Kinder und Pferde machen demütig. Mich jedenfalls. Anderen wird es vielleicht mit anderem so gehen. Aber Kinder und Pferde erinnern mich immer wieder daran, wie zufällig so vieles ist, wie wenig binär, eindeutig, plan- und beherrschbar.
Manchmal frage ich mich dann, ob all die Leute, die beispielsweise technikpositivistisch sind oder technokratisch, keine Kinder haben oder keine Zeit mit ihnen verbringen. Oder woher sonst die Vorstellung kommen mag, das Leben, die Gesellschaft, das Netz, die Politik oder was auch immer durchplanen zu können. Ob es wirklich und ernsthaft Menschen geben kann, die sich nicht nur einzureden versuchen (ob aus Schwäche und Unsicherheit oder aus Kalkül), sie könnten die Zukunft vertraglich regeln oder die Funktionsweise von irgendwas mit Menschen oder der Natur mithilfe von Gesetzmäßigkeiten erklären und vorhersagen.
Witzigerweise habe ich noch nie eine Naturwissenschaftlerin getroffen, die das Konzept "Naturgesetz" für ihren Expertisebereich für existent gehalten hätte. Sondern allenfalls für eine Näherung, die so lange plausibel ist, bis sie widerlegt wird. Nur die Vulgärvariante von Wissenschaft in der Schule scheint dieses immer noch zu vertreten, wenn ich das richtig mitbekomme bei meinen Kindern.
Wildes, unbändiges Leben ist das, was wir jeden Tag erleben, erdulden, uns daran erfreuen, wenn wir mit Kindern unser Leben verbringen. Oder mit Pferden. Nur Wesen, die wir gebrochen haben, ergeben sich in die Beherrschbarkeit, auch das aber immer sozusagen auf Abruf. Denn irgendwann werden sie aufgrund ihrer seelischen oder emotionalen Deformation und eben der Tatsache, dass wir sie zerstört haben, doch wieder ausbrechen.
Menschen, die von Gesetzmäßigkeiten reden oder die Zukunft für planbar halten, sind mir suspekt. Und solche, die von "Alternativlosigkeit" faseln, machen mir Angst. Denn beide sind gefährliche Technokratinnen. Und beide können nicht mit der Gegenwart und der Zukunft umgehen. Oder haben es noch nie versucht. Und werden scheitern, wenn sie mit dem Leben konfrontiert werden.
Denn wenn du dann mit dem wilden, unbändigen Leben zu tun hast, wirst du leise und demütig. Mir geht das immer wieder so. Und wenn es gut läuft, ist es eine Demut, die mich frei zum Handeln macht. Im Sinne Luthers großem Satz aus seiner größten Schrift (de servo arbitrio) pecca fortiter sed fortius crede. Oder Karl Barths wunderbarer Übersetzung dieses Gedankens, die über meinem häuslichen Schreibtisch hängt: Die einzig mögliche Antwort auf die wirklich gewonnene Einsicht in die Vergeblichkeit alles menschlichen Werkes ist, sich frisch an die Arbeit zu machen.
29.11.13
8.11.13
Sehr allein
Die Frage der Vereinsamung in Gesellschaft ist nicht neu. Schon in meiner Jugend in den 80ern sind Menschen mitten in Großwohnsiedlungen einsam gewesen. Auch die Frage der maximalen Größe menschlicher Gruppen ist nicht neu. Beispielsweise habe ich mich in den 90ern viel mit "emerging church"-Projekten beschäftigt und der Frage, wieso und wann beispielsweise freikirchliche Gemeinden sich teilen. In der Regel, wenn mehr als fünfzig Familien oder rund 150 Menschen zusammen kamen.
Für jede Generation hat dieses Thema eine neue Relevanz und einen neuen Ort. Für diese hat Sherry Turkle dazu gearbeitet und mit Alone together auch das Buch geschrieben (das ich bisher nicht gelesen habe). Und dieser kurze Film fasst es wunderbar zusammen. Insbesondere, weil ich denke, dass es weitgehend stimmt. Womit wir im Kern wieder bei meinem Lieblingsthema rund um die so genannte Generation Y sein könnten, aber das ist dann doch irgendwie auch wieder eine andere Geschichte.
Für jede Generation hat dieses Thema eine neue Relevanz und einen neuen Ort. Für diese hat Sherry Turkle dazu gearbeitet und mit Alone together auch das Buch geschrieben (das ich bisher nicht gelesen habe). Und dieser kurze Film fasst es wunderbar zusammen. Insbesondere, weil ich denke, dass es weitgehend stimmt. Womit wir im Kern wieder bei meinem Lieblingsthema rund um die so genannte Generation Y sein könnten, aber das ist dann doch irgendwie auch wieder eine andere Geschichte.
31.10.13
Von beweglichen Lettern und der Reformation
Reformationstag. Zum 496-sten Mal sozusagen. Als Tag ein Symbol für eine der größten gesellschaftlichen Veränderungen in Europa überhaupt. Denn die Reformation war in dieser Form nur möglich, weil es kurz vorher eine Medien(technik)revolution gegeben hatte. Luther war keineswegs der erste, der den Papismus in seiner spätmittelalterlichen Ausprägung kritisierte. Er war nicht mal der erste, der den Menschen die Bibel geben wollte, die die Kirche ihnen vorenthielt. Er - und nicht nur er sondern seine Generation der Kritiker - war nur der erste, der mit Hilfe der beweglichen Lettern für den Druck die Chance hatte, seine Ideen, Fragen und Übersetzungen zu skalieren. Also zu kopieren und verfügbar zu machen.
Damit begann eine Revolution. Denn einher ging mit dieser Chance die Notwendigkeit, Menschen das Lesen beizubringen. Was hätten sie sonst mit den Büchern anfangen sollen.
Was wir lernen können, wenn wir solche Punkte wie die Reformation (und die Aufklärung, die aus den gleichen Gründen zur gleichen Zeit zusammen mit der Reformation die Neuzeit einleitete) ansehen: Dass ein Mehr an Informationen, dass die Überprüfbarkeit der Aussagen der Obrigkeit, dass die leichtere Kopierbarkeit von Inhalten zu einem Mehr an Freiheit führen kann. Auch wenn die papistische Reaktion und vierhundert Jahre später die Terrorregime in Europa die Funktionen der Medien(technik)revolution auch zur Versklavung nutzen konnten.
Aber wer in der Tradition der Reformation steht oder der Aufklärung, wird nicht anders können, als die zurzeit stattfindende Revolution zu umarmen.
Bis aus einer Revolution der Medien(technik) allerdings eine Veränderung der Gesellschaft, eine Revolution wird, dauert es. Damals mehr als zweihundert Jahre. Heute sicher auch nicht viel kürzer. Aber die Vorboten sind schon zu sehen. Mich fasziniert die Definition von Revolution, die Clay Shirky verwendet (hat) -

Gerade Am Anfang, wenn eine Medien(technik)revolution in eine gesellschaftliche Revolution übergeht, tritt ihre Janusköpfigkeit besonders hervor. Ähnlich wie bei den beweglichen Lettern ist auch die Digitalisierung von Information und Kommunikation (und damit ihre einfachere Verfügbarkeit und Kopierbarkeit) zwar etwas, das in sich strukturell zu mehr Freiheit führt. Aber so wie das gedruckte Pamphlet einfacher gegen Luther verwendet werden konnte als nur das Hörensagen, bietet die Digitalisierung der Kommunikation einen einfacheren Zugang zu ihrer Überwachung.
Das Pamphlet kam trotzdem nicht wieder aus der Welt. Und die Freiheit der Rede kann nicht einmal China vollständig unterdrücken. Noch viel weniger werden es ein vordemokratisches Regime wie Großbritannien (wo es nicht mal echte Verfassungsrechte gibt), ein Geheimdienstregime wie in den USA oder eine Regierung, deren Innenminister ein bekennender Verfassungsfeind ist, wie in Deutschland schaffen. Das macht mich optimistisch.
Der Reformationstag ist ein guter Tag, daran zu erinnern, wie Medien und Technik Freiheit bringen können und eine Revolution auslösen. Und es ist ein guter Tag, um vor Zorn über die Feinde der Freiheit aufzuschreien. Damals die Papisten. Heute die Vertreterinnen und Vertreter eines "Supergrundrechts Sicherheit". Und drittens ein guter Tag, um schrill und hysterisch zu lachen, in aller Verzweiflung, wenn diejenigen, die noch vor einem Jahr beklagten, das Internet sei ein rechtsfreier Raum, es heute zu ebendiesem zu machen versuchen. Und meine elementaren Bürgerrechte und Menschenrechte nicht einmal verteidigen wollen, unabhängig von der Frage, ob sie es können.
Die Feinde der Freiheit haben unruhige, revolutionäre Zeiten immer schon genutzt, um ihr Unterdrückungswerk unter dem Deckmantel von Ruhe und Sicherheit zu befördern. Hundert Jahre nach dem Thesenanschlag in Wittenberg führte das in einen großen europäischen Krieg. Vor fünfzig Jahren verwandelte sich zornige Ohnmacht in gewaltsame Proteste und einen Untergrund.
Jan Hus konnten sie noch verbrennen, Luthers Bibelübersetzung nicht mehr. Rudi Dutschke konnten sie noch ermorden, die Menschen auf den Plätzen der nordafrikanischen Städte nicht mehr. Chelsea (Bradley) Manning konnten sie noch internieren. Uns alle aber nicht mehr.
Wir befinden wir uns an einem Scheideweg. Und die Reformation kann dabei Ermutigung sein. Auch und gerade heute.
Damit begann eine Revolution. Denn einher ging mit dieser Chance die Notwendigkeit, Menschen das Lesen beizubringen. Was hätten sie sonst mit den Büchern anfangen sollen.
Was wir lernen können, wenn wir solche Punkte wie die Reformation (und die Aufklärung, die aus den gleichen Gründen zur gleichen Zeit zusammen mit der Reformation die Neuzeit einleitete) ansehen: Dass ein Mehr an Informationen, dass die Überprüfbarkeit der Aussagen der Obrigkeit, dass die leichtere Kopierbarkeit von Inhalten zu einem Mehr an Freiheit führen kann. Auch wenn die papistische Reaktion und vierhundert Jahre später die Terrorregime in Europa die Funktionen der Medien(technik)revolution auch zur Versklavung nutzen konnten.
