Das ist aber eigentlich ja unfair. Denn der Text ist, wenn man es genau betrachtet, nicht blöd, er hat nur die falsche Überschrift. Was Jochen König beschreibt, sind Selbstverständlichkeiten, die offenbar nicht selbstverständlich sind. So wie es auch immer noch die Arschlöcher unter den Vätern gibt, die sich als "neue Väter" feiern, weil sie die zwei Monate Elternzeit für eine Weltreise mit Frau und Kleinkind nutzen oder weil sie hin und wieder ihr Kind vom Kindergarten abholen, wenn die böse Mutter sie lässt (alles fein, aber "neue Väter"? Haaalllloooo?). Ich übertreibe unfair, ja, aber ihr glaubt gar nicht, was man so alles erlebt, wenn man mit Leuten zusammen trifft, die sich "neue Väter" nennen oder welche sein wollen oder so. Aber hin und wieder liest man ja auch mal gutes zu dem Thema und nicht nur so einen Blödsinn wie neulich in diesem Spiegeldingens.Ich kenne Jochen König nicht, vielleicht ist er Feminist. Aber unter der Überschrift doch erstaunlich blöder Text. https://t.co/jpEl5C22tE— Wolfgang Lünenbürger (@luebue) February 8, 2016
Feministische Vaterschaft?
Was sollte das eigentlich sein? Und: worauf sollte Mann da stolz sein? Ich selbst habe auch erst in der allerletzten Zeit angefangen, mich als Feministen zu bezeichnen. Das kam mir vorher immer eher albern vor. Mein eigenes Aufwachsen, das ich teilweise immer mal wieder hier im Blog beschrieb, war so selbstverständlich feministisch geprägt, dass ich auch wirklich erst auf die Idee kam, ich sei Feminist, als ich die feministische Subkultur verließ, in der ich aufwuchs. Das war ein Schock.
Lustigerweise kam er zeitlich ungefähr zu der Zeit, als ich das erste Mal Vater wurde (eigentlich sogar noch später, aber im Erleben dessen, wie ich Vater war, und dem, wie andere Vater waren, entstanden die ersten Risse). Ich habe beispielsweise nie ein Gewese um das gemacht, wie wir als Paar Eltern waren und wie wir gemeinsam anfingen, eine Familie zu sein, darum findet sich auch in meinen Texten und meinem Blog so wenig darüber. Erst später lernte ich, das Erstaunen (und bei den Freundinnen der Frau die Begeisterung) anderer einzuschätzen, wenn wir über unser Leben und unsere Familienarbeit sprachen.
Dies hat übrigens nichts, aber auch gar nichts mit der Frage zu tun, wer wie viel der Familienarbeit verrichtet. Das mag einige überraschen - aber auch die Beispiele, die Jochen König anführt, haben nichts zu tun mit der Aufteilung der Arbeiten zwischen den Eltern (also der Verteilung von Erwerbsarbeit und Familienarbeit). Jochen schreibt - und nennt dies Fragen auf dem Weg zu einer feministischen Vaterschaft:
Wer bleibt zuhause, wenn das Kind krank ist? Wer wird vom Kindergarten angerufen, wenn es dem Kind nicht gut geht? Wer hat im Blick, wann die nächste Impfung oder Vorsorgeuntersuchung bei der Kinderärztin ansteht und ob sich noch genügend passende Klamotten im Kinderkleiderschrank befinden? Wer geht mit dem Kind neue Schuhe (auch Hausschuhe für die Kita) kaufen? Wer besorgt das Geburtstagsgeschenk für den Kindergeburtstag? Und wer fordert immer wieder Gespräche darüber ein, wie das Ganze aufzuteilen ist?Ich könnte alle diese Fragen für mich beantworten, wahrscheinlich überwiegend so, dass der Eindruck entstünde, ich kümmerte mich um die Familienarbeit - und trotzdem mache ich viel weniger konkrete Familienarbeit als die Frau, die dafür weniger Zeit mit Erwerbsarbeit zubringt als ich. Woraus ich schließe, dass dies nur sehr wenig mit Feminismus zu tun hat - sondern eher damit, kein Arschloch zu sein. Oder zumindest halbwegs achtsam. Denn was Jochen hier als "unsichtbare Arbeit" beschreibt, ist doch eigentlich "nur" eine Frage der Achtsamkeit, nicht aber der Haltung zur Machtfrage in dieser Welt (was Feminismus meiner Meinung nach immer auch ist).
Wo sich Feminismus eher zeigt
Ich denke, dass die Themen, die Jochen König anspricht, alle wichtig sind. Aber nicht feministisch. Sondern wichtige Fragen von Herzensbildung, Achtsamkeit und Gerechtigkeit. Ich weiß, dass auch in diesen Fragen bei uns in der Familie keine "Gleichverteilung" herrscht, aber dass die Richtung stimmt. Ich bin überzeugt, dass es in einer feministischen Familie nicht entscheidend ist, wer welche Arbeit macht - sondern wer das entscheidet und wieso es so ist. Wie also die Machtfrage gestellt und beantwortet wird.
