26.9.13

Wir leben gern. Überlegungen für neue Grüne.

Was ich mich immer noch frage, ist, wie es eigentlich passieren konnte, dass die politischen Gegnerinnen die Geschichte erzählen konnten (und ihnen das jemand aus gutem Grund glaubte), dass die Grünen die Dagegen-Partei seien und immer mehr Verbote und Gesetze fordern. Lange habe ich das nicht Ernst genommen, denn ich fand es absurd. Es entsprach so gar nicht meinem Erleben von Grün.

Obwohl ich in einem grünen Milieu aufgewachsen bin, habe ich die Grünen zuerst aus der Entfernung betrachtet. Denn ich war als Marxist in die SPD eingetreten. Während wir über die Verstaatlichung der Banken sprachen, haben die Grünen gefeiert und Sonnenblumen in den Bundestag getragen. Wir wollten die Welt mit Gewalt und Gesetzen verändern. Die Grünen mit Lebensfreude und einem anderen Leben. Theologisch gesprochen standen sie immer für die Fülle des Lebens, für ein neues Leben im alten.

Dann kam Bündnis 90 dazu. Ganz anders sozialisiert. Mit nur einer Klammer, die beide Gruppen hatten: ihren jeweiligen Kirchenflügel. Fast alle meine Freundinnen aus der kirchlichen Friedens- und Eine-Welt-Bewegung waren Grüne. Oder wählten sie und ihre Vorläufer seit Ende der 70er. Und das Bündnis 90 brachte ein weiteres Erbe mit ein in die gesamtdeutsche Partei: den unbedingten Wunsch nach Freiheit. Die große Skepsis gegenüber allen, die uns vorschreiben wollen, wie wir leben sollen. Das zog mich an. Das ließ mich grün wählen, als ich noch in der SPD war. So ging es vielen Weggefährtinnen damals, bis heute kenne ich Leute, die sogar Funktionen in Kreisverbänden der SPD haben, die häufiger grün als rot wählen. Als niemand von den Linken in der SPD gegen Schröder um den Bundesvorsitz der Partei kandidierte, bin ich zum zweiten Mal ausgetreten. Und nach dem Himmelfahrtsparteitag und dem Jugoslawienbeschluss bei den Grünen eingetreten. Obwohl ich gegen diesen Beschluss war. Weil ich die BDK im Fernsehen verfolgte und beeindruckt war von Niveau und Ernst der Diskussion. Von der Freiheit, die diese Partei atmete.

Nur was ist dann passiert? Und warum haben wir es nicht gemerkt? Wie konnte aus einer Partei der Lebensfreude, des Feierns, des Strickens, einer Partei, zu deren Veranstaltungen Eltern ihre Kinder mitbrachten, auf denen sie Tipps für gutes Leben austauschten – wie konnte aus so einer Partei eine werden, die hinter einem sauertöpfischen, ungeduldigen Intellektuellen herlief und es duldete, dass er die Steuerpolitik in den Mittelpunkt des Wahlkampfes stellte?

Oder anders gesagt: Der Unterschied zwischen Robert Habeck und Jürgen Trittin ist ja schon deutlich, oder? Hier in Hamburg zwischen Anna Gallina und Katja Husen einerseits und Christa Goetsch andererseits. Im zurückgetretenen Bundesvorstand zwischen Malte Spitz und Cem Özdemir.

Mir geht es nicht um Personen, aber Personen machen den Narrativ, die Geschichte, die wir und andere erzählen (können). Die Grünen standen in den Zeiten, in denen sie junge Leute erreichten und sehr weit ins sogenannte bürgerliche Milieu ausstrahlten, eher für ein Lebensgefühl als für eine konkrete Politik. Das ging, solange sie keine Politik gestalten mussten oder durften. Und führte die Generation vor meiner in die realpolitische Sackgasse, aus der herauszufinden sie nicht die Kraft oder Weitsicht hatte. Und das unabhängig von dem, was früher einmal die Flügel waren.
(Kleine Randnotiz: Darum ist auch die Flügeldebatte nach der Wahlniederlage so absurd. Außer dem ehemaligen „Realoflügel“ der Grünen würde wohl niemand ernsthaft auf die Idee kommen, Trittin als „Linken“ zu bezeichnen.)

Genug Rückblick. Wie kann es weiter gehen?

Die Grünen sind in einer einmaligen Situation. Wir haben erkannt, dass tatsächlich irre viel schief gelaufen ist. Wir haben bei einem Teil der Generation, die uns in die Regierungsverantwortung in den Ländern und im Bund geführt hatte, die Einsicht, dass der Neuaufbau und die neue Erzählung andere als sie braucht. Sie haben unser Land zum besseren verändert. Sie haben ihre Mission erfüllt und sie werden mir immer in Erinnerung bleiben als die, die das gesellschaftliche Klima und vieles an realer, politisch gestalteter Lebenswirklichkeit geschaffen haben, was heute besser ist als in den 80er Jahren. Dafür sage ich danke. Und meine das auch so.

Und wir sind in der einmaligen Situation, dass sich die Partei, die mit uns am schärfsten um gut situierte Menschen mit Lebensfreude konkurrierte, über die letzten zehn Jahre so demontiert hat, dass selbst ein sympathischer und brillanter Intellektueller wie Christian Lindner sie nicht so schnell wird wiederbeleben können. Erinnert ihr euch noch, dass für die meisten von uns seit etwa 2000 die FDP der eigentliche „Gegner“ war? Und das stimmte ja auch. Anders als unsere Mitglieder kamen sehr viele unserer Wählerinnen aus den Milieus und Schichten, die in den 70ern FDP gewählt hätten und hatten. Und es ist auch kein Zufall, dass wir besonders stark wurden in dem Bundesland, in dem die FDP ihre besten Wurzeln hat. Baden war seit Mitte des 19. Jahrhunderts die deutsche Hochburg des weltoffenen, bürgerlichen Liberalismus. Und nicht umsonst wurde der liberale Aufbruch in Freiburg beschlossen.

Menschen mit Lebensfreude haben sich lange zwischen uns und der FDP entschieden. Während die FDP mehr und mehr die Hedonistinnen anzog, waren wir für Menschen attraktiv, die Lebensfreue damit verbanden, ein gutes Leben auch für andere zu wollen. Der Unterschied zwischen Egoismus und Freiheit. Zwischen der angelsächsischen (heute oft als neoliberal bezeichneten) „Freiheit von“ und der deutschen „Freiheit zu“. Zwischen Utilitarimus und Werteethik.

Ob Grüne links sind oder zum „linken Lager“ gehören – wohin uns alle Spitzenleute und alle BDK-Delegierten für den Wahlkampf geführt haben – war eigentlich nie wichtig. Wenn Freiheit und Lebensfreude mit Verantwortungsübernahme links sind, dann sind wir links, ja. Aber wenn autoritäre Beglückungsphantasien oder eine Politik des Mitleids, wie Jakob Augstein jüngst in der „Zeit“ links definiert hat, links sind, dann sind wir nicht links.

Aufbruch wagen.

Ironischerweise verkörpert ausgerechnet Claudia Roth, die als erste Verantwortung für die Niederlage übernahm und Konsequenzen zog, obwohl sie mit Abstand am wenigsten damit zu tun hatte, in der Generation, die jetzt in die zweite Reihe treten wird, den Aufbruch und das Lebensgefühl noch am besten. Mit ihrer Biografie, mit ihrer – äh – kontroversen Wahrnehmung im Land, mit ihrem Lachen und ihrem unbändigen Freiheitswunsch.

