere über den Tabubruch schwadronierten (wobei sie merkwürdigerweise nicht den Tabubruch Brüderles meinten sondern den Tabubruch der Journalistin), kanalisierte sich der Zorn. Denn genau diese Reaktionen sind es, die den Kern des Alltagssexismus in diesem Land ausmachen. Derailing - Ablenkung.

Ähnlich dann gestern der mir auch vorher schon unerträgliche Norbert Bolz (mit dem ich letztes Jahr einen Abend am Referententisch einer Veranstaltung zubrachte, was meine Meinung über ihn nun mit einer aus eigenem Erleben bezogenen Realität bestätigte), der auf NDR-Info Laura Himmelreich vorwarf, die Spielregeln verletzt zu haben, da Politiker ein Recht darauf hätten, dass nicht alles in die Öffentlichkeit kommt, dass sie einen Schutzraum hätten. Was er damit mindestens in Kauf nimmt: Dass alte Böcke in diesem "Schutzraum" Grenzen übertreten.

In dieses Klima hinein unsortiert und ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Objektivität eigene subjektive Erlebnisse zu schreien, die eine als Übergriff empfunden hat, ist der Kontrapunkt, der gefehlt hat, um unsere langjährige Diskussion in die Öffentlichkeit zu spülen. Dass die Diskussion nicht neu ist, wissen vielleicht nur die, die sie vorher führten. Mein eigener erster Blogbeitrag sozusagen zu #aufschrei stammt beispielsweise vom 22.8.2012 und klingt trotzdem so, als sei es gestern geschrieben worden.

Und darum habe ich mich über den in meiner Ecke des Internets sehr viel verlinkten und kommentierten und beklatschten Blogeintrag von Meike Lobo gestern auch sehr geärgert. Kurz gesagt: Weil ich glaube, dass sie sich, auch wenn sie es nicht will, faktisch am Derailing beteiligt. Dass sie sehr viel Lob von den Männern meiner Timeline bekommt, die vorher schon auf der Linie von Hahn, Edathy und Kubicki argumentierten (und von denen ich einige mag und schätze, weshalb es mich so besonders bestürzt), will ich ihr nicht vorwerfen, finde ich aber auch nicht überraschend.

Denn sie hat im Prinzip völlig Recht mit allem, was sie schreibt. Und dennoch mit vielem auch gar nicht. Ja, Veränderungen sind immer am besten im Dialog möglich. Und ja, selbstverständlich wäre es toll und würde den Veränderungsprozess massiv beschleunigen, wenn Frauen nicht Lämmer sind (wie Meike behauptet) sondern Löwinnen, die Männer und andere, die ihnen sexistisch kommen, direkt in die Schranken weisen. Die Männern sagen, was sie sich wünschen.

Vielleicht liegt es daran, dass ich ganz anders aufgewachsen bin, ganz anders sozialisiert wurde - aber genau das habe ich mein Leben lang erlebt. oder glaubt irgendwer, ich wäre von allein darauf gekommen, was mit Patriarchat und Sexismus nicht stimmt? Ich habe Lämmer erstmals kennen gelernt, als ich schon einige Jahre im Beruf stand und erstmals den Dunstkreis evangelische Kirche vollständig verließ. Da ich in einer feministischen und materialistischen (im ideologischen Sinne, nicht wie es heute verwendet wird) Gemeinde und Gemeinschaft aufgewachsen bin, in der Frauen und Männer sehr darauf achteten, dass Übergriffe benannt werden, und in der schon in meiner Jugend eine (so hieß das damals bei uns) geschlechtergerechte Sprache genutzt wurde, war mir wahrscheinlich tatsächlich vieles schon klar. Und habe ich gelernt, auch in der politischen Arbeit, dass die verschiedenen Formen von Protest und Anstoß ihren Raum haben und ihre Zeit.

Ich halte den Blogpost von Meike Lobo in all seiner "Richtigkeit" dennoch für manipulativ - und allein denen nützlich, die sich der Diskussion über Sexismus und den notwendigen Änderungen im Verhalten von Frauen und - vor allem - Männern nicht stellen wollen. Zur Mechanik dieser Manipulation schrieb ich ja erst gerade.