Aber wer in der Tradition der Reformation steht oder der Aufklärung, wird nicht anders können, als die zurzeit stattfindende Revolution zu umarmen.
Bis aus einer Revolution der Medien(technik) allerdings eine Veränderung der Gesellschaft, eine Revolution wird, dauert es. Damals mehr als zweihundert Jahre. Heute sicher auch nicht viel kürzer. Aber die Vorboten sind schon zu sehen. Mich fasziniert die Definition von Revolution, die Clay Shirky verwendet (hat) -

Gerade Am Anfang, wenn eine Medien(technik)revolution in eine gesellschaftliche Revolution übergeht, tritt ihre Janusköpfigkeit besonders hervor. Ähnlich wie bei den beweglichen Lettern ist auch die Digitalisierung von Information und Kommunikation (und damit ihre einfachere Verfügbarkeit und Kopierbarkeit) zwar etwas, das in sich strukturell zu mehr Freiheit führt. Aber so wie das gedruckte Pamphlet einfacher gegen Luther verwendet werden konnte als nur das Hörensagen, bietet die Digitalisierung der Kommunikation einen einfacheren Zugang zu ihrer Überwachung.
Das Pamphlet kam trotzdem nicht wieder aus der Welt. Und die Freiheit der Rede kann nicht einmal China vollständig unterdrücken. Noch viel weniger werden es ein vordemokratisches Regime wie Großbritannien (wo es nicht mal echte Verfassungsrechte gibt), ein Geheimdienstregime wie in den USA oder eine Regierung, deren Innenminister ein bekennender Verfassungsfeind ist, wie in Deutschland schaffen. Das macht mich optimistisch.
Der Reformationstag ist ein guter Tag, daran zu erinnern, wie Medien und Technik Freiheit bringen können und eine Revolution auslösen. Und es ist ein guter Tag, um vor Zorn über die Feinde der Freiheit aufzuschreien. Damals die Papisten. Heute die Vertreterinnen und Vertreter eines "Supergrundrechts Sicherheit". Und drittens ein guter Tag, um schrill und hysterisch zu lachen, in aller Verzweiflung, wenn diejenigen, die noch vor einem Jahr beklagten, das Internet sei ein rechtsfreier Raum, es heute zu ebendiesem zu machen versuchen. Und meine elementaren Bürgerrechte und Menschenrechte nicht einmal verteidigen wollen, unabhängig von der Frage, ob sie es können.
Die Feinde der Freiheit haben unruhige, revolutionäre Zeiten immer schon genutzt, um ihr Unterdrückungswerk unter dem Deckmantel von Ruhe und Sicherheit zu befördern. Hundert Jahre nach dem Thesenanschlag in Wittenberg führte das in einen großen europäischen Krieg. Vor fünfzig Jahren verwandelte sich zornige Ohnmacht in gewaltsame Proteste und einen Untergrund.
Jan Hus konnten sie noch verbrennen, Luthers Bibelübersetzung nicht mehr. Rudi Dutschke konnten sie noch ermorden, die Menschen auf den Plätzen der nordafrikanischen Städte nicht mehr. Chelsea (Bradley) Manning konnten sie noch internieren. Uns alle aber nicht mehr.
Wir befinden wir uns an einem Scheideweg. Und die Reformation kann dabei Ermutigung sein. Auch und gerade heute.
22.10.13
Summum ius summa iniuria
Mich erschüttert tatsächlich, wie sehr (nicht dass, sondern der Umfang) offenbar vielen Sozialdemokratinnen in meinem Umfeld und in meiner Stadt der Kompass abhanden gekommen ist. Und wie schnell die SPD, nur zwei Jahre nach ihrer Wiederauferstehung, in die Muster zurück fällt, die (meines Erachtens zu Recht) zu ihrer Abwahl in Hamburg führten. Und wie sehr der Versuch, zur Empathie fähige Menschen, die sich für Menschenrechte einsetzen, zu kriminalisieren und für randalierende scheinpolitische Jugendliche verantwortlich zu machen, auch bei Sozis ohne Funktion in Partei und Regierung verfängt, denen ich das nicht zugetraut hätte.
Wie verzweifelt und einsam aber muss es um Sozis geworden sein, wenn mehrere ausgerechnet eine aus Klitterungen, Beschimpfungen und Vorurteilen bestehende Kolumne des Abendblatt-Autors Matthias Iken kommentarlos oder zustimmend verlinken, dessen Positionen ich schon häufiger als "neu-rechts" (die intellektuelle Variante des Rechtsaußen) empfunden habe.
Der Versuch, mithilfe technokratischer (und damit im Kern antidemokratischer, weil als "alternativlos" behaupteter) "Argumente" große Teile der Stadt zu kriminalisieren, bestürzt mich. Insbesondere da, wo ich die handelnden Menschen kenne - wie meinen Studienfreund Sieghard Wilm, Pfarrer an St. Pauli, oder den Propst Karl-Heinz Melzer, der innerhalb der evangelischen Kirche in Hamburg nun weiß Gott alles andere als links ist, im Gegenteil - ist mir unerträglich, wie Innensenator, Bürgermeister und Teile der Medien agieren.
Menschen auf St. Pauli, die so gar nicht in das von Rechten als Gutmenschentum diffamierte linksintellektuelle Milieu passen, das Iken und viele Traditionssozis so zu verabscheuen scheinen, evangelische Christinnen überall in der Stadt und politische Gruppen, die sich schon lange für eine andere Politik gegenüber Einwanderinnen einsetzen, haben schon seit Wochen das Thema der Lampedusa-Flüchtlinge getrieben. Das wird nicht falsch dadurch, dass anlässlich eines rassistischen Polizeieinsatzes (gegen den es ja offenbar auch innerhalb der Polizei Proteste gab) andere Gruppen sich an Gewalt delektieren. Diese Gewalt, die ich ablehne und für falsch halte, zu nutzen, um Menschen zu diffamieren und zu kriminalisieren, die seit langer Zeit mit hohem persönlichem Einsatz mit Flüchtlingen arbeiten, ist miese Propaganda. Das mag zu Iken passen, vielleicht auch zu Boulevardmedien wie Bild und Abendblatt, aber eigentlich nicht zu Sozialdemokratinnen.
(Überschrift aus einer Kommentarschlacht bei Facebook gezogen, dort von Johannes Pausch eingebracht. Cicero hat dieses Zitat in seinem Werk De Officiis popularisiert)
@luebue weil einem ultimatum randalierender chaoten nicht nachgegeben wurde?(Mit Nico bin ich schon lange befreundet und streite ich mich sonst eher scherzhaft. Das als disclosure.)
— Nico Lumma (@Nico) October 16, 2013
Wie verzweifelt und einsam aber muss es um Sozis geworden sein, wenn mehrere ausgerechnet eine aus Klitterungen, Beschimpfungen und Vorurteilen bestehende Kolumne des Abendblatt-Autors Matthias Iken kommentarlos oder zustimmend verlinken, dessen Positionen ich schon häufiger als "neu-rechts" (die intellektuelle Variante des Rechtsaußen) empfunden habe.
Der Versuch, mithilfe technokratischer (und damit im Kern antidemokratischer, weil als "alternativlos" behaupteter) "Argumente" große Teile der Stadt zu kriminalisieren, bestürzt mich. Insbesondere da, wo ich die handelnden Menschen kenne - wie meinen Studienfreund Sieghard Wilm, Pfarrer an St. Pauli, oder den Propst Karl-Heinz Melzer, der innerhalb der evangelischen Kirche in Hamburg nun weiß Gott alles andere als links ist, im Gegenteil - ist mir unerträglich, wie Innensenator, Bürgermeister und Teile der Medien agieren.
Menschen auf St. Pauli, die so gar nicht in das von Rechten als Gutmenschentum diffamierte linksintellektuelle Milieu passen, das Iken und viele Traditionssozis so zu verabscheuen scheinen, evangelische Christinnen überall in der Stadt und politische Gruppen, die sich schon lange für eine andere Politik gegenüber Einwanderinnen einsetzen, haben schon seit Wochen das Thema der Lampedusa-Flüchtlinge getrieben. Das wird nicht falsch dadurch, dass anlässlich eines rassistischen Polizeieinsatzes (gegen den es ja offenbar auch innerhalb der Polizei Proteste gab) andere Gruppen sich an Gewalt delektieren. Diese Gewalt, die ich ablehne und für falsch halte, zu nutzen, um Menschen zu diffamieren und zu kriminalisieren, die seit langer Zeit mit hohem persönlichem Einsatz mit Flüchtlingen arbeiten, ist miese Propaganda. Das mag zu Iken passen, vielleicht auch zu Boulevardmedien wie Bild und Abendblatt, aber eigentlich nicht zu Sozialdemokratinnen.
(Überschrift aus einer Kommentarschlacht bei Facebook gezogen, dort von Johannes Pausch eingebracht. Cicero hat dieses Zitat in seinem Werk De Officiis popularisiert)
26.9.13
Wir leben gern. Überlegungen für neue Grüne.
Was ich mich immer noch frage, ist, wie es eigentlich passieren konnte, dass die politischen Gegnerinnen die Geschichte erzählen konnten (und ihnen das jemand aus gutem Grund glaubte), dass die Grünen die Dagegen-Partei seien und immer mehr Verbote und Gesetze fordern. Lange habe ich das nicht Ernst genommen, denn ich fand es absurd. Es entsprach so gar nicht meinem Erleben von Grün.
Obwohl ich in einem grünen Milieu aufgewachsen bin, habe ich die Grünen zuerst aus der Entfernung betrachtet. Denn ich war als Marxist in die SPD eingetreten. Während wir über die Verstaatlichung der Banken sprachen, haben die Grünen gefeiert und Sonnenblumen in den Bundestag getragen. Wir wollten die Welt mit Gewalt und Gesetzen verändern. Die Grünen mit Lebensfreude und einem anderen Leben. Theologisch gesprochen standen sie immer für die Fülle des Lebens, für ein neues Leben im alten.
