Nicht, dass es mir wirklich egal wäre. Aber irgendwie betrifft es mich auch nicht. Die Zeit, die morgen erscheint, titelt Warum wieder er?, der Leitartikel vom klugen und nun wirklich nicht liberalismusverdächtigen Joffe ist überschrieben mit Der ungeliebte Sieger. Das einzige, was ich spannend finde, ist, dass auf einmal in der europäischen Linken die Diskussion ums alte Europa wieder aufflammt. In meiner Partei fragen die ersten an der Basis (!), ob nicht ein starkes Europa gerade bei so einem Präsidenten wichtig wäre.
Die Hysterie angesichts einer teilweise sicher grotesk anmutenden, aber doch wenigstens festen Gläubigkeit bei Bush teile ich jedenfalls nicht. In ethischen Fragen bin ich persönlich ja sogar in vielen Punkten mit ihm einig (nur nicht darin, dass das auch für alle gelten solle). Ich finde es eher schade, dass sich dieses tolle Land so an eine kleine Clique korrupter Arschlöcher ausliefert, die - anders als der liberale Teil der Finanzaristokratie - der Meinung ist, das Land sei ihr etwas schuldig.
Neben dieser bigotten Führung ist mir die andere Spielart des imperialen Verfalls, die wir in Europa außerhalb Italiens erleben weit lieber: Die Dekadenz, die ich so liebe, und die wenigstens in ihrer Lethargie großartige kulturelle Leistungen hervorzubringen in der Lage ist. Und vielleicht ist schläfrige Wertelosigkeit und Lotterheit auch die richtige Antwort auf markige Bigotterie. Unter beiden wächst ja doch im Schatten der Macht die Zivilgesellschaft heran. Noch als Projekt der Eliten, aber sicher irgendwann mit Ausstrahlung.
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