Vor allem aber verkennt Meike das Thema Herrschaft und Asymmetrie in Beziehungen meines Erachtens völlig. Oder sie hält es nicht für relevant oder existent, das weiß ich selbstverständlich nicht. Nur: Ich halte es für extrem wichtig, siehe auch meinen alten Täter-Blogeintrag. In einer asymmetrischen Beziehung von denen, die "unten" sind, den ersten Schritt der Versöhnung zu verlangen, halte ich für politisch naiv und strategisch falsch.

Das Erratische und - da bin ich ganz bei Meike - von jeder von uns sicher unterschiedlich relevant oder übergriffig Gesehene an den kurzen Geschichten auf Twitter zum #aufschrei hat für Männer meines Erachtens vor allem eine Funktion und stellt sie vor eine Aufgabe: Zunächst einmal zuzuhören. Und ohne (Ab)wertung anzunehmen, dass - von den Spaßvögeln abgesehen - hier unterschiedliche Frauen ganz unterschiedliche Dinge und Verhaltensweisen als Übergriff empfinden.

Aus einer von Herrschaft und Asymmetrie geprägten Situation gibt es im Grunde zwei Wege, wenn die "unteren" es nicht mehr aushalten (wollen) - entweder die Revolution, also die Gegengewalt. Oder der Verzicht der Herrschenden. Aber nie und nimmer - hier bin ich komplett anderer Meinung als Meike - das einfache Gespräch.

#Aufschrei macht Sexismus als Form der Herrschaft von Männern über Frauen sichtbar. In Schutzräumen (wie damals bei uns in den evangelischen Kirchengemeinden) können wir ein neues Zusammenleben sicher ausprobieren, dass es geht, haben wir seit den 70ern gezeigt. Aber als gesellschaftliches Thema wird es, davon bin ich überzeugt, nicht durch eine Lämmer- oder Löwinnenfrage gelöst werden. Sondern entweder von Männern durch Verzicht und Achtsamkeit. Oder von Frauen durch Verweigerung und Gegengewalt. Beides finde ich ok. Verzicht und Achtsamkeit für mich allerdings den besseren Weg. Vielleicht, weil ich in den hineingewachsen bin in den 80ern und 90ern. Vielleicht, weil ich erleben durfte, wie ein anderes Zusammenleben sich anfühlt. Vielleicht weil ich keine Lust auf Gewalt habe.

23.12.12

Da sagt die Schröder einmal was richtiges...

und schon ist das Geschrei von allen Seiten groß. Nach dem Interview, das sie der "Zeit" gab zu Gott und der Welt und dem Vorlesen.

Ich bin ja nun wirklich unverdächtig, Kristina Schröder gut zu finden. Aber die Kritik an ihr in diesem Fall reicht von scheinlinken Onlinerinnen bis hin zu reaktionären Unionistinnen. Und das finde ich in beiden Fällen grotesk.

Mal ehrlich: Ich kennen niemanden, die halbwegs regelmäßig Kindern vorliest, die nicht immer wieder Worte abändert - sei es, weil sie nicht verständlich sind heutzutage, sei es, dass man das, was da bezeichnet wird, heute einfach anders bezeichnet. Ich mache das andauernd. ich mache das sogar bei Christine Nöstlinger, die ja nun eher keine rassistischen oder sexistischen Texte schrieb - weil die österreichischen Worte für meine Kinder nicht verständlich sind.

Kann es sein, dass hier ein reiner Beißreflex vorliegt? Oder ein realitätsfreier Pseudopuritanismus in Bezug auf in unseren Familien lebendigen und eben nicht literarisierten Texten? Ich persönlich finde Frau Schröder unmöglich und schwer bis nicht erträglich, ich halte sie für eine krasse Fehlbesetzung in ihrem Amt - aber wenn eine so reaktionäre junge Frau so selbstverständlich mit Texten und mit Gott umgeht und auch so beiläufig darüber redet, dann finde ich das größtartigst.