Dann kam Bündnis 90 dazu. Ganz anders sozialisiert. Mit nur einer Klammer, die beide Gruppen hatten: ihren jeweiligen Kirchenflügel. Fast alle meine Freundinnen aus der kirchlichen Friedens- und Eine-Welt-Bewegung waren Grüne. Oder wählten sie und ihre Vorläufer seit Ende der 70er. Und das Bündnis 90 brachte ein weiteres Erbe mit ein in die gesamtdeutsche Partei: den unbedingten Wunsch nach Freiheit. Die große Skepsis gegenüber allen, die uns vorschreiben wollen, wie wir leben sollen. Das zog mich an. Das ließ mich grün wählen, als ich noch in der SPD war. So ging es vielen Weggefährtinnen damals, bis heute kenne ich Leute, die sogar Funktionen in Kreisverbänden der SPD haben, die häufiger grün als rot wählen. Als niemand von den Linken in der SPD gegen Schröder um den Bundesvorsitz der Partei kandidierte, bin ich zum zweiten Mal ausgetreten. Und nach dem Himmelfahrtsparteitag und dem Jugoslawienbeschluss bei den Grünen eingetreten. Obwohl ich gegen diesen Beschluss war. Weil ich die BDK im Fernsehen verfolgte und beeindruckt war von Niveau und Ernst der Diskussion. Von der Freiheit, die diese Partei atmete.
Nur was ist dann passiert? Und warum haben wir es nicht gemerkt? Wie konnte aus einer Partei der Lebensfreude, des Feierns, des Strickens, einer Partei, zu deren Veranstaltungen Eltern ihre Kinder mitbrachten, auf denen sie Tipps für gutes Leben austauschten – wie konnte aus so einer Partei eine werden, die hinter einem sauertöpfischen, ungeduldigen Intellektuellen herlief und es duldete, dass er die Steuerpolitik in den Mittelpunkt des Wahlkampfes stellte?
Oder anders gesagt: Der Unterschied zwischen Robert Habeck und Jürgen Trittin ist ja schon deutlich, oder? Hier in Hamburg zwischen Anna Gallina und Katja Husen einerseits und Christa Goetsch andererseits. Im zurückgetretenen Bundesvorstand zwischen Malte Spitz und Cem Özdemir.
Mir geht es nicht um Personen, aber Personen machen den Narrativ, die Geschichte, die wir und andere erzählen (können). Die Grünen standen in den Zeiten, in denen sie junge Leute erreichten und sehr weit ins sogenannte bürgerliche Milieu ausstrahlten, eher für ein Lebensgefühl als für eine konkrete Politik. Das ging, solange sie keine Politik gestalten mussten oder durften. Und führte die Generation vor meiner in die realpolitische Sackgasse, aus der herauszufinden sie nicht die Kraft oder Weitsicht hatte. Und das unabhängig von dem, was früher einmal die Flügel waren.
(Kleine Randnotiz: Darum ist auch die Flügeldebatte nach der Wahlniederlage so absurd. Außer dem ehemaligen „Realoflügel“ der Grünen würde wohl niemand ernsthaft auf die Idee kommen, Trittin als „Linken“ zu bezeichnen.)
Genug Rückblick. Wie kann es weiter gehen?
Die Grünen sind in einer einmaligen Situation. Wir haben erkannt, dass tatsächlich irre viel schief gelaufen ist. Wir haben bei einem Teil der Generation, die uns in die Regierungsverantwortung in den Ländern und im Bund geführt hatte, die Einsicht, dass der Neuaufbau und die neue Erzählung andere als sie braucht. Sie haben unser Land zum besseren verändert. Sie haben ihre Mission erfüllt und sie werden mir immer in Erinnerung bleiben als die, die das gesellschaftliche Klima und vieles an realer, politisch gestalteter Lebenswirklichkeit geschaffen haben, was heute besser ist als in den 80er Jahren. Dafür sage ich danke. Und meine das auch so.
Und wir sind in der einmaligen Situation, dass sich die Partei, die mit uns am schärfsten um gut situierte Menschen mit Lebensfreude konkurrierte, über die letzten zehn Jahre so demontiert hat, dass selbst ein sympathischer und brillanter Intellektueller wie Christian Lindner sie nicht so schnell wird wiederbeleben können. Erinnert ihr euch noch, dass für die meisten von uns seit etwa 2000 die FDP der eigentliche „Gegner“ war? Und das stimmte ja auch. Anders als unsere Mitglieder kamen sehr viele unserer Wählerinnen aus den Milieus und Schichten, die in den 70ern FDP gewählt hätten und hatten. Und es ist auch kein Zufall, dass wir besonders stark wurden in dem Bundesland, in dem die FDP ihre besten Wurzeln hat. Baden war seit Mitte des 19. Jahrhunderts die deutsche Hochburg des weltoffenen, bürgerlichen Liberalismus. Und nicht umsonst wurde der liberale Aufbruch in Freiburg beschlossen.
Menschen mit Lebensfreude haben sich lange zwischen uns und der FDP entschieden. Während die FDP mehr und mehr die Hedonistinnen anzog, waren wir für Menschen attraktiv, die Lebensfreue damit verbanden, ein gutes Leben auch für andere zu wollen. Der Unterschied zwischen Egoismus und Freiheit. Zwischen der angelsächsischen (heute oft als neoliberal bezeichneten) „Freiheit von“ und der deutschen „Freiheit zu“. Zwischen Utilitarimus und Werteethik.
Ob Grüne links sind oder zum „linken Lager“ gehören – wohin uns alle Spitzenleute und alle BDK-Delegierten für den Wahlkampf geführt haben – war eigentlich nie wichtig. Wenn Freiheit und Lebensfreude mit Verantwortungsübernahme links sind, dann sind wir links, ja. Aber wenn autoritäre Beglückungsphantasien oder eine Politik des Mitleids, wie Jakob Augstein jüngst in der „Zeit“ links definiert hat, links sind, dann sind wir nicht links.
Aufbruch wagen.
Ironischerweise verkörpert ausgerechnet Claudia Roth, die als erste Verantwortung für die Niederlage übernahm und Konsequenzen zog, obwohl sie mit Abstand am wenigsten damit zu tun hatte, in der Generation, die jetzt in die zweite Reihe treten wird, den Aufbruch und das Lebensgefühl noch am besten. Mit ihrer Biografie, mit ihrer – äh – kontroversen Wahrnehmung im Land, mit ihrem Lachen und ihrem unbändigen Freiheitswunsch.
Aus der realpolitischen (links wie nichtlinks) Sackgasse kann uns aus meiner Sicht vor allem führen, dass wir uns auf zwei Kernbereiche besinnen, auf eine Haltung und auf eine Zuversicht:
Eine Haltung. Ja ich weiß, mein Lieblingsthema. Aber wichtiger als alles andere ist es aus meiner Sicht, dass wir aus einer gemeinsamen Haltung heraus Politik machen. Sozialromantikerinnen und Ökoterroristen (wie es ein Freund und grüner Lokalpolitiker neulich formulierte) können wir aushalten – wenn sie sich mit uns auf eine gemeinsame Haltung einigen.
Aus meiner Sicht muss dieses eine Haltung des Optimismus in Bezug auf Menschen sein. Grüne Politik wird sich von einer Politik der Linken (und auch der SPD und der CDU) immer mindestens daran unterscheiden, dass wir kein autoritäres Politikverständnis haben. Also unsere Ziele nicht mit Gesetzen durchsetzen wollen – sondern überzeugen. Etwas holzschnittartig formuliert.
Ja, wir werden auch Gesetze machen (wollen und müssen). Aber die erste Frage, die Faustregel muss sein: Geht es ohne ein Gesetz? Welches Gesetz können wir abschaffen? Was bringt mehr Freiheit?
Ich kann nachvollziehen, wie das Image der Verbots- und Regelwut entstand: Aus Ungeduld. Weil eine Generation ihre letzte Chance sah, jetzt noch mal schnell durchzusetzen, was sie als richtig empfand. Nur: das wollen die Leute nicht. Vielleicht ist das eine gute Faustregel für künftige Führungswechsel bei uns – sobald jemand ungeduldig wird, ist es Zeit, den Platz frei zu machen für jemanden, die noch einen langen Atem hat. Ihr habt es ja selbst vorgemacht mit der Atomkraft.
Und damit sind wir bei der Zuversicht. Wir sind, und das unterscheidet uns von der klassischen Linken, nicht verzagt und nicht verzweifelt. Ja, der Zustand der Freiheit und auch der Zustand des Planeten sind zum Verzweifeln, wenn wir es genau ansehen. Aber wenn wir das als Haltung kultivieren, erreichen wir die Emos. Und nur die. Wir sollten schon der Tatsache ins Auge sehen, dass es unseren Wählerinnen gut geht. Dass sie optimistisch sind. Dass ihnen aber nicht egal ist, wie es anderen, wie es der Freiheit, wie es dem Planeten geht. Das unterscheidet sie von denen, die CDU oder links wählen. Mit Jammern und dagegen-Sein erreichen wir die nicht. Mit Zuversicht und Optimismus schon. Vor allem mit dem Optimismus, dass Menschen nicht doof sind. Was wir in dem, wie wir Politik formulieren, noch allzu oft unterstellen. Oder es zumindest so aussehen lassen, als dächten wir es.
Vielleicht bin ich blauäugig, weil es mir gut geht und ich optimistisch bin. Aber wenn ich mich umgucke, sind fast alle, denen ich begegne (und die bereit sind zu wählen und dann auch uns zu wählen) auch so. Optimismus und Freiheit führen zu einem Politikansatz der Ermächtigung und der Teilhabe. Und nicht zu einem des Paternalismus und des Mitleids. Denn Mitleid ist immer peinlich. Und das Gegenteil von Solidarität (die auch immer asymmetrisch ist, aber das ist eine andere Geschichte).
Obwohl ich in einem grünen Milieu aufgewachsen bin, habe ich die Grünen zuerst aus der Entfernung betrachtet. Denn ich war als Marxist in die SPD eingetreten. Während wir über die Verstaatlichung der Banken sprachen, haben die Grünen gefeiert und Sonnenblumen in den Bundestag getragen. Wir wollten die Welt mit Gewalt und Gesetzen verändern. Die Grünen mit Lebensfreude und einem anderen Leben. Theologisch gesprochen standen sie immer für die Fülle des Lebens, für ein neues Leben im alten.
