Posts mit dem Label zeit werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label zeit werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

21.8.14

Wie die Zeit vergeht

2010 waren wir auf Læsø. Damals mit allen vier Kindern. Und auf Højsande, dem höchsten Punkt der Insel, steht ein Baumstumpfdingens, das eine magische Anziehung auf Jugendliche hat.

Primus 2010 auf Højsande
Secundus 2010 auf Højsande

2014 waren wir wieder auf Læsø. Diesmal mit zwei Kindern. Und auf Højsande, dem höchsten Punkt der Insel, steht immer noch ein Baumstumpfdingens, das eine magische Anziehung auf Jugendliche hat.

Quarta 2014 auf Højsande
Tertius 2014 auf Højsande

Und 2008 waren wir ja übrigens auch auf Læsø. Ihr erkennt das Muster. Da hatte Tertius Gott entdeckt im Museumshof. 2014 hat er ihn wieder gesucht.

Tertius entdeckt Gott 2008
Tertius entdeckt Gott 2014


31.1.14

Geht alles doch

Dass sich Kinder und Karriere nicht vereinbaren lassen, ist eine Lüge. EINE ERWIDERUNG AUF MARC BROST UND HEINRICH WEFING
Der einzige Vorteil des Artikels ist, dass er zum Nachdenken anregte, nachdem ich mich wieder abgeregt hatte. Warum eigentlich immer in der "Zeit", die ich doch so sehr schätze? Schätze, weil sie Themen mit etwas mehr Ruhe angeht und einen eigenen Ton anschlägt. Und dann kommen die Heulsusen der nächsten Generation dauernd zu Wort mit ihrem Schmerzenesmännergesülze. Oder die Heulsusen meiner Generation. Wie gerade. Marc Brost und Heinrich Wefing. Namen, die ich oft höre, denn ich habe ein Abo des Audiomagazins der "Zeit", das ich auf dem Weg ins Büro höre. Und hier sind sie nun und schwadronieren darüber, dass es eine Lüge sei, dass sich Kinder und Karriere für Männer vereinbaren ließen.

Ganz ehrlich? Auch ich bin oft erschöpft. Und ich sitze immer wieder da und bin darüber verzweifelt, dass ich meinen eigenen Ansprüchen in beiden Hauptrollen meines Lebens nicht gerecht werde und zwischen ihnen zu zerreißen drohe: Dem Beruf, der mir unglaublich viel Spaß macht und mir unglaublich viel Befriedigung verschafft. Und der Familie, die ich liebe und die mir so unendlich wichtig ist.

Und trotzdem würde ich nie auf die Idee kommen, so einen Bullshit von mir zu geben, wie diese beiden Generationsgenossen. Denn ihre Behauptung, es sei eine Lüge, dass sich Familie und Karriere verbinden ließen, ist ein weinerlicher Selbstbetrug. Ich glaube, ich ahne, wie sie darauf kommen. Weil ich selbst immer wieder diese Anwandlungen habe. Bei denen - und das ist vielleicht mein großes Glück - meine Liebste mir den Kopf wieder zurechtzurücken pflegt. Oder manchmal auch meine Mitarbeiterinnen.

Damals, mit fast Mitte Zwanzig, als wir frisch verheiratet waren, haben sich in unserem Freundeskreis und unserem universitären Umfeld reihenweise Paare getrennt. Weil es nicht mehr prickelte. Weil sie die Vertrautheit und - ja, auch - Langeweile nicht ertrugen, die sich daraus ergab, dass sie sich so gut kannten und aufeinander einstellten.

Vielleicht habe ich das Glück oder hatten wir das richtige Gespür und Ahnen, die andere Reihenfolge zu wählen als viele andere meiner Generation. So dass ich knapp Mitte Vierzig bin, jetzt, wo Primus Achtzehn wird, Abitur macht und, wenn alles klappt, als Au Pair ins Ausland gehen wird. So dass bei uns der Beginn der Berufstätigkeit mit dem Beginn der Familienphase zusammen fiel. Obwohl wir dann ja noch drei Kinder nachlegten innerhalb von insgesamt rund zehn Jahren, also nun bei Quarta auch keine so richtig jungen Eltern mehr sind.