Aus der realpolitischen (links wie nichtlinks) Sackgasse kann uns aus meiner Sicht vor allem führen, dass wir uns auf zwei Kernbereiche besinnen, auf eine Haltung und auf eine Zuversicht:
  1. Umwelt und Zukunft der Kohlenstoffwelt
    Da kommen wir her, das ist das Kernthema und der Grund unseres Engagements. Das ist die Basis unserer Lebensfreude und unserer Sorge für morgen. Dabei geht es weniger um das EEG oder die Mineralölsteuer, sondern um ein besseres Leben. Vegetarische Rezepte vor Veggieday.
  2. Freiheit und Bürgerinnenrechte
    Die FDP hat ihr bürgerrechtliches Erbe verschleudert. Wir haben es nicht aufgehoben, weil es vielen der letzten Generation so fremd war. Freiheit und Bürgerinnenrechte sind für meine Generation und die meiner jugendlichen Kinder das, was für euch der Umweltschutz war. So wie der saure Regen und die Atomkraftwerke eure Lebenswelt zu zerstören drohten (und so wie ihr auszogt, eure Lebenswelt zu retten), so bedroht die Totalisierung von Sicherheit unsere Lebenswelt. Bürgerinnenrechte sind der Umweltschutz für unseren Heimat- und Lebensraum.
An diesen beiden Kernbereichen muss sich alle messen lassen, was wir fordern und wollen und beschließen. Mehr Freiheit. Und mehr Zukunft auf diesem Planeten. Klingt trivial? Mag sein – aber kann ein neues Verbotsgesetz, ein Führerschein für Haustiere oder eine Steuererhöhung für 80% unserer Wählerinnen sich wirklich auf diese beiden Punkte zurückführen lassen, ohne in der Sackgasse zu landen?

Eine Haltung. Ja ich weiß, mein Lieblingsthema. Aber wichtiger als alles andere ist es aus meiner Sicht, dass wir aus einer gemeinsamen Haltung heraus Politik machen. Sozialromantikerinnen und Ökoterroristen (wie es ein Freund und grüner Lokalpolitiker neulich formulierte) können wir aushalten – wenn sie sich mit uns auf eine gemeinsame Haltung einigen.

Aus meiner Sicht muss dieses eine Haltung des Optimismus in Bezug auf Menschen sein. Grüne Politik wird sich von einer Politik der Linken (und auch der SPD und der CDU) immer mindestens daran unterscheiden, dass wir kein autoritäres Politikverständnis haben. Also unsere Ziele nicht mit Gesetzen durchsetzen wollen – sondern überzeugen. Etwas holzschnittartig formuliert.

Ja, wir werden auch Gesetze machen (wollen und müssen). Aber die erste Frage, die Faustregel muss sein: Geht es ohne ein Gesetz? Welches Gesetz können wir abschaffen? Was bringt mehr Freiheit?

Ich kann nachvollziehen, wie das Image der Verbots- und Regelwut entstand: Aus Ungeduld. Weil eine Generation ihre letzte Chance sah, jetzt noch mal schnell durchzusetzen, was sie als richtig empfand. Nur: das wollen die Leute nicht. Vielleicht ist das eine gute Faustregel für künftige Führungswechsel bei uns – sobald jemand ungeduldig wird, ist es Zeit, den Platz frei zu machen für jemanden, die noch einen langen Atem hat. Ihr habt es ja selbst vorgemacht mit der Atomkraft.

Und damit sind wir bei der Zuversicht. Wir sind, und das unterscheidet uns von der klassischen Linken, nicht verzagt und nicht verzweifelt. Ja, der Zustand der Freiheit und auch der Zustand des Planeten sind zum Verzweifeln, wenn wir es genau ansehen. Aber wenn wir das als Haltung kultivieren, erreichen wir die Emos. Und nur die. Wir sollten schon der Tatsache ins Auge sehen, dass es unseren Wählerinnen gut geht. Dass sie optimistisch sind. Dass ihnen aber nicht egal ist, wie es anderen, wie es der Freiheit, wie es dem Planeten geht. Das unterscheidet sie von denen, die CDU oder links wählen. Mit Jammern und dagegen-Sein erreichen wir die nicht. Mit Zuversicht und Optimismus schon. Vor allem mit dem Optimismus, dass Menschen nicht doof sind. Was wir in dem, wie wir Politik formulieren, noch allzu oft unterstellen. Oder es zumindest so aussehen lassen, als dächten wir es.

Vielleicht bin ich blauäugig, weil es mir gut geht und ich optimistisch bin. Aber wenn ich mich umgucke, sind fast alle, denen ich begegne (und die bereit sind zu wählen und dann auch uns zu wählen) auch so. Optimismus und Freiheit führen zu einem Politikansatz der Ermächtigung und der Teilhabe. Und nicht zu einem des Paternalismus und des Mitleids. Denn Mitleid ist immer peinlich. Und das Gegenteil von Solidarität (die auch immer asymmetrisch ist, aber das ist eine andere Geschichte).

23.9.13

Oh Captain My Captain

Ich habe, was sich merkwürdig anhört, nie den Werther gelesen. Und die Reifeprüfung fand ich sehr weit aus der Zeit gefallen. Für mich und für viele, mit denen in damals zu tun hatte und befreundet war, war Dead Poets Society (Der Club der toten Dichter) so etwas. Der Film zum Erwachsenwerden. Er kam in die Kinos in dem Jahr, in dem ich Abitur machte und zu studieren begann. Und er hat mich und viele andere sehr berührt und aufgewühlt. Und in einer Mischung aus Erinnerung an die Gefühlswelt damals und aus einer immer noch großartigen Geschichte und Schlussszene (die viel kürzer ist, als ich in Erinnerung hatte) wühlt mich dieser Film immer noch auf.

Es ist sicher auch kein Zufall, dass Ethan Hawke die Hauptfigur Todd spielt. Wie kaum ein anderer verkörperte er ja unsere Coupland'sche Generation X im Kino. "Meine" Figur war zwar immer mehr Overstreet, aber ich schätze, jede von uns in dieser Generation kennt alle die, die da vorkommen. Inklusive einem Cameron. Wenn ich heute den Film sehe, habe ich sie alle vor mir, mit denen ich zur Schule ging und auf den Sommerakademien war.

Überhaupt waren die der Ort, an dem diese Schule irgendwie lebendig wurde für einige von uns. Wahrscheinlich weil sie das gleiche Elitegehabe hatten. Und weil es Zeiten der Fülle und der Inspiration waren. Zeiten, in denen wir uns intellektuell angeregt wussten. Ein Ort, an dem wir, also die Unangepassten unter den Stipendiatinnen der Studienstiftung des deutschen Volkes, mit anderen Überfliegerinnen den Widerstand gegen die Spießer übten. In meinem Fall vor allem in der Sommerakademie, in der ich "In welchen Städten wollen wir leben" bei drei linken Architektur- und Städtebauprofs belegt hatte.

