Und ich war aus mehreren Gründen nicht interessiert an den Social Media Economy Days 2012 vor einiger Zeit in Hamburg. Vor allem, weil mir die Referenten ganz überwiegend nicht zusagten. Von einigen Ausnahmen abgesehen weder von den Themen noch von der Erfahrung/Kompetenz her. Macht ja auch nichts, es spricht ja zunächst weder für noch gegen eine Veranstaltung, dass sie mich nicht lockt.
Auch den Ausruf von Agnieszka von den #DMW dazu, dass es keine Frauen auf den Podien gab, habe ich nur aus dem Augenwinkel gesehen, von den Kolleginnen in meinem Team ein bisschen was dazu gehört, aber nicht weiter verfolgt. Hätte ich aber vielleicht, wenn ich mir nun manche Affendiskussion rund um dieses Thema ansehe, die ich in den letzten Tagen dann doch noch mitbekam.
Der eine oder die andere wird wissen, wie meine Haltung zu diesem Thema sozusagen ganz grundsätzlich ist. Ich habe zu Herrschaftsstrukturen und zu Quoten (da eher im politischen Kontext) und zu Sprache ja immer wieder was gesagt.
Falls jemand mit mir diesen kurzen Artikel hier diskutieren will, bitte ich darum, diese Texte einmal mindestens querzulesen, ok? Würde vielleicht das eine oder andere erleichtern.
Um es klar zu sagen: Ich halte es für eine Veranstaltung für schädlich, wenn sie an einem Format festhält (also vor allem Vorträge, Vorträge, Vorträge, dieses pubertäre Format), das systemimmanent nicht nur überwiegend uninteressant ist sondern auch viele Frauen, die ich kenne und für gute Lehrerinnen und Erzählerinnen halte, ausschließt.
An solchen Tagungen, die zusätzlich auch noch mich selbst langweilen, werde ich nicht mehr teilnehmen. Weder als Sprecher noch als Teilnehmer. Und das, obwohl ich mich sehr gerne reden höre.
Dass es anders geht, zeigen Tage wie die Foren von Kongressmedia (mit all ihren anderen Problemen, ja) oder die Fachtagung Social Media Relations jetzt gerade, die ich kurzfristig absagen musste, weil ein Kind krank war und ich zu Hause gebraucht wurde - was aber nicht soo viel machte, weil meine großartige Kollegin Jette den Workshop auch allein hinbekam. Was niemanden überraschen wird.
Was gar nicht geht, ist das mangelnde Problembewusstsein, das ich aus manchen "Diskussionen" rund um den offenen Brief heraus hörte. Ich bin fest davon überzeugt, dass der diesjährige Höhepunkt an misogyner Konferenzgestaltung wesentlich durch eine Mischung aus antiaufklärerischer Postgender-Haltung ("Frauen haben doch genau die gleichen Chancen, warum melden sie sich nicht mit guten Themen?") und einem veralteten und unattraktiven Tagungsformat (eben Vorträge von Rampensäuen) passieren konnte.
Damit sich etwas ändert, müssen Männer, die immer wieder angefragt werden für die Rampe - und in der zweiten oder dritten Reihe gehöre ich ja auch dazu, dies richtet sich also auch an mich, nicht nur an andere -, meines Erachtens eine Zeit lang etwas von dieser Rampe zurück treten. Nur durch den eigenen Verzicht wird sich etwas ändern. Wer nicht auch verzichtet, kann nicht behaupten, dass alles gut sei - sondern zementiert den status quo ante. So lange es eine faktische Ungleichheit gibt (und bevor ihr über diese Tatsache diskutieren wollt: das haben wir in den 80ern und 90ern ausführlich getan, wer das anders sieht, muss imho unter einem Stein gelebt haben oder bösartig oder intellektuell beschränkt sein, sorry), müssen die bisher durch die Asymmetrie Bevorzugten freiwillig oder unfreiwillig zurück treten, muss es eine Ungleichbehandlung geben.
