13.11.14

Der Mensch, die Welt, der digitale Wandel

Meine Kirche hat nun also etwas gesagt zur Kommunikation des Evangeliums in der digitalen Gesellschaft. Eigentlich sogar noch zu anderen Dingen, vor allem dazu, was aus evangelischer Sicht Teil einer gelingenden digitalen Gesellschaft sein müsste.

Mir waren ein paar Dinge wichtig, weshalb ich aktiv mitgearbeitet habe und dafür gekämpft, Menschen und ihre Haltung zum Thema zu "drehen", teilweise auch in vielen vielen vielen einzelnen Gesprächen:

  • Dass meine Kirche mit einer Haltung der Zuversicht und Freude mit dem digitalen Wandel der Gesellschaft umgeht. Und dass sie auf die Chancen blickt.
  • Dass die Synode, das Bundesparlament sozusagen, ein Zeichen der Ermutigung und der Unterstützung an die sendet, die bereits in der digitalen Gesellschaft angekommen sind. Denn bisher werden einige von ihnen in unserer Kirche noch etwas schräg und misstrauisch beäugt.
  • Dass meine Kirche sich nicht auf die Seite der Diskussion schlägt, auf der der Untergang der Kultur vermutet wird. Und nicht auf die Seite der Verwertungsmafia.

Ich selbst durfte ja an der Vorbereitung des Themas mitwirken, insofern bin ich vielleicht etwas parteiisch. Aber ich freue mich, dass diese Ziele weitgehend erreicht sind - auch wenn die Jugenddelegierten der Synode, die das Thema auf die Tagesordnung gebracht haben, zwischendurch etwas frustriert waren (siehe da hinter dem Link auch meinen Kommentar unter dem Text) und mehr wollten und mit einigen konkreten Anträgen durchgefallen sind.

Die drei Punkte, die mir am wichtigsten sind bei der Bewertung dessen, was die Synode da beschlossen hat, habe ich noch am Abend in aller Kürze zu sagen versucht.
Hier ein bisschen Kontext und Fleisch dazu.


Diese Frage ist theologisch nicht trivial und für Kirche und Kirchenverständnis hoch relevant, wenn auch wahrscheinlich nur für Theologinnen wirklich in ihrer Brisanz spannend. Aber dass die Synode explizit den Antrag des badischen Altbischofs ablehnte, das Wort Gemeinde zu streichen, wenn es um nichtkohlenstoffliche Zusammenkünfte geht, ist ein sehr großer Schritt.

Theologisch geht der Disput um die Frage, ob "zusammen sein" eine physische Anwesenheit erfordert. Ob also Gemeinschaft auch nicht-körperlich möglich ist. Das ist übrigens eine uralte Frage in den Kirchen, zu der sich die orthodoxen Kirchen schon vor dem Mittelalter anders als die "Westkirchen" positionierten, aber das nur am Rande. Wichtigstes Argument für die Position, die die Synode jetzt gefunden hat und vertritt, ist, dass zumindest die Lutheraner an die reale Anwesenheit Jesu Christi im Gottesdienst glauben. Der auch eher nicht so direkt körperlich da ist.

Hier öffnet die Synode den Weg dazu, neue Gemeindeformen zu erproben, die eher über eine personale Beziehung als über eine physikalisch-räumliche Nähe konstituiert werden. Sehr spannend, offener Ausgang. Und die Gegenposition zu dem, was Justizminister Maas auf dem Empfang der SPD am Rande der Synode sagte. Fein.


Bei aller Euphorie über die Medienrevolution und bei aller in der Geschichte unserer Kirche begründeten Begeisterung für neue Medienformen (immerhin gäbe es die evangelischen Kirchen nicht ohne die letzte große Medienrevolution - Buchdruck - , gäbe es überhaupt keine Kirchen ohne die davor - Schrift und Briefe), vergisst die Position, die die Synode bezieht, nicht, dass die christliche Vorstellung vom Menschen immer auch mit seiner Heiligkeit, mit Unverfügbarkeit, mit Geheimnissen zu tun hat.

Zwar konnte sich die Synode nicht dazu durchringen, eine klare und eindeutige (politische) Position zum Handeln der Bundesregierung und der Geheimdienste zu beziehen - aber an vielen Stellen im Text und in den Bitten an den Rat der EKD (sozusagen die Bundesregierung der Kirchen) ist die Position dennoch klar formuliert. Die Realvision der Post-Privacy-Aktivistinnen und das Konzept im Roman The Circle lehnt die Synode sehr klar und eindeutig ab.

Entlang der Frage des Menschenbildes und der Verfügbarkeit und Öffentlichkeit des Menschen, entlang der Frage, was denn der Mensch sei, wird - davon bin ich überzeugt - eine der großen gesellschaftlichen Debatten des digitalen Wandels geführt werden in den nächsten Jahren. Und hier scheint jetzt endlich eine evangelische Stimme in dieser Debatte auf. Das ist der Anfang einer wichtigen theologischen und ethischen Arbeit. Darauf freue ich mich.


Das freut mich ganz besonders. Denn dass so viele Menschen die Diskussion um den digitalen Wandel und die digitale Gesellschaft als eine um Facebook und Social Media führen, nervt mich gewaltig. Die Gefahr bestand auch auf der Synode, denn die Diskussionen und Gespräche drehten sich oft nur um die Frage der Nutzung von Social Media - und sie wählte ja auch den "Facebook-Bischof" zum Chef der EKD. Und Social Media ist ja auch das, was wir erst einmal am besten verstehen, weil es so wunderbar sichtbar ist, weil wir hier sehen, was passiert.

Ich finde es großartig, dass das größere Thema digitale Gesellschaft immer wieder im Mittelpunkt steht, nicht die Äußerungsform Social Media. Weiter so.

Wie geht es weiter?
Es sind einige konkrete Bitten an den Rat der EKD und andere Adressatinnen in der Kirche gerichtet. Aus meiner Sicht ermöglicht die Erklärung der Synode aber vor allem denen, die an der Basis in digitalen Räumen arbeiten und arbeiten wollen, sich auf die Kundgebung zu beziehen. Wenn im Pfarrkonvent Kritik oder Unverständnis laut wird, haben die Leute etwas in der Hand, das wie ein Schutzschild funktioniert.

Bildung und Ausbildung wird ein Schwerpunkt sein, auch mit Geld ausgestattet werden. Internetbeauftragte von Landeskirchen und Kirchenkreisen werden Servicestellen für Praktikerinnen sein können.

Sehr spannend wird sein, ob und wie eine theologische und ethische Weiterarbeit an dem Thema gelingen kann. Die Referate von zwei Professorinnen der praktischen Theologie auf den Synoden sind da ermutigend (Christian Grethlein und Ilona Nord/PDF). Ich persönlich würde mir ja wünschen, dass der Rat der EKD eine Kammer für digitalen Wandel einrichtet, die an dem Thema wissenschaftlich und politisch arbeitet. Mal sehen.

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