7.6.23

Brot und Liebe

Was ja mega ist: Wir haben bei uns eine Bäckerei, die dänisches Weißbrot backt und verkauft. Immer ein um den anderen Tag. Ich weiß nicht wirklich, wieso dänisches Weißbrot so anders und so besonders ist, aber es ist anders und besonders. Weich, mit einem anderen Geschmack und einem anderen Geruch.

Brot ist ja ohnehin etwas, das regional super unterschiedlich und total interessant ist, finde ich. Für mich ist dieses dänische Weißbrot aber mehr. Es ist für mich das Gefühl von Urlaub. Denn zu Hause, in meiner Ursprungsfamilie, gab es quasi nur Schwarzbrot und Vollkornbrot, weil meine Mutter unsere Ernährung ja Anfang der 70er Jahre auf Vollwertkost umgestellt hat.

Das war lange, bevor es überall Bio und Naturkostläden gab, bevor die Reformhäuser diesen Trend mitmachten. Aber das ist noch mal eine andere Geschichte.

Ein- bis zweimal im Jahr sind wir aber für eine Woche oder so nach Dänemark gefahren. Und damals(tm) gab es dort in den Bäckereien an Brötchen nur die dänischen Brötchen, diese fluffigen, gerollten, die ich auch bis heute gerne esse (und die lustigerweise hier bei uns eine andere Bäckerei im Programm hat als die mit dem dänischen Weißbrot, aber auch das ist noch mal eine andere Geschichte, wie überhaupt diese Bäckerei). Und eben Fransbrød, das dänische Weißbrot. Dazu den Dansk Honning. Oder die Gammeldags Marmelade. Das war und ist bis heute mein Urlaubs-Frühstück.

Und darum macht mich ein Frühstück mit dänischem Weißbrot bis heute glücklich, glaube ich. Nein, ich kaufe nicht jeden zweiten Tag dieses Brot. Aber dass ich es könnte, ist allein schon wunderbar. Manchmal muss es dann sein, dafür setze ich mich gerne aufs Rad und fahre in die Kleinstadt. Und freue mich den ganzen Abend und die ganze Nacht auf das Frühstück am nächsten Morgen. Mit etwas Zeit. Daumendicke Scheiben, gesalzene Butter, Honig und selbstgekochte Marmelade. Und Kaffee. 



Ein Tag, der so beginnt, ist ein guter Tag.

6.6.23

Kotzen

Tatsächlich bin ich sehr traurig und sehr wütend. Meine Reaktion auf die Ohnmacht, die dieses Video auslöst, zumindest bei mir.

Und bitte: Seht dieses Video nur, wenn ihr sicher seid, es ertragen zu können. Weil von Vergewaltigung die Rede ist und davon, wie Menschen unter Drogen gesetzt werden, manipuliert (Social Engineering) werden, misshandelt werden. 

Was für ein Mut dazu gehört, diese gute halbe Stunden aufzunehmen und online zu stellen, kann ich nicht mal wirklich erahnen. Aber weil ich weiß, dass nur die größtmögliche Öffentlichkeit diese Frau schützt, dass jede Person, die das Video sieht, hilft, dass Kayla Shyx nichts passiert (oder nicht noch mehr passiert), finde ich es wichtig, dass ihr es seht, wenn ihr könnt.

Teil dessen, was mich so wütend macht, ist, dass ich in Familie und Umfeld so viele Menschen kenne, die diese Band toll finden und an ihrem Blut- und Stahl-Rock (oder wie auch immer du so was nennen willst) weder etwas rechtes noch etwas anderswie schlimmes sehen können. Ja, ich war wahrscheinlich die gesamte Woche über bereit, den Frauen zu glauben, die von ihren "Erlebnissen" erzählen, weil ich auch die Musik und die Ästhetik so ekelhaft finde. Aber inzwischen ist es keine Geschmacksache mehr.