Dann kam Bündnis 90 dazu. Ganz anders sozialisiert. Mit nur einer Klammer, die beide Gruppen hatten: ihren jeweiligen Kirchenflügel. Fast alle meine Freundinnen aus der kirchlichen Friedens- und Eine-Welt-Bewegung waren Grüne. Oder wählten sie und ihre Vorläufer seit Ende der 70er. Und das Bündnis 90 brachte ein weiteres Erbe mit ein in die gesamtdeutsche Partei: den unbedingten Wunsch nach Freiheit. Die große Skepsis gegenüber allen, die uns vorschreiben wollen, wie wir leben sollen. Das zog mich an. Das ließ mich grün wählen, als ich noch in der SPD war. So ging es vielen Weggefährtinnen damals, bis heute kenne ich Leute, die sogar Funktionen in Kreisverbänden der SPD haben, die häufiger grün als rot wählen. Als niemand von den Linken in der SPD gegen Schröder um den Bundesvorsitz der Partei kandidierte, bin ich zum zweiten Mal ausgetreten. Und nach dem Himmelfahrtsparteitag und dem Jugoslawienbeschluss bei den Grünen eingetreten. Obwohl ich gegen diesen Beschluss war. Weil ich die BDK im Fernsehen verfolgte und beeindruckt war von Niveau und Ernst der Diskussion. Von der Freiheit, die diese Partei atmete.
Nur was ist dann passiert? Und warum haben wir es nicht gemerkt? Wie konnte aus einer Partei der Lebensfreude, des Feierns, des Strickens, einer Partei, zu deren Veranstaltungen Eltern ihre Kinder mitbrachten, auf denen sie Tipps für gutes Leben austauschten – wie konnte aus so einer Partei eine werden, die hinter einem sauertöpfischen, ungeduldigen Intellektuellen herlief und es duldete, dass er die Steuerpolitik in den Mittelpunkt des Wahlkampfes stellte?
Oder anders gesagt: Der Unterschied zwischen Robert Habeck und Jürgen Trittin ist ja schon deutlich, oder? Hier in Hamburg zwischen Anna Gallina und Katja Husen einerseits und Christa Goetsch andererseits. Im zurückgetretenen Bundesvorstand zwischen Malte Spitz und Cem Özdemir.
Mir geht es nicht um Personen, aber Personen machen den Narrativ, die Geschichte, die wir und andere erzählen (können). Die Grünen standen in den Zeiten, in denen sie junge Leute erreichten und sehr weit ins sogenannte bürgerliche Milieu ausstrahlten, eher für ein Lebensgefühl als für eine konkrete Politik. Das ging, solange sie keine Politik gestalten mussten oder durften. Und führte die Generation vor meiner in die realpolitische Sackgasse, aus der herauszufinden sie nicht die Kraft oder Weitsicht hatte. Und das unabhängig von dem, was früher einmal die Flügel waren.
(Kleine Randnotiz: Darum ist auch die Flügeldebatte nach der Wahlniederlage so absurd. Außer dem ehemaligen „Realoflügel“ der Grünen würde wohl niemand ernsthaft auf die Idee kommen, Trittin als „Linken“ zu bezeichnen.)
Genug Rückblick. Wie kann es weiter gehen?
Die Grünen sind in einer einmaligen Situation. Wir haben erkannt, dass tatsächlich irre viel schief gelaufen ist. Wir haben bei einem Teil der Generation, die uns in die Regierungsverantwortung in den Ländern und im Bund geführt hatte, die Einsicht, dass der Neuaufbau und die neue Erzählung andere als sie braucht. Sie haben unser Land zum besseren verändert. Sie haben ihre Mission erfüllt und sie werden mir immer in Erinnerung bleiben als die, die das gesellschaftliche Klima und vieles an realer, politisch gestalteter Lebenswirklichkeit geschaffen haben, was heute besser ist als in den 80er Jahren. Dafür sage ich danke. Und meine das auch so.
Und wir sind in der einmaligen Situation, dass sich die Partei, die mit uns am schärfsten um gut situierte Menschen mit Lebensfreude konkurrierte, über die letzten zehn Jahre so demontiert hat, dass selbst ein sympathischer und brillanter Intellektueller wie Christian Lindner sie nicht so schnell wird wiederbeleben können. Erinnert ihr euch noch, dass für die meisten von uns seit etwa 2000 die FDP der eigentliche „Gegner“ war? Und das stimmte ja auch. Anders als unsere Mitglieder kamen sehr viele unserer Wählerinnen aus den Milieus und Schichten, die in den 70ern FDP gewählt hätten und hatten. Und es ist auch kein Zufall, dass wir besonders stark wurden in dem Bundesland, in dem die FDP ihre besten Wurzeln hat. Baden war seit Mitte des 19. Jahrhunderts die deutsche Hochburg des weltoffenen, bürgerlichen Liberalismus. Und nicht umsonst wurde der liberale Aufbruch in Freiburg beschlossen.
Menschen mit Lebensfreude haben sich lange zwischen uns und der FDP entschieden. Während die FDP mehr und mehr die Hedonistinnen anzog, waren wir für Menschen attraktiv, die Lebensfreue damit verbanden, ein gutes Leben auch für andere zu wollen. Der Unterschied zwischen Egoismus und Freiheit. Zwischen der angelsächsischen (heute oft als neoliberal bezeichneten) „Freiheit von“ und der deutschen „Freiheit zu“. Zwischen Utilitarimus und Werteethik.
Ob Grüne links sind oder zum „linken Lager“ gehören – wohin uns alle Spitzenleute und alle BDK-Delegierten für den Wahlkampf geführt haben – war eigentlich nie wichtig. Wenn Freiheit und Lebensfreude mit Verantwortungsübernahme links sind, dann sind wir links, ja. Aber wenn autoritäre Beglückungsphantasien oder eine Politik des Mitleids, wie Jakob Augstein jüngst in der „Zeit“ links definiert hat, links sind, dann sind wir nicht links.
Aufbruch wagen.
Ironischerweise verkörpert ausgerechnet Claudia Roth, die als erste Verantwortung für die Niederlage übernahm und Konsequenzen zog, obwohl sie mit Abstand am wenigsten damit zu tun hatte, in der Generation, die jetzt in die zweite Reihe treten wird, den Aufbruch und das Lebensgefühl noch am besten. Mit ihrer Biografie, mit ihrer – äh – kontroversen Wahrnehmung im Land, mit ihrem Lachen und ihrem unbändigen Freiheitswunsch.
Aus der realpolitischen (links wie nichtlinks) Sackgasse kann uns aus meiner Sicht vor allem führen, dass wir uns auf zwei Kernbereiche besinnen, auf eine Haltung und auf eine Zuversicht:
- Umwelt und Zukunft der Kohlenstoffwelt
Da kommen wir her, das ist das Kernthema und der Grund unseres Engagements. Das ist die Basis unserer Lebensfreude und unserer Sorge für morgen. Dabei geht es weniger um das EEG oder die Mineralölsteuer, sondern um ein besseres Leben. Vegetarische Rezepte vor Veggieday. - Freiheit und Bürgerinnenrechte
Die FDP hat ihr bürgerrechtliches Erbe verschleudert. Wir haben es nicht aufgehoben, weil es vielen der letzten Generation so fremd war. Freiheit und Bürgerinnenrechte sind für meine Generation und die meiner jugendlichen Kinder das, was für euch der Umweltschutz war. So wie der saure Regen und die Atomkraftwerke eure Lebenswelt zu zerstören drohten (und so wie ihr auszogt, eure Lebenswelt zu retten), so bedroht die Totalisierung von Sicherheit unsere Lebenswelt. Bürgerinnenrechte sind der Umweltschutz für unseren Heimat- und Lebensraum.
Eine Haltung. Ja ich weiß, mein Lieblingsthema. Aber wichtiger als alles andere ist es aus meiner Sicht, dass wir aus einer gemeinsamen Haltung heraus Politik machen. Sozialromantikerinnen und Ökoterroristen (wie es ein Freund und grüner Lokalpolitiker neulich formulierte) können wir aushalten – wenn sie sich mit uns auf eine gemeinsame Haltung einigen.
Aus meiner Sicht muss dieses eine Haltung des Optimismus in Bezug auf Menschen sein. Grüne Politik wird sich von einer Politik der Linken (und auch der SPD und der CDU) immer mindestens daran unterscheiden, dass wir kein autoritäres Politikverständnis haben. Also unsere Ziele nicht mit Gesetzen durchsetzen wollen – sondern überzeugen. Etwas holzschnittartig formuliert.
Ja, wir werden auch Gesetze machen (wollen und müssen). Aber die erste Frage, die Faustregel muss sein: Geht es ohne ein Gesetz? Welches Gesetz können wir abschaffen? Was bringt mehr Freiheit?
Ich kann nachvollziehen, wie das Image der Verbots- und Regelwut entstand: Aus Ungeduld. Weil eine Generation ihre letzte Chance sah, jetzt noch mal schnell durchzusetzen, was sie als richtig empfand. Nur: das wollen die Leute nicht. Vielleicht ist das eine gute Faustregel für künftige Führungswechsel bei uns – sobald jemand ungeduldig wird, ist es Zeit, den Platz frei zu machen für jemanden, die noch einen langen Atem hat. Ihr habt es ja selbst vorgemacht mit der Atomkraft.
Und damit sind wir bei der Zuversicht. Wir sind, und das unterscheidet uns von der klassischen Linken, nicht verzagt und nicht verzweifelt. Ja, der Zustand der Freiheit und auch der Zustand des Planeten sind zum Verzweifeln, wenn wir es genau ansehen. Aber wenn wir das als Haltung kultivieren, erreichen wir die Emos. Und nur die. Wir sollten schon der Tatsache ins Auge sehen, dass es unseren Wählerinnen gut geht. Dass sie optimistisch sind. Dass ihnen aber nicht egal ist, wie es anderen, wie es der Freiheit, wie es dem Planeten geht. Das unterscheidet sie von denen, die CDU oder links wählen. Mit Jammern und dagegen-Sein erreichen wir die nicht. Mit Zuversicht und Optimismus schon. Vor allem mit dem Optimismus, dass Menschen nicht doof sind. Was wir in dem, wie wir Politik formulieren, noch allzu oft unterstellen. Oder es zumindest so aussehen lassen, als dächten wir es.