Denn das heißt, dass die letzten dreißig Jahre Diskussion in der Theologie, in den Kirchen (in Bezug auf Gott) und in feministischen und pädagogischen Diskursen (in Bezug auf beknackte Worte) nicht umsonst waren. Dass sich wirklich etwas geändert hat in diesem Land und bei seinen Menschen. und zwar mehr, als den alten Männern und den intelligenzfernen Postgenderdödeln bewusst oder recht wäre.

Und darum spricht Frau Schröder in dem Interview einfach nur das aus, was viele Menschen nicht nur in meiner Umgebung jeden Tag tun und denken. Sie ist eine ganz normale Frau und eine ganz normale Mutter in dieser Zeit. Verkopft - das ist ja einer der Vorwürfe aus ihrer Partei an sie - sind eher die, die sie jetzt kritisieren. Oder es sind eben Leute, die noch nie Kindern vorgelesen haben oder mit Kindern über Gott sprachen. Ich jedenfalls kann ihr zustimmen.

Zumal in fast allen (evangelischen) Gemeinden, die ich kenne, dauernd von "Gott, der uns Vater und Mutter ist" die Rede ist. Und mehr als eine Pastorin und sehr viele Pastoren sprechen beim Segen:
Gott segne dich und behüte dich, sie lasse das Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig, er erhebe das Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

20.12.12

Zeit für ein Zwischenfazit zum generischen Femininum und sprachlicher Geschlechtergerechtigkeit

Dieses Jahr habe ich mich konsequenter als vorher um meine Sprache gekümmert. Konkreter Anlass war ein Blogpost von Anatol Stefanowitsch im Dezember 2011, der witzigerweise heute früh von zwei geschätzten Leuten in meiner Umgebung unabhängig von einander wieder erwähnt wurde. Und so quasi als Selbstverpflichtung schrieb ich Anfang Januar:
Solange es in meiner Umgebung Leute gibt, die das Märchen vom generischen Maskulinum aufrecht erhalten und weiter erzählen, werde ich wie in den letzten Jahren schon auch weiterhin im Blog und in Aufsätzen und Artikeln ein generisches Femininum verwenden. Punkt.
Zeit für ein Zwischenfazit. Denn immerhin ist es - ich bin ja angestellt in einer alles andere als feministisch geprägten Arbeitsumgebung - ein Experiment.

Vorweg: Die beiden wichtigsten Punkte am Experiment empfinde ich als gelungen. Ich denke bei Tweets beispielsweise fast immer nach, wie ich Oberbegriffe formuliere. Und ich ertappe mich dabei, dass es mehr und mehr in meinen "natürlichen" (also unbewussten) Sprachduktus übergeht, entweder beide grammatischen Geschlechter zu verwenden oder nur das Femininum, mündlich aber wirklich eher beide.

In längeren Texten, beispielsweise in Blogposts, habe ich weniger Schwierigkeiten gesehen, meine Linie  durchzuhalten. Entweder ich verwende Worte, die ohnehin unverfänglich sind, oder das Femininum. Ich setze sogar das grammatische Maskulinum bewusst ein, beispielsweise habe ich immer von "Piraten" geredet und nie von Piratinnen - sozusagen als Insiderinnenwitz. Und ich bin beim Label "idioten" geblieben, aber das ist eine andere Geschichte.

Eine Erfahrung jedenfalls finde ich faszinierend. Ich bin nicht ein einziger Mal von irgendwem auf meinen Umgang mit dem Thema und meine Sprache hierbei angesprochen worden. Weder positiv noch negativ oder zynisch oder irritiert. Ich hatte den Eindruck, dass es entweder von mir erwartet wurde (und hey, die Menschen, mit denen ich zu tun habe, lesen nun wirklich nicht alle mein Blog) - oder es für Menschen in meinem (beruflichen und privaten) Umfeld inzwischen doch schon normal genug ist, eine inklusive Sprache zu hören. Es kann auch sein, dass der Effekt dadurch unterstützt wird, dass ich tendenziell in anderen sensiblen Bereichen nicht so sehr auf diskriminierungsfreie Sprache achte, also insgesamt mich sprachlich nicht so extrem weit vom Alltagsdeutsch meines Umfeldes entfernt habe. Eine "Szene" in der ich mich bewege, ist übrigens auffällig weiter als alle anderen, die ich kenne - und erschreckenderweise um Lichtjahre dem Umgang mit Sprache in meiner Partei (den Grünen) voraus: die evangelische Kirchenszene. Ernsthaft.