Ich werde 2013 darum meine Teilnahme an Konferenzen und Tagungen (vor allem und in erster Linie als Beitragender) von diesen drei Punkten abhängig machen und ich fordere Männer, die viel auf Podien stehen, auf, es mir gleich oder ähnlich zu tun:
- Wie ist der Anteil der Frauen, die Programmpunkte leiten/gestalten? Ist der kleiner als 35%, werde ich nicht teilnehmen.
- Welche partizipativen und erwachsenenpädagogisch zeitgemäßen Formate hat die Tagung, die Konferenz? Keine? Nur Vorträge? Ohne mich.
- Ist die (in der Regel ja obligatorische) Diskussionsrunde mit mindestens 40% Frauen besetzt? Dann komme ich gerne.
4. Es müssen Frauen an inhaltlich verantwortlicher Stelle im Orgateam sitzen. Dann ergeben sich 1-3 meist von selbst.
AntwortenLöschenVielen Dank für den Beitrag, ich stimme Dir sehr zu. Habe auch ein paar Diskussionen miterlebt dazu von Männern (muss man wohl nicht dazu sagen...) nach dem Motto "Frauen haben es doch selbst in der Hand..."-Quatsch. Verzicht ist eine gute Maßnahme. Aber im Sich-Zurücknehmen haben es viele der "Rampensäue" ja normalerweise nicht so...
AntwortenLöschenAnsonsten wäre das, was der andere Lars sagte, doch wirklich auch noch ein gutes Kriterium: Wie viele Frauen sind an der Organisation beteiligt?
Ich finde Deine Überlegungen gut.
AntwortenLöschenAber ich muss erstmal drüber nachdenken, was für ein Gefühl bei mir entsteht, wenn ich "vorgelassen" werde.
Ich musste im Job immer um Positionen kämpfen. Ich kenne das praktisch gar nicht anders. Vielleicht entsteht deshalb bei mir immer so ein indifferentes Gefühl Objekt einer Gönnerhaftigkeit zu sein. Aber vielleicht ist das auch viel zu sehr in den Bauch gedacht und man sollte das mehr unter dem Aspekt "einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul" betrachten und sich einfach freuen :)
Der "Klügere" gibt so lange nach, bis er der Dumme ist.
AntwortenLöschenPicki: Nee, das hat - zumindest bei mir - nichts Gönnerhaftes. Sondern ich habe (1) keine Lust mehr, Teil von schlechten Veranstaltungen zu sein, (2) gelernt, dass Old-Boys-Netzwerke nur von Innen zerstört werden können, und (3) die Überzeugung gewonnen, dass wir gemeinsam mehr erreichen können. Also diejenigen, die die Analyse teilen und etwas an der misogynen Arbeitswelt ändern wollen.
AntwortenLöschenLars B.: In Hamburg waren Frauen im Beirat. Genutzt hat das nix. So lange es keine Feministinnen sind vielleicht?
Ich stimme dir völlig zu. Zu dem Kongress mit reiner Männerriege habe ich auch öffentlich dies und das gesagt. Ich veranstalte selbst Kongresse. Es würde mir nie einfallen, die Referenten aus dem Kreis derjenigen auszuwählen, die sich selbst melden. Ich halte das für absolut unprofessionell. Im Gegenteil habe ich bei neuen Kongressthemen recherchiert, welche Referenten auf vielen Kongressen auftreten. Die habe ich dann gerade nicht eingeladen. Kongresse planen, Themen finden, Referentinnen auswählen ist Arbeit. Wer diese Mühe nicht auf sich nimmt, ist faul und dumm.
AntwortenLöschenInteressant!
AntwortenLöschenIn dem Bereich in dem ich arbeite gibt es ueberwiegend Frauen. Leider.
Wo finde ich etwas zu erwachsenen paedagogischen Formaten? Damit meinst du Erwachsenenbildung? Gibt da ein Buch, das du empfehlen kannst?
Angela, auch mal Haltungsturnerin gewesen.