In den Kommentaren zu meinen Gedanken neulich über Werte (die verschwinden, wenn ich haloscan abschalten werde. Falls...) tauchte das Thema Heternomie auf. Damit bin ich immer noch nicht fertig (geht wohl auch nicht). Die Frage, ob der Mensch autonom oder heteronom bestimmt sei, ist immerhin die Schlüsselfrage in der Anthropologie.
Rein autonom kann der Mensch nicht sein - denn er ist ein Gemeinschaftswesen. Radikale Autonomie ist imho reine Ideologie. Dazu kommt, dass ich als Christ dazu auch noch davon ausgehe, dass der Mensch von Gott abhängt, also in seiner Wesensbestimmung radikal heteronom ist.
Spannend wird es, wenn es um den Grad der Freiheit geht, den ich erreichen kann oder - ethisch gesprochen - erreichen soll. Manchmal höre ich die Kritik, ein im Wesenskern heteronom bestimmter Mensch sei nicht frei. Das ist aber falsch.
Im Gegenteil: Die Vorstellung, der Mensch sei sich selbst genug als Grund und Ziel (und das meint im Grunde das Postulat einer radikalen Automonie), führt zu gnadenloser Unfreiheit und vor allem zu Ohnmacht. Wie soll ich als allein Verantwortlicher noch wirklich und beherzt handeln können?
Von Stravinsky ist überliefert, er habe (künstlerische) Freiheit gerade in der Beschränkung eines strikten Reglements erlebt. Das ist auch logisch: Wenn die Überschreitung von Grenzen der eigentliche Akt der Freiheit ist, brauche ich Grenzen, um Freiheit empfinden zu können. Heißt: Im heteronomen Gebundensein als Gott (oder wie immer einer das nennen will) erwirbt der Mensch erst die Freiheit, sich seine relative Autonomie zu erarbeiten.
Es ist schon richtig, was Sie da sagen, aber es noch zu eng. Wenn man aus der Kunst(Musik)Szene kommt, stellt sich die Frage seit Anfang des 20. Jahrhunderts radikal anders. Ich will das nur auf mein Feature mit dem hübschen Titel "Die Geburt der Anarchie aus dem Geist der Einsamkeit - oder: Ist wirklich alles möglich" verweisen.
AntwortenLöschenhttp://www.kritische-musik.de/noframes/anarchie.shtml
Darin wird auf die umständlichste Weise die Rechnung aufgemacht, wie sie die Expressionisten vorfanden. Der frühe Siegfried Kracauer wird da zitiert: "Die ganze Umwelt des Menschen ist zu einem Gebilde von erschreckender Unpersönlichkeit geworden, in dem nur eines überflüssig und beinahe wie ein Zufall erscheint: der Mensch selber und seine Seele. (...) Losgelöst von dem Urgrund der Gemeinschaft, versklavt einem unbarmherzigen Wirtschaftssystem, eingespannt in ein unabsehbares Netz nationaler und sachlich-technischer Beziehungen, vermag sich der Einzelmensch nur noch als privates Ich, als Sonderindividualität zu behaupten Die Brücken zwischen ihm und den anderen Menschen sind abbrochen, in allen wesentlichen Dingen bleibt er sich selbst überlassen und grauenhaft allein. ... Von allen Seiten her werden die herrschenden Mächte angegriffen, alterwürdige Götzen stürzen von ihrer Höhe herab und übrig bleibt ein einziger Schutthaufen, dem widriger Verwesungsgestank entsteigt. Dieser Zusammenbruch ohnegleichen bringt endlich die Stunde der Befreiung."
Georg Lukacs nennt dies noch früher in seiner "Theorie des Romans" den Zustand der "tranzendentalen Heimatlosigkeit."
Für beide ist ist keine Frage der Wahl sondern Resultat der fortschreitenden Aufklärung.
Was Strawinsky anbelangt und die Formulierung, dass man Grenzen brauche, um Freiheit zu empfinden: Sicher, das ist der einfache Weg. Frage dabei ist, geht es um die "Empfindung" oder um die Erfahrung von Grenzen, die während des Versuchs der Freiheit probiert wird.
Denn so tabula rasa mit Äußerem gemacht werden, aus nichts wird schwerlich etwas. Das für den Anfang ...
Huflaikhan