Wenn man wie ich jahrelang in Verkauf und PR arbeitet, ist ethisches Verhalten immer wieder eine Herausforderung gewesen und weiterhin. Dennoch gibt es Grenzen, an denen sich - pathetisch gesprochen - so etwas wie eine Bekenntnisfrage stellt. Als Theologe habe ich auch gelernt, dass man damit zurückhaltend sein sollte und nicht alles und jedes sofort zu einer solchen Frage hochstilisieren darf (was in den Kreisen, in denen ich mich theologisch und auch politisch bewege, nicht immer akzeptiert wurde, da dort oft eine alarmistische Grundstimmung herrschte) - aber es kommen Punkte, an denen ich für mich eine klare Entscheidung fordere.
Konkret:
* Sehr ärgerlich und traurig war ich, als sich herausstellte, dass Kollegen sich nicht an unsere eigenen Ethikstandards gehalten haben. Björn fasst heute sehr gut zusammen, was ich auch empfinde.Weil ich es in der vergangenen Woche das eine oder andere Mal gefragt worden bin: Ja, ich bin auch nach dieser Sache bei Edelman richtig. Denn die Offenheit, mit der die Fehler nicht nur aufgearbeitet und korrigiert werden, sondern auch dokumentiert wird, wie wir sie für die Zukunft vermeiden wollen, finde ich sehr, sehr gut - und sie ist alles andere als selbstverständlich.
* Erleichtert bin ich, dass ich bei den Kolleginnen und Kollegen in Europa (und nicht nur bei den Onlinern) die gleiche Haltung erlebe, die ich dazu habe.
* Froh bin ich, wie nun damit bei uns weltweit umgegangen wird. Bereits in dieser Woche beginnt die Auffrischung der Ethik-Lektionen für alle Mitarbeiter. Und dass unser me2revolution-Team, also die von uns, die schon lange in dieser neuen Onlinewelt leben, die auch die anderen immer mehr für sich entdecken, - dass dieses Team also sehr viel mehr in die "normalen" Prozesse eingebunden wird, freut mich wirklich.
Wenn ich mir eines nicht leisten will und werde, dann ist das ethische Flexibilität in Punkten, die mir wichtig sind. Ich bin nicht mehr so leichtfertig damit, andere zu verdammen, wie ich das noch war, als ich die Welt in gigantischeren Schritten verändern wollte als heute. Aber ich nehme immer noch nicht hin, wenn jemand nicht zu seinen Fehlern steht und daraus lernt. Das allerdings gestehe ich jedem zu - auch Kollegen. Denn ich empfände es als bigott, ethische Perfektion zu verlangen, wo ich selbst auch fehle und falsch handele.
Einmal ins Theologische formuliert: Dass ich unterscheiden kann zwischen Sünde und Sünder - und dass ich die Sünde verurteilen kann, ohne den Sünder zu verdammen -, das ist die große Errungenschaft der Reformation, das ist einer der Kerne meines Glaubens. Es befreit mich von dem moralischen Rigorismus, den anderen Konfessionen und ihre radikalen Vertreter haben - und es befreit mich zu einer klaren, eindeutigen und verantwortlichen Haltung.
Hört sich verheißungsvoll an. Viel Glück beim Turn around ;-)
AntwortenLöschenWolfgang, das glaube ich Dir persönlich alles. Die Frage ist nur, ob man von Deiner Haltung auf das ganze Unternehmen Edelman schließen kann.
AntwortenLöschenWas ich nicht glaube ist, dass es an mangelnder Schulung liegt, wie Deine amerikanischen Kollegen gehandelt haben. Ich glaube, dass man Ethik nicht schulen kann. Wem nicht klar ist, dass Fake-Blogs nicht gehen, dem bringt man das auch nicht in Schulungen bei. Für mich ist so ein Kodex nach außen gerichtet. Damit Kunden wissen, wer man ist, wie man arbeitet. Die Mitarbeiter sollten aber in der Lage sein, auch ohne Kodex ethisch zu handeln, sonst hat man die falschen Leute beschäftigt.
Damit hast du nicht nur in der Theorie Recht, Christiane. Problematisch wird es dann aber trotzdem, wenn Naivität mit im Spiel ist. Und hier setzen wir gerade an, indem der Wissensstand über die "neuen" Arenen massiv gehoben wird.
AntwortenLöschenDas macht es nicht besser, was da passiert ist - aber mich wirklich optimistisch, dass das so nicht wieder passiert.
Ich persönlich (auch Mitarbeiterin bei Edelman Deutschland) bin froh, dass jetzt intern noch einmal das Thema Ethik in diesem Zusammenhang auf den Tisch kommt. Die meisten Kollegen sind stolz darauf bei Edelman zu arbeiten (habe vor 5 min die jährliche interne Mitarbeiter-Umfrage ausgefüllt, das hat mich wieder einmal daran erinnert). Ich will auch weiterhin stolz darauf sein. Und die Reaktion des me2Revolution Teams lässt mich glauben, das das so sein wird.