Vielleicht haben wir auch nur eine andere Haltung zu Erziehung, Leben und Selbstverwirklichung, dieser Geißel und Selbstgeißelungsmethode meiner Generation. Als Primus vier Jahre alt war, ist er allein durchs halbe Dorf (also den Stadtteil, da oben am Nordostrand von Hamburg) gegangen, wenn er zum Fußball wollte. Vom ersten Tag an gingen alle unsere Kinder alleine zur Schule, die beiden großen mehr als 25 Minuten zu Fuß. Dieses Helikopterelterndingens kenne ich nur aus der Zeitung. Vor allem aus der Zeitung, bei der die beiden Jungs arbeiten, die da so rumjammern. Kann aber auch Zufall sein, weil das ja die einzige Zeitung ist, die ich wirklich lese.

Jetzt gerade ist Freitagabend, nach 23 Uhr. Während ich dieses schreibe, läuft "Inni" von Sigur Ros auf dem Fernseher. Meine Liebste ist mit ihren Freundinnen unterwegs. Die beiden kleineren Kinder liegen im Bett, die beiden großen kommen gerade nach Hause und machen sich etwas zu essen. Und ich hardere nicht mit meinem Schicksal, denn so ist es von mir selbst gewählt. Aber vielleicht ist es auch einfach so, dass mir das, was Rachel Macy Stafford diese Woche in diesem wunderbaren Artikel in der Huffington Post schrieb, nicht so fremd ist. Sollten Brost und Wefing mal lesen. Und dass ich fast fünfzehn Jahre keine Bücher las und nicht im Konzert oder in der Oper war, ist eben so. Ich konnte es nach anfänglicher Wehmut ganz gut verschmerzen, denn ich habe es vorher ausführlich gemacht. Und beginne es jetzt wieder.

Es ist nicht immer leicht, beide Rollen wirklich und gut auszufüllen und dabei nicht den Orden der Unbegabten zu bekommen, als den Reinhard Sprenger einmal Stress bezeichnet hat. Aber das, was ich mit meinem krummen Berufsweg hingelegt habe, kann man schon durchaus als Karriere bezeichnen. Ebenso das, was meine Liebste gemacht hat. Beide haben wir es nicht so geplant. Beide haben wir Unterbrechungen der Karriere gehabt. Beide haben wir immer wieder nachjustiert. Und uns einige Jahre entschlossen, ein Au Pair aufzunehmen, damit Karriere und Kinder besser zugleich gehen.

Und dennoch sind wir hin und wieder am Ende. Worauf wir achten, ist, dass die andere ruhig wird und den Überblick behält, wenn der eine seinen monatlichen Depritripp hat. Vielleicht wäre ich auch so verzweifelt wie die beiden Jungs von der "Zeit", wenn ich nicht immer wieder so glücklich wäre. Und wenn es vor allem nicht - trotz aller auch immer wieder unbefriedigenden Situationen - auch meine Liebste wäre.

Und wenn wir den Eindruck haben, dass wir reden müssen, dass wir Zeit zu zweit brauchen, dann gehen wir in die Sauna. Zweimal in der Woche. Und reiten gemeinsam aus. Mindestens einmal in der Woche. Zeit, die wir uns nehmen, die uns die Kinder schenken. Die für sie selbstverständlich ist. In der wir beide jeweils beide Hände brauchen und das mobile Internetzugangsgerät in der Hosentasche (beim Reiten) oder draußen (beim Saunen) bleiben muss.

Vielleicht ist es auch einfach so, dass wir nicht hadern, dass wir Taxi sind und in Sporthallen stehen oder am Reitplatz. Dass wir nicht den Eindruck haben, unser Leben zu verpassen oder uns nicht selbst zu verwirklichen. Vielleicht, weil wir beide Berufe haben, die wir mögen und die Verwirklichung sind, was, ich weiß, ein Privileg ist. Und dass wir beide schon jeweils und mehr als einmal etwas genau daran geändert haben in den letzten zwanzig Jahren, wenn das so nicht mehr war.