Vielleicht bin ich blauäugig, weil es mir gut geht und ich optimistisch bin. Aber wenn ich mich umgucke, sind fast alle, denen ich begegne (und die bereit sind zu wählen und dann auch uns zu wählen) auch so. Optimismus und Freiheit führen zu einem Politikansatz der Ermächtigung und der Teilhabe. Und nicht zu einem des Paternalismus und des Mitleids. Denn Mitleid ist immer peinlich. Und das Gegenteil von Solidarität (die auch immer asymmetrisch ist, aber das ist eine andere Geschichte).
23.9.13
Oh Captain My Captain
Ich habe, was sich merkwürdig anhört, nie den Werther gelesen. Und die Reifeprüfung fand ich sehr weit aus der Zeit gefallen. Für mich und für viele, mit denen in damals zu tun hatte und befreundet war, war Dead Poets Society (Der Club der toten Dichter) so etwas. Der Film zum Erwachsenwerden. Er kam in die Kinos in dem Jahr, in dem ich Abitur machte und zu studieren begann. Und er hat mich und viele andere sehr berührt und aufgewühlt. Und in einer Mischung aus Erinnerung an die Gefühlswelt damals und aus einer immer noch großartigen Geschichte und Schlussszene (die viel kürzer ist, als ich in Erinnerung hatte) wühlt mich dieser Film immer noch auf.
Es ist sicher auch kein Zufall, dass Ethan Hawke die Hauptfigur Todd spielt. Wie kaum ein anderer verkörperte er ja unsere Coupland'sche Generation X im Kino. "Meine" Figur war zwar immer mehr Overstreet, aber ich schätze, jede von uns in dieser Generation kennt alle die, die da vorkommen. Inklusive einem Cameron. Wenn ich heute den Film sehe, habe ich sie alle vor mir, mit denen ich zur Schule ging und auf den Sommerakademien war.
Überhaupt waren die der Ort, an dem diese Schule irgendwie lebendig wurde für einige von uns. Wahrscheinlich weil sie das gleiche Elitegehabe hatten. Und weil es Zeiten der Fülle und der Inspiration waren. Zeiten, in denen wir uns intellektuell angeregt wussten. Ein Ort, an dem wir, also die Unangepassten unter den Stipendiatinnen der Studienstiftung des deutschen Volkes, mit anderen Überfliegerinnen den Widerstand gegen die Spießer übten. In meinem Fall vor allem in der Sommerakademie, in der ich "In welchen Städten wollen wir leben" bei drei linken Architektur- und Städtebauprofs belegt hatte.
Auch wenn Der Club der toten Dichter in einer anderen Zeit spielte als der Gegenwart - das ist mir übrigens erst sehr viel später bewusst geworden -, war er für uns irgendwie jetzt. Die Emotionalität, das Aufgehen in der Romantik der großen Lyrik, das Ausprobieren. Es war, wie es in der späten Pubertät wahrscheinlich sein muss, eben auch eine Zeit, in der ich viel Musik schrieb (in meinem Fall moderne E-Musik, was damals was anderes hieß als heute, nämlich das, was mit klassischen Instrumenten in Konzertsälen lief. Ligeti war mein Held), Gedichte, auch ein Theaterstück. So wie die Jungs im Club der toten Dichter.
Keating verkörperte alles, was mir an Lehrerinnen wichtig war. Und auch viel von dem, wie ich bis heute Erziehen und auch Führen verstehe. Das hat mich so in seinen Bann gezogen, weil ich auf der Suche war nach eben diesem. Dem eigene Weg. Dem eigenen Denken. Dem tiefen Fühlen. Meine bis heute andauernde Liebe für Mahler und für Thomas Manns Doktor Faustus stammt aus dieser Zeit. Und meine bis heute andauernde Liebe für meine Frau.
Bis heute ist es für mich die vielleicht aufwühlendste Szene in einem Film überhaupt, wenn Todd, Ethan Hawke, auf sein Pult steigt und "Captain my Captain" sagt. Voller Angst, Zweifel, mit Tränen und trotzdem mutig.
@luebue But only in their dreams can men be truly free.
— Thomas Pfeiffer (@codeispoetry) September 22, 2013
Es ist sicher auch kein Zufall, dass Ethan Hawke die Hauptfigur Todd spielt. Wie kaum ein anderer verkörperte er ja unsere Coupland'sche Generation X im Kino. "Meine" Figur war zwar immer mehr Overstreet, aber ich schätze, jede von uns in dieser Generation kennt alle die, die da vorkommen. Inklusive einem Cameron. Wenn ich heute den Film sehe, habe ich sie alle vor mir, mit denen ich zur Schule ging und auf den Sommerakademien war.
Überhaupt waren die der Ort, an dem diese Schule irgendwie lebendig wurde für einige von uns. Wahrscheinlich weil sie das gleiche Elitegehabe hatten. Und weil es Zeiten der Fülle und der Inspiration waren. Zeiten, in denen wir uns intellektuell angeregt wussten. Ein Ort, an dem wir, also die Unangepassten unter den Stipendiatinnen der Studienstiftung des deutschen Volkes, mit anderen Überfliegerinnen den Widerstand gegen die Spießer übten. In meinem Fall vor allem in der Sommerakademie, in der ich "In welchen Städten wollen wir leben" bei drei linken Architektur- und Städtebauprofs belegt hatte.
Auch wenn Der Club der toten Dichter in einer anderen Zeit spielte als der Gegenwart - das ist mir übrigens erst sehr viel später bewusst geworden -, war er für uns irgendwie jetzt. Die Emotionalität, das Aufgehen in der Romantik der großen Lyrik, das Ausprobieren. Es war, wie es in der späten Pubertät wahrscheinlich sein muss, eben auch eine Zeit, in der ich viel Musik schrieb (in meinem Fall moderne E-Musik, was damals was anderes hieß als heute, nämlich das, was mit klassischen Instrumenten in Konzertsälen lief. Ligeti war mein Held), Gedichte, auch ein Theaterstück. So wie die Jungs im Club der toten Dichter.
Keating verkörperte alles, was mir an Lehrerinnen wichtig war. Und auch viel von dem, wie ich bis heute Erziehen und auch Führen verstehe. Das hat mich so in seinen Bann gezogen, weil ich auf der Suche war nach eben diesem. Dem eigene Weg. Dem eigenen Denken. Dem tiefen Fühlen. Meine bis heute andauernde Liebe für Mahler und für Thomas Manns Doktor Faustus stammt aus dieser Zeit. Und meine bis heute andauernde Liebe für meine Frau.
Bis heute ist es für mich die vielleicht aufwühlendste Szene in einem Film überhaupt, wenn Todd, Ethan Hawke, auf sein Pult steigt und "Captain my Captain" sagt. Voller Angst, Zweifel, mit Tränen und trotzdem mutig.
9.9.13
Autorität und Vertrauen
Seit rund fünfzehn Jahren trage ich nun beruflich Verantwortung für andere Menschen. Und dafür, was die so tun. Was man Führungskraft nennt im allgemeinen Sprachgebrauch. Darauf wurde ich nicht vorbereitet, das meiste, was ich heute weiß und was mir hin und wieder gelingt, habe ich mir selbst erarbeiten müssen. Der Vorteil daran ist allerdings, dass ich viel ausprobieren konnte und es nach und nach dann reflektieren. Der Stil und die Haltung, die ich zu Führung entwickelt habe, liegt auch nicht jeder. Was irgendwie klar ist. Und dass ich autoritäre Führung weder für hilfreich halte noch bereit bin, regelmäßig einzusetzen, hat mir auch durchaus schon einmal den Vorwurf eingebracht, ich würde führen ohne zu führen. Mir ist wichtig, zwischen autoritär und Autorität zu unterscheiden.
Manchmal geht es dann trotzdem, dass ich einfach nur darauf hinweise, dass "oben unten sticht". Denn manchmal ist es eben so. Dann sticht oben unten. Sozusagen autoritär. Was aber nicht das gleiche ist wie Autorität. Im Gegenteil: wer zu oft autoritär ist, wird Autorität verlieren, mindestens mittelfristig. Und damit sind wir beim Thema Reiten.
Denn bei kaum etwas ist Autorität ohne autoritäres Verhalten so wichtig wie beim Reiten. Und kaum etwas hilft uns so, dies einzuüben. Weshalb ich ja auch immer wieder (und auch immer wieder ungefragt) denen empfehle, reiten zu lernen, die Menschen führen wollen.
Dabei kommt es nicht darauf an, eine gute Reiterin zu werden. Ich selbst bin auch in den vielen Jahren, die ich inzwischen reite, kein guter Reiter geworden. Sondern ein ok-er Reiter, der nicht mehr runterfällt, auch wenn das Pferd mal durchgeht oder wegspringt, der meistens schafft, dass das Pferd ihm vertraut und erkennt, wo er es hinhaben will.
Darauf kommt es ja auch bei Führung an: Dass ich nicht aus der Bahn falle, wenn mal was daneben geht. Und dass ich meinem Teams, meinen Leuten die Sicherheit gebe, dass sie wissen, was ich von ihnen erwarte. Und dass sie mir vertrauen.
Interessanterweise gelingt es mir, wenn ich das Vertrauen meines Pferdes habe, auch hin und wieder autoritär etwas durchzusetzen, es zu zwingen, etwas zu tun, was es so gar nicht will. Aber das Vertrauen, das es in mich hat, ist dabei eine conditio sine qua non. Und wird leicht erschüttert. Es passiert also das, was wir in der Krisenkommunikation "Vertrauen kapitalisieren" nennen:
Das aufgebaute Vertrauen in die Waagschale werfend, zwinge ich dem mächtigen, übermächtigen Wesen meinen Willen auf. Aber nur, wenn ich es hinterher lobe, streichele, schmuse, ihm Sicherheit gebe, es sich bei mir anlehnen lasse, gewinne ich das Vertrauen meines Pferdes zurück.