Und noch ein nur slightly related Detail: Ich hoffe sehr, dass eine meiner Regionalzeitungen, der Ostholsteiner Anzeiger, Teil des Schleswig-Holsteiner Zeitungsverlags, sich sehr, sehr, sehr schämt, dass sie gestern (!!!) diesen ekelhaften, den Täter verteidigenden, ganzseitigen Artikel aus der NZZ nachgedruckt hat. Mitsamt dem Verbrechen schönredenden Titel "Rammsteins Auserwählte". Ihr seid so ekelhaft. Von der NZZ hätte ich nichts anderes erwartet, denn die müssen Rammstein an sich ja gut finden, aus politischen Gründen. Aber dass ihr es nachdruckt, ist wirklich unterirdisch. Ich hoffe sehr, dass die Menschen, die ich dort in der Redaktion schätze, etwas dazu sagen werden...

5.6.23

Ausflug

Und dann hatte eine unserer Einstellerinnen die Idee, am Sonntag einen gemeinsamen Ausritt zu machen. Also sind wir mit sieben Pferden und Reiter*innen losgezogen zu einem Hofausflug. Gemeinsam durchs Dorf, durch die Felder und um Moor und Mühle herum. 

Schön war es und hat Spaß gemacht. Inklusive einem Spiel und unserer schönsten Aussicht vom Hügel über die Weiten unseres Teils von Ostholstein. Hach.

Wir haben ja nicht viele Einstellerinnen am Hof, weil wir mit Heidhörn vor allem auf die Aufzucht von Jungpferden spezialisiert sind und unsere meisten Einsteller*innen Jung- und Zuchtpferde bei uns haben und einige wenige Oldies, die sich in diesen Herden aus Jungtieren super gut machen. Aber einmal mit diesen wenigen was zusammen zu machen (und nicht nur die gemeinschaftlichen Arbeiten, die immer mal anstehen), war eine tolle Idee. Machen wir mal wieder.  

2.6.23

Zug

Gedanken sortieren, Gedanken schweifen lassen, etwas langsamer erreichbar sein, jede Menge White Noise um mich herum. Es gibt ja Menschen, die Zugfahren nicht mögen. Zu denen gehöre ich nicht. Mein Zugoffice ist mir sehr angenehm. Im Grunde wie ein Coworking-Space, nur eben wie früher auf dem Land, also mit eindeutig zu wenig Internet.

WLAN ist sowohl in den Regionalzügen als auch im Fernverkehr deutlich besser geworden. Selbst auf der notorisch unterversorgten Strecke nach Berlin. Es reicht nicht für Streaming oder Videokonferenzen, aber für das Arbeiten in der Cloud und für Mail reicht es (mir). Und so nutze ich Bahnfahrten für längere Texte, für genaueres Überlegen, für assoziatives Denken.

Und ein Vorteil am Bahnfahren ist ohnehin nicht zu unterschätzen: es führt dazu, Menschen zu sehen und das gemeinsame "Körpergedächtnis" aufzufüllen, denn ich fahre ja nicht einfach nur aus Spaß mit der Bahn sondern zurzeit nur mit einem Ziel. Denen sich bin ich sehr gerne auf dem Land. Gerade jetzt mit den Fohlen.

Grundsätzlich kann ich das Gejammer über virtuelles Zusammenarbeiten nicht verstehen. 80% meiner Arbeit ist ja Kreativarbeit – und vielleicht liegt es an mir und daran, wie ich virtuell mit anderen arbeite, aber sehr oft ist das gemeinsame kreative Arbeiten an Dokumenten (wie früher beim Arbeiten an Postern, beschreibbaren Wänden, Ausdrucken) viel besser und kreativer und überraschender als es früher war. Zumindest wenn ab und zu (aber nein, nicht jede Woche) auch ein gemeinsames Erlebnis in einem Raum dazukommt. Weil es zumindest mir wichtig ist, zu Stimmen und Bildern auch Körper der Menschen zu erinnern, mit denen ich zusammen denke und ausdenke.

Und hin und wieder bin ich gerne in Städten. Sogar in Frankfurt oder Berlin. Auch wenn es da nicht so süße Fohlen gibt, sagte ich das schon?



31.5.23

Gerste

Jetzt ist ein bisschen Ruhe vor dem Sturm. Die ersten Silageschnitte sind drin, das erste Pferdeheu ebenfalls. Der Raps ist verblüht, die Ackerbohnen und selbst der Mais machen die letzten Flächen langsam grün. Und das Wintergetreide dominiert das Bild. 