Und dann ist es auch kein Problem, wenn ich am Abend noch einmal arbeite oder am Wochenende. Weil ich es absprechen kann. Weil es nicht jede Woche vorkommt. Weil ich auch mal durchatme. Weil ich vom Leben nicht nur Rosinen erwarte oder dass es unentwegt prickelt.

Kinder und Karriere sind vereinbar. Für Väter und Mütter. Wenn sie es wollen und bereit sind, glücklich zu sein. Im Gegenteil: Gerade wenn wir Karriere machen, wird es ja einfacher. Ohne Karriere hätte die Wohn- und Einkommenssituation nie zugelassen, dass wir ein Au Pair haben. Oder Pferde.

Und heute reiten alle vier Kinder.

23.3.12

Der Ekel vor dem s

Jede hat ihren blinden Fleck. Etwas, das, gegen alle vermeintliche Vernunft, den Kragen platzen lässt und wo, wie meine Frau es formulieren würde, Toleranz eben mit z endet. Bei mir sind es drei Kleinigkeiten, über die ich schwer bis nicht hinwegsehen kann: falsche Kommata, der falsche Gebrauch von Fremdwörtern - und das Lispeln.

Es ist nicht so, dass ich froh darüber bin, denn es ist schmerzhaft, weil es dir überall begegnet. Aber mich ekelt Lispeln, es löst bei mir tatsächlich körperliche Schmerzen aus. Vielleicht, weil ich mein Leben lang gesungen habe und eine Sprechausbildung genießen durfte, vielleicht, weil ich mit Dagmar Ponto eine wirklich sehr, sehr gute Sprechtrainerin hatte (deren größter beruflicher Erfolg wohl diese eine bauernschlaue lispelnde Ikone der 90er ist, die sie bildschirmtauglich gemacht hat). Vielleicht, weil meine Frau Sprachheilpädagogin ist und ich schon früh wusste, dass kaum ein Sprechfehler so einfach und erfolgreich therapierbar ist wie eben das Lispeln. Ich kann schon Ulrich Wickert nicht zuhören, bei dem viele andere noch nicht mal hören, dass er lispelt.

Meine These ist, dass es eine Zumutung ist, jemanden mit diesem mit etwas persönlicher Anstrengung so gut behebbaren Sprechfehler ins Fernsehen zu lassen. Dass selbst eine mögliche thematische oder gar intellektuelle Brillanz nicht rechtfertigt, jemanden Lispelndes auf ein Podium zu holen oder einen Vortrag halten zu lassen. Sollen die schreiben oder eben eine Sprechtherapie oder Sprechausbildung machen, wenn sie unbedingt öffentlich reden wollen.

Ein weiteres Problem ist entstanden mit Tonabspielgeräten mittlerer Qualität, bei denen s-Laute, die noch nicht gelispelt sind aber unsauber und mit mehr Zischen als üblich versehen, zu einem Lispeln werden in den Ohren der Zuhörerin. Das werde ich wohl ertragen müssen, auch wenn es mich quält.

Heute morgen begann ich voller Vorfreude das Audiomagazin der aktuellen Ausgabe der "Zeit" - unter anderem, weil die "Zeit", ganz anders als die "brand eins" in der Audioversion, die grausame Pausen in den Sprechfluss geschnitten hat, normalerweise wirklich gut gesprochen und gut produziert ist. Und dann wird schon das Inhaltsverzeichnis von einer neuen, recht jungen Stimme gesprochen, die unerträglich lispelt. Der Schock war körperlich. Und das hektische Wechseln der Kopfhörer und der Einstellungen des im iPhone eingebauten Equalizers (jaja, ich weiß) halfen nichts.