Was Reiterinnen und Reiter wissen, ist, dass sie eigentlich keine Chance hätten. Jetzt mal ganz realistisch betrachtet. Und darum gehen wir mit so viel Ernsthaftigkeit, Respekt und Liebe mit unseren Tieren um, behandeln sie als Partner. Und bieten ihnen etwas an, das sie selbst nicht
haben: Selbstsicherheit und einen Plan, wo es hingehen soll. Von selbst, das wissen wir, würden sie nur fressen und weglaufen. Jetzt mal etwas holzschnittartig.
Mein Pferd aber läuft auf mich zu, wenn ich auf die Weide komme. Es legt seinen Kopf in meine Hand und lässt sich das Halfter anlegen. Weil es mir vertraut und sich mir anvertraut. Und weil es auch dann, wenn ich Zwang ausübe, am Ende nicht reingefallen ist. Das Gespenst hinter dem Busch, das es vermutet hatte, war doch nicht da, als es schließlich daran vorbei ging.
Starke Führung setzt auf Autorität und Vertrauen.
Manchmal geht es dann trotzdem, dass ich einfach nur darauf hinweise, dass "oben unten sticht". Denn manchmal ist es eben so. Dann sticht oben unten. Sozusagen autoritär. Was aber nicht das gleiche ist wie Autorität. Im Gegenteil: wer zu oft autoritär ist, wird Autorität verlieren, mindestens mittelfristig. Und damit sind wir beim Thema Reiten.
Denn bei kaum etwas ist Autorität ohne autoritäres Verhalten so wichtig wie beim Reiten. Und kaum etwas hilft uns so, dies einzuüben. Weshalb ich ja auch immer wieder (und auch immer wieder ungefragt) denen empfehle, reiten zu lernen, die Menschen führen wollen.
Dabei kommt es nicht darauf an, eine gute Reiterin zu werden. Ich selbst bin auch in den vielen Jahren, die ich inzwischen reite, kein guter Reiter geworden. Sondern ein ok-er Reiter, der nicht mehr runterfällt, auch wenn das Pferd mal durchgeht oder wegspringt, der meistens schafft, dass das Pferd ihm vertraut und erkennt, wo er es hinhaben will.
Darauf kommt es ja auch bei Führung an: Dass ich nicht aus der Bahn falle, wenn mal was daneben geht. Und dass ich meinem Teams, meinen Leuten die Sicherheit gebe, dass sie wissen, was ich von ihnen erwarte. Und dass sie mir vertrauen.
Interessanterweise gelingt es mir, wenn ich das Vertrauen meines Pferdes habe, auch hin und wieder autoritär etwas durchzusetzen, es zu zwingen, etwas zu tun, was es so gar nicht will. Aber das Vertrauen, das es in mich hat, ist dabei eine conditio sine qua non. Und wird leicht erschüttert. Es passiert also das, was wir in der Krisenkommunikation "Vertrauen kapitalisieren" nennen:
Das aufgebaute Vertrauen in die Waagschale werfend, zwinge ich dem mächtigen, übermächtigen Wesen meinen Willen auf. Aber nur, wenn ich es hinterher lobe, streichele, schmuse, ihm Sicherheit gebe, es sich bei mir anlehnen lasse, gewinne ich das Vertrauen meines Pferdes zurück.
Was Reiterinnen und Reiter wissen, ist, dass sie eigentlich keine Chance hätten. Jetzt mal ganz realistisch betrachtet. Und darum gehen wir mit so viel Ernsthaftigkeit, Respekt und Liebe mit unseren Tieren um, behandeln sie als Partner. Und bieten ihnen etwas an, das sie selbst nicht
Mein Pferd aber läuft auf mich zu, wenn ich auf die Weide komme. Es legt seinen Kopf in meine Hand und lässt sich das Halfter anlegen. Weil es mir vertraut und sich mir anvertraut. Und weil es auch dann, wenn ich Zwang ausübe, am Ende nicht reingefallen ist. Das Gespenst hinter dem Busch, das es vermutet hatte, war doch nicht da, als es schließlich daran vorbei ging.
Starke Führung setzt auf Autorität und Vertrauen.
23.8.13
Es war eine schöne Zeit
Das war es wirklich. Wie die eine oder andere nachrechnen kann, war ich in den 70er Jahren Kind und in den 80er Jahren Jugendlicher. Die 70er sind gerade in der merkwürdig verrutschten Pädophilie-Debatte ähnlich verzerrt wie die 80er in der über politische Bewusstwerdung und Frauendings.
Dabei war es eine tolle Zeit, in die ich hineingeboren wurde. Und eine tolle Szene. Und manchmal denke ich wehmütig, dass ich meinen Kindern gönnen würde, einiges davon zu erleben wie ich es erlebt hatte als Kind. Auch wenn ich weiß, dass vieles von heute aus betrachtet (oder auch nur aus dem Blickwinkel von schon nur zehn Jahre Jüngeren) sehr merkwürdig und fremd anmutet.
Jede wird wohl einige besonders starke und nachhaltige Erinnerungen an Kindheit und Jugend haben, nehme ich an. Bei mir sind sie sehr geprägt von den Menschen, mit denen meine Familie befreundet war, und den Bewegungen, in denen ich aufwuchs. Beides hat mich, wie ich heute weiß, sehr geprägt. Interessanterweise kommt dieses immer mehr zu tragen, je älter ich werde.
Da ist zum einen der Feminismus der zweiten Welle der Frauenbewegung. Frauen und Männer, oft die Männer, mit denen die Frauen, die in meiner Umgebung das Thema vorantrugen, verheiratet waren und ein neues Leben ausprobierten. Eine neue Sprache. Meine eigene Familie war da eher am Rande, denn das mit dem Leben ging so nicht. Meine Mutter hasste den Beruf, in den sie ihr Vater in den 60ern gedrängt hatte - und gab den so früh es ging auf. Also als ich geboren wurde. Und während unsere Familie (Vater, Mutter, Sohn Tochter, Vater voll berufstätig, Mutter "zu Hause") äußerlich geradezu klassisch für die frühen 70er war, waren es eben Frauen wie meine Mutter und ihre Freundinnen, die sich mit der "Frauenfrage" massiv auseinandersetzten. Die den unideologischen Teil der Kinderladenbewegung prägten. Die ehrenamtlich aktiv wurden. Diese Zwischengeneration. Etwas zu jung für die 68er, vor allem aber da schon mit Verantwortung für Kinder als andere sich radikalisierten und in den Untergrund gingen. Von solchen war nur immer mal die Rede, kennengelernt habe ich keine (mehr).
Vielleicht ist es nicht ganz typisch für Menschen in meinem Alter, vielleicht, weil meine Eltern so jung waren als ich kam. Aber ich habe tatsächlich in der Familie und im Freundinnenkreis und in den Bewegungen, in die meine Eltern uns Kinder immer mitgenommen haben (Bunte Liste, Dritte-Welt-Arbeit, Anti-AKW- und Anti-Gorleben-, später die Friedensbewegung), einen Umgang und eine Sprache kennen gelernt, die anders waren als das, was ich dann erleben musste, als ich erstmals den Dunstkreis evangelische Kirche verließ. Ende der 90er. Eine Selbstverständlichkeit von - wie es damals hieß - "geschlechtergerechter Sprache" beispielsweise. Es war eine schöne Zeit, in der ich feministische Lebens- und Gesellschaftsentwürfe als den Normalzustand erlebte und kennen lernte. Die normal waren und darum nicht kämpferisch oder aggressiv. In denen ich unter dem Tisch sitzend und spielend schon früh die Diskussionen verfolgte und aufsaugte. Das ist es wohl auch, was mich heute so ungeduldig macht. Und was in den letzten Jahren zu meiner Reradikalisierung führte in diesen Fragen. Dass meine Kindheit so wirkt, als wäre sie aus der Zukunft. Wenn ich mir die jungen Leute anhöre oder die älteren, die offenbar lange unter einem Stein lebten.
Und dann auch das andere Thema. Ich nenne das ja gerne analog zum Fachbegriff, mit dem bezeichnet wird, wie wir unsere Pferde halten, "Robustkinderhaltung". An Wochenenden mit Freundinnen und Freunden und der weiteren Familie waren wir Kinder auf uns gestellt, butscherten rum, machten Feuer, kenterten mit selbstgebauten Flößen auf den Dorfteichen, waren laut, dreckig und sehr oft nackt.
Heute kommt es mir komisch vor, wenn Kinder oder gar Erwachsene nackt oder fast nackt in der Gegend rumrennen. Damals war das normal. Zumindest in unseren Szenen. Die übrigens nicht links-grün waren. Sondern kirchlich. Mit einer Faszination für Befreiungsbewegungen. Und einer Aversion gegen Uniformen. Von den Parkas wurden die Flaggen abgetrennt. Ich bin mir relativ sicher (so sicher, wie ich mir bei etwas aus der Kindheit sein kann), dass in unseren Szenen undenkbar und unakzeptabel war, was als Exzesse und Verbrechen an Kindern in der Debatte über Pädophilie in linken und liberalen Ecken in den 70ern und 80ern zu Tage kommt. Und ich habe auch kein Verständnis dafür. Zugleich ist für jüngere Menschen und ältere, die den Aufbruch in eine andere Freiheit (und das war der Kontext ja tatsächlich, in dem es dann ebenfalls - wie überall - Perverse und Verbrecher gab) nicht mitmachten, wahrscheinlich schwer zu verstehen, dass es eine Zeit gab, in der Körperlichkeit nicht sofort mit Sexualität einherging. Ein lahmer Abklatsch davon ist vielleicht heute noch, dass es in meiner Umgebung durchaus üblich ist, einander in den Arm zu nehmen. Auch Männer andere Männer und Männer Frauen - ohne dass das sexuelle oder erotische Konnotationen hat.
Natürliche Körperlichkeit ohne Pornochick. Schwer vorzustellen aus heutiger Zeit. Aber nichts, wofür sich jemand entschuldigen muss oder was ich im Nachhinein als unangenehm empfände. Für uns war es beispielsweise auch selbstverständlich, mit Mädchen zu spielen. Was für Jungs heute oft undenkbar ist, sobald sie in die Schule kommen.
