In den letzten Wochen sah ich aus dem Augenwinkel immer wieder und mehr als sonst so ein Nölen über „die unsozialen Medien“ allgemein. Und über Twitter im Besonderen. Eigentlich ignoriere ich das ja. Zumal es mir auch nicht leicht fällt, vor allem Twitter zu verteidigen (Facebook ist da egal für mich, da bin ich seit einiger Zeit gar nicht mehr. So mit ganz echt und ganz und gar gelöschtem Account und so). Denn etliches, was auf Twitter seinen Ausgang nimmt, ist grauenvoll.
Aber.
„Mein“ Twitter ist nicht grauenvoll. Sondern ganz im Gegenteil, ganz wundervoll. So wundervoll, dass ich diesen Sommer gar nicht gebloggt habe, weil Gedanken und Inspiration auf und um Twitter passierten. Seit ich vor etwa dreieinhalb Jahren angefangen habe, Dinge und Leute, die mir nicht gut tun, konsequent zu blocken, ist Twitter für mich nach einer kurzen seelisch ungesunden Phase wieder der Heimatraum, der es schon immer war. Da mich viele Dinge interessieren – beispielsweise Kommunikation, Religion, Politik, Islandpferde, Kunst –, ist „mein“ Twitter sehr divers und das Gegenteil einer sich selbst immer wieder bestätigenden homogenen Gruppe. Ich ziehe sehr viele Hinweise auf andere und überraschende und (für mich) ärgerliche Texte und Gedanken aus Twitter. Und sehr viel Inspiration tatsächlich.
Das, was „mein“ Twitter auszeichnet, ist, bei aller Verschiedenheit der Menschen, denen ich folge, eine gemeinsame überwiegende Haltung hermeneutischen Wohlwollens. Und dem, was im englischen Sprachraum „decency“ genannt wird. Eine Art intellektuelle Redlichkeit. Ich habe in den letzten Jahren gemerkt, dass ich gut fahre, wenn das mein Filter ist (von ein paar unterhaltsamen Ausnahmen abgesehen).
Ich entfolge konsequent die, die mich nerven. Oder runterziehen. Und ich folge neu Menschen, die mir über den Weg gespült werden. Ich habe das seit Jahren so gemacht und halte ebenso seit Jahren die Zahl stabil zwischen 500 und 600. Ich lese nicht nachträglich, sondern nur aktuell. Verpasse viel. Und bekomme irre viel mit.
Wer mich gut kennt, weiß, wie sie mich per Direktnachricht erreichen kann. Wer mir folgt, wird immer wieder enttäuscht, weil ich kein inhaltliches Konzept habe. Aber ich beantworte Fragen, wenn ich welchen begegne. Und ich frage, wenn ich etwas wissen will. Und das irre tolle ist, dass ich fast immer Antworten bekomme. Von Menschen, die ich kenne, und von anderen. Wie gerade dieses Wochenende rund um Schnelladestationen für Elektroautos. Echt.
In meinem Heimatraum mache ich „Living Out Loud“, die persönliche Variante von Working Out Loud. Und das ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Weshalb ich diesen Heimat- und Lebensraum aktiv schütze.
Sagte ich schon, dass ich Twitter liebe?