Und selbst bei Kindern ist lispeln nicht niedlich. Übrigens.

22.8.11

Liebe Yakamoz Karakurt,

du (in der 9. Klasse darf ich noch du sagen, oder? Ich bin da etwas altmodisch und Sieze ältere Schülerinnen gerne) hast in der "Zeit" 34/2011 einen Beitrag ("Mein Kopf ist voll") geschrieben, wie sehr es dich belastet, wie deine Schule organisiert ist. Leider ist der nicht online, so dass ich hoffe, dass ich deinen Namen richtig geschrieben habe. Denn ich habe deinen Artikel nur gehört, im Audiomagazin der "Zeit". Update 23.8.2011 Inzwischen ist dein Artikel hier online. Und diese Antwort wird ist auch bei Zeitonline erscheinen, wie es aussieht... /Update

Warum schreibe ich dir? Weil ich glaube, ziemlich genau zu wissen, was du meinst. Denn ich habe einen Sohn in der 10. Klasse eines Hamburger Gymnasiums und einen in der 9. Klasse einer Stadtteilschule - und bei meinem dritten Sohn steht dieses Schuljahr die Entscheidung an, wo er auf die weiterführende Schule soll oder will.

Und ja, ich kann dich verstehen. Ich kenne Jugendliche wie dich. Nicht allen geht es so, mein Sohn hat das Glück, dass er Sport und Freunde und Hobbys und Job parallel hinbekommt und trotzdem gute Noten schreibt - aber ich weiß, was du meinst. Und ich finde, dass du Recht hast: So geht es nicht.

Nur verstehe ich nicht, warum du die Antwort, die dir die Schulbehörde gab (sinngemäß: "Es gibt ja auch noch die Stadtteilschule"), so brüsk abtust. Weißt du, mein Zweiter, der war auch erst auf dem Gymnasium. Ich gebe zu, das lag vor allem daran, dass wir (also wir Eltern) nicht nachgedacht hatten. Aber darum haben wir dann irgendwann die Notbremse gezogen - und ihm ermöglicht, das Tempo etwas rauszunehmen und trotzdem das Abitur anzustreben. Heute ist er so gut in der Schule wie noch nie, weiß, was er schaffen und werden will - und hat Spaß an der Schule.

Wenn ich mal ganz offen bin: Die, auf die du wirklich böse sein solltest, sind deine Eltern. Denn die haben dich auf einem Gynmasium angemeldet, obwohl auch jede andere Schule (oder damals: jede Gesamtschule) zum Abitur führt, das überall gleich viel Wert ist, weil es ein Zentralabitur ist. Ich weiß nicht, ob das auf deine Eltern zutrifft, aber ich sehe viele, viele Eltern bei uns in der Umgebung, die aus falschem Ehrgeiz oder Unwissenheit ihre Kinder in das Schnellabitur zwingen. Euch, die ihr die Leidtragenden seid, bedauere ich sehr. Und zwar wirklich. Geht auf die Barrikaden: Gegen falsche Bildungspolitik, vor allem aber gegen eure Eltern, die euch auf die falsche Schule geschickt haben. Wechsele jetzt die Schule, jetzt geht es noch!

Denn aus der Erfahrung mit einer Stadtteilschule (woanders heißen die Gesamtschule oder Gemeinschaftsschule) weiß ich: Vieles von dem, was du möchtest, wie du dir Unterricht und Wissen vorstellst, was du da in deinem Artikel für die "Zeit" aufschreibst, findest du an einer Stadtteilschule. Einige von denen sind Ganztagesschulen ohne häusliche Hausaufgaben, einige, beispielsweise die, auf die mein Sohn geht, die Stadtteilschule Walddörfer in Volksdorf, sind Halbtagsschulen.

