Ich bin sehr sensibel, was Nazisprache angeht. Das Wort Einstellung beispielsweise kommt mir nicht über die Lippen, denn es ist in seiner heute gebräuchlichen Form von Goebbels eingeführt worden, um die Manipulaton von Haltungen durch einen quasiindustriellen Prozess zu Beschreiben. Aber am Heuschrecken-Bild kann ich, jenseits von Geschmacksfragen, kein solches Unwort erkennen.
Wolffsohn hat ja ohnehin eine sehr funktionale Beziehung zum Nazitum und gelegentlich auch zum Holocaust. Gut in Erinnerung sind mir noch seine Tiraden in der Bild, in denen der die Deutschen in Schutz vor ihrer Vergangenheit nahm.
Ich persönlich würde das Wort von den Heuschrecken nicht verwenden, weil ich es geschmacklos finde (und weil ich Heuschrecken abgesehen davon zu schätzen gelernt habe, seit ich jede Woche welche kaufe, um sie an den Leguan eines meiner Söhne zu verfüttern). Aber eine unmittelbare Nazi-Konnotation kann ich nicht erkennen. Ist es nicht vielmehr ein uraltes Bild von Ausbeutern? Allein aus der Tatsache, dass Nazis Juden (und teilweise wenigstens in der Rhetorik auch die Großindustrie) als Ausbeuter bezeichnet haben, kann ich ja nicht wirklich schließen, dass man niemanden als Ausbeuter benennen darf, wenn man das so erlebt oder analysiert. Das wäre wiederum jene umgekehrte Singularitätsfalle, in die zu tappen so leicht fällt.
Heuschrecken gibt es nicht erst seit der biblischen Überlieferung als Bild für Plagen, Ausbeuter und Kriegherren. Es bleibt ein starkes und plastisches Bild. Jeder kann es missbrauchen, nur wenige Menschen werden es benutzen, wenn sie wirklich nachdenken - aber aus ihm einen Parallele zum Nazismus abzuleiten, geht nicht.
Da hat jemand Klemperers LTI gelesen, oder etwa nicht? Andernfalls hier der kontextsensitive Werbeblock: Unbedingt nachholen ? die Lektüre ist gnadenlos aufschlussreich und bei aller beschriebener menschlicher Tragödie immer spannend und fesselnd.
AntwortenLöschenJa, klar...
AntwortenLöschenAllerdings - und das empfinde ich rückblickend nahezu als Skandal - erst nach 1989, als ein Besuch aus Halle mir hinterher ein altes DDR-Reclam-Heft von LTI schickte. Irre ich mich, oder ist es im Westen wirklich erst nach 1989 halbwegs bekannt geworden?
Um die Werbung zu verstärken: Es ist und bleibt neben Werner Durths "Deutsche Architekten" (was gerade angesichts der Speer-Diskussion spannend ist) das mir wichtige Buch über den Nazismus.
Zu 1989 kann ich nichts sagen, von da an war ich noch ein Jahr in der Grundschule (Jg. ?80, ?Die Gnade der späten Geburt? sozusagen, um <strike>unseren</strike>, nein, garantiert nicht meinen Altkanzler zu bemühen).
AntwortenLöschenIch hatte LTI mal auf dem Oberstufen-Lehrplan, wurde dann aber doch nicht gelesen, hatte der Lehrer keine Zeit für. Klar, man muss Prioritäten setzen, vor allem an einer katholischen Privatschule, die sich gegenüber ihrem Namensgeber genau so lange verpflichtet sah, wie es keine Mühe kostete oder evtl. Kontroversen provoziert hätte.
?Deutsche Architekten? werde ich mir gleich mal anschauen. Danke für den Link, ääh, Verweis.
P.S. Blogger ist doof. Erst erlaubt es mir kein strike-Tag, dann setze ich stattdessen HTML-Entities, diese wandelt es mir aber in der Vorschau in ein strike-Tag um, das es dann wieder verbietet.