20.5.23

Musik und Menschen

Vor sehr viele Jahren waren wir ein paar Mal bei den Sommerlichen Musiktagen Hitzacker, damals das interessanteste Kammermusikfest im Norden Deutschlands, inspiriert von Donaueschingen im Grunde. Letztes Jahr hat Constantin Stahlberg mit seiner Stiftung und seinem Kultur Gut Hasselburg ein neues Kammermusikfest gegründet, dessentwegen wir in den Freundeskreis eingetreten sind – und das dieses Wochenende seine zweite Auflage erlebt.

Gestern waren wir den Tag da, haben zwei Konzerte des Eliot Quartetts erlebt, die ganz wundervoll waren. Die Entdeckung des Abends war dabei für mich der "Langsame Satz" von Anton von Webern, der als eine Kompositionsübung entstanden ist und aus der Anfangszeit seiner Studien bei Schönberg stammt. Noch ganz in der Hochromantik angesiedelt, aber ohne die Schwülstigkeit.

Die andere Entdeckung des Abends war für mich, dass ich immer noch nicht mit Brahms warm werde. Auch das große Klavierquintett langweilt mich wie bisher fast alles, was ich von ihm gehört habe. Das ist ungewöhnlich vielleicht, weil ja so viele Menschen ihn verehren. Darum höre ich auch immer wieder hin, war hochmotiviert, es toll zu finden. Klappte aber nicht. Anders als Schumanns Klavierquintett im ersten Konzert, das ich ganz wunderbar fand und empfand. Und das so anders klang als letztes Jahr mit dem Notos Quartett, das am gleichen Ort ebenfalls dieses Stück spielte (aber in der Reetscheune, also mit einer super trockenen Akustik ohne Hall, dieses Mal im Barocksaal des Herrenhauses).

Was für eine Bereicherung ist dieses Kammermusikfest für unsere Gegend hier. Auf diesem inspirierenden Gut, in familiärer Atmosphäre, locker, trotzdem gediegen. Womit wir beim zweiten Teil der Überschrift sind.

Denn das Besondere an Kammermusik hier auf dem Land und in Reichweite zu Hamburg ist das Publikum. Neben einigen jungen Menschen und wenigen in unserem Alter sind die meisten Männer zwanzig Jahre älter als ich und die Hälfte ihrer Frauen ebenfalls, die andere ist in meinem Alter. Viel altes Bürgertum aus Hamburg, das sich durch große Kultiviertheit bei geringem Protz auszeichnet. Etwas, das ich schon immer sehr mochte, auch wenn wir da logischerweise nicht zugehören, denn wir stammen ja nicht von altem Geld ab. Aber es sind Menschen, mit denen wir leicht ins Gespräch kommen – denn das ist Teil des Festes: zwischen den beiden Konzerten ist ein Imbiss inbegriffen in der Scheune und auf dem Rasen, um genau das zu tun. Gespräche zu führen miteinander und mit den Künstler*innen – und mit denen es unterhaltsam und anregend ist. Kleidung zwischen britisch und Landadel, auch wenn einige Anzüge inzwischen etwas schlottern.

Morgen sind wir noch einmal zum Abschlusstag mit jungen Künstler*innen und sehr abwechslungsreichem phantasievollen Programm. Eher eine Martinée. Darauf freue ich mich sehr.

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