Auch wenn Der Club der toten Dichter in einer anderen Zeit spielte als der Gegenwart - das ist mir übrigens erst sehr viel später bewusst geworden -, war er für uns irgendwie jetzt. Die Emotionalität, das Aufgehen in der Romantik der großen Lyrik, das Ausprobieren. Es war, wie es in der späten Pubertät wahrscheinlich sein muss, eben auch eine Zeit, in der ich viel Musik schrieb (in meinem Fall moderne E-Musik, was damals was anderes hieß als heute, nämlich das, was mit klassischen Instrumenten in Konzertsälen lief. Ligeti war mein Held), Gedichte, auch ein Theaterstück. So wie die Jungs im Club der toten Dichter.

Keating verkörperte alles, was mir an Lehrerinnen wichtig war. Und auch viel von dem, wie ich bis heute Erziehen und auch Führen verstehe. Das hat mich so in seinen Bann gezogen, weil ich auf der Suche war nach eben diesem. Dem eigene Weg. Dem eigenen Denken. Dem tiefen Fühlen. Meine bis heute andauernde Liebe für Mahler und für Thomas Manns Doktor Faustus stammt aus dieser Zeit. Und meine bis heute andauernde Liebe für meine Frau.

Bis heute ist es für mich die vielleicht aufwühlendste Szene in einem Film überhaupt, wenn Todd, Ethan Hawke, auf sein Pult steigt und "Captain my Captain" sagt. Voller Angst, Zweifel, mit Tränen und trotzdem mutig.


9.9.13

Autorität und Vertrauen

Seit rund fünfzehn Jahren trage ich nun beruflich Verantwortung für andere Menschen. Und dafür, was die so tun. Was man Führungskraft nennt im allgemeinen Sprachgebrauch. Darauf wurde ich nicht vorbereitet, das meiste, was ich heute weiß und was mir hin und wieder gelingt, habe ich mir selbst erarbeiten müssen. Der Vorteil daran ist allerdings, dass ich viel ausprobieren konnte und es nach und nach dann reflektieren. Der Stil und die Haltung, die ich zu Führung entwickelt habe, liegt auch nicht jeder. Was irgendwie klar ist. Und dass ich autoritäre Führung weder für hilfreich halte noch bereit bin, regelmäßig einzusetzen, hat mir auch durchaus schon einmal den Vorwurf eingebracht, ich würde führen ohne zu führen. Mir ist wichtig, zwischen autoritär und Autorität zu unterscheiden.

Manchmal geht es dann trotzdem, dass ich einfach nur darauf hinweise, dass "oben unten sticht". Denn manchmal ist es eben so. Dann sticht oben unten. Sozusagen autoritär. Was aber nicht das gleiche ist wie Autorität. Im Gegenteil: wer zu oft autoritär ist, wird Autorität verlieren, mindestens mittelfristig. Und damit sind wir beim Thema Reiten.

Denn bei kaum etwas ist Autorität ohne autoritäres Verhalten so wichtig wie beim Reiten. Und kaum etwas hilft uns so, dies einzuüben. Weshalb ich ja auch immer wieder (und auch immer wieder ungefragt) denen empfehle, reiten zu lernen, die Menschen führen wollen.

Dabei kommt es nicht darauf an, eine gute Reiterin zu werden. Ich selbst bin auch in den vielen Jahren, die ich inzwischen reite, kein guter Reiter geworden. Sondern ein ok-er Reiter, der nicht mehr runterfällt, auch wenn das Pferd mal durchgeht oder wegspringt, der meistens schafft, dass das Pferd ihm vertraut und erkennt, wo er es hinhaben will.

Darauf kommt es ja auch bei Führung an: Dass ich nicht aus der Bahn falle, wenn mal was daneben geht. Und dass ich meinem Teams, meinen Leuten die Sicherheit gebe, dass sie wissen, was ich von ihnen erwarte. Und dass sie mir vertrauen.

Interessanterweise gelingt es mir, wenn ich das Vertrauen meines Pferdes habe, auch hin und wieder autoritär etwas durchzusetzen, es zu zwingen, etwas zu tun, was es so gar nicht will. Aber das Vertrauen, das es in mich hat, ist dabei eine conditio sine qua non. Und wird leicht erschüttert. Es passiert also das, was wir in der Krisenkommunikation "Vertrauen kapitalisieren" nennen:

Das aufgebaute Vertrauen in die Waagschale werfend, zwinge ich dem mächtigen, übermächtigen Wesen meinen Willen auf. Aber nur, wenn ich es hinterher lobe, streichele, schmuse, ihm Sicherheit gebe, es sich bei mir anlehnen lasse, gewinne ich das Vertrauen meines Pferdes zurück.

Was Reiterinnen und Reiter wissen, ist, dass sie eigentlich keine Chance hätten. Jetzt mal ganz realistisch betrachtet. Und darum gehen wir mit so viel Ernsthaftigkeit, Respekt und Liebe mit unseren Tieren um, behandeln sie als Partner. Und bieten ihnen etwas an, das sie selbst nicht
mein Pferdhaben: Selbstsicherheit und einen Plan, wo es hingehen soll. Von selbst, das wissen wir, würden sie nur fressen und weglaufen. Jetzt mal etwas holzschnittartig.

Mein Pferd aber läuft auf mich zu, wenn ich auf die Weide komme. Es legt seinen Kopf in meine Hand und lässt sich das Halfter anlegen. Weil es mir vertraut und sich mir anvertraut. Und weil es auch dann, wenn ich Zwang ausübe, am Ende nicht reingefallen ist. Das Gespenst hinter dem Busch, das es vermutet hatte, war doch nicht da, als es schließlich daran vorbei ging.

Starke Führung setzt auf Autorität und Vertrauen.

23.8.13

Es war eine schöne Zeit

Das war es wirklich. Wie die eine oder andere nachrechnen kann, war ich in den 70er Jahren Kind und in den 80er Jahren Jugendlicher. Die 70er sind gerade in der merkwürdig verrutschten Pädophilie-Debatte ähnlich verzerrt wie die 80er in der über politische Bewusstwerdung und Frauendings.

Dabei war es eine tolle Zeit, in die ich hineingeboren wurde. Und eine tolle Szene. Und manchmal denke ich wehmütig, dass ich meinen Kindern gönnen würde, einiges davon zu erleben wie ich es erlebt hatte als Kind. Auch wenn ich weiß, dass vieles von heute aus betrachtet (oder auch nur aus dem Blickwinkel von schon nur zehn Jahre Jüngeren) sehr merkwürdig und fremd anmutet.

Jede wird wohl einige besonders starke und nachhaltige Erinnerungen an Kindheit und Jugend haben, nehme ich an. Bei mir sind sie sehr geprägt von den Menschen, mit denen meine Familie befreundet war, und den Bewegungen, in denen ich aufwuchs. Beides hat mich, wie ich heute weiß, sehr geprägt. Interessanterweise kommt dieses immer mehr zu tragen, je älter ich werde.

