12.6.17

Betrügt die Deutsche Telekom die Landbevölkerung?

Ja, dass Deutschland Internet-Entwicklungsland ist, wussten wir, als wir aufs Land gezogen sind. Aber einerseits hatten wir in der Villenneubausiedlung am Hamburger Stadtrand auch nur 3MBit. Oder, wenn es sehr gut lief, auch mal 6MBit. Und andererseits sind wir ja nicht auf den Kopf gefallen - und haben, als es nicht möglich war, das Hybrid-Internet der Telekom zu bekommen, deren sauteuren 200 EUR-Vertrag abgeschlossen, der ungedrosseltes LTE anbietet, also keine Volumenbegrenzung hat.
(Denn vorher haben wir, auch mit Vodafone, mit "normalen" LTE-Verträgen experimentiert, aber die 30GB waren bei einer ganz normalen Familie mit ganz normalem Medienkonsum nach 2-3 Tagen aufgebraucht.)

Das ging einige Zeit sehr gut - wir hatten akzeptable Downloadraten und gute Uploadraten. Hybrid geht bei uns nicht, weil sich die Telekom weigert, unsere analoge Leitung auf IP-Technologie umzustellen (was übrigens dazu führen wird, dass sie uns sehr absehbar komplett abklemmen werden, geht langsam los damit auf dem Land, höre ich).

Symbolbild: moderne Internettechnologie aus der Sicht der Telekom. Oder so.

Mal abgesehen vom Preis ist das so lange eine ganz gute Lösung, wie die Infrastruktur ausreicht und nicht zu viele Nachbarinnen LTE nutzen. Und hier liegt das Problem. Ein Problem, das die technische Planung und der Support der Telekom kennen, uns mehrfach bestätigt haben, das aber der Vertrieb der Telekom offenbar ignoriert. Und das durch die Vertriebsstrategie der Deutschen Telekom zumindest in unserem Landkreis in den letzten vier Monaten massiv verstärkt wurde. Die ersten meiner Nachbarinnen nennen das bereits Betrug.

Denn etwa zu dem Zeitpunkt, zu dem die Breitbandinitiative unseres Landkreises erste sichtbare Ergebnisse zeigte (Ausschreibung fertig, die Anbieter werden ausgesucht), berichten die Nachbarinnen in unseren Dörfern, dass sie von der Telekom aktiv auf ihr Hybrid-Internet hingewiesen werden und es ihnen aktiv verkauft wird. Die Hoffnung vor allem der älteren Nachbarinnen: dass dieser Tarif ihnen reicht und sie auf das Glasfaser nicht angewiesen sind.
(Was übrigens neben allem anderen etwas ist, das ich der Telekom wirklich übel nehme, wenn sie tatsächlich ihre Vertriebsaktivitäten bei uns auf diese Zielgruppe ausgeweitet hat - dass sie damit nicht nur die Internetverbindung des gesamten Dorfes faktisch zerstört sondern auch noch aktiv den Ausbau der Infrastruktur verhindern würde.)

Der Mast, der für unser Dorf zuständig ist, steht in Eutin-Neudorf und ist mit 50MBit Leistung ohnehin nur zweite Wahl. Seit vier Monaten nun nimmt zu den Zeiten, zu denen Freizeit-Onlinerinnen online sind, die individuelle Leistung für alle Kundinnen zuerst kontinuierlich, dann rapide ab. Zurzeit haben wir nachmittags und abends (bis ca. 22 Uhr) keinen Tag, an dem wir auch nur an die 1MBit Download rankommen. Da wäre ja mein analoges DSL schneller.

Die erste erstaunte Frage, ob eine Störung am Mast vorliege, wurde vom Service der Telekom noch bearbeitet - und festgestellt, dass inzwischen doppelt so viele Nutzerinnen auf dem Mast hängen wie noch zum Jahreswechsel. Und die technische Planung der Telekom hat festgelegt, dass der Mast nicht ausgebaut wird, obwohl ja heute ein 100MBit-Mast eigentlich normal wäre.

Nach meinen Recherchen ist dieses passiert: die meisten Haushalte in unserem Dorf kommen gerade so auf die DSL-Leistung, bei der die Telekom den Hybrid-Tarif zulässt (uns haben sie den nicht verkauft). Ohne Rücksicht auf die örtliche LTE-Kapazität werden diese Hybrid-Tarife nun verkauft. Da die Bedingungen der Verträge so windelweich sind, liegt formal auch kein Betrug vor, meint die Telekom – denn sie garantieren ja keinerlei Bandbreite. Und die Regelungen, nach denen ein dauerhaftes Unterschreiten der beworbenen Bandbreite mit Sanktionen belegt werden könnte, werden ja nicht umgesetzt. Sollte es aber stimmen – und die Berichte meiner Nachbarinnen deuten zumindest darauf hin –, dass die Telekom aktiv Verträge verkauft, von denen andere Abteilungen im Unternehmen wissen (und uns gesagt haben), dass sie faktisch nutzlos sind (weil der "Hybrid-Turbo" effektiv keine wahrnehmbare Verbesserung gegenüber einer reinen Kupferleitung bringt), fände ich es durchaus angemessen, dieses Betrug zu nennen, oder?

Am Ende jedenfalls kann ich wahrscheinlich nur froh sein, dass die Telekom wenigstens keine Kupferertüchtigung bei uns vorbereitet, weil in dem Dorf in unserer Gemeinde, das dieses Pseudointernet hat, das die Telekom schnell nennt, kein Glasfaserausbau stattfinden darf, um die Telekom nicht wirtschaftlich zu schädigen. So dass die Nachbarinnen in Hutzfeld zwar jetzt gerade weniger Ärger mit ihren Kindern haben (meine Kinder können beispielsweise nicht mehr mit ihren Freundinnen und Freunden spielen oder Serien gucken) –  aber Ende 2019 eben auch kein ausreichendes Internet mehr, wenn ich spätestens Glasfaser habe soll (falls die Vertriebsaktivitäten der Telekom nicht dazu führen, dass wir die 60%-Quote Vorverträge nicht erreichen, siehe oben).

Bis dahin gilt aber: Einige meiner Nachbarinnen fühlen sich von der Telekom betrogen. Und die Kombination aus Infrastruktur- und Vertriebspolitik der Deutschen Telekom kommt mir mehr und mehr wie die wichtigste Bremse in der Zukunftsentwicklung des ländlichen Raumes vor. Mal abgesehen davon, dass ich 200 EUR im Monat für einen für mich faktisch sinnfreien Internet-Vertrag bezahle, aber das ist noch mal eine andere Geschichte.

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