Ich hoffe für dich, dass du einen Weg findest zu leben neben der Schule. Und eine gute Schule findest. Und wenn du mal genau hinsiehst, wirst du merken, dass mehr und mehr gute ehemalige Gymnasiastinnen auf die Stadtteilschulen wechseln. Meine Erfahrung die letzten Jahre - und als Elternrat am Gymnasium bekomme ich ja eine Menge mit - ist diese: Wer am Ende von Klasse 4 in allen "Lernfächern" (also Deutsch, Englisch, Mathe, Natur) mindestens eine 2 hat, in zweien davon auch eine 1. Also in allen, nicht im Schnitt. Der oder die wird ohne massives Lernen durchs Gymnasium kommen, wenn sie oder er nicht in der Pubertät mal den Anschluss verliert.

Wer aber auch nur in einem dieser Fächer schlechter als eine glatte 2 ist und nicht in zweien eine 1 hat, wird nicht mehr wirklich leben können, wenn die Gymnasien in Klasse 6 und 8 das Tempo anziehen. Das sind Kinder, die gut Abitur machen können. Auf der Stadtteilschule. Die ohnehin für eigentlich fast alle Kinder viel besser ist, auch weil sie ein besseres Konzept, Unterrichtskonzept und Lebenskonzept hat, mehr Praktika, interessantere Fächer und so weiter.

Liebe Yakamoz, ich hoffe, dass du die Kurve kriegst. Und wünsche dir ein schönes Schuljahr. Frag mal bei der Stadtteilschule in der deiner Nähe an, vielleicht nehmen die dich ja nach den Herbstferien. Die sind ja bald...

Herzliche Grüße
dein Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach

9.6.11

Ich bin so wütend

Schon im Februar schrieb ich über unsere Erfahrung mit dem Gymnasium und dem, was wir in Hamburg "Stadtteilschule" nennen. Und seitdem ist nichts (in Worten: Nichts) besser geworden. Das Gymnasium, auf das mein Großer geht, trudelt mit einer hilflosen Führung und didaktisch heillos überforderten Lehrerinnen vor sich hin. Und ich habe Tränen der Wut und Empörung geheult, als ich (und dieses ist ein strikter Lesebefehl, der erste seit Jahren, den ich euch erteile, und ich meine es so, wie ich es sage) den Brief von Henning Sußebach an seine Tochter in der Zeit gelesen habe. Die so ziemlich einzigen schönen Passagen sind seine Erinnerungen an seine Kindheit und frühe Jugend. Ich sah mich. So wie ich meinen Großen in den anderen Teilen sah und mich um meinen Dritten sorge:
Als Kind habe ich mir Baugenehmigungen für Luftschlösser erteilt. Wenn ich an früher denke, schlendere ich als Fußballgott und Tenniskönig durch gleißend helle Nachmittage. Ich habe immer Zeit. Und es ist immer Sommer. Ein größeres Kompliment kann die Erinnerung der Kindheit nicht machen.

Wenn es regnete? Habe ich den Tropfenrennen am Fenster zugesehen oder die Holzvertäfelung neben meinem Bett angestarrt. So lange, bis sich aus der Maserung Berge erhoben und sich die Astlöcher in Vulkankrater verwandelten. Kennst Du das auch? Sußebach in der Zeit
Ich bin leicht bei der Hand, zu sagen, wer sein Kind aufs Gymnasium schickt, habe selbst Schuld. Ich sage das auch oft, wenn sich Eltern beschweren: Ihr wusstet es, ihr wolltet es, ihr seid halt doof gewesen. Und Hallo - ich bin im Vorstand des Elternrates (Elternmitbestimmung) eines Gymnasiums. Aber mit dieser Antwort ist jetzt Schluss. Ich werde Sußebachs Artikel verteilen. Ich werde die Konsequenzen ziehen. Ich bin so wütend. Auf mich, auf die Schulverwaltung, auf die Schule. In Sußebachs Brief ist nicht ein Wort, das nicht stimmte und dem ich nicht zustimmte Update: Hier irrte ich, siehe unten. Nur mit einem Unterschied:

In Hamburg, und darum bin ich wiederum saufroh, habe ich eine echte Alternative. Jede Schule führt zum Abitur (das ein Zentralabitur ist, also nix (mehr) mit Billigabitur). Immer mehr Eltern von Kindern mit "Gymnasialempfehlung" (die die SPD aus Angst gegen ihre eigene Beschlusslage nicht abgeschafft hat) denken nach, bevor sie ihre Kinder auf ein Waldundwiesengymnasium schicken. Und wählen eine Stadtteilschule, die früher Gesamtschule hieß und bis heute das Abitur nach 13 Schuljahren anbietet (und wo viele, nicht alle, Lehrerinnen schon seit Jahren sich an modernen Unterricht gewöhnen durften).

