22.3.13

Polarisierung

Mir scheint, dass zunehmende Polarisierungen ein Zeichen für Zeiten des Umbruchs sind. Vor allem, wenn Polarisierungen nicht mehr entlang der erwartbaren Linien verlaufen, sondern ich heute laut und stark mit welchen auf einer Seite der Linie stehe - und morgen mit anderen zusammen auf einer Seite einer anderen Linie.

Jahrelang habe ich mich geweigert, in die radikale Rhetorik vieler Beraterinnen, die Social Media für sich entdeckten, einzustimmen. Denn die ersten zehn Jahre haben neue (und eigentlich sehr alte, geradezu retroartige) Plattformen und Netzwerke keinen wirklichen Umbruch in der Kommunikation oder gar der Gesellschaft bedeutet.

Denn ich bin vollkommen beim großartigen Clay Shirky, der sagt: "Revolution doesn't happen when society adopts new tools. It happens when society adopts new behaviors". Und genau das passiert jetzt.


An zwei kleinen Geschichten wurde mir deutlich, wie sehr auch im Kommunikations- und Medienzirkus auf einmal alte Linien zerreißen und alte Reihen durcheinander gewirbelt werden. Niveas Stresstest. Und Katja Riemanns TV-Auftritt.

Beide Geschichten haben in meinem Umfeld massiv polarisiert. In beiden Fällen gab es wenige, die ruhig blieben. Und in beiden Fällen verlief die Polarisierung quer zu den üblichen Seilschaften, Freundschaften, Übereinstimmungen.

Die einen fanden den Nivea Stresstest großartig und genial und super passend für die Marke.
Die anderen peinlich und übergriffig und vollkommen unpassend für die Marke.
Und sagten das jeweils sehr laut und bestimmt.



Die einen fanden die Riemann unmöglich, peinlich und zickig.
Die anderen den Moderator überfordert, unmöglich.
Und sagten das jeweils sehr laut und bestimmt.



Und in beiden Fällen fanden sich in beiden "Lagern" Leute, die ich sehr schätze und für professionell, schlau, geschmackvoll, kreativ und so weiter halte.

Vielleicht gab es und gibt es das auch schon vorher immer wieder, vielleicht bin ich in meiner Resonanzblase gefangen - aber so extrem ist es mir lange nicht aufgefallen. Dass ich nicht vorhersagen konnte, wie geschätzte Kolleginnen etwas sehen, zu dem auch ich eine starke und polarisierende Meinung und Haltung entwickelte.

Wenn alte Lager sich auflösen und noch keine neuen entstehen, dann ist eine Zeit des Umbruchs.

4 Kommentare:

  1. Xaver Unsinn22.3.13

    Sehr gut reflektiert. Es sind Zeiten des Umbruchs in vielerlei Hinsicht. In den letzten 10 Jahren hat sich sehr viel geändert, manches partiell latent, manches offensichtlich laut wahrnehmend.

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  2. Man kann nicht immer wissen, wer welche Meinung hat. Schon gar nicht bei einem solch vielschichtigen Ding wie dieser DAS-Sendung. Ich bin mir nicht sicher, ob ich daraus gleich ein Auflösen von Lagern ableiten würde.

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  3. Hm. Vielleicht gibt es einfach Menschen, die zu Empathie fähig sind, und Menschen, die das nicht sind. Viele Diskussionen der vergangenen Monate scheinen zu belegen, dass ein Wechsel vom einen ins andere Lager der am wenigsten wahrscheinliche ist.

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  4. @Christiane: Nein, nicht allein, sicher. Aber diese beiden Dinge waren vielleicht auch wirklich nur ein Punkt, an dem sich etwas kristallisierte, was sonst auch schon zu sehen war. Vielleicht sehe ich aber nur dies, weil ich es sehen will. :)

    @kaltmamsell: Guter Punkt, das stimmt, denke ich. Was aber noch nicht erklären würde, warum ich beides in diesen Fällen auf beiden Seiten finde, oder?

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