Auschwitz bleibt als Chiffre einer der entscheidenden Fixpunkte in der Geschichte unseres Landes. Auch und gerade in der Kulturgeschichte. Erst, als ich Ende der 80er das erste Mal in Prag war und wir Teresienstadt besuchten ("besuchten"?), wurde mir bewusst, dass ich als Kind und jüngerer Jugendlicher nie in einem KZ war - Neuengamme, sonst fester Bestandteil der antifaschistischen Erziehung in Hamburg, stand bei uns nicht auf dem Leerplan. Merkwürdig.
Für mich war das eigentlich aufwühlende Erlebnis damals übrigens der kurze Aufenthalt in Lidice, jenem Dorf, das brutalst von deutschen Einheiten (auch regulären) vernichtet wurde. Dort habe ich geheult und wirkliche Scham gespürt - auch für den Großvater, der immerhin mit uns über seine Zeit als Hitlerjunge sprach und über seine Faszination. (Anders als sein Schwager, mein Großonkel, nach dem mein Vater und auch ich benannt sind, und der als begeisterter SS-Mann schließlich am Ende "im Osten" fiel, war sein Erleben Thema. Das rechne ich ihm hoch an. Zumal er gestorben ist, bevor in den letzten Jahren die verständlichen und doch perversen Selbstmitleidsorgien meiner Großeltern-Generation einsetzten - "endlich dürfen wir mal über unser unsägliches Leid bei den Bomben auf Hamburg reden. Wird auch Zeit")
Nun hatte ich selbst das Glück, 68er als Eltern zu haben und immerhin einen Großvater, der als junger Mann bereits selbst gedacht hat und lange Haare trug. Dadurch war Auschwitz immer klar als Thema da und wir alle eindeutig dazu positioniert. Meine Zeit als Antifa-Aktivist hing auch damit zusammen (und dann war ich in den 80ern schließlich der Kontaktmensch des Juso-Kreisvorstandes zur Antifa-Arbeit und zu den Autonomen, bevor mein Interesse an dem Thema abebbte).
Sowohl im Studium als auch in der (theoretischen und praktischen) Auseinandersetzung mit Literatur und Musik stand dann Auschwitz wieder im Fokus. Obwohl heute theologisch eher konservativ, bin ich immer noch überzeugt, dass es nach Auschwitz nicht mehr möglich ist, von Gott zu sprechen wie vor Auschwitz. Das so genannte Theodizee-Problem - also die Frage, wie Gott so etwas zulassen kann, wie das schlechthin Böse in die Welt kommt - gab es schon immer. Aber billige Antworten sind seit 60 Jahren tabu. Dorothee Sölle hat mich mit ihrer radikalen Sicht auf den toten Gott und ihrer dennoch großen und tiefen Frömmigkeit da sehr geprägt. Und nicht umsonst hatte sie zwar eine Professur in den USA, wo sie auch akademisch akzeptiert ist, nicht aber in Deutschland.
Die Frage, wie nach Auschwitz Lyrik und Musik möglich ist und wie nach Auschwitz komponiert werden kann, habe ich noch während des Studiums intensiv mit Tobias Götting diskutiert, dem ich da viele Anregungen und Einsichten verdanke - klar, dass er am Wochenende in seiner Kirche einen besonderen Zugang zu dem Thema gefunden hat.
Für mich selbst ist das Thema unabgeschlossen geblieben und eine Herausforderung - gerade auch als Vater von Söhnen.
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