10.5.05

.../2005/19/inderzeit

Bevor die nächste Ausgabe kommt und gelesen werden will, doch noch kurz ein paar Hinweise auf die Zeit der vergangenen Woche. Um es vorweg zu sagen: Es war eine der großen Ausgaben. Zum Aufmacher mit Günter Grass mag ich nichts selbst schreiben (nicht zuletzt, weil ich dieses erfürchtige Erstarren vor dem Meister, das mir überall begegnet, irgendwie albern finde), sondern verweise auf eine sehr feine Auseinandersetzung damit bei Hella Streicher.

Statt dessen werden vier meiner Themen verhandelt:
(1) Götz Hamann schreibt zwar nicht neu, aber intelligent und in dieser Form meines Wissens erstmals im Mainstream über die Machenschaften der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft - auch mit einem wichtigen Abschnitt über willfährige Journalisten. Das perverse Beispiel der Welt sei besonders hervorgehoben, die sich nicht entblödete, bei der ISNM ein großes Dossier zu bestellen und es dann zu veröffentlichen.
(2) Anlässlich der Speer-Filme, die gestern angelaufen sind im Ersten, beleuchtet u.a. Volker Ullrich im Feuilleton den Umgang mit Speer und die grottenschlechte Arbeit von Joachim Fest an diesem Objekt. Dazu habe ich selbst ja auch mehrfach etwas geschrieben, zuletzt anlässlich des Untergangs. Leider, leider sind die Artikel nicht online verfügbar.
(3) Susanne Gaschke schreibt wieder einmal brillant über Familienpolitik. Diesmal sehr diffenrenziert und mit Hinweisen auf die Studien von Hans Bertram, auf die sich auch Bischof Huber im SpOn-Interview bezieht (danke für den Hinweis, Lila). Spannend finde ich die Diskussion mit einer Kollegin, die das Herangehen der Zeit an familienpolitische Fragen empörend frauenfeindlich empfindet (in dem Sinne, dass die Frauen schuld seien - kann ich nicht nachvollziehen, wollte es aber wenigstens vermerken).
(4) Ganz groß mal wieder: Jens Jessen. In einem Proundcontra zur Frage, ob man "den Deutschen" trauen könne, sagt er klar Nein. Und begründet dies fulminant. Zum Erbe des Nationalsozialismus schreibt Jessen:
Es steckt im gereizten Kern der Gesellschaft. Es steckt in den Aufpassern, den Liebhabern des Verbietens und Strafens, den hysterischen Beobachtern jeder Abweichung. (...) Es steckt in dem Nachbarn, der die Kehrwoche kontrolliert, in dem Passanten, der den Falschparker anzeigt, ohne behindert worden zu sein, in der Mutter, die anderen Müttern am Spielplatz Vorhaltungen macht. Es steckt, mit einem Wort, in dem guten Bürger, der seine eifernde Intoleranz auf Befragen wahrscheinlich als zivilgesellschaftliches Engagement ausgeben würde.

Es ist nämlich nicht so, dass die 1945 heimatlos gewordene Sehnsucht nach der Volksgemeinschaft vor der Unmöglichkeit ihrer neuerlichen Umsetzung resigniert hätte. Sie hat sich vielmehr aus der Politik in den privaten Terror zurückgezogen. Sie inspiziert die Treppenhäuser, sie kontrolliert die Kleidung des Büronachbarn, sie missbilligt abweichendes Konsumverhalten und straft jeden Ehrgeiz, der sein Haupt aus der Menge hebt. (Jens Jessen)

Ein weiteres Beispiel übrigens, warum es lohnt, der Singularitätsfalle zu entgehen.

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