22.4.05

perverser BullBildshit

Ok, ok, wir sind Papst hatte ich für den Gipfel gehalten. Stimmt aber nicht. Denn heute macht die Bild auf mit der perversen Zeile:
Nach der Nazi-Hetze gegen unseren Papst
Ich war Hitler-Junge
Ich muß mich doch nicht schämen!

Fein mit einem affirmativen Ausrufezeichen am Ende.

Das ist ganz, ganz großer Müll.

1.
Ich werfe dem Papst nicht vor, dass er Hitler-Junge war, ich werfe es auch meinem einen Opa nicht vor, ich werfe es den alten Männern, die sich nicht entblöden, in der Bild von heute ihre gloriosen Erinnerungen an die Zeit als Hitler-Junge auszubreiten, nicht vor, dass sie in der HJ waren.
ABER:
Zu behaupten, das hätten alle gemacht oder es hätte keine Alternative gegeben, stimmt - zumindest in Großstädten - nicht. Für meine beiden Opas war es ihre weitgehend eigene Entscheidung, ob sie gingen oder nicht. Der eine ja, der andere nein. Und beide sind etwa der selbe Jahrgang wie der Papst.

2.
Menschen unter 80 kann und werde ich nicht mit persönlicher Schuld für diese Zeit und für diese Entscheidung belasten. Da sind die englischen Boulevard-Medien einfach nur bekloppt, wie immer in diesen Fragen.
ABER:
Trotzdem ist es angemessen, dass sie sich dafür schämen. Scham hat nichts mit Schuld zu tun, sondern mit dem Bedauern über eine im Nachherein falsche Entscheidung. Was müssen das für verquere Typen sein, die so etwa sagen wie das, womit Bild Helmut Denker (74) aus Hannover zitiert: "An die Ideale, die uns vorgegaukelt wurden, habe ich geglaubt. Schämen tue ich mich dafür nicht"?

3.
Wenn es nur Ganz oder Garnicht gibt. Wenn es nur möglich sein soll, entweder persönlich Schuld zu sein oder selbstgerecht. Wenn es merkwürdig wäre, Scham zu empfinden für eine Begeisterung, die ich heute als irregeleitet sehe - dann hätten wir nichts gelernt. Wer sich nicht schämt für das, was falsch war, hat auch kein Recht, stolz zu sein auf das, was er oder sie gut und richtig gemacht haben. Beides gehört zusammen. Aber wenn wir Papst sind, ist wahrscheinlich ohnehin alles egal...

4 Kommentare:

  1. >Das ist ganz, ganz großer Müll.

    Richtig, deswegen stehts ja auch in der Bild. Und warum man das lesen oder dem noch Raum widmen sollte wüsste ich wirklich nicht, auch wenns mich auch ab und zu überkommt.

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  2. Warum?
    Naja:
    - weil die Seite 1 der Bild nicht zu übersehen ist, wenn man morgens mit der U-Bahn zur Arbeit fährt.
    - weil es schon wichtig ist, welche Meinung meinen Nachbarn und Großeltern heute gebildert wird.
    - weil ich ein begeisterter Boulevard-Anhänger bin und hochbetrübt über die Entwicklung der Bild in den letzten Jahren.
    - weil so was wie heute pervers und gefährlich ist und ich nicht bereit bin, darüber meinen Mund zu halten.

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  3. Grundsätzlich teile ich Deine Kritik. Eine Frage die ich mir sehr oft stelle ist, ob eine Kritik an diesem Blatt was erreichen kann, wenn sie von der Zielgruppe eh nicht gelesen wird.

    Ich würde mal erwarten, die LeserInnen dieser Zeitung wissen genau was sie sich antun, und haben sich eben für eine seltsame Mischung aus Propaganda, Boulevard und Hetze statt für zumindest den Versuch der Information entschieden. Damit liegt in meinen Augen ein nicht unerheblicher Teil der Verantwortung beim Konsumenten, der sich damit ja auch entsprechend positioniert. Andererseits, wenn ich mir das so konkret weiterdenke, dann sitz ich in der Tat irgendwann einfach nur noch im Elfenbeinturm ;-)

    Ich ärgere mich auch regelmässig über deren Schlagzeilen. Aber noch mehr ärgere ich mich über die Käufer, die das entweder tatsächlich für "Nachrichten" halten, oder aber vielleicht gar keine Nachrichten wollen, sondern stattdessen genau das, was sie dort auch kriegen.

    Fragen über Fragen..

    Ich weiss noch nichtmal, ob dieses Blatt das Problem ist, oder seine Käufer. Das wären dann aber weiteste Teile unserer Gesellschaft. Vielleicht bin ich aber auch zu verbissen gegenüber Boulevard im Allgemeinen, ich hab da wenig Zugang zu. Glaub ich zumindest *g*

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  4. btw: Fein, wenn meine Partei mir zustimmt. Heute kurz nach 16 Uhr hat sie jedenfalls diese Pressemitteilung rausgegeben:

    ZITAT
    Zur Diskussion um die Mitgliedschaft von Papst Benedikt XIV. erklärt Omid Nouripour, Mitglied es Bundesvorstands von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

    "Die Vorwürfe aus der britischen Presse gegen Benedikt XVI. sind absurd. Das Leben eines 78-jährigen auf seine Kindheit zu reduzieren, ist genauso falsch, wie die Nationalität des Papstes zu instrumentalisieren.

    Der Versuch jedoch, den Angriffen der britischen Presse mit Äußerungen von ehemaligen Hitler-Jungen zu begegnen, weist zwei gefährliche Argumentationsmuster auf:

    Erstens: Die Gleichsetzung von Scham und Schuld ist fatal. Niemand sollte die Mitglieder der Hitler-Jugend pauschal für Schuldige des Dritten Reiches erklären. Zumal die Mitgliedschaft gemäß dem "Gesetz über die Hitlerjugend" (Seit dem 1. Dezember 1936) und durch die "Jugenddienstpflicht" (25. März 1939) nicht mehr freiwillig war. Der Unterschied zwischen Schuld und Scham allerdings besteht darin, dass man sich für unwissentlich begangene Fehler schämt und die öffentliche Wertschätzung als höchstes Gut definiert, während Schuld die Pflicht des Menschen nach Sühnung in den Vordergrund stellt.

    Zweitens: Es wird in manchen Äußerungen der Eindruck erweckt, die Hitler-Jugend sei eine normale Jugend-Organisation gewesen. Dieser Eindruck ist fatal und verharmlost die totalitäre Ideologie hinter der Organisation.

    Auch Medien sollten darauf achten, nicht unbewusst Steigbügelhalter für Geschichtsrevisionisten vom rechten Rand zu werden. Hier ist größere Vorsicht geboten."

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