Ich bin ja nun wirklich unverdächtig, Kristina Schröder gut zu finden. Aber die Kritik an ihr in diesem Fall reicht von scheinlinken Onlinerinnen bis hin zu reaktionären Unionistinnen. Und das finde ich in beiden Fällen grotesk.
Mal ehrlich: Ich kennen niemanden, die halbwegs regelmäßig Kindern vorliest, die nicht immer wieder Worte abändert - sei es, weil sie nicht verständlich sind heutzutage, sei es, dass man das, was da bezeichnet wird, heute einfach anders bezeichnet. Ich mache das andauernd. ich mache das sogar bei Christine Nöstlinger, die ja nun eher keine rassistischen oder sexistischen Texte schrieb - weil die österreichischen Worte für meine Kinder nicht verständlich sind.
Kann es sein, dass hier ein reiner Beißreflex vorliegt? Oder ein realitätsfreier Pseudopuritanismus in Bezug auf in unseren Familien lebendigen und eben nicht literarisierten Texten? Ich persönlich finde Frau Schröder unmöglich und schwer bis nicht erträglich, ich halte sie für eine krasse Fehlbesetzung in ihrem Amt - aber wenn eine so reaktionäre junge Frau so selbstverständlich mit Texten und mit Gott umgeht und auch so beiläufig darüber redet, dann finde ich das größtartigst.
Denn das heißt, dass die letzten dreißig Jahre Diskussion in der Theologie, in den Kirchen (in Bezug auf Gott) und in feministischen und pädagogischen Diskursen (in Bezug auf beknackte Worte) nicht umsonst waren. Dass sich wirklich etwas geändert hat in diesem Land und bei seinen Menschen. und zwar mehr, als den alten Männern und den intelligenzfernen Postgenderdödeln bewusst oder recht wäre.
Und darum spricht Frau Schröder in dem Interview einfach nur das aus, was viele Menschen nicht nur in meiner Umgebung jeden Tag tun und denken. Sie ist eine ganz normale Frau und eine ganz normale Mutter in dieser Zeit. Verkopft - das ist ja einer der Vorwürfe aus ihrer Partei an sie - sind eher die, die sie jetzt kritisieren. Oder es sind eben Leute, die noch nie Kindern vorgelesen haben oder mit Kindern über Gott sprachen. Ich jedenfalls kann ihr zustimmen.
Zumal in fast allen (evangelischen) Gemeinden, die ich kenne, dauernd von "Gott, der uns Vater und Mutter ist" die Rede ist. Und mehr als eine Pastorin und sehr viele Pastoren sprechen beim Segen:
Gott segne dich und behüte dich, sie lasse das Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig, er erhebe das Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.Amen.
Der Segen braucht eigentlich gar kein Personalpronomen:
AntwortenLöschenGott segne dich und behüte dich.
Gott lasse das Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig.
Gott erhebe das Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
oder
Gott segne dich und behüte dich,
lasse das Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig,
erhebe das Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Ja, ich weiß - es machen aber viele das so, wie ich oben schrieb, um die Übergeschlechtlichkeit Gottes zu verdeutlichen. Zumal die allermeisten den Segen weiterhin mit männlichem Personalpronomen sprechen.
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