Foto von Thierry Ehrmann, cc-by-2.0 |
Wir Menschen in der PR stehen ja nicht ganz zu Unrecht im Ruf einer recht großen – sagen wir mal – ethischen Flexibilität. Das ist auch ganz ok, weil es die für Beratung auch braucht. Umso wichtiger finde ich es, mich mit meinen Mitarbeiterinnen zusammen immer mal wieder der Grenzen dieser Flexibilität zu versichern. Beispielsweise würde ich nicht für Waffenhersteller oder -händler arbeiten und nicht für die Tabakindustrie. Wobei letzteres für eine Agentur, die einen großen Schwerpunkt im Bereich Gesundheit und Pharma hat, ja eh ausgeschlossen ist.
Zugleich gibt es für mich Grenzen dessen, was ich an Positionen und Meinungen akzeptabel finde. Das Leugnen des Klimawandels gehört dazu. Auf Verschwörungstheorien beruhende Impfgegnerschaft auch. Und Roland Tichy. Womit wir beim Thema wären. Nach nur zwei Absätzen.
Ich bin ab sofort nicht mehr Kolumnist für das PR Magazin –
weil Redaktion und Verlag lieber Roland Tichy als Kolumnisten behalten wollen. Das ist ok, das sagt ja auch was aus. Deswegen habe ich sie ja auch gefragt. Es sagt nicht nur, dass er ein bekannter Ex-Journalist ist und ich nur das Deutschlandgeschäft einer mittelgroßen Agentur leite. Sondern auch, dass die "Positionen", die Tichy seit seiner massiven Radikalisierung vertritt, für Redaktion und Verlag noch zum Akzeptablen gehören.
Zu Tichy und dem, was er an Propaganda und Hetze auf seinem Blog verbreitet und - noch radikaler - von anderen verbreiten lässt, kann sich jede durch Lektüre der Seite eine Meinung bilden. Selbst Journalistinnen konservativer Publikationen wie der FAZ erscheint Tichy obskur und rechts. Dabei werden die Frankfurter von dem unbestritten Konservativen Bernd Ziesemer (den ich seit 15 Jahren sehr schätze, seit wir zusammen auf Podien saßen) gerade als allzusehr mit dem Reaktionären liebäugelnd bezeichnet. Lesenswert finde ich auch die unaufgeregte Analyse bei uebermedien.de.
Ich persönlich finde es tragisch und mehr als nur bedauerlich, wie einige frühere Konservative dem Trend der weinerlichen Selbstviktimisierung aufsitzen und ins radikale Lager abwandern. Zusammen mit der wird-man-ja-wohl-sagen-dürfen-Attitüde, die bei erfolgreichen Journalisten, die gar als Chefredakteur Blätter gemacht haben, auch doppelt lächerlich wirkt. Und zusammen mit Verschwörungstheorien, die von einer behaupteten Diktatur (Merkel-Regime) bis zu einer Instrumentalisierung des Wetters (Karneval) gehen. Alle diese Positionen finden sich bei Autorinnen in Tichys Blog reichlich, besonders feiert er selbst ja auf Twitter immer die Artikel von David Berger. (Genau, jenem Ex-Journalisten, der von seinem Verleger als Chefredakteur entlassen wurde, nachdem er nach etlicher Kritik, er sei islamophob, einen Ausschwitz relativierenden Artikel in einen Kanal des Blattes gehoben hatte.)
Auch an den Kolumnen, die Tichy für das PR Magazin schreibt, lässt sich die Entwicklung erkennen – sie begannen als "normale" konservative Wirtschafts- und Politikkommentare. Und sind inzwischen bei radikaler, mit Verschwörungstheorien gespickter Hetze angekommen, die sich raunend im Gleichsetzen von Pegida mit der DDR-Bürgerbewegung von 1989 ergeht.
Dass er bei kritischen Nachfragen und Diskussionsversuchen den Nazi-Mob unter seinen Lesern und Twitterfans auf mich hetzt, ist da nur noch eine Petitesse. Dass er das mit Falschzitaten in seinem Blog macht, schon nicht mehr ganz.Het|ze, die. https://t.co/XocyOFowmn pic.twitter.com/qRdDxevNoM— Wolfgang Lünenbürger (@luebue) February 16, 2016
Ich bin nicht so schnell damit, Entscheidungen und Schnitte zu verlangen. Und ich liebe harte und klare Auseinandersetzungen, habe nicht mal etwas dagegen, wenn es dabei hoch her geht oder auch mal jemand verletzt wird. Oft finden sich Lösungen gerade durch diese Diskussionen. Als jemand, der selbst ein konservativer Gogarten'scher Lutheraner ist, habe ich auch immer eine gewisse intellektuelle Lust an der "konservativen Revolution" gehabt, was ich ein bisschen beschämt zugebe. Nur ist mein Anspruch dabei ein Mindestmaß eben an Intellektualität und Argumentation.