Insgesamt habe ich dieses Jahr damit gespielt, wie weit welche Akzeptanz geht. Und mich durchaus auch gestritten und darauf hingewiesen, wenn mir ein angebliches generisches Maskulinum nicht gepasst  hat. Seltener als ich vorher gedacht hätte, wurden mir inklusive Formulierungen aus Texten herausredigiert. Selbst in Präsentationen haben Kolleginnen sie überwiegend stehen lassen.

Lustig fand ich eine Erfahrung, die auch andere machten (beispielsweise der Berliner Abgeordnete Christopher Lauer Oliver Höftinghoff, der in einer Diskussion über Anatol Stefanowitschs Sprach-Vortrag auf einem Piraten-Camp [edit: danke an tant@ sospirati für den Link in den Kommentaren] davon erzählte [edit: bei 1h09m etwa in dem eben verlinkten Video], das Video habe ich gerade nicht wieder gefunden, war aber sehr spannend). Mir wurde mehr als einmal ein generisches Femininum in einem Aufsatz in ein Binnen-I umgewandelt, obwohl ich dieses ganz bewusst und entschieden nicht nutze. Ich habe es schon damals nicht gemocht als es in den 80ern aufkam und in "meinen Szenen" als normal galt. Dass ein generisch gebrauchtes grammatisches Femininum noch immer so verstört, dass es von Redakteurinnen in das (grammatisch eindeutig falsche) Binnen-Majuskel umgewandelt wird, finde ich faszinierend.  Und es zeigt mir, wie weit der Weg ist - denn die gleiche Redakteurin hätte ein generisch gebrauchtes grammatisches Maskulinum ja nicht in eine inklusive Form mit Binnen-Majuskel umgewandelt.

Der einzige Bereich, für den ich noch keine mich befriedigende Lösung gefunden habe, sind Auftragstexte für Kundinnen. Als Dienstleister habe ich meine eigenen Sprachbedürfnisse dort zurück zu stellen - so verstehe ich Dienstleistung zumindest. Hier agiere ich inkonsequent und inkonsistent, vielleicht geht es auch nicht anders.

16.11.12

Von Pubertät und Podien

Ich hatte es zunächst nicht verfolgt, weil November und Dezember in einer Agentur schlechte Monate nicht nur für Konferenzen sondern für alles sind, was nicht direkt mit Kundinnen zu tun hat - denn es ist die Zeit, in der am meisten Konzepte, Projekte, Etats und Neuprojekte kommen. So auch hier, danke, das ist an sich schön.

Und ich war aus mehreren Gründen nicht interessiert an den Social Media Economy Days 2012 vor einiger Zeit in Hamburg. Vor allem, weil mir die Referenten ganz überwiegend nicht zusagten. Von einigen Ausnahmen abgesehen weder von den Themen noch von der Erfahrung/Kompetenz her. Macht ja auch nichts, es spricht ja zunächst weder für noch gegen eine Veranstaltung, dass sie mich nicht lockt.

Auch den Ausruf von Agnieszka von den #DMW dazu, dass es keine Frauen auf den Podien gab, habe ich nur aus dem Augenwinkel gesehen, von den Kolleginnen in meinem Team ein bisschen was dazu gehört, aber nicht weiter verfolgt. Hätte ich aber vielleicht, wenn ich mir nun manche Affendiskussion rund um dieses Thema ansehe, die ich in den letzten Tagen dann doch noch mitbekam.

Der eine oder die andere wird wissen, wie meine Haltung zu diesem Thema sozusagen ganz grundsätzlich ist. Ich habe zu Herrschaftsstrukturen und zu Quoten (da eher im politischen Kontext) und zu Sprache ja immer wieder was gesagt.
Falls jemand mit mir diesen kurzen Artikel hier diskutieren will, bitte ich darum, diese Texte einmal mindestens querzulesen, ok? Würde vielleicht das eine oder andere erleichtern.

