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Wer mich etwas kennt, weiß, wie wichtig mir diese grundsätzliche Haltung ist. Und das unabhängig davon, dass ich es richtig finde, die grotesk krude Ausdrucks(un)fähigkeit des Kanzlers politisch zu nutzen. Und dass ich kopfschüttelnd vor den Erklärungsverrenkungen seiner Parteileute stehe, die so tun, als würden sie nicht verstehen, wieso es so krude und so grotesk ist. Zumal es ja nicht nur so merkwürdig aus der Zeit gefallen ist – sondern auch eine Haltung und ein Denken zeigt, das sich zu eigen macht, wer ihn erklärend verteidigt oder es damit abtut, dass doch klar sei, was er gemeint habe.
Ich habe mich lange gefragt, was mich eigentlich daran so sehr irritiert, wie Merz redet. Stadtbild, aller Herren Länder, Sofa - nur um mal die letzten drei sprachlichen Entgleisungen zu nehmen, an die ich mich erinnere. Und weil ich gerade an meine Großeltern denken musste, die ich zum hundertsten Geburtstag auf dem Friedhof besuchte, fiel es mir ein: Obwohl Merz jünger ist als meine Eltern, spricht er so wie meine verstorbenen Großeltern. Denen habe ich nicht übel genommen, weil ich sie liebte, dass sie am Ende ihres Lebens ihren Rassismus, ihre Blindheit und ihr Unverständnis für Menschen, die anders leben oder lieben (obwohl sie ihre queeren Urenkel liebten), ihre Härte gegenüber Kranken und auch gegenüber ihrer eigenen Krankheit nicht mehr verstecken konnten. So waren sie eben.
Aber, und das unterschied meine Großeltern bis zu ihrem Ende von Merz, nehme ich an: Sie waren sich bewusst, dass sie aus der Zeit gefallen waren. Ich nehme an, das lag daran, dass sie zu dieser Generation von ewig die Sozis wählenden gehörten, die durch die allgemeinen Gewinne aus den deutschen Eroberungen der ersten Hälfte der 40er Jahre aus einem proletarischen Milieu ins Kleinbürgertum aufgestiegen waren. Sie fühlten sich in ihrer Kleinbürgerlichkeit doch irgendwie dem Fortschritt verpflichtet und haben dann irgendwann gemerkt, dass sie nicht mehr mitkommen.
Ich nehme an, dass sie ihre Geschichte insofern von Menschen aus bürgerlicheren Zusammenhängen unterscheidet, die ihren Rassismus, ihre Blindheit und ihr Unverständnis für Menschen, die anders leben oder lieben, ihre Härte gegenüber Kranken und auch gegenüber ihrer eigenen Krankheit für normal halten und für ewig gültig, die sich niemals als gestrig erleben können. So wie Merz und die, die ihn herrklären und verteidigen.
Das Problem, das ich mit Merz habe (also in diesem Zusammenhang jetzt, ich habe selbstverständlich auch ein großes Problem mit seiner Politik, aber das wissen ja alle), ist nicht, dass ich nicht verstehe, was er sagen will, wenn er rassistische Hundepfeifen wie das Stadtbild nutzt; oder Sprachbilder, die den Kolonialismus verherrlichen wie das von "aller Herren Länder"; oder Kranken rät, sich mal zusammenzureißen wie bei diese Sache mit Putzen und Sofa. Ich verstehe schon, dass er das nicht wörtlich meint. Ich verstehe schon, was er damit sagen will. Aber ich verstehe eben auch, dass er damit außerdem ausdrückt, dass er seinen Rassismus, seine Blindheit und sein Unverständnis für Menschen, die anders leben oder lieben, seine Härte gegenüber Kranken und auch gegenüber seiner eigenen Krankheit für normal hält.
Und das ist es eben nicht mehr. Meine Eltern und meine Schwiegereltern und auch die meisten Eltern meiner Freund*innen sprechen oder sprachen nicht so. Sie finden vielleicht nicht jedes dieser Worte so problematisch wie ich. Aber niemand von denen spricht so. Sondern höchstens deren Eltern. Wie meine Großeltern.
Allerdings ist Merz tatsächlich sehr viel schlimmer als meine Großeltern je waren. Denn sie sprachen so, aber beiläufig. Und wenn wir sagten, dass das irgendwie aus der Zeit gefallen ist und wir und sie es doch heute besser wissen, seufzten sie, nickten und sagten, dass es stimmt, aber dass sie schon so alt sind. Niemals haben sie sich verteidigt oder fühlten sich angegriffen. Denn sie waren feine Menschen. Zwar nur mit Hauptschulabschluss, aber mit Herzensbildung. Herrklären und Auftrumpfen war ihnen so fremd wie Gendern.

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