6.5.05

Lieber Traugott Giesen,

heute, so lese ich, wirst du 65. Herzlichen Glückwunsch! Ich bleibe einfach mal beim "du", weil du ja so ein notorischer Duzer bist. Legendär, wenn du mit zorniger Stimme geschmeidig und liebevoll deinen Bischof beschimpft hast.

Wenn ich mir ihren Artikel, den ich oben verlinkt habe, ansehe, ging es Hanna-Lotte Mikuteit offenbar genau so viel den meisten, die dich erleben: Du hast sie nicht nur mit deinem Charme eingewickelt, sondern sie überlegte die ganze Zeit, ob du verrückt bist oder "nur" faszinierend. Ich denke, du bist beides - und das macht es aus.

Wusstest du, dass du "Schuld" bist, dass ich meine liebe Frau schließlich geheiratet habe? Damals saßen du und ich gemeinsam in der Synode unserer Kirche und ich hatte (es war die Zeit der Kämpfe um Segnungen und so weiter für Menschen, die zusammen leben, auch wenn sie nicht verheiratet sind) etwas merkwürdiges am Redepult von mir gegeben. Hinterher bist du zu mir gekommen, hast mir die Hand auf die Schulter gelegt (denn du bist nicht nur ein großer Duzer, sondern auch ein großer Berührer) und sehr ernst gesagt: "Darüber müssen wir mal reden". Ich habe dich als tollen Seelsorger erlebt. Und im nächsten Jahr geheiratet. Aber das ist eine andere Geschichte.

Meine lebendigste Erinnerung neben den wirren und poetischen Andachten aber ist das Gelage der Siegesfeier, nachdem wir Linken die Mehrheit in der Kirchenleitung errungen hatten. Details wären zu indiskret, aber es war toll. Und ich der Jüngste, wie so oft.

Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ein Menschenfischer und Erotiker wie du wird aufhören können. Von deiner Frömmigkeit, von deiner kindlichen und engagierten Weise, von Gott zu erzählen, werde ich noch lange zehren, auch wenn ich nie in deiner Kirche auf Sylt war. Dennoch bin ich dir dankbar für deine Hilfe auf meinem religiösen Weg. Wenn du nicht Traugott hießest, müsste man dich ehrenhalber so nennen.

EDIT: Mir war entgangen (wahrscheinlich weil ich das Zahnärzte-Blatt* nicht lese), dass du eine wunderbare Gratulation zu Benedikt XVI geschrieben hattest, die ich nun dank Scipio fand. Auch hier wieder ist es, was ich meine.

* so nannte es ein Freund immer: Das Blatt für funktionale An-alphabeten, die sich für Intellektuelle halten.

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