Um es klar zu sagen: Ich halte es für eine Veranstaltung für schädlich, wenn sie an einem Format festhält (also vor allem Vorträge, Vorträge, Vorträge, dieses pubertäre Format), das systemimmanent nicht nur überwiegend uninteressant ist sondern auch viele Frauen, die ich kenne und für gute Lehrerinnen und Erzählerinnen halte, ausschließt.

An solchen Tagungen, die zusätzlich auch noch mich selbst langweilen, werde ich nicht mehr teilnehmen. Weder als Sprecher noch als Teilnehmer. Und das, obwohl ich mich sehr gerne reden höre.

Dass es anders geht, zeigen Tage wie die Foren von Kongressmedia (mit all ihren anderen Problemen, ja) oder die Fachtagung Social Media Relations jetzt gerade, die ich kurzfristig absagen musste, weil ein Kind krank war und ich zu Hause gebraucht wurde - was aber nicht soo viel machte, weil meine großartige Kollegin Jette den Workshop auch allein hinbekam. Was niemanden überraschen wird.

Was gar nicht geht, ist das mangelnde Problembewusstsein, das ich aus manchen "Diskussionen" rund um den offenen Brief heraus hörte. Ich bin fest davon überzeugt, dass der diesjährige Höhepunkt an misogyner Konferenzgestaltung wesentlich durch eine Mischung aus antiaufklärerischer Postgender-Haltung ("Frauen haben doch genau die gleichen Chancen, warum melden sie sich nicht mit guten Themen?") und einem veralteten und unattraktiven Tagungsformat (eben Vorträge von Rampensäuen) passieren konnte.

Damit sich etwas ändert, müssen Männer, die immer wieder angefragt werden für die Rampe - und in der zweiten oder dritten Reihe gehöre ich ja auch dazu, dies richtet sich also auch an mich, nicht nur an andere -, meines Erachtens eine Zeit lang etwas von dieser Rampe zurück treten. Nur durch den eigenen Verzicht wird sich etwas ändern. Wer nicht auch verzichtet, kann nicht behaupten, dass alles gut sei - sondern zementiert den status quo ante. So lange es eine faktische Ungleichheit gibt (und bevor ihr über diese Tatsache diskutieren wollt: das haben wir in den 80ern und 90ern ausführlich getan, wer das anders sieht, muss imho unter einem Stein gelebt haben oder bösartig oder intellektuell beschränkt sein, sorry), müssen die bisher durch die Asymmetrie Bevorzugten freiwillig oder unfreiwillig zurück treten, muss es eine Ungleichbehandlung geben.

Ich werde 2013 darum meine Teilnahme an Konferenzen und Tagungen (vor allem und in erster Linie als Beitragender) von diesen drei Punkten abhängig machen und ich fordere Männer, die viel auf Podien stehen, auf, es mir gleich oder ähnlich zu tun:
  1. Wie ist der Anteil der Frauen, die Programmpunkte leiten/gestalten? Ist der kleiner als 35%, werde ich nicht teilnehmen.
  2. Welche partizipativen und erwachsenenpädagogisch zeitgemäßen Formate hat die Tagung, die Konferenz? Keine? Nur Vorträge? Ohne mich.
  3. Ist die (in der Regel ja obligatorische) Diskussionsrunde mit mindestens 40% Frauen besetzt? Dann komme ich gerne.

22.8.12

Tätervolk

Ich kann als Deutscher nicht davon absehen, dass ich in ein Volk hineingeboren wurde, das einen singulären industriellen Massenmord organisiert hat und damit als Kollateralnutzen den "Kleinen Mann" groß machte und pamperte. Ich kann als Autofahrer nicht davon absehen, dass ich eine Waffe nutze, um von A nach B zu kommen, die andere, schwächere Verkehrsteilnehmerinnen allein durch ihre Benutzung gefährdet. Und ich kann als Mann nicht davon absehen, dass mein Geschlecht gewaltsam die Regeln gesetzt hat und weiter setzt und zugleich sehr viele Männer, wenn nicht sogar die meisten, ganz sicher auch ich immer wieder, im Alltag übergriffig sind gegenüber Frauen und Kindern.