In dieser Zeit, im Übergang von Frühling und Frühsommer, liebe ich vor allem die Gerstenfelder. Bei der Fahrt übers Land kann ich mich daran kaum sattsehen. Da liegen sie mit ihrem weichen Pelz, der sich im Wind leicht bewegt und die Fläche fast glitzern lässt. Noch ist alles in einem frischen hellen Grün, fast sinnlich, vor allem, wenn ich aus einem Stück Buchenwald komme, diesem warmen, lichten, halbschattigen Ort der Kühle, dann in die flirrende offene Landschaft, wo es wogt und changiert. 

Das Herz will fast zerspringen vor Freude über das Leben. Für einen Moment ist alles vergessen, was Ärger macht oder traurig, wo Arbeit wartet und der Rücken schmerzt. 

Jedes Jahr am Anfang, wenn der Raps in voller Blüte steht, denke ich, es kann nicht mehr schöner werden. Und dann kommt diese Zeit mit der Gerste. 

Hach. 

29.5.23

Sport

Diese Saison bin ich nicht als Turniertrottel unterwegs. Oder Groom, wie es im offiziellen Turniersprech heißt. Quarta macht Abitur, da passen die aufwändigen Campingwochenenden mit Pferd nicht so gut rein. Dafür haben wir gestern den Tag genutzt, um zu dem großen Spitzensport in Norddeutschland zu fahren, auf den Kronshof direkt südlich der Elbe. 

Dieses Turnier ist immer etwas Besonderes. Nicht nur, weil tatsächlich internationale Weltklasse-Reiter*innen und -Pferde am Start sind, sondern weil es zugleich auch ein riesiges Breitensportfestival ist im Grunde. Wir normalen Familien zelten neben den Teams der großen Höfe, auf den zwei Ovalbahnen gibt es Prüfungen jeder Klasse, rund 600 Paarungen starten und super viele unserer Freund*innen sind da. Dieses Jahr wie gesagt auch wir nur als Zuschauer*innen. 

Und weil es das einzige Turnier außerhalb der Weltmeisterschaft und außerhalb Dänemarks ist, an dem auch viele Reiter*innen aus Schweden und eben Dänemark teilnehmen hier bei uns in der Nähe, ist es toll, viele von denen reiten zu sehen, die wir seit Jahren, oft seit sie Jugendliche waren, beispielsweise auf dem großen Indoor-Festival in Herning gesehen haben, zu dem wir gerne fahren. Das macht Spaß. Und hebt das Niveau des Sports in der Breite. 

Ein wunderbarer Tag in der Sonne war das. Und die Tribünen an den Bahnen sind ganz original isländisch: ein Wall aus dem Aushub des Bahnbaus. Wo wir auf dem Boden oder mit unseren mitgebrachten Campingstühlen sitzen. Familiär eben. Und für Pferdesport eher rustikal. Wie wir ja auch.



26.5.23

Gewaltlosigkeit ist Gewalt

Bei all den überaus absurden rhetorischen Verrenkungen der letzten Wochen, in denen die Gesetzesbrecher*innen innerhalb der Regierung und von der parlamentarischen Opposition, all diese Radikalen, die wider jedes Wissen sagen, dass wir mit dem Umbau, der Wärmewende, der Dekarbonisierung noch Zeit haben, in denen diese also behaupten, gewaltfreier Widerstand sei Gewalt und Opposition sei organisiertes Verbrechen, musste ich öfter an die radikalen Äußerungen der CSU-, CDU-, vieler SPD- und FDP-Leute während der Auseinandersetzungen in den 80ern um Pershings, Startbahn West, Brokdorf, Kalkar und Wackersdorf denken.

Die Irren unserer Zeit stehen dabei ja wirklich in der Tradition von Friedrich Zimmermann, der mir auch das Vorbild von Olaf Scholz zu sein schien, als der Innensenator in Hamburg war. Zu Zimmermann hat Heinz Rudolf Kunze damals ja ein tolles Lied geschrieben. Aus Mastodon fischte ich dann gestern den Hinweis auf einen anderen intensiven Text von ihm. Damals war er einfach ein wirklich guter Texter. 1984 schrieb und performte er seine Variationen über einen Satz des Bundesinnenministers aus dem Monat Juli des Jahres 1983. Und dem ist auch heute nichts hinzuzufügen.