Da ist zum einen der Feminismus der zweiten Welle der Frauenbewegung. Frauen und Männer, oft die Männer, mit denen die Frauen, die in meiner Umgebung das Thema vorantrugen, verheiratet waren und ein neues Leben ausprobierten. Eine neue Sprache. Meine eigene Familie war da eher am Rande, denn das mit dem Leben ging so nicht. Meine Mutter hasste den Beruf, in den sie ihr Vater in den 60ern gedrängt hatte - und gab den so früh es ging auf. Also als ich geboren wurde. Und während unsere Familie (Vater, Mutter, Sohn Tochter, Vater voll berufstätig, Mutter "zu Hause") äußerlich geradezu klassisch für die frühen 70er war, waren es eben Frauen wie meine Mutter und ihre Freundinnen, die sich mit der "Frauenfrage" massiv auseinandersetzten. Die den unideologischen Teil der Kinderladenbewegung prägten. Die ehrenamtlich aktiv wurden. Diese Zwischengeneration. Etwas zu jung für die 68er, vor allem aber da schon mit Verantwortung für Kinder als andere sich radikalisierten und in den Untergrund gingen. Von solchen war nur immer mal die Rede, kennengelernt habe ich keine (mehr).

Vielleicht ist es nicht ganz typisch für Menschen in meinem Alter, vielleicht, weil meine Eltern so jung waren als ich kam. Aber ich habe tatsächlich in der Familie und im Freundinnenkreis und in den Bewegungen, in die meine Eltern uns Kinder immer mitgenommen haben (Bunte Liste, Dritte-Welt-Arbeit, Anti-AKW- und Anti-Gorleben-, später die Friedensbewegung), einen Umgang und eine Sprache kennen gelernt, die anders waren als das, was ich dann erleben musste, als ich erstmals den Dunstkreis evangelische Kirche verließ. Ende der 90er. Eine Selbstverständlichkeit von - wie es damals hieß - "geschlechtergerechter Sprache" beispielsweise. Es war eine schöne Zeit, in der ich feministische Lebens- und Gesellschaftsentwürfe als den Normalzustand erlebte und kennen lernte. Die normal waren und darum nicht kämpferisch oder aggressiv. In denen ich unter dem Tisch sitzend und spielend schon früh die Diskussionen verfolgte und aufsaugte. Das ist es wohl auch, was mich heute so ungeduldig macht. Und was in den letzten Jahren zu meiner Reradikalisierung führte in diesen Fragen. Dass meine Kindheit so wirkt, als wäre sie aus der Zukunft. Wenn ich mir die jungen Leute anhöre oder die älteren, die offenbar lange unter einem Stein lebten.




Und dann auch das andere Thema. Ich nenne das ja gerne analog zum Fachbegriff, mit dem bezeichnet wird, wie wir unsere Pferde halten, "Robustkinderhaltung". An Wochenenden mit Freundinnen und Freunden und der weiteren Familie waren wir Kinder auf uns gestellt, butscherten rum, machten Feuer, kenterten mit selbstgebauten Flößen auf den Dorfteichen, waren laut, dreckig und sehr oft nackt.

Heute kommt es mir komisch vor, wenn Kinder oder gar Erwachsene nackt oder fast nackt in der Gegend rumrennen. Damals war das normal. Zumindest in unseren Szenen. Die übrigens nicht links-grün waren. Sondern kirchlich. Mit einer Faszination für Befreiungsbewegungen. Und einer Aversion gegen Uniformen. Von den Parkas wurden die Flaggen abgetrennt. Ich bin mir relativ sicher (so sicher, wie ich mir bei etwas aus der Kindheit sein kann), dass in unseren Szenen undenkbar und unakzeptabel war, was als Exzesse und Verbrechen an Kindern in der Debatte über Pädophilie in linken und liberalen Ecken in den 70ern und 80ern zu Tage kommt. Und ich habe auch kein Verständnis dafür. Zugleich ist für jüngere Menschen und ältere, die den Aufbruch in eine andere Freiheit (und das war der Kontext ja tatsächlich, in dem es dann ebenfalls - wie überall - Perverse und Verbrecher gab) nicht mitmachten, wahrscheinlich schwer zu verstehen, dass es eine Zeit gab, in der Körperlichkeit nicht sofort mit Sexualität einherging. Ein lahmer Abklatsch davon ist vielleicht heute noch, dass es in meiner Umgebung durchaus üblich ist, einander in den Arm zu nehmen. Auch Männer andere Männer und Männer Frauen - ohne dass das sexuelle oder erotische Konnotationen hat.

Natürliche Körperlichkeit ohne Pornochick. Schwer vorzustellen aus heutiger Zeit. Aber nichts, wofür sich jemand entschuldigen muss oder was ich im Nachhinein als unangenehm empfände. Für uns war es beispielsweise auch selbstverständlich, mit Mädchen zu spielen. Was für Jungs heute oft undenkbar ist, sobald sie in die Schule kommen.

Es war eine schöne Zeit, voller Freiheit und Dreck und Lärm und Langeweile und langem Aufbleiben und ohne Eltern, die sich dauernd um uns kümmerten. Und es erschreckt mich, dass es auch in dieser von mir als wunderbar erlebten Kindheit zu den gleichen Exzessen und Verbrechen kam wie in den von Repression geprägten Umgebungen. Das ist nicht zu entschuldigen und wirft einen Schatten. Macht aber die Häme und den Hass von so Spinnern Publizisten wie Christian Füller nicht erträglicher. Vielleicht hatten die einfach keine so schöne Zeit?


7.8.13

Merkels Kinder

Obwohl ich von ihm nur auf einer Sommerakademie der Studienstiftung lernen konnte und er für mich ja sozusagen fachfremd ist, gehört Werner Durth zu meinen wichtigsten Lehrerinnen. Vor allem über Kontinuitäten in Lebensläufen und so weiter habe ich viel von ihm gelernt. Andere Geschichte. Und darüber, warum Diktaturen für Architekten großartig sind. Weil sie Spielräume schaffen. Germania planen zu dürfen, war für viele der späteren Stars der 50er sehr aufregend.

"Entwickler lieben Apple", sagte einer neulich zu mir, der sich mit einer kleinen Anwendung rumschlagen musste, die auf iPhone und Android funktionieren sollte. Alles sei klar geregelt und einheitlich. Das, was ich immer "Cuba" nenne: eine Diktatur, in der die Sonne scheint. In der ich mich wohlfühlen kann, wenn ich mich hinreichend anpasse. Apple ist Cuba.

Und die Technokratie Merkel'scher Prägung hat irgendwie auch was von Cuba. Und bringt merkwürdige Kinder hervor, die sich durch einen irritierenden Technik- oder Wissenschaftspositivismus auszeichnen. Was schließlich doch noch die Kurve kriegt zur "Alternative für Deutschland", über die ich eigentlich gar nicht schreiben wollte. An deren verstörenden Plakaten ich aber vorbei laufe jeden Tag.

Was mich rund um diese Hochschulprofessoren, die eine unscharf profilierte Expertenpartei gegründet haben, die gesamte Zeit umtreibt, ist etwas Ähnliches wie bei den Piraten (ja, wilde Umleitung, löst sich gleich auf, versprochen). Als jemand, dem intellektuelle Demut auch selbst sehr fremd ist, kann ich in gewisser Weise nachvollziehen, wie jemand auf die Idee kommen kann, man müsse nur mal die richtigen, die schlauen Leute ranlassen, so richtige Expertinnen, und dann würde alles flutschen. Geht mir dauernd so.

Aber im Kern ist dies Technokratie oder Expertokratie. Und das Gegenteil von Demokratie. Ja, man kann sehr unglücklich werden angesichts von Demokratie. Ich auch, wenn ich sehe, dass die Massen mehr Angst vor einem Veggie-Day haben als vor der Abschaffung der Demokratie und Freiheit.

