15.4.11

Die hinkende Trennung

Karfreitag. Tanzen. Jedes Jahr die selbe Diskussion. Und jedes Jahr der selbe bigotte Eifer der gleichen Leute, die zwar eigentlich nie Tanzen gehen, es aber genau einmal im Jahr machen wollen.

Witzigerweise war es ja ein Liberaler, Friedrich Naumann, der die so genannte "hinkende Trennung" von Kirche und Staat 1919 erdacht hat. Und damit sind die meisten gut gefahren. Denn das Schutzgebot für Feiertage - um mal das aktuelle Beispiel zu nehmen - hätte auch nur so gefasst werden können, wie es heute für alle religiösen Feiertage gilt, die keine gesetzlichen Feiertage sind: Dass die Ausübung der Religion ermöglicht werden muss. Aber ohne Arbeitsfreiheit für alle. Die Diskussion hatten wir ja neulich in den 90ern noch mal bei der Einführung der Pflegeversicherung. Auch damals war die Diskussion ähnlich bigott. Denn der durchaus ernst gemeinte Vorschlag, den Pfingstmontag statt des Novembermittwochs zu nehmen oder besser noch die beiden (religiös überflüssigen) Weihnachtsfeiertage, erntete nur Entsetzen.

Ich persönlich bin ja dafür, alle kirchlichen und religiösen Feiertage aus den gesetzlichen zu streichen. DANN bin ich auch bereit, über die Anwendung dieser religiösen Feiertage im Alltag zu streiten. Also beispielsweise darüber, ob am höchsten christlichen Feiertag - dem Karfreitag - Alltag sein soll.

Nicht bereit, auch nur drüber zu reden bin ich aber, solange die gleichen, die Karfreitag laute Musik hören und feiern wollen, aber die vier freien Tage im wunderbaren Frühling nutzen und wollen und mögen.

Ihr könnt nicht das eine ohne das andere haben: wenn ihr eure Vorteile aus der Tatsache ziehen wollt, dass unsere Religion mal die Kultur dieses Landes prägte und darum immer noch Feiertagsprivilegien hat, dann müsst ihr auch in Kauf nehmen, dass ein, zwei dieser Tage mit Regeln verbunden sind, die ihr doof findet.

Ich hindere euch schließlich nicht daran, sonntags zu Shoppen oder eure Wäsche aufzuhängen. Selbst wenn ich das doof finde und es mich stört.



5 Kommentare:

  1. "Nicht bereit, auch nur drüber zu reden bin ich aber, solange die gleichen, die Karfreitag laute Musik hören und feiern wollen, aber die vier freien Tage im wunderbaren Frühling nutzen und wollen und mögen."

    Ja das hättest Du gerne noch, dass sich der gesellschaftliche Alltag wesentlich an Deiner Releigion festmacht, oder? Nun sehe ich den Sinn in Feiertagen tatsächlich im Feiern von saisonalen Fixpunkten. Weihnachten feiern wir das Heller werden, Ostern die Wiederauferstehung des Lebens in Form des Frühlings - und nichts anderes. Wenn Du das still und in Dich gekehrt Kar-mäßig machen willst, gerne, wenn andere tanzen und feiern, auch schon am Freitag, auch gerne.

    Nur eines ist klar, in einem Land, dass nach Grundrechten sich definiert und nicht nach merkwürdigen christlichen Traditionen, die jeder sich so auslegt, wie es ihm gerade passt, erscheint Deine Argumentation wie ein wiederherbeisehnen einer Dominanz, die gerade überwunden werden muss - gerade wenn ich an die 20% Nicht-Christen in unserem Land denke!

    (Wir sind ja häufig einer Meinung, aber hier nicht - und bigott ist meine Haltung sicher nicht, noch nicht einmal ignorant ;)

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  2. Wir haben hier mehrere gegenläufige Strömungen und das führt auch bei entschiedenen Vertretern von Bürgerrechten zur Verwirrung. Einerseits wurden die Feiertage eingeführt zu einer Zeit, als das Christentum tatsächlich in Praxis (Gottedienstbesuch, Zugehörigkeit) dominant war. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Wer argumentiert, jetzt sei die Mehrheit nicht religös gebunden und deshalb sei Karfreitag ein Tag wie jeder andere, vergisst aber, dass es wohlverstandenes Interesse jedes Demokraten sein muss, die Rechte von Minderheiten zu schützen. Manche Freidenker halten es immer noch für eine revolutionäre Tat, auf den Gefühlen von Christen herumzutrampeln. Sie können sich mit allen möglichen Minderheiten auf der Welt solidarisieren und für sie Empathie empfinden. Für den gläubigen Christen in der Nachbarschaft aber nicht.

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  3. Tobias15.4.11

    Der Sinn gesetzliche-religiöser Feiertage in D ist der Schutz praktizierender Christen bei der Ausübung ihrer Rituale; dass andere Menschen davon "profitieren" liegt in der Natur der Sache. Der Karfreitag muss also nicht vor den "tanzenden" Menschen geschützt werden, er ist ein Schutz für jene, die aus religiösen Gründen nicht arbeiten wollen.

    Auch schützt er Dich vor Presslufthämmern, Loveparades und Call-Center-Anrufen an diesem Tag. Der Vorwurf der Bigotterie an Menschen, für die Dein Gott (Geist, Götter, Totem...) keinerlei spirituellen Wert hat, ist zumindest ein Fehler in der Kategorie. Ein "Danke für die Rücksichtnahme" wäre eher angebracht.

    Freundliche Grüße!

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  4. Das ist auch "mein" Feiertag. Ich möchte aber dennoch nicht, dass im Namen meiner Religion anderen Menschen Auflagen gemacht werden, was sie am Karfreitag zu tun oder zu lassen haben. Und schon gar nicht per Gesetz.

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  5. Danke euch allen für die Kommentare, darum habe ich es ja so zugespitzt. Meine persönliche Meinung ist ja, dass ich mit beidem leben kann. Ich finde auch ok, dass man nicht mehr bestraft wird, wenn man die Wäsche am Sonntag im Garten auf die Leine hängt.

    Grundsätzlich aber finde ich, dass die Gesellschaft - vertreten durch ihre gewählten Repräsentanten - auch mehrheitlich entscheiden kann, dass es Tage gibt, an denen Rücksichtnahme verordnet wird. Ich denke, das kann sogar historisch-kulturelle Gründe haben. Gibt es eine Mehrheit dafür, den Karfreitag aus dem kulturellen Kontext zu nehmen, in den er traditionell gehört: fein. Aber zur Ehrlichkeit gehört dann auch, darüber nachzudenken, warum Brauchtum dann mit einem _gesetzlichen_ Feiertag begangen werden muss.

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