Seit rund fünfzehn Jahren trage ich nun beruflich Verantwortung für andere Menschen. Und dafür, was die so tun. Was man Führungskraft nennt im allgemeinen Sprachgebrauch. Darauf wurde ich nicht vorbereitet, das meiste, was ich heute weiß und was mir hin und wieder gelingt, habe ich mir selbst erarbeiten müssen. Der Vorteil daran ist allerdings, dass ich viel ausprobieren konnte und es nach und nach dann reflektieren. Der Stil und die Haltung, die ich zu Führung entwickelt habe, liegt auch nicht jeder. Was irgendwie klar ist. Und dass ich autoritäre Führung weder für hilfreich halte noch bereit bin, regelmäßig einzusetzen, hat mir auch durchaus schon einmal den Vorwurf eingebracht, ich würde führen ohne zu führen. Mir ist wichtig, zwischen autoritär und Autorität zu unterscheiden.
Manchmal geht es dann trotzdem, dass ich einfach nur darauf hinweise, dass "oben unten sticht". Denn manchmal ist es eben so. Dann sticht oben unten. Sozusagen autoritär. Was aber nicht das gleiche ist wie Autorität. Im Gegenteil: wer zu oft autoritär ist, wird Autorität verlieren, mindestens mittelfristig. Und damit sind wir beim Thema Reiten.
Denn bei kaum etwas ist Autorität ohne autoritäres Verhalten so wichtig wie beim Reiten. Und kaum etwas hilft uns so, dies einzuüben. Weshalb ich ja auch immer wieder (und auch immer wieder ungefragt) denen empfehle, reiten zu lernen, die Menschen führen wollen.
Dabei kommt es nicht darauf an, eine gute Reiterin zu werden. Ich selbst bin auch in den vielen Jahren, die ich inzwischen reite, kein guter Reiter geworden. Sondern ein ok-er Reiter, der nicht mehr runterfällt, auch wenn das Pferd mal durchgeht oder wegspringt, der meistens schafft, dass das Pferd ihm vertraut und erkennt, wo er es hinhaben will.
Darauf kommt es ja auch bei Führung an: Dass ich nicht aus der Bahn falle, wenn mal was daneben geht. Und dass ich meinem Teams, meinen Leuten die Sicherheit gebe, dass sie wissen, was ich von ihnen erwarte. Und dass sie mir vertrauen.
Interessanterweise gelingt es mir, wenn ich das Vertrauen meines Pferdes habe, auch hin und wieder autoritär etwas durchzusetzen, es zu zwingen, etwas zu tun, was es so gar nicht will. Aber das Vertrauen, das es in mich hat, ist dabei eine conditio sine qua non. Und wird leicht erschüttert. Es passiert also das, was wir in der Krisenkommunikation "Vertrauen kapitalisieren" nennen:
Das aufgebaute Vertrauen in die Waagschale werfend, zwinge ich dem mächtigen, übermächtigen Wesen meinen Willen auf. Aber nur, wenn ich es hinterher lobe, streichele, schmuse, ihm Sicherheit gebe, es sich bei mir anlehnen lasse, gewinne ich das Vertrauen meines Pferdes zurück.
Was Reiterinnen und Reiter wissen, ist, dass sie eigentlich keine Chance hätten. Jetzt mal ganz realistisch betrachtet. Und darum gehen wir mit so viel Ernsthaftigkeit, Respekt und Liebe mit unseren Tieren um, behandeln sie als Partner. Und bieten ihnen etwas an, das sie selbst nicht
haben: Selbstsicherheit und einen Plan, wo es hingehen soll. Von selbst, das wissen wir, würden sie nur fressen und weglaufen. Jetzt mal etwas holzschnittartig.
Mein Pferd aber läuft auf mich zu, wenn ich auf die Weide komme. Es legt seinen Kopf in meine Hand und lässt sich das Halfter anlegen. Weil es mir vertraut und sich mir anvertraut. Und weil es auch dann, wenn ich Zwang ausübe, am Ende nicht reingefallen ist. Das Gespenst hinter dem Busch, das es vermutet hatte, war doch nicht da, als es schließlich daran vorbei ging.
Starke Führung setzt auf Autorität und Vertrauen.
Ein für mich sehr interessanter Vergleich, denn beim Tauchen ist es ähnlich. Denn in dreißig Meter Tiefe brauchst Du beides. Ohne Respekt vor dem Buddy und der Umgebung braucht man gar nicht erst anfangen. Und frau hat vor allem kaum eine Chance auf verbale Verstärkung ihrer Autorität ;o>. Da muss sich Klarheit im Körper ausdrücken. Ist das nicht beim Reiten auch so?
AntwortenLöschenIm Körper und im Denken interessanterweise. Reiten ist zu einem sehr guten Teil Kopfsache.
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