Es war eine schöne Zeit, voller Freiheit und Dreck und Lärm und Langeweile und langem Aufbleiben und ohne Eltern, die sich dauernd um uns kümmerten. Und es erschreckt mich, dass es auch in dieser von mir als wunderbar erlebten Kindheit zu den gleichen Exzessen und Verbrechen kam wie in den von Repression geprägten Umgebungen. Das ist nicht zu entschuldigen und wirft einen Schatten. Macht aber die Häme und den Hass von soSpinnern Publizisten wie Christian Füller nicht erträglicher. Vielleicht hatten die einfach keine so schöne Zeit?
Dabei war es eine tolle Zeit, in die ich hineingeboren wurde. Und eine tolle Szene. Und manchmal denke ich wehmütig, dass ich meinen Kindern gönnen würde, einiges davon zu erleben wie ich es erlebt hatte als Kind. Auch wenn ich weiß, dass vieles von heute aus betrachtet (oder auch nur aus dem Blickwinkel von schon nur zehn Jahre Jüngeren) sehr merkwürdig und fremd anmutet.
Jede wird wohl einige besonders starke und nachhaltige Erinnerungen an Kindheit und Jugend haben, nehme ich an. Bei mir sind sie sehr geprägt von den Menschen, mit denen meine Familie befreundet war, und den Bewegungen, in denen ich aufwuchs. Beides hat mich, wie ich heute weiß, sehr geprägt. Interessanterweise kommt dieses immer mehr zu tragen, je älter ich werde.
Da ist zum einen der Feminismus der zweiten Welle der Frauenbewegung. Frauen und Männer, oft die Männer, mit denen die Frauen, die in meiner Umgebung das Thema vorantrugen, verheiratet waren und ein neues Leben ausprobierten. Eine neue Sprache. Meine eigene Familie war da eher am Rande, denn das mit dem Leben ging so nicht. Meine Mutter hasste den Beruf, in den sie ihr Vater in den 60ern gedrängt hatte - und gab den so früh es ging auf. Also als ich geboren wurde. Und während unsere Familie (Vater, Mutter, Sohn Tochter, Vater voll berufstätig, Mutter "zu Hause") äußerlich geradezu klassisch für die frühen 70er war, waren es eben Frauen wie meine Mutter und ihre Freundinnen, die sich mit der "Frauenfrage" massiv auseinandersetzten. Die den unideologischen Teil der Kinderladenbewegung prägten. Die ehrenamtlich aktiv wurden. Diese Zwischengeneration. Etwas zu jung für die 68er, vor allem aber da schon mit Verantwortung für Kinder als andere sich radikalisierten und in den Untergrund gingen. Von solchen war nur immer mal die Rede, kennengelernt habe ich keine (mehr).
Vielleicht ist es nicht ganz typisch für Menschen in meinem Alter, vielleicht, weil meine Eltern so jung waren als ich kam. Aber ich habe tatsächlich in der Familie und im Freundinnenkreis und in den Bewegungen, in die meine Eltern uns Kinder immer mitgenommen haben (Bunte Liste, Dritte-Welt-Arbeit, Anti-AKW- und Anti-Gorleben-, später die Friedensbewegung), einen Umgang und eine Sprache kennen gelernt, die anders waren als das, was ich dann erleben musste, als ich erstmals den Dunstkreis evangelische Kirche verließ. Ende der 90er. Eine Selbstverständlichkeit von - wie es damals hieß - "geschlechtergerechter Sprache" beispielsweise. Es war eine schöne Zeit, in der ich feministische Lebens- und Gesellschaftsentwürfe als den Normalzustand erlebte und kennen lernte. Die normal waren und darum nicht kämpferisch oder aggressiv. In denen ich unter dem Tisch sitzend und spielend schon früh die Diskussionen verfolgte und aufsaugte. Das ist es wohl auch, was mich heute so ungeduldig macht. Und was in den letzten Jahren zu meiner Reradikalisierung führte in diesen Fragen. Dass meine Kindheit so wirkt, als wäre sie aus der Zukunft. Wenn ich mir die jungen Leute anhöre oder die älteren, die offenbar lange unter einem Stein lebten.
Und dann auch das andere Thema. Ich nenne das ja gerne analog zum Fachbegriff, mit dem bezeichnet wird, wie wir unsere Pferde halten, "Robustkinderhaltung". An Wochenenden mit Freundinnen und Freunden und der weiteren Familie waren wir Kinder auf uns gestellt, butscherten rum, machten Feuer, kenterten mit selbstgebauten Flößen auf den Dorfteichen, waren laut, dreckig und sehr oft nackt.
Heute kommt es mir komisch vor, wenn Kinder oder gar Erwachsene nackt oder fast nackt in der Gegend rumrennen. Damals war das normal. Zumindest in unseren Szenen. Die übrigens nicht links-grün waren. Sondern kirchlich. Mit einer Faszination für Befreiungsbewegungen. Und einer Aversion gegen Uniformen. Von den Parkas wurden die Flaggen abgetrennt. Ich bin mir relativ sicher (so sicher, wie ich mir bei etwas aus der Kindheit sein kann), dass in unseren Szenen undenkbar und unakzeptabel war, was als Exzesse und Verbrechen an Kindern in der Debatte über Pädophilie in linken und liberalen Ecken in den 70ern und 80ern zu Tage kommt. Und ich habe auch kein Verständnis dafür. Zugleich ist für jüngere Menschen und ältere, die den Aufbruch in eine andere Freiheit (und das war der Kontext ja tatsächlich, in dem es dann ebenfalls - wie überall - Perverse und Verbrecher gab) nicht mitmachten, wahrscheinlich schwer zu verstehen, dass es eine Zeit gab, in der Körperlichkeit nicht sofort mit Sexualität einherging. Ein lahmer Abklatsch davon ist vielleicht heute noch, dass es in meiner Umgebung durchaus üblich ist, einander in den Arm zu nehmen. Auch Männer andere Männer und Männer Frauen - ohne dass das sexuelle oder erotische Konnotationen hat.
Natürliche Körperlichkeit ohne Pornochick. Schwer vorzustellen aus heutiger Zeit. Aber nichts, wofür sich jemand entschuldigen muss oder was ich im Nachhinein als unangenehm empfände. Für uns war es beispielsweise auch selbstverständlich, mit Mädchen zu spielen. Was für Jungs heute oft undenkbar ist, sobald sie in die Schule kommen.
Es war eine schöne Zeit, voller Freiheit und Dreck und Lärm und Langeweile und langem Aufbleiben und ohne Eltern, die sich dauernd um uns kümmerten. Und es erschreckt mich, dass es auch in dieser von mir als wunderbar erlebten Kindheit zu den gleichen Exzessen und Verbrechen kam wie in den von Repression geprägten Umgebungen. Das ist nicht zu entschuldigen und wirft einen Schatten. Macht aber die Häme und den Hass von so
7.8.13
Merkels Kinder
Obwohl ich von ihm nur auf einer Sommerakademie der Studienstiftung lernen konnte und er für mich ja sozusagen fachfremd ist, gehört Werner Durth zu meinen wichtigsten Lehrerinnen. Vor allem über Kontinuitäten in Lebensläufen und so weiter habe ich viel von ihm gelernt. Andere Geschichte. Und darüber, warum Diktaturen für Architekten großartig sind. Weil sie Spielräume schaffen. Germania planen zu dürfen, war für viele der späteren Stars der 50er sehr aufregend.
"Entwickler lieben Apple", sagte einer neulich zu mir, der sich mit einer kleinen Anwendung rumschlagen musste, die auf iPhone und Android funktionieren sollte. Alles sei klar geregelt und einheitlich. Das, was ich immer "Cuba" nenne: eine Diktatur, in der die Sonne scheint. In der ich mich wohlfühlen kann, wenn ich mich hinreichend anpasse. Apple ist Cuba.
Und die Technokratie Merkel'scher Prägung hat irgendwie auch was von Cuba. Und bringt merkwürdige Kinder hervor, die sich durch einen irritierenden Technik- oder Wissenschaftspositivismus auszeichnen. Was schließlich doch noch die Kurve kriegt zur "Alternative für Deutschland", über die ich eigentlich gar nicht schreiben wollte. An deren verstörenden Plakaten ich aber vorbei laufe jeden Tag.
Was mich rund um diese Hochschulprofessoren, die eine unscharf profilierte Expertenpartei gegründet haben, die gesamte Zeit umtreibt, ist etwas Ähnliches wie bei den Piraten (ja, wilde Umleitung, löst sich gleich auf, versprochen). Als jemand, dem intellektuelle Demut auch selbst sehr fremd ist, kann ich in gewisser Weise nachvollziehen, wie jemand auf die Idee kommen kann, man müsse nur mal die richtigen, die schlauen Leute ranlassen, so richtige Expertinnen, und dann würde alles flutschen. Geht mir dauernd so.
Aber im Kern ist dies Technokratie oder Expertokratie. Und das Gegenteil von Demokratie. Ja, man kann sehr unglücklich werden angesichts von Demokratie. Ich auch, wenn ich sehe, dass die Massen mehr Angst vor einem Veggie-Day haben als vor der Abschaffung der Demokratie und Freiheit.
Das, was die "Alternative für Deutschland" mit den "Piraten" gemeinsam auszeichnet, ist doch gerade dieser Anspruch der Technokratie. Die Vorstellung, es gebe eine objektive, geradezu "naturgesetzliche" Wahrheit und einen richtigen Weg, der nur umgesetzt werden müsse. Lasst die Techniker oder die Wirtschaftswissenschaftlerinnen ran - und alles flutscht. Eine geradezu katholische Haltung, obwohl die auch schon ein bisschen von ihren naturrechtlichen Ansätzen abgerückt sind, wenn ich das richtig übersehe.