Mutloses Abwinken
ist Mut
Tatenloses Zusehen
ist Tat
Rechtloser Zustand
ist Recht
Hoffnungslose Anpassung
ist Hoffnung
Rettungslose Verzweiflung
ist Rettung
Skrupelloser Zynismus
ist Skrupel
Schonungslose Ausrottung
ist Schonung
Erbarmungsloses Dreinschlagen
ist Erbarmen
Gnadenlose Zukunftsvernichtung
ist Gnade
So hätten sie's gern
gewaltloser Widerstand
ist Gewalt
widerstandslose Gewalt aber
Ist nur Widerstand
gegen die Gewalt der Gewaltlosen

Und ein ärmelloses Hemd
ist ein Norwegerpullover
Und George Orwell
ist Walt Disney


25.5.23

Glück

Wenn du nach drei Tagen Bahnfahren, Workshops und Kreativarbeit zurück aufs Land kommst – und drei Fohlen auf der Weide spielen. Und du dich auf die Bank setzt, die du da aufgestellt hast, das Gesicht in die Abendsonne hältst, die Füße baumeln lässt. Wenn dann die Fohlen erschöpft ausruhen und ihre Mütter entspannt grasen. Wenn drüben im Haus die Sauna aufheizt und die Hunde unter der Bank liegen. 

Dann denke ich wieder, wie gut die Entscheidung war, aufs Land zu gehen. Wie es mich immer wieder in schnellster Zeit auftankt und besser macht. Wie sehr sich die knappe Stunde lohnt, die sich eine Fahrt seitdem verlängert. 

Dann merke ich, was für Glück ich habe. 

24.5.23

Orban gefällt das

Vor allem in frühen Phasen ist ein Terrorregime schwer zu erkennen. Aber zu den untrüglichen Signalen gehört wohl, dass es seine Gegner*innen als Terroristen bezeichnet. Dann sollten wir hellhörig werden. Ein weiteres untrügliches Zeichen ist eine geduldete, schleichende Aushöhlung der Gewaltenteilung, so wenn die Exekutive agiert, als wenn beispielsweise eine Verhaftung bereits ein Schuldspruch sei. Oder wenn Regierungsmitglieder von ihren Gegner*innen sprechen, als wären sie verurteilte Straftäter*innen. Wenn sie den Versuch unternehmen, Gerichten Entscheidungen zu diktieren. 

Am Ende der frühen Phase eines Terrorregimes wird es dann deutlicher. Regierungsmitglieder schlagen dem Parlament nicht mehr vor, Gesetze zu ändern, sondern ignorieren sie einfach. Der Übergang in die Zustimmungsdiktatur wird dann davon begleitet, Entscheidungen mit Umfrageergebnissen zu begründen. Dann ist Widerstand nicht nur legitim sondern geboten. Dann ist das Terrorregime etabliert. 

Oder, wie Orban sagen würde: eine illiberale Demokratie. 

21.5.23

Die Deutsche Religion

Die deutscheste aller Religionen ist ja wohl der Spargelkult. Ich bin ein Anhänger dieses Glaubens. Aber nach Jahren einer geradezu zelotischen Richtung bin ich in die etwas lockerere, synkretistische Denomination gewechselt.

Und so haben wir eine Vielzahl großartiger Gerichte entdeckt. Aktuell mein liebstes gab es gestern. 

Für diese Quiche nehmen wir einen Blätterteig, der auf ein mit Olivenöl gefettetes Email-Blech gelegt wird und vorgebacken. Danach sehr reichlich ein Orval Trappist, den besten butterkäseartigen Käse, den ich kenne. Und darauf grünen Spargel, den ich vorher sechs Minuten im Dampfgarer hatte. Etwas Olivenöl, etwas Læsø-Salz, etwas Pfeffer, fertig. Gut 10min fertigbacken. 

Die bei uns, die Fleisch essen, dekorieren die Quiche noch mit etwas gekochtem Schinken, aber das muss nicht. Dass es aber so flexibel ist, macht es uns leichter.