AntwortenLöschenChristiane, ich hab noch mal drüber nachgedacht - und denke inzwischen, dass du doch nicht so Recht hast, wie ich erst dachte: Auch Ethik hat mit Erfahrung zu tun. Nicht jeder hat beispielsweise am Beginn des Berufslebens schon eine klare Haltung zu vielem - die aber kann ich sehr wohl durch Schulungen und Bildungen prägen und weiter entwickeln.
AntwortenLöschenDafür gibt es viele Beispiele, die dir bestimmt auch einfallen. Und Menschen, die in Grenzsituationen kommen - wie wir es hier beispielsweise gerade erleben und auch die Kollegen im Wal Mart Fall auf ganz andere Weise gerade erleben -, verändern sich oft und sehen klarer. Das finde ich sehr spannend.
Was ich in den letzten gut zehn Jahren im Beruf und als Vater gelernt habe: Mit Rigorismus kommt man nicht so wirklich weit. Und vor allem wird man den Menschen, denen man begegnet, nicht gerecht...
Interessante Diskussion... Auch spannend, was Du zu Rigorismus schreibst. Ich würde es allerdings eher als konsequent bezeichnen: Ein Unternehmen hat eine Haltung, die es konsequent vertritt. Das macht ein Unternehmen glaubwürdig. Da müssen alle Mitarbeiter an einem Strang ziehen. Aber kann man Haltung wirklich schulen?
AntwortenLöschenMit den Erfahrungen, das finde ich einen interessanten Aspekt. Das Verhalten der Mitarbeiter ändert sich vielleicht durch die Erfahrung mit der Welle, die gerade losgetreten ist. Aber ändert das wirklich die Haltung? Ist das vielleicht nicht einfach nur vernünftig, um nicht noch mal so Schiffbruch zu erleiden. Die innere Haltung muss sich deshalb nicht ändern. Und eine Schulung würde ich keinesfalls mit Erfahrung gleichsetzen. Es gibt Führungskräfte, die können noch so viele Seminare besuchen und werden doch keine Führungskräfte. Haltung kann man nicht trainieren. Die hat man.
Fake-Blogs und Fake-Interessenverbände
AntwortenLöschenWenn hier bei Edelman alles so schön offen und transparent und ethisch zugeht, dann würde ich Dich bitten, mal ein paar Takte über Edelman und die "Ärzteinitiative Raucherhilfe e.V." und verwandte Organisationen zu erzählen, die nach meinem Eindruck Teil einer Pfizer-finanzierten Edelman-Kampagne sind, bei der weder Ross noch Reiter genannt werden. (Hintergrund bei Boocompany).
@Christiane: Da sind wir unterschiedlicher Meinung, scheint mir - ich denke schon, dass man Haltung trainieren kann und einüben muss sogar!
AntwortenLöschen(Das ist es ja auch, wa sich mit Haltungsturnen meine, btw.)
Vielleicht reden wir aneinander vorbei? Redest du mehr von einer Art "Gefühl"? Ich rede von mehr jedenfalls, was dann auch mit klaren Regeln und Positionen zusammenhängt - und das kann ich einüben, wenn ich davon überzeugt bin oder werde.
Beispiel aus dem "richtigen Leben": Es kommt immer wieder vor, dass Menschen für sich erst spät eine Haltung entwickeln, die abweicht - auch radikal abweicht - von dem, was sie zu Hause mitbekommen haben. Sicher haben du oder ich, die wir zu Hause Werte und Haltungen vermittelt bekommen haben, die bis heute tragen, einfacher. Aber auch ich brauche immer wieder Vergewisserungen und Übungen, eben Haltungsturnen ;-)
@ Hockeystick (da ich die Diskussion mit echten Menschen bevorzuge gegenüber intransparenten Pseudonymen, gibt bitte, ggf. per PM, mindestens eine Mailadresse an, wenn du an einem weiteren Gespräch Interesse hast):
AntwortenLöschenFür das neue Produkt von Pfizer, um das es auch im FTD-Artikel geht, der bei boocompany verlinkt ist, machen wir Produkt-PR. Im Rahmen dieser Arbeit wird es auch eine Kampagne geben, die Raucher auf Möglichkeiten zur Rauchentwöhnung aufmerksam machen will - aufgrund der Gesetzgebung produktneutral. Auch die "Ärztinitiative Raucherhilfe e.V." ist ein Kunde von Edelman, für den wir hin und wieder auf einzelnen Projekten arbeiten.
Für Nicorette arbeiten wir nicht (mehr).
Für die Produkt-PR greifen wir u.a. auch auf einen Experten zurück, mit dem Pfizer auch sonst zusammenarbeitet. Vereine, Selbsthilfegruppen usf. werden oft von Unternehmen unterstützt, das ist m.W. auch transparent und im Gesundheitsbereich bekannt, oder? Wie die Gruppen konkret damit umgehen, liegt leider nicht immer in unserem Einflussbereich oder dem der Unternehmen.
