25.2.08

Weiter so? Oder Aufbruch? Die strategische Chance der Grünen

Hat irgendwen die Wahl in Hamburg überrascht? Ehrlich? Zwei Sachen haben mich gefreut: Dass die ehemaligen Liberalen es nicht über die 5% geschafft haben. Und dass die Reaktionäre von der so genannten Linken so relativ schwach geblieben sind. Ansonsten?
Die SPD hat zwar zugelegt, ist aber meilenwert von den Werten entfernt, die sie Jahrzehnte lang scheinbar für sich gepachtet hatte, was Teil des Problems darstellt. Die CDU hat verloren und muss nun koalieren, die Grünen sind in Hamburg jetzt eine bürgerliche Partei und haben einen Großteil ihrer realitätsfernen Flitzpiepen an die sog. Linke verloren, die aber auch lange nicht so gut abgeschnitten hatte wie von vielen befürchtet und von ihr erwartet. Die FDP, ach lassen wir das. Das Großstadt-Dilemma der Hamburger SPD [Lummaland - das Weblog]
Eben.

Wie schon in Hessen habe ich mir die Ergebnisse in den grünen Hochburgen etwas häher angeguckt - und es ist wieder so, dass dort die Linke auf Kosten der Grünen besonders gut abgeschnitten hat (beispielsweise in Altona: Grüne -8,1, Linke +9,6; Eimsbüttel-Ost: Grüne -7,0, Linke +6,7). In den bürgerlichen Hochburgen wie Volksdorf und Bergstedt dagegen haben die Grünen kaum verloren und spielen die Linken kaum eine Rolle.

Vor der Wahl, im November, habe ich die These vertreten, dass es inzwischen ein liberale Milieu an Grün-Wählern gebe - und da die Partei viele "linke" Wähler verloren hat, ist das jetzt noch stärker so. Immerhin gibt es, so lese ich aus dem Wahlergebnis, rund 10% Wählerinnen und Wähler in dieser Stadt, die eine bürgerliche, liberale, umweltfreundliche, engagierte Politik wollen - mit den Schwerpunkten Umwelt und Schule, vielleicht auch Freiheitsrechte und Verkehr.

Strategisch sehe ich deshalb zwei Optionen, die ich gleich wertvoll finde (wenn auch beide nicht wahrscheinlich sind, aus unterschiedlichen Gründen):
  • Eine mehr oder weniger stabile Regierung mit der CDU, was uns Grünen neue Optionen eröffnet und die Parteienlandschaft nachhaltig durcheinanderwirbelt.
    Ich sehe das ehrlich gesagt nicht, weil ich nicht erkennen kann, wie die CDU über ihren Schatten springen soll. Schon vor Verhandlungen Punkte, die einem potenziellen Partner wichtig sind, als nicht verhandelbar zu bezeichnen, ist ein deutliches Signal. Mal von der kulturellen Distanz zu den unangenehmen Jüngelchen abgesehen, die in der neuen Generation für die CDU in Mandate streben.
  • Eine Koalition mit der SPD, die sich im Parlament zur Wahl stellt und eine Minderheitsregierung bildet.
    Ich sehe das ehrlich gesagt nicht, weil ich nicht erkennen kann, wie die SPD über ihren Schatten springen soll. Dabei wäre das ein Szenario, das ich überzeugend fände: In Hessen und Hamburg lassen sich SPD-Kandidaten wählen, wir bilden gemeinsam Minderheitsregierungen, dann lässt die SPD die Koalition im Bund platzen und Beck oder wen auch immer zum Kanzler wählen - und aus der Macht heraus hätte sie ein Jahr Zeit, die heraufziehende Rotesockenkampagne der CDU ins Leere laufen zu lassen und zu zeigen, dass dieses Land wie jedes zivilisierte Land Minderheitsregierungen aushält, ja sogar handlungsfähiger wird als gerade jetzt.
Ich weiß, beide Szenarien sind nur Träume. Schwarzgrün wird nichts in Hamburg, weil es keine tragfähigen Kompromisse geben wird. Und die linke Mehrheit in diesem Land ist nicht nutzbar, solange die SPD mehr Angst vor den Wählern hat als Gestaltungswillen.

Schade, denn es zeigt sich, dass gerade die Grünen in der komfortablen Lage sind, nun eine halbwegs homogene Wählerschaft zu haben (siehe oben wegen der Flitzpiepen) - und aus einer Äquidistanz zu allen anderen wirklich das umzusetzen, weshalb sie einmal angetreten sind: Die Parteienlandschaft zu verändern, Verkrustungen aufzubrechen und ein oder zwei zentrale Politikbereiche wirklich zu verändern.

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2 Kommentare:

  1. Anonym25.2.08

    Ich würde schwarzgrün nicht so unbedingt ausschliessen wollen. Auch die SPD war seinerzeit ziemlich weit von den Grünen entfernt und die erste Koalition auch entsprechend schnell Geschichte. Aber dennoch war es ein erster Schritt, der einiges bewegt hat. Die Chance sehe ich auch beim liberalen Flügel der CDU.

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