Das, was die "Alternative für Deutschland" mit den "Piraten" gemeinsam auszeichnet, ist doch gerade dieser Anspruch der Technokratie. Die Vorstellung, es gebe eine objektive, geradezu "naturgesetzliche" Wahrheit und einen richtigen Weg, der nur umgesetzt werden müsse. Lasst die Techniker oder die Wirtschaftswissenschaftlerinnen ran - und alles flutscht. Eine geradezu katholische Haltung, obwohl die auch schon ein bisschen von ihren naturrechtlichen Ansätzen abgerückt sind, wenn ich das richtig übersehe.

Das Interessante ist aus meiner Sicht, dass beide im Kern unpolitischen Protestparteien dabei gleichzeitig (1) die Sehnsucht vieler Menschen in meiner Umgebung nach mehr Kompetenz bedienen und (2) voll auf der Linie Merkels sind, die nahezu perfekt die Mischung aus asymmetrischer Demobilisierung und technokratisch-wissenschaftlich begründeter scheinbarer Alternativlosigkeit beherrscht.

So betrachtet sind Piraten und AfD beide "Merkels Kinder". Geprägt und politisiert von der Erfahrung unter ihrer Kanzlerinnenschaft, beide weitgehend ohne Gestaltungsanspruch, beide mit der Vorstellung, es gebe einen objektiv richtigen Weg. Also beide genau so, wie Merkel agiert und regiert. Ja, beide in unterschiedlicher Ausprägung, so unterschiedlich sogar, dass es schwer fällt, sie auch nur gemeinsam zu nennen - aber ich finde die Gemeinsamkeiten verblüffend. Zumal sie noch etwas gemeinsam haben: Ich finde es schwer erträglich, wie sie die Technokratie oder Expertokratie der Demokratie vorziehen. Und ich finde sie gleich unwählbar.

Eine Vorliebe für Cuba ist keine Frage des Alters. Und Pubertät auch nicht.

6.8.13

Ein neuer Baum

Nachdem einige von uns so langsam wieder aus der Schockstarre aufwachen und zornig werden, ich selbst ja auch neulich mit der Frage, ob das schon der Anlass zum Widerstand sei, finde ich es an der Zeit, einmal nach vorne zu denken.

Und dabei hilft ein Blick zurück. Ich zumindest kann mich noch an Zeiten liberaler Innenminister erinnern. Gerhard Baum beispielsweise. Mit der geistig-moralischen Wende des Helmut K. hörte das auf. Es kam Zimmermann.

Nun lässt sich nicht sagen, dass Liberale (Grüne und FDP) sich in Fragen der Sicherheitshysterie mit Ruhm bekleckert hätten, lest noch mal Nicos Text dazu. Dennoch möchte ich mir nicht ausmalen müssen, was 2002ff passiert wäre, wenn Schily nicht von den alten Parteifreunden hin und wieder ausgebremst worden wäre. Oder wenn jetzt nicht die Justizministerin wäre.

Wenn der Innenminister ("Verfassungsminister") im Gleichschritt mit dem Chef der Polizeigewerkschaft ein bekennender Verfassungsfeind ("Supergrundrecht Sicherheit") ist, nutzt es auch nichts, dass der breiten Mehrheit in diesem Land das Thema Freiheitsrechte am Allerwertesten vorbei geht. Allerdings finde ich es dabei eher niedlich, wenn auf Gestapo und Stasi verwiesen wird, um anzumerken, dass wir doch besonders sensibel sein müssten. Mein Verdacht ist ja eher, dass Gestapo und Stasi aus exakt dem Grund so gut funktionierten, aus dem sich auch jetzt das Desinteresse am Aushöhlen unserer Demokratie speist. Aber das ist vielleicht noch einmal eine andere Geschichte. Die die Frage der Legitimität von Widerstand aufwirft, die ich aber nicht stellen will und werde, weil sich alles in mir dagegen sträubt.

Im September wird ein neuer Bundestag gewählt. Und Parteien, denen die Verfassung wichtig ist, werden jeweils unter 15% bleiben. Aber: es sieht alles danach aus, als ob auch die nächste Regierung von einer dieser Parteien mitgetragen werden wird. Und hier sehe ich eine Chance. Ich wünsche mir, dass sowohl die FDP als auch die Grünen für eine Koalition darauf bestehen, die nächste Innenministerin zu stellen. Dass diese Ministerin wieder vor allem für den Rechtsstaat und die Verfassung zuständig ist und nicht nur für die Polizei. So von der Haltung her.

Wäre das nicht ein Deal? Vielleicht wäre es sogar ein Rettungsprogramm für die FDP (oh Gott und das von mir) - dass sie sich festlegt auf das Innenministerium, ohne das sie in keine Koalition geht. Und bei den Grünen werde ich auch für diese Idee werben.

Was denkt ihr?

26.7.13

Das Ende der Mangelmedien

Diese Woche wird uns später als die Woche in Erinnerung bleiben, in der das Ende der Medien offensichtlich wurde, deren Modell darauf beruhte, dass Raum oder Zeit knapp und ein Mangel war. Offensichtlich auch für die, die sich bisher nicht so intensiv damit beschäftigt haben.

Erst stellt Google ein USB-Stick-großes Dingens vor. Und dann verkaufte (oder präzise: versucht zu verkaufen) Axel Springer fast alle seine Print-Titel. Letzteres mit enormem Echo in meinem mediennahen Resonanzraum und initialer Schockstarre bei fast allen Journalistinnen oder Ex-Journalistinnen in meinem Umfeld. Ersteres, so scheint mir, noch fast unter dem Radar.

Warum soll dies das Ende der alten Medien sein?
Mehr noch als den Abschied Springers von Print (dazu gleich) stellt meines Erachtens das kleine, billige Gerätchen, das an den HDMI-Anschluss des großen wohnzimmerdominierenden Bildschirms gedongelt werden kann, den größten Schritt zur Veränderung der Mediennutzung dar seit der massenweisen Einführung von Kameras, die dauernd online sind (Smartphones). Denn damit wird nun endlich für viele Menschen dieser große Bildschirm von seiner Abhängigkeit vom Zeitmangel befreit.

Lineares TV (also bewegte Bilder, die an einem vom Sender definierten Zeitpunkt übermittelt werden, we called this früher "Fernsehen". Früher, als man fett noch mit o geschrieben hat*) überlebte die letzten Jahre trotz seiner eigentlich absurden Eigenschaften vor allem deshalb, weil die allermeisten Leute nicht in der Lage waren, die Inhalte auf den zentralen Bildschirm ihrer Wohnung zu bekommen, die sie wirklich interessieren. Einige von uns experimentierten mit Apple-TV, aber eigentlich ist das doof - denn es geht nur mit Apple. Und nur mit iTunes. Und iTunes ist inzwischen doof, weil es nicht mehr wirklich mit Medienservern zusammenarbeitet und so weiter. Technikgedöns. Am Ende hat bisher nur die Bequemlichkeit ein an sich kaputtes Medienkonzept gerettet. Denn logisch ist es schon lange nicht mehr.