Das heißt nicht, dass ich persönliche Schuld für den Holocaust habe, dass ich mit meinem Straßenpanzer Leute umbringe oder dass ich Frauen in Parks vergewaltige. Aber es heißt, dass ich damit leben muss, dass dies der reale Bezugsrahmen ist, in dem ich lebe und handele.

Nun gibt es Geschlechtsgenossen und sogar Frauen, die von einer "umgekehrten Diskriminierung" faseln. Aber das ist selbstverständlich Quatsch. Denn es kann nur Diskriminierung geben, nicht aber ihre Umkehrung. Und um bestehende Herrschaftsverhältnisse zu ändern, muss es ggf. eben eine Diskriminierung von zurzeit Privilegierten geben (siehe die Quotendiskussion). Sozusagen mein Pech. Womit ich leben kann. Und - siehe oben - eben auch muss, weil ich ja von der Realität nicht absehen kann. Aber das nur am Rande.

Nun bin ich selbst ja sozusagen in den Feminismus der 80er hinein aufgewachsen: meine Mutter war sehr aktiv in der feministischen evangelischen Frauenarbeit (so hieß das damals, Frauenarbeit), die zweite Welle feministischer Theologie gehörte zu meiner Lektüre und meinen Studien und meinen Gesprächen und Arbeitsgruppen an der Uni, ich habe eine Frau geheiratet, für die die Themen und Errungenschaften der 80er-Jahre-Feministinnen normal und selbstverständlich waren und sind. Vielleicht stand ich deshalb in der Vergangenheit oft so erstaunt davor, wenn junge Leute all diese Errungenschaften mit einer "hoppla, jetzt komm ich"-Attitüde einfach so über Bord werfen (wollten). Das begann (für mich sichtbar, keine Ahnung, ob es das vorher auch schon gab) mit dieser "Meedchen"-Popkultur in den 90ern (Zöpfchen, Röckchen, Weibchen etc), hat eine mich bestürzende Blüte in der jugendlichen Pornoikonografie getrieben und endet sicher nicht beim Kokettieren mit der Mischung aus Hilflosigkeit und Verführbarkeit und Prüderie (siehe Twilight, Panem etc). Muss ich nicht verstehen, betrifft mich persönlich allerdings auch eher weniger. Mit solchen Frauen (und Männern, die das toll finden oder ausnutzen) will ich zwar nichts zu tun haben, muss ich aber auch nicht, ich kenne genug andere.

Für mich als Führungskraft und als Vater (insbesondere auch als Vater jugendlicher Jungs) stellen sich aber dann doch Fragen. Und Aufgaben. Und ich denke, dass ich als Mann (bin ich nun mal) dabei den Bezugsrahmen Täter habe, wie oben angedeutet. Egal ob es mir gefällt oder nicht - ich kann nicht reden oder handeln, ohne zu bedenken, dass ich in einer historisch, körperlich oder organisatorisch privilegierten Situation bin, die ich aufbrechen oder auflösen muss. Ja, muss - wenn ich nicht der Meinung bin, dass alles super ist, wie es ist - mit all den Übergriffen.

Meine Beziehung zu Frauen, zu Kindern, zu "Untergebenen" ist - außerhalb des intimen Raumes beispielsweise meiner Ehe oder einer ähnlichen langfristig auf Vertrauen aufgebauten intimen Beziehung - immer notwendig eine asymmetrische. Also, materialistisch gesprochen, eine von Herrschaft geprägte, weil ich objektiv Teil der herrschenden Gruppe bin. Egal wie ich das persönlich sehe, ist es objektiv ein asymmetrischer Kontext, so lange wir in einer patriarchalischen Gesellschaft leben, ich erwachsen bin und Chef. Und in einer asymmetrischen Beziehung muss immer der stärkere Teil mehr Verantwortung übernehmen, mindestens auf der Beziehungsebene. Ich muss - immer mit der Gefahr, dass dieses paternalistisch wahrgenommen wird - für den anderen Teil mitdenken, mitfühlen und achtsam mit ihm sein.