Ich kann und werde nicht auf einer Plattform schreiben, die Roland Tichy Raum als Kolumnisten gibt.
Ähnlich wie viele in meinem Umfeld ihre Premium-Mitgliedschaft bei Xing kündigen, weil sie ihn nicht finanzieren wollen. Wer sich gemein macht mit dem neurechten Geraune eines Tichy, kann das gerne tun. Ich empfinde das für mich als eine Beschädigung meiner Person und meiner Integrität. Aber ich habe ja ein Blog, es gibt LinkedIn und andere Fachzeitschriften.
Alles Gute.
_____________________________
Hintergrund:
Ich bin seit längerer Zeit schon Kolumnist für das PR Magazin. "Der Netzwelterklärer", geht, logo, um Online dadrin. Am Dienstag, den 9.2., wies das PR Magazin mit einem Tweet auf eine Kolumne von Roland Tichy hin, die auf prmagazin.de erschienen sei. Am gleichen Abend schrieb ich den Redakteurinnen eine längere Nachricht, in der unter anderem hieß:
Ich kann und werde nicht auf der gleichen Plattform wie Herr Tichy publizieren. Eine Kolumnistentätigkeit für eine Zeitschrift, die einem Mann wie Tichy ebenfalls als Raum gibt, kann ich nicht verantworten.In der Nachricht habe ich das auch ausführlich begründet. Daran schloss sich ein längerer Dialog an. In dieser Woche hat die Redaktion mir angeboten, dass ich – statt aufzuhören – doch meine Kolumne nutzen könne, um eine Gegenposition zu schreiben. Allerdings würden sie in jedem Fall an Tichy als Autoren festhalten. Wir einigten uns dann im Gespräch, dass ich die Gründe in einem Artikel darlege, warum ich nicht auf einer Plattform als Kolumnist tätig sein werde, die an Roland Tichy festhält, nachdem der sich so radikalisiert hat. Diesen Text möchte das PR Magazin nun nicht veröffentlichen, darum steht er hier.
Das finde ich nicht problematisch. Ja, es zeigt, wie ernst gemeint das Diskursangebot war -– aber es ist ok. Mir ist nur wichtig, es hier zu erläutern, weil der Text oben, den ich auch auf LinkedIn veröffentliche, kein Nachtreten ist. Ich habe ihn für das PR Magazin geschrieben, veröffentliche ihn nun hier – und stelle mich damit der Diskussion.
Gut so!
AntwortenLöschenUnd Linkedin ist meiner Meinung nach sowieso besser wie Xing.
Richtige Einstellung. Gefällt mir.
AntwortenLöschenDanke, auch für das Veröffentlichen. Das ist Haltung!
AntwortenLöschenDas gefällt mir sehr gut. Danke, Wolfgang!
AntwortenLöschenHm, wenn man eine Firma boykottiert wegen eines ihrer Mitarbeiter (nicht Eigner, VP, oder so oder?)... hm. Es gab ja auch Diskussionen, ob man Mitarbeiter mit radikalen Ansichten bei ihrer Firma anschwärzen soll, was dann zu deren Entlassung führt, ich hab da auch gute Argumnete dagagen gelesen (es ging glaub ich u.a. um nen Azubi bei Porsche o.ä.)
AntwortenLöschenEin Publizist mag hier ein Grenzfall sein, aber ich kann mit nicht vorstellen, dass XING als wirklich sehr diverse Firma sich mit radikalen Inhalten gemein macht.
Geht ja hier auch nicht um Xing. Allerdings kenne ich etliche, die ihr Premium-Abo gekündigt haben, weil sie nicht wollen, dass mit ihrem Geld jemand wie Tichy finanziert wird. Outen sich ja auch gerade einige auf Twitter, wo die w&v danach fragt.
LöschenMir geht es nur darum, dass ich nicht mehr für ein Magazin als Autor schreibe, das sich bewusst für einen Autoren entscheidet, der sich meiner Meinung nach von einem liberal-konservativen Wirtschaftsjournalisten zu einem neurechten Hetzer entwickelt hat.