Wenn dieses HDMI-Dongel von Google tatsächlich kann, was sie behaupten, wäre dies der Einstieg darein, dass der große Bildschirm nicht mehr von Mangel bestimmt wird (dem herausragenden Merkmal linearen TVs - limitierte Sendezeit, limitierte Sender, limitierte DVD-Sammlung) sondern von der Fülle des prinzipiell unendlich großen Speicherraumes Internet.

Für Deutschland heißt das schon in sehr naher Zukunft (also noch dieses Jahr) aus meiner Sicht, dass die ohnehin schon gigantische Reichweite der neuen Sender, die aus dem Zusammenschluss von Künstlerinnen auf YouTube entstanden sind (Ponk, Magnolia etc), weiter explodieren - und vor allem den zentralen Bildschirm der Wohnung erobern wird. Heute schon haben diese neuen Sender eine höhere Reichweite als die klassischen TV-Sender-Familien. Und das bisher noch ohne den großen Bildschirm.

Die linearen TV-Anbieter haben sich ja darauf schon lange eingestellt, indem sie sich auf die einzige Systemstärke ihres Modells zurück besonnen haben: Dass es auf elegante Weise ermöglicht, "fern" zu "sehen". Event-Fernsehen (Livesport, Liveshows etc) sehe ich als einzige echte Chance und Nische dieser Sender.

Und was ist mit Tee?
Einen Tag später dann verabschiedet sich Springer von Print. Und behält nur die Print-Titel, die sie mehr oder weniger erfolgreich zu multimedialen Marken ausgebaut haben. Der Kaufpreis, der dem zehnfachen Gewinn dieses Bereichs entspricht, legt nahe, dass Springer Print keine zehn Jahre mehr gibt.

Nun ist Print an sich nicht tot. Im Gegenteil. Aber der Teil von Print, der sein Modell auf Mangel (an Zeit, an Papier etc) aufbaute, ist irrelevant geworden. Warum eine Auswahl alter Nachrichten auf Papier? Wofür sollen wir mittelfristig noch Zeitschriften brauchen, die durch lineares TV navigieren (siehe oben)? Was soll eine veraltete Auswahl statischer Abbildungen von Entertrainment-Inhalten, die von den Stars vor mehreren Tagen selbst via Tumblr, Instagram, Facebook und Co veröffentlicht worden sind?

Man muss Springer nicht mögen, um anzuerkennen, dass sie dort nicht dumm sind. Ich bin unsicher, ob sie erfolgreich sein können mit dem, was sie da versuchen - aber sie haben erkannt, dass sie jetzt die Reißleine ziehen müssen. Und allen anderen deutlich gemacht, dass Medien in Zukunft nicht auf dem Modell "Mangel" werden basieren können.


tl;dr
Lineares TV und Print haben weitere Sargnägel verpasst bekommen. Und Springer weiß das.


* komplett ohne einen tieferen Sinn. Ich liebe diesen Spruch, den meine Schwiegermutter von ihrer Großmutter, Pfarrfrau in Hessen, hat.

25.7.13

Freundschaft anders erleben – wie unsere Kinder sich die Onlinewelt erobern

Für die kleine Zeitschrift "Blickpunkt Pflegekinder" habe ich einen kleinen Beitrag geschrieben über Kinder, Eltern und das Internetzdingens. Und weil er, wie ich finde, ganz gut zu meinen Themen hier passt, kommt er hier ins Blog auch rein. Das Heft handelt insgesamt vom Thema Freundschaft. Und es wird herausgegeben von PFIFF, die sich um Pflegeeltern und ihre Pflegekinder kümmern. Eine Arbeit, die ich toll finde, zumal es in meiner Familie Tradition ist, Pflegekinder aufzunehmen. Am Ende des Beitrags habe ich auch den Originalaufsatz eingebunden, er kann auch bei Scribt runtergeladen werden.

***

Ob wir es wollen oder nicht – unsere Kinder sind online, spätestens wenn sie in die Schule kommen. In vielen Fällen nutzen sie auch zu Hause Computer, die im Internet sind. Wir sollten nicht vergessen: Für unsere Kinder sind Computer, die nicht online sind, „kaputt“, sie kennen gar keine Zeit mehr, in der es eine Offline-Nutzung von Programmen und Anwendungen auf PCs gab.

Spätestens wenn sie ihr erstes Smartphone haben (was rein statistisch auf mehr als die Hälfte der Kinder und Jugendlichen ab 13 Jahren zutrifft), koppelt sich ihre Onlinenutzung von der unseren ab, nutzen sie „das Internet“ anders als Erwachsene. Auch ohne Datenflatrate wird das Smartphone für immer mehr Kinder zum Tor zur Welt. Zuhause, in der Schule, bei Freundinnen und Freunden: wo immer sie Zugang zu einem WLAN haben, gehen sie mit ihren Geräten online. Und sei es zur Not mit der Spielekonsole.

Dadurch ändert sich die Mediennutzung dramatisch. Sie definiert sich für viele unserer Kinder neu und wird als Qualitätszeit empfunden. Parallel zum Fernsehen mit Freundinnen und Freunden zu chatten, ist die Norm. Gespräche, die auf dem Schulhof beginnen, werden per SMS (bei denen, die noch nicht immer online sind und also keine preiswertere Variante wie WhatsApp nutzen können) fortgesetzt und dann zu Hause als Chat in Facebook und Co intensiviert. Grob gesagt ist der Onlinezugang für Kinder und Jugendliche heute das, was für die meisten Erwachsenen der Elterngeneration das Telefon war: Der Zugang zu den anderen. Und so, wie es in den 70ern und 80ern Eltern gab, die das Telefon für ihre Kinder stark reglementiert haben, versuchen es heute auch viele Eltern mit dem Internet.

Grundsätzlich stimme ich dabei zu, dass es zu unserer Erziehungsaufgabe gehört, unsere Kinder in diesen Kommunikationsraum Internet zu begleiten und Grenzen und Leitplanken zu setzen. Ich erlebe nur leider sehr oft, dass genau dieses nicht geschieht – interessanterweise vor allem bei denen, die „dieses Internet“ eher ablehnen und mit ihm wenig bis nichts anfangen können. Das mündet oft in Verbote, die von den Kindern umgangen werden. Oder in eine fappierende Gleichgültigkeit, die ein Zeichen von Resignation ist. Ironischerweise ist der Internetzugang und die Nutzung des Internets als Raum, um mit Freundinnen und Freunden in Kontakt zu sein, in den Familien sehr viel stärker kontrolliert und reglementiert, die Facebook und YouTube offen gegenüber stehen. Wahrscheinlich, weil sie wissen, was zu tun ist – und die Kinder tatsächlich begleiten können.

Wer Kinder hat und sich nicht mit Facebook (bei den etwas älteren Kindern) und YouTube (bei allen Kindern) beschäftigt, nicht mit Minecraft oder Onlinespielen, kann sie nicht begleiten und erziehen und – um es mal sehr hart zu formulieren – versagt als Eltern in der heutigen Zeit. Wer seine Kinder damit vor der Onlinewelt beschützen will, dass sie ihnen verboten und versperrt bleibt, macht seine Kinder (bewusst oder unbewusst) zu Außenseitern. Ähnlich wie in meiner Grundschulzeit in den späten 70ern die Kinder nachmittags außen vor blieben, die noch kein Telefon hatten.