Das ist, wenn es ganz praktisch wird, nicht so einfach.

Darum ist mir so wichtig, meinen Jungs zu vermitteln, dass beispielsweise in einer sexuellen Beziehung zu Mädchen nicht nur ein "nein" ein Nein ist - sondern auch das Ausbleiben eines "ja" als Nein zu interpretieren ist. Denn wir sind immer nur einen Schritt von einem Übergriff entfernt. Wenn sie das von einer Pornoikonografie geprägte Verhalten unter Jugendlichen aufbrechen wollen, müssen sie besonders achtsam, besonders explizit sein, die in so einer Kultur Schwächeren (Mädchen) stärken. Das ist aus meiner Sicht ihre Verantwortung, wenn sie keine Arschlöcher sein wollen (was ich einfach mal hoffe).

Darum finde ich beispielsweise Knotentänze von Führungskräften mit Mitarbeiterinnen auf Firmenfeiern so schlimm (und das ist die positivste Formulierung, zu der ich mich schweren Herzens durchringen kann). Wer kokettes Meedchengehabe (siehe oben) bei seinen Mitarbeiterinnen "ausnutzt", verstößt eklatant gegen jede Form von achtsamer Führung, ist sich offenbar der Asymmetrie in der Beziehung nicht bewusst (oder verstößt zumindest gegen jedes "gute Benehmen"). Vielleicht empfindet nicht jede einzelne Frau, mit der sich ein solcher Mann tanzend verknotet, dieses schon als übergriffig. Aber genug tun das. Und andere, die zuschauen, auch. Wenn ich - so ist zumindest auch mein Wunsch an meine Rolle als Führungskraft - organisationale Macht nicht als Beziehungsmacht ausleben und ausnutzen will, werde ich versuchen, die Sachebene von der Beziehungsebene zu trennen (so schwer das ist), werde ich auf der Beziehungsebene besonders achtsam sein müssen. Werde ich also jede Form von Macht auf dieser Ebene nicht nur vermeiden sondern aktiv verändern. Und angesichts der immer noch notwendig asymmetrischen Beziehung für uns beide dafür Verantwortung übernehmen. Weil ich kein Arschloch sein will.

Als Deutscher bin ich besonders - und auch weit mehr als der eine oder die andere angenehm findet - achtsam gegenüber nationaler Aufwallung und Chauvinismus. Als Autofahrer bin ich über das vom Gesetz für alle Verkehrsteilnehmerinnen vorgesehene Maß achtsam gegenüber anderen. Und als Mann versuche ich, die strukturell asymmetrische Beziehung zu Frauen und Kindern aktiv zu verändern - auch wenn ich dazu über das einigen erträgliche Maß hinaus zurückstecken muss, was mir längst nicht immer gelingt.

Und dass ich trotzdem oder vielleicht auch deswegen das Leben genieße, in diesem Land, mit diesen Menschen um mich herum, gerne Auto fahre (sorry to say), viel lache, trinke, tanze - das könnt ihr mir gerne glauben, selbst wenn euch das schwer fallen sollte.

Update 25.1.2013
Endlich kommt durch die Brüderle-Geschichte die Diskussion über dieses Themas breiter in Gang. Dazu habe ich auch was gebloggt und auch vier konkrete Punkte formuliert, was wir als Männer tun können. Hier lang bitte.

5.1.12

Generisches Maskulinum ist auch Kinderkakke (wie Postgender)

Zu Postgender hab ich neulich ja schon mal geschrieben, wieso das Kinderkakke ist. Das immer wieder (und beileibe nicht nur von Männern) behauptete so genannte "generische Maskulinum", also die irrige Vorstellung, Frauen seien "mitgemeint", wenn ein Plural im grammatikalischen Maskulinum gebildet wird, ist ebenso Kinderkakke. Und dazu kommt noch, dass es das nicht mal gibt.

