Als ich vor über 15 Jahren aus dem Studium in den Beruf ging, hatte ich bereits ein erstes Kind, denn Primus wurde genau während meines Prüfungsmarathons geboren. Vielleicht war ich darum von Anfang an auch etwas sensibler für die Frage, wer wann wo seine Aufgaben und ein bisschen darüber hinaus gemacht hat.
Die Jahre als Journalist und Moderator waren ja ohnehin von unregelmäßigen Arbeitszeiten (und vor allem von einer Sendung am frühen Sonntagmorgen) geprägt, so dass es immer eher darum ging, die Aufgaben und Ideen voranzubringen als auf den Sessel zu pupen.
Später war ich auch in anderen Unternehmen. Auch mal in einem, in dem der eine oder die andere dazu neigte, Leistung als "Arbeit mal Zeit" zu definieren und nicht - physikalisch korrekt - als "Arbeit pro Zeit". Das habe ich nie verstanden. Und nie mitgemacht. Der Abnabelungsprozess begann bei mir, als es nicht möglich war, mal längere Texte und Präsentationen im Café oder zu Hause zu schreiben, sondern ein ruhiger Ort im Büro zu suchen war. Es war nicht der Grund, dass ich da weg ging, aber der Anlass, darüber nachzudenken.
Immer wieder habe ich Unternehmen und Agenturen erlebt, in denen es als Führungsstärke galt, möglichst als erste und als letzte am Schreibtisch zu sitzen. Meine Meinung (und auch Erfahrung inzwischen) ist das glatte Gegenteil: Wer als Führungskraft nicht mit gutem Vorbild vorangeht, ist keine Anführerin. Und gutes Vorbild heißt, dass es atmende Arbeitszeiten und zielführende Arbeitsorte gibt. Auch mal 15, 16 Stunden, wenn es sein muss, aber nicht als Normalzustand. Die Kinder morgens und abends sehen, dafür halt um 21.30 Uhr noch mal Mails schreiben oder über die Präsentation gehen. Den ersten Schultag der Kinder miterleben. Das Wochenende in der Regel als Familienzeit gestalten.
Und eine gewisse Flexibilität. Gerade im hektischen Agenturgeschäft ist es auch mal wichtig, einen längeren Text oder einen längeren Gedanken zu (ver)fassen. Darum schicke ich "meine Leute" immer mal ins Home Office: Sie kommen mit guten Ideen und besserer Laune wieder zurück. Weil sie auch sonst viel arbeiten. Darum ist es ok, wenn "meine Leute" auch am Arbeitsplatz mal einkaufen oder Blogs lesen oder telefonieren. Weil sie auch nicht um sechs das iPhone fallen lassen, sondern in der U-Bahn, im Café oder auf dem Sofa noch für ihre Communitys da sind oder für die Entwickler oder die Kolleginnen oder Kunden. Wie mein Boss es sagt:
Hach, du schreibst mir aus der Seele, es hat mich schon immer gestört, dass Leistung zu oft mit Anwesend sein im Büro verwechselt wird. Insofern die schönste Zeit hatte ich bei IBM, da wurde wirklich nach Leistung bezahlt und man konnte mal 12 Stunden an einem Problem arbeiten, wenns gerade läuft, oder auch mal, wenn der Entwicklerverstand blockiert war, früher Schluss machen. Leider heute immer noch nicht im Mainstream angekommen... Noch nicht.... hoffe ich ..
AntwortenLöschenDass man das überhaupt noch sagen muss, ist schade. Aber gut, dass Du es machst. Irgendwann dringt es hoffentlich auch in den letzten Winkel. In diesen letzten Winkeln sollte man sich fragen, wozu jahrtausendelanger Fortschritt gut ist, wenn Menschen von Sonnenauf- bis -Untergang in geistigen Legebatterien roboten. Ich setze jetzt jedenfalls meinen Arbeitstag mit Blick in einen grünen Baum fort und habe mein Meeting in einem schönen Café. :-)
AntwortenLöschenWie wärs mal mit Informieren, Leistung ist Energie pro Zeit physikalisch
AntwortenLöschenach nee. Schon mal versucht, einen Kurs für sinnentnehmendes Lesen zu belegen?
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