Ein Raum voller Chancen und voller Gefahren
In den Gesprächen unter Eltern dreht es sich beim Internet meistens um die Gefahren. Und diese stehen auch in den klassischen Medien im Mittelpunkt. Dass wir unsere Kinder auf diese Gefahren vorbereiten und sie zu schützen suchen, ist auch richtig und wichtig – schließlich bringen wir ihnen auch bei, nicht einfach auf die Straße zu rennen oder bei irgendwem ins Auto zu steigen. Zugleich aber erklären wir ihnen da auch die Chancen: Dass es gut ist, zur Schule zu laufen oder zu fahren, dass es richtig ist, sich den Straßenraum der Umgebung zu erobern und mit den Freundinnen und Freunden umherzustreifen – das ist unter den meisten Eltern unumstritten. Diesen Konsens auf die Onlinewelt zu übertragen, ist überfällig.

Wir wissen und haben gelernt, dass Kinder und Jugendliche, die sich sicher auf der Straße bewegen, besser vor den Gefahren des Straßenverkehrs geschützt sind. Die gleiche Erfahrung machen Eltern, die ihre Kinder die Onlinewelt erobern lassen, auch dort: Dass ihre Kinder mit den Gefahren je besser umgehen können, desto mehr sie die Chancen kennen und erleben.

Für Jugendliche ist heute Facebook (noch) einer der wichtigsten Orte, um mit ihren Freundinnen und Freunden zu sprechen, um sich selbst darzustellen, um auf Ideen zu kommen. Für Kinder und Jugendliche ist YouTube heute der wichtigste TV-Kanal mit seinen unzähligen Möglichkeiten, mir mein Programm selbst zu gestalten. Wo wir Erwachsenen zu Telefon oder zur E-Mail greifen, nutzen unsere Kinder WhatsApp und Facebook, manche auch die Chatprogramme, die zu ihrem Onlinespiel gehören. Das ist zunächst einfach einmal Fakt und weder gut noch schlecht. Schlecht wird es erst durch unsere Zuschreibung – aber wer sagt denn, dass wir auf alle Zeit Recht haben damit, dass Qualitätszeit bedeuten muss, ein Buch zu lesen? Dass es nicht auch Qualitätszeit sein kann, gemeinsam mit Freundinnen und Freunden zu blödeln (via Facebook und WhatsApp) oder komplizierte Gebäude zu errichten (in Minecraft oder League of Legend).

Nur wenn wir als Eltern die Kommunikations- und Entertainmentbedürfnisse der Kinder ernstnehmen, werden sie uns mit unseren Regeln und Grenzen ernstnehmen. Denn die müssen wir ihnen setzen.

Erlaubnisse und Grenzen
Beispielsweise erlauben wir unseren Kindern YouTube und Facebook. Aber wir setzen die Grenze bei Chatrooms wie Knuddels und Co. Wir erlauben Räume mit hoher sozialer Kontrolle – und setzen Grenzen bei Räumen, die sich der Kontrolle vollständig entziehen. Wir haben eine klare Regel für Gespräche: sie dürfen niemals den Ort verlassen, an dem sie begonnen wurden (also nicht beispielsweise auf Skype oder WhatsApp ausweichen), wenn sie die Menschen, mit denen die Kinder reden, nicht aus der Schule oder aus einem anderen Bezug kennen. Unsere Kinder wissen und lernen jeden Tag mehr darüber, dass die Profile, die sie in sozialen Netzen oder auf Skype und Co sehen, nicht echt sein müssen, dass niemand weiß, wer dahinter steckt, wenn ich die Person nicht selbst kenne.

Hier gibt es also Grenzen, ebenso wie es zeitliche Grenzen gibt. Aber diese Grenzen funktionieren nur, weil sie in ein großes Erlaubnis eingebettet sind – und weil uns interessiert, was unsere Kinder nutzen und wie sie das tun. Weil wir ihnen nicht etwas nur deshalb verbieten, weil wir es doof finden oder nicht kennen. Weil sie erlebt haben, dass wir uns stundenlang über unsere Lieblingsfilme auf YouTube unterhalten können. Wir zeigen ihnen unsere (teilweise aus unserer Kindheit), sie zeigen uns ihre. Ohne dass wir laut sagen, wie schlimm wir das finden, was sie lieben.

Nur so werden wir mitbekommen, wo sie sich ihre Räume für sich und ihre Freundinnen und Freunde suchen. Sei es (aktuell angesagt) SnapChat, sei es neuerdings Twitter, sei es, was immer jetzt kommen mag, wenn sie anfangen, Facebook langweilig zu finden. Nur eine Sache ändert sich nicht seit Generationen: Freundschaft hat mit Menschen zu tun und mit Nähe. Und wo die Onlinenutzung nicht pathologisch wird, hat Freundschaft auch immer damit zu tun, sich in der Kohlenstoffwelt (also dem, was nicht online ist) zu treffen. Alle Erfahrungen der letzten Jahre sprechen dafür, dass Kommunikation in sozialen Netzwerken nichts daran ändert, wie Freundschaft funktioniert. Ja, unsere Kinder nutzen das Wort anders als wir (offener, mehr wie in USA), aber das Phänomen, das wir Freundschaft nennen, kennen sie auch. Nur das Telefon nicht mehr. Und den Brief.

3.7.13

Ich bin ein romantischer Idealist

Ich weiß. Nennt mich naiv. Aber ich glaube an Demokratie. So richtig. Ich glaube auch heute noch, dass es richtig war von der SPD, den Frauen in Deutschland das Wahlrecht zu geben - obwohl die dann mehrheitlich konservativ wählten. Ist das Idealismus? Vielleicht. Ist es richtig? Ja.
Vielleicht liegt es daran, dass ich in einer Zeit aufwuchs, in der die Welt noch einfach schien und es gut und böse gab in meiner Filterblase. In der klar war, dass ein Militärputsch, sei es in Chile, in Argentinien, in Griechenland, in der Türkei und überall sonst schlecht sei. Zumal es in fast allen Fällen ja die Guten traf, die aus dem Amt geputscht wurden.

Dabei war es schon damals so, dass die Welt nicht so einfach war. Viele fanden beispielsweise den Putsch in Chile richtig, als Hilfe gegen den fortschreitenden Kommunismus. So wie heute wieder viele begeistert klatschen, wenn in Ägypten das Militär gegen einen anderen -ismus einschreitet, der durch demokratische Wahlen einen seiner Vertreter in das Präsidialamt gebracht hat. Ob es Islamismus ist? Ob Allende den Kommunismus eingeführt hat? Hängt wahrscheinlich wesentlich vom eigenen Standpunkt ab.

Wenn ich etwas in meinen Kämpfen der 80er und 90er gelernt habe, in denen ich mich unter anderem an einem Anführer einer von uns damals so empfundenen rechtsradikalen "Menschenrechts"gruppe abarbeitete, der heute sehr einflussreich ist und dauernd zwischen führenden Jobs im Journalismus und der PR hin und her wechselt (aber das ist eine andere Geschichte), dann dies: Während wir uns streiten können, ob etwas gut oder böse sei, ist eines unverhandelbar. Selbst wenn ich weiß, dass ich selbst niemals (jedenfalls kann ich mir beim besten Willen ein Szenario vorstellen, in dem es anders wäre) zu denen gehören werde, die davon tatsächlich politisch profitieren: In einer Demokratie herrscht Demokratie. Und wenn die Falschen von der Mehrheit gewählt werden, dann werde ich, wie bisher, protestieren. Und ich werde mich an der einen oder anderen Stelle verweigern. Aber - anders als ich persönlich noch in den frühen 90ern*: Ich werde nicht nach dem Militär rufen, dass sie mich in einer Revolution unterstützen.

