25.8.25

Ein doppelter Abschied

Tatsächlich bin ich sehr froh, dass Robert Habeck zum Abschied aus dem Bundestag dann noch mal ein typisches Interview (diesmal mit der taz) gegeben hat. Denn sein Abschied macht mir nochmal deutlich, wo er mich verloren hat und wieso ich mich innerlich verabschiedet habe. Denn mich elektrisiert sein Stil kulturell und intellektuell. Da war es wieder, was mich so anzieht. So sehr, wie seit Björn Engholm niemand mehr in der Politik. Und zugleich stößt mich fast jeder politische Schluss, den er dabei zieht, zurück. Finde ich fast alles, was er politisch nach vorne formuliert, falsch.

Dabei ist auch in diesem Interview teilweise die Klarheit, die Analyse da. Wie er über Julia Klöckner spricht: ganz wundervoll und beißend. Und dann bleibt er dabei stehen und verliert mich, exemplarisch mit dieser Passage:

taz: Wäre es da nicht ratsam, anhand dieser Fragen zurückzupolarisieren? 
Habeck: Das wäre logisch, aber falsch. Jedenfalls für die, die daran festhalten wollen, dass Konflikte rational und durch Verstehen gelöst werden können. Ich bin dafür nicht der Richtige.

Stellt euch einmal vor, jemand mit dem rhetorischen Talent, mit der Ausstrahlung von Robert würde aus seiner Analyse, die er auch in diesem Interview formuliert, dass es eben um eine soziale Frage geht, um die Zukunft, den Schluss ziehen, dass scharfe Gegensätze die Alternativen sichtbar machen. Und nicht etwa den Schluss, stattdessen eine herbeifabuliert Mitte retten zu wollen.

Zwischen einer Regierung, deren Mitglieder im besten Fall unfähig und ethisch verwahrlost sind und im schlechteren Fall schlicht bösartig, und einer faschistischen Opposition, die sich in blanken Populismus hüllt, zerreibt eine feinsinnige Position des Mitteextremismus. Zumal eine Mitte ja immer eine relative Position ist. 

Schon im Wahlkampf (und ich bin ja immer noch Mitglied bei den Grünen, aber das ist noch mal eine andere Geschichte) hat mich Robert mit diesem Mitteextremismus und seinen sanften Schlüssen aus der scharfen Analyse verloren. Und dass das nicht nur mir so ging, zeigt ja das Ergebnis und zeigt, wie sehr auf den letzten Metern diejenigen aufgeholt haben, die aus der fast gleichen Analyse andere, aus meiner Sicht: richtigere, Schlüsse gezogen haben.

Wie polarisiert unsere Gesellschaft ist, wird ein bisschen durch das Verhältniswahlrecht verdeckt. Dadurch können viele Menschen, die in einem politischen System wie England oder den USA direkt zu den faschistischen Bewegungen laufen, noch bei den absterbenden ehemaligen Volksparteien bleiben. Aber auch hier bestimmen die Themen, die der faschistische Populismus setzt, den Diskurs. Und die Regierung übernimmt ihn fast vollständig, genau wie in Großbritannien. In den USA regiert er ja schon offen.

Wo mich Robert und mit ihm auch diejenigen, die heute den Ton bei den Grünen angeben, verloren haben, ist die Annahme, dass eine sanfte Mitte gegen den faschistischen Populismus ankommt. Diese Annahme halte ich für falsch, schon Michelle Obama lag damit falsch. Nach der letzten Wahl konnten wir Grünen uns damit rausreden, dass wir vom "normalen" Rechtspopulismus mit Hass überzogen wurden (und Robert hat ja auch Recht damit, wenn er im Interview betont, dass es darum auch keine Machtoption für die Grünen mit diesem Rechtspopulismus, also der Union, gibt), aber das halte ich nicht für das Entscheidende. 

Noch einmal der Blick auf die offener (aber nicht stärker als bei uns) polarisierten Politikgesellschaften in den USA und in England: Der Rückenwind für Zack Polanski bei den Grünen von England und Wales und von Zohran Mamdani in New York zeigt ja, dass eine auf faschistischen Populismus mit linkem, wirtschaftlichem Populismus reagierende Bewegung etwas gewinnen kann. Im ersten Schritt schon mal gegen den Mitteextremismus der eigenen Partei.

Was Zack und Zohran anders machen als Habeck (und aus meiner Sicht: richtiger), ist doch vor allem, denen, die wütend und unzufrieden sind, eine nicht-rassistische, nicht-faschistische Antwort auf ihre Fragen und ihren Zorn zu geben. Während rechte Parteien diese Antwort in der Kopie der Faschist*innen mit etwas beruhigterer Sprache suchen, können linke Parteien eine alternative Antwort formulieren. Das aber macht Habeck nicht und das wollen die Grünen zurzeit nicht. Nur: dann werden sie mit den anderen Mitteextremist*innen zerrieben werden.

Robert Habeck hat das immerhin erkannt und verabschiedet sich. Ich werde ihn als Politiker und als Inspiration vermissen, weil er mich, auch in diesem Abschiedsinterview, emotional abholt, anspricht, ja: elektrisiert. Auch wenn ich mich politisch schon von ihm verabschiedet habe.

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