14.4.21

Was für ein Ausblick!

Stell dir mal vor, du bist in einer Partei, in der Olaf Scholz als einzige kanzleramtstaugliche Option gilt. Oder in einer, die die Wahl hat zwischen einem hemmungslosen Populisten und einem netten Tor, der von einem religiös/theologisch rechtsradikalen Katholiken gesteuert wird. Das ist kein Spaß, glaube ich.

Daran musste ich in den letzten Tagen oft denken, wenn ich deren Situation mit der in meiner Partei verglich. Ok, ich bin ein winziges bisschen voreingenommen – aber tatsächlich bin ich extrem dankbar, dass meine beiden Bundesvorsitzenden einen gemeinsamen Vorschlag machen werden, wer von ihnen Kanzlerkandidat:in werden soll. Und dass ich mich dazu nicht entscheiden muss. Denn ich freue mich auf einen Wahlkampf, egal wer von den beiden es wird. Ich kann mir beide super gut vorstellen. Wie toll ist bitte, dass wir Grünen zwei Spitzenleute haben, die gut für das Amt wären? Und damit mehr geeignete Leute als alle anderen Parteien zusammen?

Und sie sind ja sehr unterschiedlich.

Baerbock

Für Baerbock spricht ja gerade, dass sie noch nie regiert hat - und zugleich, wie sie sich innerhalb kürzester Zeit ganz nach vorne durchgesetzt hat. Gerade angesichts des Totalversagens von Regierenden in Ländern und Bund ist „keine Regierungserfahrung“ gerade jetzt fast schon eine Adelung. Und: Sie ist klar, schlau und durchsetzungsstark, hat kleine Kinder. Wäre also eine aufregend neue Kandidatin und Kanzlerin. Sie wäre der Kontrapunkt zu einer erschlafften Koalition, gerade auch zu Scholz, den hölzernen.

Habeck

Und Habeck finde ich schon seit vielen Jahren sehr aufregend. Seit Engholm hat mich kein Spitzenpolitiker mehr so sehr intellektuell und habituell angesprochen und angeregt. Gerade in der jetzigen Situation finde ich die Vorstellung eines Philosophen im Kanzleramt inspirierend. Zumal sein letztes Buch wirklich toll war, sehr viel besser, als ich es erwartet hätte. Das Wahlprogramm atmet, vor allen in den Randkapiteln, seine Sprache, was ich toll finde. Und sein Konzept der Bündnispartei, das ich schon länger propagiere als er selbst, überzeugt – gerade im Vergleich zum absurden Schauspiel, das die Union gerade abliefert, gerade auch im Gegensatz zum Mackertum eines Söders.

Ausblick

Dass ich mir aus vielen Gründen Baerbock als Kanzlerin und als Kandidatin wünsche, sage ich ja sehr oft in letzter Zeit. Genau so oft, wie ich in den letzten Jahren das gleiche über Habeck gesagt habe. Beide wären super, denke ich. Was für ein Luxus!

Beide haben die Bündnisfähigkeit und die Mehrheitsfähigkeit der Grünen in den letzten Jahren gemeinsam geprägt und hergestellt. Wie sehr die Ideen einer Partei, die für ein politisches Lebensgefühl steht, die Politik als Prozess versteht, die Bündnisse sucht und identitätspolitische Koalitionen – wie sehr alle diese Ideen, die viele von uns seit zehn Jahren in Analysen und Strategiepapieren aufgeschrieben haben (auch ich, auch hier im Blog seit 2010 in etwa), inzwischen die politische Realität der Grünen prägen, ist auch und gerade das Verdienst der beiden. Weil sie gerade in ihrer Gegensätzlichkeit und mit ihren unterschiedlichen, auch kommunikativ unterschiedlichen Ansätzen erst im Zusammenspiel diese Kraft entfalten konnten.

Der Luxus, den wir als Partei und auch als Land haben, ist, dass es in dieser Situation fast egal ist, wer von beiden die nächsten Jahre die Regierung anführt.  Und darum auch erstmal den Wahlkampf. Weil etwas in Bewegung geraten ist. 

Für jede von ihnen spricht einiges. Ich bin super gespannt, wie es gelingt, dieses auszutarieren. Und welche Wette auf die Zukunft wir machen. Sagte ich schon, dass ich mich (trotz, vielleicht auch wegen all der Scheiße, in der wir gerade stecken) auf den Wahlkampf freue?