Ich habe ein Problem: Tertius ist gut in der Schule. Sehr gut sogar. Und will lernen. Und ich weiß nicht, ob ich mich traue, ihn nicht aufs Gymnasium zu geben. Auch das macht mich so wütend, dass ich heulen könnte. Und die Uhr tickt. In einem halben Jahr müssen wir uns entscheiden. Ich sollte noch mal Sußebachs Artikel lesen. Sagte ich schon, dass der verstörend großartig und wahr und eine Pflichtlektüre ist? Für euch alle?

Update 10.6.
An einer Stelle bin ich gestern zu kurz gesprungen. Denn ja, es ist ein großartig verstörender Brief, den Sußebach schrieb. Aber was er nicht reflektiert, ist seine Rolle an dem Problem. Denn wenn seine Tochter kein Leben mehr hat, wenn sie sonntags lernen muss, dann ist es ein Fehler gewesen, sie aufs Gymnasium zu geben. Punkt. Er wusste, worauf er sich einließ. Und nun hat er ein schlechtes Gewissen - schiebt es auf das "System" und die anderen, blendet aber seinen falschen Ehrgeiz, seine falsche Arroganz ("Mein Kind muss aufs Gymnasium") aus. Denn die Konsequenz muss doch sein: Wer in der Grundschule nicht überwiegend Einsen hat oder eine Drei in einem Lernfach, gehört nicht aufs G8.

Das ändert nichts daran, dass ich G8 und alles, was Sußebach beschreibt, für falsch und einen Skandal halte - aber wir Eltern müssen unsere eigene Rolle und unseren eigenen Ehrgeiz reflektieren und mit den Füßen abstimmen über das "System". Auch bei Sußebach in der Stadt gibt es eine Gesamtschule mit G9. Aber da wollte er sein Kind nicht hingeben. Warum? Weil er studiert hat und meint, sein Kind müsse, obwohl es so viel lernen muss, aufs Gymnasium, um sein Abitur zu machen? Unsere Freunde in diesem Ort haben ein Kind aufs Gymnasium und eines auf die Gesamtschule geschickt, wir haben eines auf dem Gymnasium, eines auf der Stadtteilschule (Gesamtschule). Und für beide passt es, in beiden Familien, so dass unsere Kinder jeweils noch Kind sein können und eben nicht übermäßig nachmittags lernen - sondern übermäßig nachmittags und am Wochenende chillen.

Und so möchte ich Sußebach zurufen: Änder was. Jetzt! Nimm deinem Kind den Stress. Es kann trotzdem Ärztin werden. Aus dem Irrsinn G8 kann jede schon heute aussteigen. Fast überall außer da, wo Djure wohnt vielleicht, der aber ja sehenden Auges in eine strukturschwache Gegend gezogen ist.

Und so bin ich immer noch wütend. Und immer noch auf das "System". Aber eben auch auf Henning Sußebach, der selbst seinem Kind die Kindheit nimmt.

20.12.07

Lesehinweise angesichts freier Tage

Seit langem mal wieder das Bedürfnis, auf zwei Artikel ais der Zeit hinzuweisen, die mir ausnehmend gut gefallen haben - ich hab sie bisher "nur" gehört (auf dem Fahrrad, was ich sehr genieße - ich hab ja ein Zeit-Abo bei audible):
Beides gut, beides lesenswert, beides online. Lesen!

Blogged with Flock