Während für Feministinnen im Patriarchat so etwas wie ein Fuck Off Fund eine wichtige und gute Idee ist und darum die Frage, wie das Geldverdienen in einer Beziehung, in einer Familie geregelt wird, tatsächlich entscheidend ist, muss eine ungleiche Verteilung des Familieneinkommens nicht zwingend ein Problem sein - wenn, ja wenn die Familie ein feministisches Modell ist [zu einer weiteren wichtigen Voraussetzung, dass das bei uns klappt, zwei Absätze weiter]. Wenn wir eine feministische Gemeinschaft bilden, die - wiederum ähnlich wie das, was unsere Eltern exemplarisch in den 70ern und 80ern gemacht haben - die Utopie praktisch werden lässt.
Ich mag die Idee einer "feministischen Vaterschaft" nicht. Aber wenn, dann äußert sie sich nach meiner Überzeugung eher in einem inklusiven und feministischen Lebensmodell der Familie. In der es biologisch Mama und Papa gibt, aber keine Rollenzuschreibungen und keine Mama- oder Papa-Aufgaben. In der Männer weinen und Frauen brüllen, um es mal ganz plastisch am Familienalltag entlang auszudrücken. In der beispielsweise nicht für immer klar ist, wer zu Hause bleibt, wenn das Kind krank ist, sondern dieses jedes Mal anhand der jeweils konkreten Situation in der Erwerbsarbeit abgestimmt wird.
Dass die Frau, unsere Kinder und ich diese Utopie zu leben versuchen können, hängt allerdings mit einem Punkt zusammen, den wir nicht bei anderen voraussetzen können und den die eine oder andere wahrscheinlich auch schräg oder inakzeptabel findet. Für uns ist klar (aus verschiedenen Gründen), dass unser Familienmodell nur funktioniert, wenn es für immer ist. Wenn es kein Sicherheitsnetz, eben keinen Fuck Off Fund gibt. Wenn Scheitern keine Option ist. Vielleicht spreche ich auch deshalb von gelebter Utopie. Aber tatsächlich ist dieses Fehlen von Angst an dieser einen Stelle etwas, das uns die Machtfrage aktiv angehen lässt. Das uns ermöglicht, die ungleiche Verteilung des Einkommens nicht zu einer Machtfrage werden zu lassen - sondern die Einkommensteile aus Erwerbsarbeit zusammen zu betrachten, ebenso wie die Gesamtheit der Arbeit und der Freude und der Liebe und des Stresses.
Die feministische Familie strahlt aus
Die ersten unserer Kinder sind gerade an der Schwelle zum Erwachsensein. Und es macht mich glücklich, dass sie unser feministisches Modell von Familie teilen und leben. Da beginnt es schon auszustrahlen.
Der andere Punkt ist in der Erwerbsarbeit tatsächlich sichtbar. Und hier sehe ich den wesentlichen Unterschied zu Jochen König (vielleicht jedenfalls, er spricht ja faktisch über diesen Teil nicht in seinem kurzen Text, der nur über die Basics redet). Denn was die Frau und ich jeweils beruflich machen, wie wir uns da organisieren, welche Gespräche wir mit unseren (potenziellen) Arbeitgeberinnen führen, hängt wesentlich mit unserem Familienmodell zusammen.
Als Feminist bin ich im Beruf viel eher zu sehen als in der Familie. Weil ich voraussetze, dass ich mit den Kindern zu Lernentwicklungsgesprächen mitten am Tag in ihre Schule gehe(n darf). Weil ich auch im Büro als Vater sichtbar bin. Weil ich zeigen kann, dass ein feministischer Lebensentwurf trotzdem zu einer Karriere führen kann, die bis in die Geschäftsführung führt.
Hallo,
AntwortenLöschendanke für deinen ausführlichen Kommentar zu meinem Text.