Tatsächlich bin ich sehr unsicher, was die Situation in Ägypten oder der Türkei heute angeht (heute, am Tag des Militärputsches in Ägypten gegen den gewählten islamistischen Präsidenten). Ich fühle mich inhaltlich und politisch und menschlich und intellektuell den urbanen Prostestgruppen verbunden. Aber ich weiß auch, dass sie nicht die Mehrheit der Menschen in diesen Ländern darstellen. Herrschaft der Volkes oder Herrschaft einer urbanen, gebildeten Elite? Das antik-griechische Modell der Demokratie? Oder das neuzeitliche?

Kann es da wirklich eine Frage geben? Ist das wirklich romantisch? Oder idealistisch? Oder fehlt denen, die jetzt über einen Militärputsch jubeln, ihr Gedächtnis oder ihr (ethischer? politischer?) Kompass?

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* kleine, lustige Anekdote aus den frühen 90ern: Beim Vorbereitungstreffen zum Kirchentag habe ich als damaliger Bundesvorsitzender einer sozialistischen christlichen Vereinigung genau damit dafür argumentiert, in unserem Bereich auf dem Markt der Möglichkeiten auch Nicht-Pazifistinnen zuzulassen. Schließlich würden wir ggf. die Armee während der Revolution brauchen.

25.6.13

Terrorsprache

Seit ich das erste Mal in Victor Klemperers großartiges Büchlein LTI (Lingua Tertii Imperii) hineingelesen habe, ist mir die Ideologiekritik durch Sprache wichtig. Ich kann nicht mehr sprechen oder schreiben, ohne mir über die Konnotationen von Wörtern Gedanken zu machen. Vor etwa zwei Jahren hatte ich dazu schon mal geschrieben, damals anhand des Beispiels der neurechten Kampfbegriffe Gutmensch und Wutbürger.

Etwas, das mich immer sehr ärgert, weil es meiner Meinung nach intellektuell unredlich ist, sind Behauptungen wie "das habe ich nicht so gemeint" oder "also das ist nicht die Ecke in die ich damit gestellt werden will", wenn jemand Worte oder auch nur Wörter verwendet, die als Argumentationsersatz dienen. Weil in ihnen ein Wertesystem mitschwingt, das eine Autorin nicht "abstellen" kann, wenn sie diese Wörter verwendet. Dieses zu bestreiten, halte ich entweder für naiv. Oder für ideologisch. Perfiderweise, so meine Erfahrung, findet dieses Bestreiten (oder das Verwenden von ideologischen Argumentationsersatzwörtern) dann oft in Kontexten statt, die von sich selbst behaupten, Ideologie überwinden zu wollen.

Perfiderweise - aber nicht überraschenderweise. Denn so wie es zur klassischen deutschen Festrede rhetorisch dazu gehört, zu betonen, keine klassische deutsche Festrede zu halten, so schrillen bei mir alle Alarmglocken, wenn jemand die Behauptung aufstellt, sie wolle jetzt einmal versuchen, eine ideologische Debatte zu versachlichen o.ä. Denn das Problem an diesem - auch wieder - Argumentationsersatz ist, dass zunächst einmal bei anderen eine Ideologie behauptet wird, sie aber nicht benannt oder mit den Methoden der Ideologiekritik entlarvt wird. Was oft daran liegt, dass bei den Gegnerinnen zwar eine Ideologie behauptet wird, es aber zweifelhaft ist, ob es die wirklich gibt.

Mein Eindruck ist eher, dass  - ähnlich wie bei Kristina Schröder oder bei radikalen Christinnen - anstelle einer intellektuell anspruchsvollen Auseinandersetzung eine Gegnerin zu einem Popanz aufgebaut werden muss, um sich davon abheben zu können. Allerschönstes "Bild"-Niveau: "Klartext", "man wird ja wohl noch mal sagen dürfen" etc.

Wichtigste Kennzeichen einer solchen ideologisierten Scheinargumentation sind nach meiner Erfahrung vor allem Formulierungen wie eben dieses "man wird ja wohl noch mal sagen dürfen" oder "wer dagegen spricht, wird sofort mundtot gemacht" oder die Erwähnung von "politischer Korrektheit". Ich kann nachvollziehen, wenn jemand so in einer (mündlichen) politischen Auseinandersetzung spricht - denn es funktioniert und appelliert erfolgreich an die niederen Instinkte einer Menge rechts von der Mitte. Aber damit endet auch schon der Sinn solcher Formulierungen: mit der Selbstvergewisserung und Selbstverortung im "rechten Mainstream".
"Rechts" hier in Ermangelung eines besseren Wortes verwendet als veralteter Gattungsbegriff neoliberaler, konservativer, reaktionärer und neurechter Ansätze, die sich untereinander selbstverständlich sehr unterscheiden. Durch das Wort "Mainstream" versuche ich die Abgrenzung dieser Gattung vom Rechtsextremismus.

Wofür sie nicht taugen, ist der Diskurs. Gerade weil mir Ideologiekritik so wichtig ist, habe ich keine Lust mehr, mich mit ideologischem Argumentationsersatz zu beschäftigen. Das mag arrogant sein und dazu führen, dass ich mich aus einem Teil der Diskursversuche unserer Zeit verabschieden muss. Aber ich bin es einfach müde, seit rund 30 Jahren immer und immer wieder die gleichen Diskussionen zu führen (na, kommt das irgendwem bekannt vor? Ja, das ist das gleiche Argument, mit dem ich mich aus der Auseinandersetzung um Feminismus und Sexismus verabschiedet habe).

Vielleicht muss jede Generation erneut ihre Kämpfe führen. Aber ich bin dafür zurzeit zu müde. Und ich kenne und schätze genügend Menschen, mit denen ich leben und sprechen und (politisch) arbeiten kann, mit denen ich das nicht jedes Mal neu auskämpfen muss. Es ist für einen Christen vielleicht allzu resignativ. Aber so ist es nun mal. Ich habe genug damit zu tun, meine Kinder und die Menschen, die mir wichtig sind, zu begleiten und mit ihnen gemeinsam ein lebenswerte Welt zu gestalten.

Vielleicht ist es der Tatsache geschuldet, dass ich seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts so viele glückliche Menschen kennen lernen durfte, die irgendwann aus den ideologischen Kämpfen ausgestiegen sind und praktisch gezeigt haben, dass sie eine lebenswerte Welt gestalten können. Dass sie die Welt verändern durch Handeln und Reden. Oft sogar mehr, als es den Anschein hat. Von denen werde ich mehr erzählen. Von denen werde ich mich mehr inspirieren lassen.

Und aus jedes Diskussion mit Argumentationsersatz aussteigen. Und die Lektüre von Texten abbrechen, wenn sie in sprachlichen Anschluss an die Ideologie des rechten Mainstream suchen. Dadurch wird mir etwas entgehen, mit Sicherheit. Und ich gebe vielleicht ein bisschen auf, zumindest gebe ich einige Menschen auf. Das schmerzt mich. Aber ich kann nicht die ganze Welt bauen.