Heute erst bin ich auf einen dazu sehr spannenden und verständlichen Artikel in Anatol Stefanowitschs Sprachlog gestoßen (via Facebook via Katja Husen), der noch einmal einige Studien zusammenfasst, die zeigen, wie sehr im Deutschen die Verwendung eines Genus Einfluss auf das hat, was wir in Wirklichkeit denken und mitdenken (und eben nicht mitmeinen). Vor allem räumt er sehr erhellend mit dem Vorurteil auf, geschlechtergerechte Sprache würde die Verständlichkeit von Texten negativ beeinflussen. Dies tut sie nur gefühlt, nicht aber objektiv - und auch nur bei Männern. Anatol schreibt:
Mit anderen Worten: Geschlechtergerechte Sprache hat keinen negativen Einfluss auf die Verständlichkeit und Lesbarkeit von Texten. Wohl aber hat sie einen Einfluss auf die Einbildung männlicher Leser.
Frauen natürlich ausgenommen | Sprachlog
Und solange es in meiner Umgebung Leute gibt, die das Märchen vom generischen Maskulinum aufrecht erhalten und weiter erzählen, werde ich wie in den letzten Jahren schon auch weiterhin im Blog und in Aufsätzen und Artikeln ein generisches Femininum verwenden. Punkt.

29.10.11

Warum Postgender Kinderkakke ist

Und warum ich weiter für die Quote in ihrer strengen Auslegung bin.

Ich bin in den 80ern aufgewachsen mit einer Mutter, die theoretische Feministin war. Danach habe ich viel über Entfremdung gearbeitet und feministische Theologie studiert. Obwohl ich ein nahezu traditionelles Familienmodell lebe, bin ich bis heute Feminist. Und witzigerweise spricht mich fast nie jemand darauf an, dass ich konsequent die weibliche Form benutze, wenn Frauen und Männer gemeint sind. Und übrigens nie das Majuskel-i.

Und mehr und mehr radikalisiere ich mich wieder. Heute wäre ich von der Landesmitgliederversammlung der Grünen gegangen, wenn sich im Frauenrat die durchgesetzt hätten, die die streng quotierte Redeliste aussetzen wollten.

(Streng quotiert heißt bei uns, dass nur so viele Männer reden dürfen wie Frauen. Dass also Männerbeiträge entfallen, wenn keine Frau sprechen will.)

Das Problem ist: die quotierte Liste funktioniert nicht, weil um den Faktor 5 (meine Schätzung) mehr Männer als Frauen reden wollen. Ich stimme also denen zu, die die Dysfunktion der Quote kritisieren.

Nur ist meine Konsequenz eine andere: Ich denke, wir müssen die Politikrituale überdenken und nicht die Quote. Wenn sich Frauen quasi nicht mehr an ihnen beteiligen, sollten wir sie (die Rituale, nicht die Frauen) abschaffen.

Willkürliche, eratische Redebeiträge vom Podium sind dann vielleicht nicht mehr die Form für zeitgemäße Parteitage. Vielleicht sollten wir Kandidatinnenbefragungen als Speeddating machen, in Kleingruppen und mit rotierenden Kandidatinnen. Vielleicht sollten wir Open Spaces ausprobieren. Oder oder oder.

Aber aus dem mangelnden Interesse von Frauen an unseren Parteireden zu schließen, die Quote aufzuweichen, wird weder den Zielen noch dem aktuellen Problem gerecht.

Und wir mitteilungsbedürftigen Männer können eben nur durch die strikte Quote gezwungen werden, diese Änderungen mit voran zu treiben. Denn sonst hungern uns die Frauen einfach aus. Sozusagen die Logorrhoe-Therapie analog zum Geburtsstreik.

Frauen, lasst euch nicht darauf ein, die Quote aufzuweichen. Wir Jungs brauchen nicht wirklich unsere überkommenden Rituale. Und Inhalte müssen ja nicht per ausgeloster Redeliste vom Podium erklärt werden, mit Worten, die wir vorher bereits online von uns gegeben haben.