14.5.13

Nächste Runde der Disruption

Seit Anfang dieser Woche fahren eine Reihe von Onlinenachrichtenseiten, vor allem solche der traditionellen Verlage, eine Onlinekampagne auf ihren eigenen Seiten gegen Browser-Plug-Ins wie "Ad Block" und ähnliche.

In einer quasi persönlichen Botschaft an Besucherinnen ihrer Seite, die Adblocker installiert haben, bitten sie diese, die Adblocker abzuschalten. Ihre Kernbotschaft: Helft uns, uns zu refinanzieren über Werbung, damit wir weiterhin Nachrichten ins Internet schreiben können.

Was ich spannend fand, war, dass nach meiner Beobachtung die Reaktion darauf fast hälftig zweigeteilt war: Die einen fanden die Botschaft nett und freundlich.

Und die anderen haben sich sehr genau darüber geärgert.

Ich halte die Aktion, nachdem ich sie zunächst charmant fand, für falsch. Einerseits verstehe ich zwar den Punkt, den die Verlage machen (wollen). Und ebenso einerseits arbeite ich ja nun selbst in Kommunikation und "Reklame" (wie einer unserer Kunden Werbung nennt). Andererseits kann aber auch ich die Art der Werbung auf den klassischen Nachrichtenseiten der Verlage nicht ertragen.

Einige Leute, denen ich online zuhöre, haben den Versuch gemacht, ihre Adblocker zu deaktivieren. Für so ungefähr eine Stunde, länger hielten sie es nicht aus - das Geblinke, die grauenhafte Optik, dass sich da was bewegte oder gar Töne von sich gab. Obwohl einige von ihnen und ich ja auch das Argument der Verlage einleuchtend fanden, waren die Erlebnisse mit Werbung dann doch allzu verstörend und eklig,

Insofern scheint mir eher ein (ungewollter?) Nebeneffekt der Kampagne der Verlage spannend zu sein: Dass eine längst überfällig Diskussion über gute und schlechte Onlinewerbung losgeht. Immerhin - was ja auch interessant ist - haben gestern und heute wahrscheinlich eine ganze Menge Onlineprofis (auch aus Kommunikation und Werbung) erstmals seit Jahren Onlinewerbung in freier Wildbahn gesehen. Also das, was Werber vielleicht (hoffentlich nicht, aber ich befürchte, da trügt meine Hoffnung) als State-of-the-art in der Onlinewerbung ansehen. Die meisten Leute, die erfahren mit dem Internet umgehen oder damit ernsthaft arbeiten, haben ja Adblocker (oder, wie ich, Flashblocker) in ihren Browsern. Warum wohl?

Der Schock der grausigen Realität könnte nun zu dieser Diskussion führen: Welche Art von Werbung online ist gut, ist akzeptabel? Jetzt. Oder zukünftig. Immerhin werden die meisten "von uns" ja durchaus im Prinzip wissen, dass Onlinejournalismus und sogar nur bloßes Publizieren online Einnahmen aus Werbung und dergleichen braucht. Denn die einzige Alternative, die Verlagen bisher dazu eingefallen ist, wären Paywalls.

Aber solange wie Verlage und Onlinewerber Ideen und Werbeformen aus der Vergangenheit, also der Zeit, in der Platz knapp war, einfach so auf einen Medienraum übertragen, in dem Platz nicht das Problem ist und in dem ich so schnell weg bin wie ich kam, wenn mir zu viel Geblinke dabei ist. Solange sie sogar noch auf Werbeformen setzen, die sich bewegen, blinken oder Töne spucken, ohne dass ich dafür geklickt hätte. Solange sie also nur nach Gnade rufen ohne darauf zu achten, dass ihre Leserinnen/Zuschauerinnen eine Sehnsucht nach Ruhe und Schönheit haben - solange werden sie unsere Herzen nicht gewinnen.

Immerhin - im Prinzip ist jetzt eine großartige Zeit für Menschen, die kreativ und zukunftsgerichtet über Onlinewerbung nachdenken. Fein, dass diese Diskussion beginnt.

ursprünglich auf Englisch im Text-Blog-Netzwerk Medium veröffentlicht.

Und erst danach gelesen: Tapios Blick auf das Thema von der anderen Seite - eine gute Ergänzung zu diesem Text.

4 Kommentare:

  1. Na, gut dass du meinen Post doch noch gelesen hast. :) Ich muss gestehen, den Streisand-Effekt hatte ich beim ersten Blick auf das Thema übersehen. Den vermarkternahen Leuten wie Thomas Koch fiel es sofort auf. Aber wenn's am Ende eine Diskussion über "acceptable ads" gibt (ohne dabei auf dem hohen Ross von Adblock Dings zu sitzen), wäre das ja mal was.

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  2. Sehr richtigt, hab ich auch so verbloggt, wäre die Werbung im Netz dem Medium gerecht, dann würde ich meinen Adblocker auch aus lassen, aber was mir da im Schnitt so geboten wird, ist einfach grausam. Da fallen die paar Seiten mit gut gemachter Werbung gar nicht mehr auf. Und wie du sagst, wer jetzt die Zeichen der Zeit erkennt und neue Formate definiert, gewinnt. Zumal ich Dinge wie gut gemachte und ehrliche Tests von Bloggern unterstützt von z.b Händlern bestimmter Marken oder einfach auch positives Empfehlungsmarketing noch immer für die erfolgreichste Strategie halte. Aber da setzt halt wieder eines ein, was vielen noch schwer fällt, schnelle, unbürokratische und ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe.

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  3. Gute und zutreffende Analyse. D'accord. Aber was ist denn Deiner Meinung nach kreative und erträgliche Online-Reklame (ich mag dieses Wort ja sehr).
    Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Adblocker benutzt und habe auch nicht vor, das zu ändern. Und was soll ich sagen, ich lebe noch. Es gibt Reklame, die mich langweilt, es gibt aber auch Formate, dich ich prima finde. Wenn eine Seite mich mit ihrer Werbung nervt, dann besuche ich sie nicht mehr.
    Für mich ist das eine Frage der Wertschätzung. Nervt mich eine Seite mit Werbung, schätzt sie meinen Wert als Besucher nicht. Besuche ich Seiten, blocke aber die Werbung, wertschätze ich die Seite bzw. ihre Autoren nicht. Wenn wir fair miteinander sind, sollten wir gegenseitige Wertschätzung walten lassen. Und da ist die Diskussion über gute Reklame richtig und wichtig. Aber das eigene Verhalten sollten wir ebenso kritisch hinterfragen. Noch niemand von uns hat ernsthaft Schaden genommen, weil er ein bisschen Online-Reklame ertragen musste, oder?
    Und was Deinen Kommentar angeht, Uwe, ich bin grundsätzlich bei Dir. Wenn dieses Blogger-Relationship-Ding wie in Eurem Fall wirklich ehrlich gemacht und gemeint ist, ist das eine prima Sache, die sicher auch erfolgreich ist und am Ende vielleicht sogar günstiger als Online-Reklame. Aber es ist eben oft genug so, dass dem eben nicht so ist. Das schließe ich aus den zahlreichen Anfragen für bezahlte Posts, die mich mittlerweile fast wöchentlich erreichen. Ich weiß bei Blogartikeln eben oft nicht genau, wie "ehrlich" das ganze ist. Bei Reklame weiß ich, dass es eben Reklame ist. Und da muss ich nicht mit Ehrlichkeit rechnen.

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  4. Zum Streisand Effekt nur das hier :-)
    https://twitter.com/AdblockPlus/status/334256274273345536

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