Das Interessante ist aus meiner Sicht, dass beide im Kern unpolitischen Protestparteien dabei gleichzeitig (1) die Sehnsucht vieler Menschen in meiner Umgebung nach mehr Kompetenz bedienen und (2) voll auf der Linie Merkels sind, die nahezu perfekt die Mischung aus asymmetrischer Demobilisierung und technokratisch-wissenschaftlich begründeter scheinbarer Alternativlosigkeit beherrscht.
So betrachtet sind Piraten und AfD beide "Merkels Kinder". Geprägt und politisiert von der Erfahrung unter ihrer Kanzlerinnenschaft, beide weitgehend ohne Gestaltungsanspruch, beide mit der Vorstellung, es gebe einen objektiv richtigen Weg. Also beide genau so, wie Merkel agiert und regiert. Ja, beide in unterschiedlicher Ausprägung, so unterschiedlich sogar, dass es schwer fällt, sie auch nur gemeinsam zu nennen - aber ich finde die Gemeinsamkeiten verblüffend. Zumal sie noch etwas gemeinsam haben: Ich finde es schwer erträglich, wie sie die Technokratie oder Expertokratie der Demokratie vorziehen. Und ich finde sie gleich unwählbar.
Eine Vorliebe für Cuba ist keine Frage des Alters. Und Pubertät auch nicht.
"Entwickler lieben Apple", sagte einer neulich zu mir, der sich mit einer kleinen Anwendung rumschlagen musste, die auf iPhone und Android funktionieren sollte. Alles sei klar geregelt und einheitlich. Das, was ich immer "Cuba" nenne: eine Diktatur, in der die Sonne scheint. In der ich mich wohlfühlen kann, wenn ich mich hinreichend anpasse. Apple ist Cuba.
Und die Technokratie Merkel'scher Prägung hat irgendwie auch was von Cuba. Und bringt merkwürdige Kinder hervor, die sich durch einen irritierenden Technik- oder Wissenschaftspositivismus auszeichnen. Was schließlich doch noch die Kurve kriegt zur "Alternative für Deutschland", über die ich eigentlich gar nicht schreiben wollte. An deren verstörenden Plakaten ich aber vorbei laufe jeden Tag.
Was mich rund um diese Hochschulprofessoren, die eine unscharf profilierte Expertenpartei gegründet haben, die gesamte Zeit umtreibt, ist etwas Ähnliches wie bei den Piraten (ja, wilde Umleitung, löst sich gleich auf, versprochen). Als jemand, dem intellektuelle Demut auch selbst sehr fremd ist, kann ich in gewisser Weise nachvollziehen, wie jemand auf die Idee kommen kann, man müsse nur mal die richtigen, die schlauen Leute ranlassen, so richtige Expertinnen, und dann würde alles flutschen. Geht mir dauernd so.
Aber im Kern ist dies Technokratie oder Expertokratie. Und das Gegenteil von Demokratie. Ja, man kann sehr unglücklich werden angesichts von Demokratie. Ich auch, wenn ich sehe, dass die Massen mehr Angst vor einem Veggie-Day haben als vor der Abschaffung der Demokratie und Freiheit.
Das, was die "Alternative für Deutschland" mit den "Piraten" gemeinsam auszeichnet, ist doch gerade dieser Anspruch der Technokratie. Die Vorstellung, es gebe eine objektive, geradezu "naturgesetzliche" Wahrheit und einen richtigen Weg, der nur umgesetzt werden müsse. Lasst die Techniker oder die Wirtschaftswissenschaftlerinnen ran - und alles flutscht. Eine geradezu katholische Haltung, obwohl die auch schon ein bisschen von ihren naturrechtlichen Ansätzen abgerückt sind, wenn ich das richtig übersehe.
Das Interessante ist aus meiner Sicht, dass beide im Kern unpolitischen Protestparteien dabei gleichzeitig (1) die Sehnsucht vieler Menschen in meiner Umgebung nach mehr Kompetenz bedienen und (2) voll auf der Linie Merkels sind, die nahezu perfekt die Mischung aus asymmetrischer Demobilisierung und technokratisch-wissenschaftlich begründeter scheinbarer Alternativlosigkeit beherrscht.
So betrachtet sind Piraten und AfD beide "Merkels Kinder". Geprägt und politisiert von der Erfahrung unter ihrer Kanzlerinnenschaft, beide weitgehend ohne Gestaltungsanspruch, beide mit der Vorstellung, es gebe einen objektiv richtigen Weg. Also beide genau so, wie Merkel agiert und regiert. Ja, beide in unterschiedlicher Ausprägung, so unterschiedlich sogar, dass es schwer fällt, sie auch nur gemeinsam zu nennen - aber ich finde die Gemeinsamkeiten verblüffend. Zumal sie noch etwas gemeinsam haben: Ich finde es schwer erträglich, wie sie die Technokratie oder Expertokratie der Demokratie vorziehen. Und ich finde sie gleich unwählbar.
Eine Vorliebe für Cuba ist keine Frage des Alters. Und Pubertät auch nicht.
6.8.13
Ein neuer Baum
Nachdem einige von uns so langsam wieder aus der Schockstarre aufwachen und zornig werden, ich selbst ja auch neulich mit der Frage, ob das schon der Anlass zum Widerstand sei, finde ich es an der Zeit, einmal nach vorne zu denken.
Und dabei hilft ein Blick zurück. Ich zumindest kann mich noch an Zeiten liberaler Innenminister erinnern. Gerhard Baum beispielsweise. Mit der geistig-moralischen Wende des Helmut K. hörte das auf. Es kam Zimmermann.
Nun lässt sich nicht sagen, dass Liberale (Grüne und FDP) sich in Fragen der Sicherheitshysterie mit Ruhm bekleckert hätten, lest noch mal Nicos Text dazu. Dennoch möchte ich mir nicht ausmalen müssen, was 2002ff passiert wäre, wenn Schily nicht von den alten Parteifreunden hin und wieder ausgebremst worden wäre. Oder wenn jetzt nicht die Justizministerin wäre.
Wenn der Innenminister ("Verfassungsminister") im Gleichschritt mit dem Chef der Polizeigewerkschaft ein bekennender Verfassungsfeind ("Supergrundrecht Sicherheit") ist, nutzt es auch nichts, dass der breiten Mehrheit in diesem Land das Thema Freiheitsrechte am Allerwertesten vorbei geht. Allerdings finde ich es dabei eher niedlich, wenn auf Gestapo und Stasi verwiesen wird, um anzumerken, dass wir doch besonders sensibel sein müssten. Mein Verdacht ist ja eher, dass Gestapo und Stasi aus exakt dem Grund so gut funktionierten, aus dem sich auch jetzt das Desinteresse am Aushöhlen unserer Demokratie speist. Aber das ist vielleicht noch einmal eine andere Geschichte. Die die Frage der Legitimität von Widerstand aufwirft, die ich aber nicht stellen will und werde, weil sich alles in mir dagegen sträubt.
Im September wird ein neuer Bundestag gewählt. Und Parteien, denen die Verfassung wichtig ist, werden jeweils unter 15% bleiben. Aber: es sieht alles danach aus, als ob auch die nächste Regierung von einer dieser Parteien mitgetragen werden wird. Und hier sehe ich eine Chance. Ich wünsche mir, dass sowohl die FDP als auch die Grünen für eine Koalition darauf bestehen, die nächste Innenministerin zu stellen. Dass diese Ministerin wieder vor allem für den Rechtsstaat und die Verfassung zuständig ist und nicht nur für die Polizei. So von der Haltung her.
Wäre das nicht ein Deal? Vielleicht wäre es sogar ein Rettungsprogramm für die FDP (oh Gott und das von mir) - dass sie sich festlegt auf das Innenministerium, ohne das sie in keine Koalition geht. Und bei den Grünen werde ich auch für diese Idee werben.
Was denkt ihr?
Und dabei hilft ein Blick zurück. Ich zumindest kann mich noch an Zeiten liberaler Innenminister erinnern. Gerhard Baum beispielsweise. Mit der geistig-moralischen Wende des Helmut K. hörte das auf. Es kam Zimmermann.
Nun lässt sich nicht sagen, dass Liberale (Grüne und FDP) sich in Fragen der Sicherheitshysterie mit Ruhm bekleckert hätten, lest noch mal Nicos Text dazu. Dennoch möchte ich mir nicht ausmalen müssen, was 2002ff passiert wäre, wenn Schily nicht von den alten Parteifreunden hin und wieder ausgebremst worden wäre. Oder wenn jetzt nicht die Justizministerin wäre.
Wenn der Innenminister ("Verfassungsminister") im Gleichschritt mit dem Chef der Polizeigewerkschaft ein bekennender Verfassungsfeind ("Supergrundrecht Sicherheit") ist, nutzt es auch nichts, dass der breiten Mehrheit in diesem Land das Thema Freiheitsrechte am Allerwertesten vorbei geht. Allerdings finde ich es dabei eher niedlich, wenn auf Gestapo und Stasi verwiesen wird, um anzumerken, dass wir doch besonders sensibel sein müssten. Mein Verdacht ist ja eher, dass Gestapo und Stasi aus exakt dem Grund so gut funktionierten, aus dem sich auch jetzt das Desinteresse am Aushöhlen unserer Demokratie speist. Aber das ist vielleicht noch einmal eine andere Geschichte. Die die Frage der Legitimität von Widerstand aufwirft, die ich aber nicht stellen will und werde, weil sich alles in mir dagegen sträubt.
Im September wird ein neuer Bundestag gewählt. Und Parteien, denen die Verfassung wichtig ist, werden jeweils unter 15% bleiben. Aber: es sieht alles danach aus, als ob auch die nächste Regierung von einer dieser Parteien mitgetragen werden wird. Und hier sehe ich eine Chance. Ich wünsche mir, dass sowohl die FDP als auch die Grünen für eine Koalition darauf bestehen, die nächste Innenministerin zu stellen. Dass diese Ministerin wieder vor allem für den Rechtsstaat und die Verfassung zuständig ist und nicht nur für die Polizei. So von der Haltung her.
Wäre das nicht ein Deal? Vielleicht wäre es sogar ein Rettungsprogramm für die FDP (oh Gott und das von mir) - dass sie sich festlegt auf das Innenministerium, ohne das sie in keine Koalition geht. Und bei den Grünen werde ich auch für diese Idee werben.
Was denkt ihr?
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