29.6.23

Die Wette

Es ist jedes Jahr eine Mischung aus Wette, Hoffnung und Vabanquespiel. Die Frage, wie wir das mit dem Winterfutter organisieren. Und wann. Letztes Jahr haben wir erstmals entschlossen, auf keinen Fall selbst welches von unseren Wiesen zu machen, weil es sich auch wirtschaftlich kaum lohnt, wenn überhaupt – und hatten dann so viel Gras, dass wir mähen und Heulage machen mussten, weil die Pferde nicht gegenankamen. Denn das sehr hohe Gras fressen sie schlecht, weshalb ja viele Leute ihre Pferde vor allem auf gemähten Koppeln stehen haben, vor allem allerdings solche, die ihre Pferde nicht artgerecht, also in Boxenhaltung mit Weidegang stehen haben. Islandpferde sind da etwas einfacher, die fressen auch Pappe, wenn es sein muss.

28.6.23

Der Feind

Wenn CDU-Chef Franz von Merz* die Grünen als Hauptgegner ausmacht, kann er das haben. Denn dann wissen Grüne immerhin, auf wen sie nicht werden zählen können, wenn in Sachsen oder Mecklenburg ihre Wahlkämpfer*innen zusammengeschlagen oder von Dorffesten ausgesperrt oder im Supermarkt an der Fleischtheke ignoriert werden. Wie es überall da passiert, wo die Nazis sehr präsent sind und die Menschen, die Nazis wählen, völlig indifferent zu Gewalt und Terror stehen. Wo Jungs mit langen Haaren in der Grundschule auf dem Boden getreten und von Lehrer*innen für ihre Frisur kritisiert werden, weshalb ihre Eltern sie auf evangelische Privatschulen schicken. Wo Menschen mit bunten Haaren und zerrissenen Lederjacken sich nicht unbewaffnet hintrauen.

27.6.23

Risse

Es ist irgendwie schade, dass die beste aller aktuellen Landesregierungen so Risse bekommt gerade. Ich meine natürlich unsere hier in Schläfrig-Holstein. 

Zum einen sind, ich sagte es neulich, unsere lokalen Grünen sehr klar in ihrer Haltung zu Demokratie und Menschenrechten. Zum anderen wird die CDU nach dem erstaunlich schlechten Abschneiden bei der Kommunalwahl sichtbar nervös. Die Reaktionen beider Parteien auf die groteske Episode mit dem NDR und Karin Prien waren ebenfalls von rissiger Erregtheit geprägt. 

25.6.23

Kindheitssommer

Als ich heute früh durch das trockene, noch halbwegs hohe Gras ging, rüber auf die Weiden, auf denen die Zucht- und Aufzuchtherden stehen, nervten mich einige Fliegen sehr heftig. Die um meinen Kopf schwirrten, immer wieder in Sturzflügen auf meinen schon um halb acht verschwitzten Nacken sausten, an den Ohren haarscharf vorbei. 


21.6.23

Scham

Ich wollte darüber schon lange schreiben. Vor allem, weil mir einfach nicht in den Kopf will, wie Konservative seit Jahren immer wieder den gleichen Fehler machen, also den strategischen Fehler. Konservative hier im weiteren Sinne, aber dazu gleich mehr. Jedenfalls sind die begeisterten Reaktionen und die Tontaubheit von führenden CDU-Leuten nach dem grotesken Auftritt von Claudia Pechstein auf dem CDU-Konvent, oder wie der heißt, jetzt der Anlass. Denn dass Merz ("brillant") und Co nicht mal merken, was sie da tun, wenn sie reaktionäre, alltagsrassistische Bemerkungen bejubeln, halte ich auf der einen Seite für wenig überraschend. Auf der anderen Seite für ein Problem. Beides hat allerdings mit meinen Erfahrungen in einer Vorort-SPD in Hamburg in den Achtzigern zu tun.

20.6.23

Realität

Manchmal frage ich mich, ob ich der einzige bin, der manchmal denkt, wenn er Nachrichten aus der US-Politik hört, dass es um President Dalton geht. Wobei mit der inzwischen sechsten Staffel langsam die Trauerphase einsetzt, darüber, dass es fast vorbei ist.

Jedenfalls ist Madame Secretary für mich ein ziemlich immersives Erlebnis. Das geht mit nicht immer so mit intensiven Geschichten, aber doch immer wieder. Es ist irgendwie so haarscharf an der Realität, wie es sich ein Mensch, der sich für Politik doll interessiert, vorstellen kann. Und als jemand mit erwachsen werdenden Kindern, der dazu noch Theologe ist, habe ich so viele weitere Anknüpfungspunkte. Vielleicht liebe ich es darum so. 

Nur, dass ich ein bisschen aufpassen muss, es nicht mit der echten Realität zu verwechseln. 

13.6.23

Kein Regen

Letztes Jahr waren wir wetterbegünstigt hier bei uns in Ostholstein. Wir beispielsweise hatten Heu und Gras ohne Ende, viele unserer Landwirt*innen gute Ernten. Das war weiß Gott nicht überall so. Es gab Gegenden, in denen das Getreide vor der Ernte zu Staub zerfiel. Und wo die Pferdeleute kein Heu hatten. 

Dieses Jahr sind wir schlecht dran. Nachdem das Frühjahr zumindest für uns Weidewirt*innen gut anlief und wir ordentlich Gras hatten, hörte der Regen auf. Die direkte Folge des Klimawandels bei uns ist ja nicht etwa in erster Linie ein Temperaturanstieg – sondern die Stabilität der Wetterlagen. Und das ist ein Problem. Entweder haben wir wochenlang zu viel Wasser, oder wie zurzeit wochenlang keines. Entstehen vor allem im Regenwinter große Seen auf den Weiden, die ihnen zu schaffen machen. Und im Sommer Wüsten. 