Du schreibst: "Ich bin überzeugt, dass es in einer feministischen Familie nicht entscheidend ist, wer welche Arbeit macht - sondern wer das entscheidet und wieso es so ist" Meiner Ansicht nach geht es in meinem Text genau darum. Ich schreibe nicht, dass es wichtig ist, wie letztendlich die Arbeit innerhalb der Familie verteilt ist. Ich schreibe nur, dass der Väter bereit sein muss, alles zu übernehmen, damit es überhaupt grundsätzlich Optionen gibt, über die jemand anders als der Vater entscheiden kann. Ausführlicher hab ich das mal hier aufgeschrieben: https://fuckermothers.wordpress.com/2013/03/22/5050-bedeutet-nicht-die-auflosung-aller-ungerechtigkeiten/
Auf diesen Aspekt wird auch hier eingegangen: http://femilyaffair.de/ich-bleibe-die-meckerkuh/ und an diesen Text habe ich auch gedacht, als ich den Absatz über die "unsichtbaren" Arbeiten schreib. Ich kenne viele Familien, die von sich behaupten, innerhalb der Familie Arbeiten/Belastungen gleichberechtigt/feministisch aufzuteilen und in denen genau die von mir beschriebenen Arbeiten ausschließlich von der Mutter erledigt werden, weil sie schlicht und einfach in der Aufrechnung nicht berücksichtigt werden. Das mag was mit Achtsamkeit zu tun haben, da es aber so viele Fälle sind, an denen es genau an dieser Stelle zu Konflikten kommt, sehe ich darin eine gesellschaftliche (Macht-)Struktur und dann wäre Feminismus meiner Ansicht nach das richtige "Tool", um gegen diese Struktur zu argumentieren.
Und zuletzt finde ich in deinem Text noch zwei Widersprüche zu meinem Verständnis von Feminismus im Kontext Vaterschaft: Ich denke, dass nicht von einer ewig haltenden Ehe/Familie ausgegangen werden kann. Genau dann entstehen Machtverhältnisse. Wenn die Frau sich nicht trennen kann, ohne damit automatisch in die Armut zu rutschen, liegt keine Beziehung auf Augenhöhe vor, sondern ein Machtverhältnis. Darüber hinaus störe ich mich an dem Punkt, den Feminismus "in die Geschäftsführung" zu tragen. Das ist einerseits ne sehr privilegierte Position und es geht darum, dass der Mann etwas in die Öffentlichkeit trägt und letztendlich legitimieren genau mit diesem Argument auch viele "neue Väter" ihre Position in der Öffentlichkeit. (nach dem Motto: "Wenn alle Welt sieht, dass man als erfolgreicher Mann auch mal zwei Monate Elternzeit nehmen kann, ist das doch schon ein Fortschritt") Das macht deinen letzten Abschnitt nicht grundsätzlich problematisch, aber eben auch nicht feministisch bzw. geht es in meinem Text ja gerade darum, feministisches Handeln innerhalb der Familie zu beurteilen und nicht anhand irgendwelcher vermeintlich übergeordneter Ziele, was eben ne typisch männliche Haltung ist.
Viele Grüße
Moin und danke, dass du in die Diskussion einsteigst. Kurz zu drei Punkten:
Löschen* Dass wir eine Ehe für uns als nicht auflösbar beschreiben, ist ein Fakt. Das erleichtert das eine oder andere und macht anderes schwerer. Ist aber von beiden frei gewählt und das schon bevor wir uns kannten. Hat was mit Religion zu tun. :)(abgesehen davon, dass durch die Entscheidung für vier Kinder, also unsere für unsere Familie, an sich jede Trennung für alle Beteiligten unmittelbar in die Armut führte)
* Dass ich privilegiert bin, stimmt. Aber die Frau macht auch sichtbare Arbeit und Karriere. Das zum einen. Und zum anderen schreibe ich irgendwann mal was. Jedenfalls geht es mir nicht darum, dass ich "sichtbar" bin oder nach außen wirke, sondern nur darum, dass es geht.
* Der große Dissens zwischen uns wird an einer Kleinigkeit deutlich, wenn du "gleichberechtigt/feministisch" schreibst. Genaus DAS ist nach meinem Verständnis und Herkommen nicht Feminismus, weil es die Machtfrage eben gerade nicht adressiert. Es geht um einen anderen Umgang mit Macht und Gerechtigkeit. Nicht um Gleichberechtigung. Gleichberechtigung ist mir zu wenig.
Ich würde auch sagen, dass es mir um mehr geht als Gleichberechtigung, wobei ich die Abgrenzung des Begriffs auch nicht so eindeutig empfinde. Ich finde es auch total wichtig, die Machtfrage zu thematisieren. Ich glaube aber, dass diese Machtfrage auch auf ganz individueller Ebene zu Tage tritt. Deshalb habe ich beispielsweise noch nie mit einer der Mütter meiner Kinder zusammengelebt, um nicht in die Situation zu kommen, dass diese Frauen meine Wäsche waschen oder mein Klo putzen. Ich versuche vielmehr diesen Müttern (insgesamt sind es 3) zu ermöglichen, ganz individuell und konkret zu ermöglichen, Kinder zu haben und gleichzeitig sehr viele Freiheiten zu behalten, um Entscheidungen zu treffen für Zeit mit Kind, Job oder sonst etwas.
LöschenDas empfinde ich als eine sehr schräge Haltung, die mir sehr fremd ist. Aber es erklärt, wieso wir über verschiedene Dinge sprechen, wenn ich von feministischer Familie rede und du von feministischer Vaterschaft redest. Insofern endet unser Dialog hier, scheint mir.
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