Also gut. Ich versuche das mal in meinen Worten zusammenzufassen.
AntwortenLöschenDie Ärzte-Initiative Raucherhilfe e.V. wurde aus eigener Initiative von Herrn Prof. K., einem Experten, mit dem Pfizer auch sonst zusammenarbeitet, einen Monat nach der Ankündigung der ersten Champix-Phase-III-Studie gegründet, während der laufenden Edelman-Pfizer-Nicorette-Kampagne. Dass es zu diesem Zeitpunkt schon eine langjährige Kundenbeziehung zwischen Pfizer und Edelman gab (u.a. Viagra, Lipitor/Sortis, Nicorette), spielte keine Rolle. Der Gründungsakt war entweder ein PR-Alleingang von Pfizer und Herrn Prof. K., oder Herr Prof. K. wollte der Menschheit rein zufällig Anfang 2005 nach 17 Jahren Cholesterinsenker-Propaganda endlich mal was richtig Gutes tun. Kurz darauf wurde er überraschend Vorsitzender der DGNF, so dass er für seine neue Berufung plötzlich sogar zwei Vehikel in der Hand hatte. Edelman war in diese Dinge nicht involviert.
Als Gastroenterologe, Ernährungs- und "Lipid-Experte" war er dennoch wie kein Zweiter dazu berufen, ein Medikament zu propagieren, dessen Wirkstoff an die Nikotin-Acetylcholin-Rezeptoren im Gehirn andockt, und wurde deshalb später von Edelman zum Hauptprotagonisten der gerade anlaufenden deutschen Edelman-Champix-Kampagne erkoren. Ein Zahnarzt war für den Job wohl gerade nicht zu haben.
Und was die Sache mit der Transparenz angeht. Bevor ich hier richtig aushole, erstmal nur eine Bemerkung: Die Parallel-Kampagne zu Acomplia von Sanofi-Aventis von Publicis-Vital-PR hat zufälligerweise (auch) eine Initiative ins Leben gerufen: "Bauchumfang ist Herzenssache". Sachen gibts. Logisch, auch mit Herrn Prof. K. Bei denen ist das aber dem Impressum zu entnehmen.
Mal was anderes: Worum drehen sich denn eigentlich so die "einzelnen Projekte", die von einem netten kleinen Verein ohne erkennbare Industrieunterstützung wie der "Ärzteinitiative Raucherhilfe e.V." (mit 30 Euro Jahresbeitrag) in den vergangenen 18 Monaten bei Edelman beauftragt wurden? Das klingt ja richtig spannend!
@Hockeystick (für die anderen: Wir haben Mails ausgetauscht, so dass hier keine vollständig anonyme Diskussion stattfindet)
AntwortenLöschenUm das Thema aus meiner Sicht abzuschließen:
Zu Deiner Zusammenfassung
1. Absatz
Zum Zeitpunkt der erwähnten Studienphase arbeitete Edelman nicht auf diesem Etat. Du fandest unsere Eigen-PR-Meldung ja auf unserer Webseite. Inklusive Datum.
Edelman arbeitete hier zu diesem Zeitpunkt auch nicht für die anderen Pfizer Pharma-Produkte Viagra, Lipitor oder Sortis. Ja, wir arbeiteten für Pfizer Consumer Healthcare - Nicorette. Dieser Unternehmensteil ist inzwischen an J&J verkauft worden. Es gibt - bis auf die Indikation Raucherentwöhnung - hier keine Gemeinsamkeiten.
Aus diesem Absatz stimmt also: "Edelman war in diese Dinge nicht involviert."
2. Absatz
Lies bitte noch einmal weiter oben: "Im Rahmen dieser Arbeit wird es auch eine Kampagne geben, die Raucher auf Möglichkeiten zur Rauchentwöhnung aufmerksam machen will - aufgrund der Gesetzgebung produktneutral." D.h.: es gibt aktuell keine "gerade anlaufende Edelman-Kampagne" zu der wir - die Agentur - jmd. als "Hauptprotagonisten erküren".
Prof. Klör gilt als Experte, und ebenso siehe oben: "Für die Produkt-PR greifen wir u.a. auch auf einen Experten zurück, mit dem Pfizer auch sonst zusammenarbeitet."
3. Absatz
Es gibt KEINE aktuelle Kampagne à la "Bauchumfang ist Herzenssache". Wir begleiten den Launch.
4. Absatz
So wie die Ärzteinitiative Raucherhilfe nicht ausschließlich von einem Unternehmen unterstützt wird, so waren und sind auch nicht nur wir die einzige PR-Agentur, die deren Öffentlichkeitsarbeit unterstützt hat. Das letzte gemeinsame Projekt im November 2005 war der PR-Support der ersten Pressekonferenz.