12.6.23

Nicht aufgeben

Ist der grauenhafte europäische Beschluss, das Asylrecht abzuschaffen, das 1992 der Grünen? Das habe ich mich die letzten Tage immer wieder gefragt. 1992 war, als die SPD vor den Rechten eingeknickt ist und das deutsche Asylrecht abzuschaffen zustimmte. Danach trat ich aus der Partei aus. Es war meine rote Linie. Das Thema ist es bis heute, es ist eine der mir wichtigsten ethischen Gewissensfragen. 

Was ist dieses Mal anders, dass ich nicht austrete? Vor allem, was ich aus meiner Partei, den Grünen, dazu höre. Schon vor dem Beschluss gab es sichtbaren Protest, unter anderem getragen von der Hamburger Senatorin Anna Gallina, mit der ich schon viele gute Dinge zusammen gemacht hab. Und nach dem unsäglichen Beschluss der Innenminister*innen der EU bin ich dankbar für viele laute Wortmeldungen. 

11.6.23

Herzensort

Als Anne und Ulli vor 50 Jahren den Traum umgesetzt haben, den so viele in der Generation meiner Eltern hatten, haben sie den schönsten Ort geschaffen, den ich kenne. Meinen Herzensort. Und dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Viele wunderschöne Wochenenden habe ich dort erlebt. Und drei meiner vier Kinder zig Wochen Reitferien. 

Der ganze Ort atmet bis heute das, was an den 70ern toll war. Etwas Improvisation, viel Handgemachtes, etwas Anarchie. Und parallel zur Robustpferdehaltung, wie sie bei den Islandpferden üblich ist, auch Robustkinderhaltung. Weil der Ort ein Ort ist, der sich treu geblieben ist, ist er immer auch ein Hauch meiner 70er-Jahre-Kindheit. Irgendwie zeitlos. 

7.6.23

Brot und Liebe

Was ja mega ist: Wir haben bei uns eine Bäckerei, die dänisches Weißbrot backt und verkauft. Immer ein um den anderen Tag. Ich weiß nicht wirklich, wieso dänisches Weißbrot so anders und so besonders ist, aber es ist anders und besonders. Weich, mit einem anderen Geschmack und einem anderen Geruch.

Brot ist ja ohnehin etwas, das regional super unterschiedlich und total interessant ist, finde ich. Für mich ist dieses dänische Weißbrot aber mehr. Es ist für mich das Gefühl von Urlaub. Denn zu Hause, in meiner Ursprungsfamilie, gab es quasi nur Schwarzbrot und Vollkornbrot, weil meine Mutter unsere Ernährung ja Anfang der 70er Jahre auf Vollwertkost umgestellt hat.

Das war lange, bevor es überall Bio und Naturkostläden gab, bevor die Reformhäuser diesen Trend mitmachten. Aber das ist noch mal eine andere Geschichte.

6.6.23

Kotzen

Tatsächlich bin ich sehr traurig und sehr wütend. Meine Reaktion auf die Ohnmacht, die dieses Video auslöst, zumindest bei mir.

Und bitte: Seht dieses Video nur, wenn ihr sicher seid, es ertragen zu können. Weil von Vergewaltigung die Rede ist und davon, wie Menschen unter Drogen gesetzt werden, manipuliert (Social Engineering) werden, misshandelt werden. 

5.6.23

Ausflug

Und dann hatte eine unserer Einstellerinnen die Idee, am Sonntag einen gemeinsamen Ausritt zu machen. Also sind wir mit sieben Pferden und Reiter*innen losgezogen zu einem Hofausflug. Gemeinsam durchs Dorf, durch die Felder und um Moor und Mühle herum. 

Schön war es und hat Spaß gemacht. Inklusive einem Spiel und unserer schönsten Aussicht vom Hügel über die Weiten unseres Teils von Ostholstein. Hach.

Wir haben ja nicht viele Einstellerinnen am Hof, weil wir mit Heidhörn vor allem auf die Aufzucht von Jungpferden spezialisiert sind und unsere meisten Einsteller*innen Jung- und Zuchtpferde bei uns haben und einige wenige Oldies, die sich in diesen Herden aus Jungtieren super gut machen. Aber einmal mit diesen wenigen was zusammen zu machen (und nicht nur die gemeinschaftlichen Arbeiten, die immer mal anstehen), war eine tolle Idee. Machen wir mal wieder.  

2.6.23

Zug

Gedanken sortieren, Gedanken schweifen lassen, etwas langsamer erreichbar sein, jede Menge White Noise um mich herum. Es gibt ja Menschen, die Zugfahren nicht mögen. Zu denen gehöre ich nicht. Mein Zugoffice ist mir sehr angenehm. Im Grunde wie ein Coworking-Space, nur eben wie früher auf dem Land, also mit eindeutig zu wenig Internet.

WLAN ist sowohl in den Regionalzügen als auch im Fernverkehr deutlich besser geworden. Selbst auf der notorisch unterversorgten Strecke nach Berlin. Es reicht nicht für Streaming oder Videokonferenzen, aber für das Arbeiten in der Cloud und für Mail reicht es (mir). Und so nutze ich Bahnfahrten für längere Texte, für genaueres Überlegen, für assoziatives Denken.