31.3.23

Achtung geben!

Heute früh stand ich hinter einem Amazon-Lieferwagen. Und schwankte zwischen Ärger und großen Amüsement. Denn einerseits ist es eine riesengroße Frechheit, was sie da hinten draufschreiben. Und andererseits ist es so wunderbar schlecht maschinell aus dem Englischen übersetzt, ohne dass jemand mit rudimentären deutschen Sprachkenntnissen noch einmal drüber geguckt hat, dass es faszinierend ist. Zumal ein kurzes Befragen der Suchmaschine ergibt, dass es offenbar seit einigen Jahren schon hinten auf den Autos draufsteht.

Beschriftung auf der hinteren Tür des Lieferwagens: Achtung Toter Winkel und "Fahrradfahrer Achtung geben beim Vorbeifahren dieses Fahrzeugs"

Der Ärger ist ja offensichtlich und ich bin, wie wie gesagt die Suche ergab, nicht die erste Person, der die Helmschnur hochgeht. Einmal so getan, als wäre klar, was diese Warnung an die Radfahrer*innen sagen will, sagt es ja sehr viel aus darüber, was Amazon seinen Fahrer*innen zutraut oder nicht zutraut. 

Ja, selbstverständlich bin ich im Straßenverkehr vorsichtig, schon aus Selbstschutz. Darum trag ich auch Helm, auch wenn ich das bei den Kindern nie nachhaltig durchsetzen konnte, aber das ist ein anderes Thema. Aber wie anders ist diese Beschriftung, die ich als Drohung empfinde, als beispielsweise die von den Johannitern mit ihrem "Fahrstil ok? Telefonnummer". Beides irgendwie albern, aber die Haltung dahinter und was so eine Beschriftung bei denen, die das Fahrzeug fahren, auslöst, ist schon bezeichnend.

Aber in einer Welt, die zu 100% auf automobilen Verkehr optimiert ist, verpuffte dieser Ärger dann am Ende relativ schnell. Während mir die Frage, was diese Beschriftung eigentlich sagen will, blieb.

Fahrradfahrer Achtung geben beim Vorbeifahren dieses Fahrzeugs

Das ist irgendwie ganz großartig und lohnt die sprachliche Analyse. Vor allem mit ein bisschen Praxiswissen amerikanischer Warnungen auf Geräten, Maschinen oder Fahrzeugen. Einen ersten Hinweis bietet da dann ja schon das wunderbare Sitzen machen Achtung geben. Die "Übersetzung" muss wohl aus der Zeit vor halbwegs modernen KI-Sprachmodellen stammen. Irgendwer muss aber diese Folien ja bestellt haben und andere haben sie aufgeklebt. Ok, wer guckt sich schon Dinge an, die montiert werden, aber mich würde schon interessieren, wie viele Menschen regelmäßig Achtung geben. 

Hübscher noch aber ist die Genitivkonstruktion "dieses Fahrzeugs". Während ich mich immer sehr freue, einen Genitiv in freier Wildbahn zu sehen, fragte ich mich spontan, worauf Fahrradfahrer hier Achtung geben sollen. Eine spontane Umfrage ergab, bestürzenderweise, dass niemand außer mir in Frage stellte, dass Amazon möchte, dass Radfahrende beim Vorbeifahren an diesem Fahrzeug Achtung geben mögen. Andererseits ist es ja auch beglückend und nicht bestürzend, dass auch groteske Sprachverrenkungen nicht verhindern können, dass im Prinzip ankommt, was Amazon hier wahrscheinlich sagen will. Das wird die meisten, die versuchen, anderen Menschen guten Ausdruck beizubringen, zum Weinen bringen, beruhigt aber wie so fast jedes Experiment mit Sprache auch sehr. Wir verstehen uns.

Bleibt also nur der Klugscheißer in mir übrig, der alle unbedingt und dann am Ende auch noch in seinem Blog darauf hinweisen zu müssen glaubt, dass Amazon recht eigentlich Radfahrende auffordert, vorsichtig zu sein, wenn dieses Fahrzeug sie überholt. Merkwürdigerweise allerdings so, dass diese Radfahrenden diese Aufforderung erst sehen, wenn das Fahrzeug sie schon überholt hat. 

Wunder der Kommunikation.

3 Kommentare:

  1. Die Radfahrenden könnten auch ,,Obacht'' geben! :-)

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  2. Corsa1.4.23

    Sehr gerne gelesen!

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  3. Anonym5.4.23

    Auf einem Strom-Verteiler hier am Ort hat man tatsächlich Aufkleber angebracht mit "Ankleben verboten"... Das stört mich schon seit Jahren - eigentlich müßte es ja "Bekleben verboten" heißen. Mit den momentanen politischen Aktivitäten kann man es dann aber auch anders sehen. Nicht, daß sich noch jemand dranklebt...
    Und ja, sorry - ich schreibe anonym, weil ich kein Konto bei Google habe oder will.

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