Immer kälter. Und Wärme findet sich nur noch in sehr geschützten Räumen.
Wahrscheinlich bin ich einer der sehr wenigen Agenturgeschäftsführer, die offen links sind. Vielleicht der einzige Reitsport- und Pferdefunktionär, der offen links ist. Zumindest in meinem Teil des Landes ziemlich sicher der einzige Quasi-Landwirt, der offen links ist. Der es immer noch ist, trotzdem. Sicher, ich habe den Vorteil, dass meine Kinder erwachsen sind und ganz überwiegend auf eigenen Füßen stehen - und dass sie wissen, dass ich links bin und damit zu leben gelernt haben.
In den letzten Monaten erlebe ich etwas, das neu ist und das mich erst überrascht hat. Und das mir zeigt, wie kalt es in diesem Land inzwischen geworden ist. Denn immer wieder passiert es mir, dass Menschen bei der persönlichen Begegnung, wenn keine anderen in der Nähe sind, das (politische, ethische) Gespräch suchen. Menschen, die ich noch nie in einer Gruppe oder online eine politische Meinung habe sagen hören. Die ganz offenbar das Bedürfnis haben, zu sprechen, sich auszutauschen.
Während in meinem Umfeld in der Öffentlichkeit kaum noch nicht-rechte Positionen zu hören sind, gibt es so viele politische Gespräche mit linken Inhalten wie noch nie in meinem Leben. Nur eben privat. Fast schon etwas therapeutisch. Damit sie nicht völlig durchdrehen. Oder verzweifeln.
Da ist der Alt-Landwirt, der mich beiseite nimmt, um zu quatschen. Der Grüne aus der Kleinstadt, der noch nie was gesagt hat, wenn in der Signal-Gruppe mal wieder der Hass über mir ausgekübelt wurde, weil ich eine linke Position vertrat oder fragte, ob wir nicht gemeinsam mit der Antifa was gegen die Nazis tun wollen, der auf dem Markt das Gespräch sucht. Die Züchterin, die während des Turniers über die Lage der Welt spricht. Der Agenturmanager, der am Rande des Networkevents den Austausch über Werte sucht.
Es gibt sie noch, die Menschen, die sich vielleicht zurückgezogen haben, aber noch nicht vollkommen aufgegeben. Und ich, ausgerechnet ich Introvertierter, lerne auf einmal viele neue Menschen kennen, weil ich sichtbar für sie bin. Was mich wiederum ermutigt, sichtbar zu bleiben. Irgendwer muss ja Feuer machen, wenn es kalt wird.
Das muss jedenfalls dieser linksgrüne Mainstream sein, gegen den man nichts sagen darf.
Auch wenn wir politisch vermutlich nicht auf einer Linie liegen, möchte ich uns alle ermutigen, weiter politische Debatten zu führen, sich zu äußern und sichtbar zu sein. Wir stehen in vielen Ländern an einem Scheideweg des öffentlichen Diskurses. Jetzt wäre eigentlich der Zeitpunkt, wieder auf die Straße zu gehen und klar zu machen, dass die Mitte in Deutschland immer noch in der Mehrheit ist - und nicht der rechte Rand. Gerade jetzt geht es darum, sich diese demokratische Mitte gemeinsam und in aller Öffentlichkeit zu bewahren.
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