9.10.10

Handelskammer: Menschenrechte? Interessieren uns nicht

Der Friedensnobelpreis an Liu Xiaobo wird von der Handelskammer kritisiert. Anders kann ich die Äußerungen einer ihrer Geschäftsführerinnen nicht verstehen. Und darum gehört die entlassen, denke ich.

Aber von vorne.

Dass die Zwangsmitgliedschaft aller Unternehmen und Unternehmer in der Handelskammer (woanders als in Hamburg: Industrie- und Handelskammer, IHK) abgeschafft gehört, ist ja nicht neu. Dass die Handelskammer sich immer wieder einseitig und keinesfalls mit einem Mandat ihrer Zwangsmitglieder versehen zu politischen Fragen äußert, ebenso. Und das ist ebenso doof wie die Zwangsmitgliedschaft an sich (sagte ich das schon?). Aber irgendwie konnte ich damit immer halbwegs leben, selbst in der Zeit, in der ich auch ein Zwangsmitglied war. Ärgern und zur Tagesordnung übergehen.

Heute kann und will ich das aber nicht tun, also das zur Tagesordnung übergehen. Denn heute wird die für den Bereich GVIII International zuständige Geschäftsführerin der Handelskammer, Corinna Nienstedt (Kontakt und Organigramm hier online), im Hamburger Abendblatt mit einer meiner Meinung nach derart zynischen und menschenverachtenden Äußerung zitiert, dass ich sie für in dieser Stadt in dieser Kammer nicht mehr tragbar halte. Frau Nienstedt gehört meines Erachtens sofort entlassen, wenn sie (was ich nicht annehme aber auch nicht ausschließen kann) nicht sinnentstellend zitiert wurde.

Lt. Hamburger Abendblatt von heute morgen (S. 6) hat sie gesagt (und die Formulierung legt ein offizielles Handelskammer-Statement nahe):
Wir [Anm. WLR: sic!] gehen nicht davon aus, dass die Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo negativ auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Deutschland auswirken wird. Eine Beeinträchtigung dieser engen wirtschaftlichen Verflechtungen ist weder im Interesse der Volksrepublik noch in unserem Interesse
Wie verquer muss man eigentlich im Kopf sein, um sich nicht zu freuen, dass das Nobelkommitee nach einigen Griffen ins Klo (siehe nur den absurden Preis an Obama letztes Jahr) einen mutigen und überfälligen Preis vergibt? Dass es in einer Zeit, in der China und dessen barbarisches Regime überall hofiert wird und - sicher nicht zu Unrecht - als wichtigste kommende Macht dieser Welt gilt, dem totalitären und menschenverachtenden Partei- und Polizeiapparat vor den Karren fährt.

In so einer Situation hat die Handelskammer in Person einer Geschäftsführerin nichts besseres zu tun, als der Hoffnung Ausdruck zu verleihen, es werde sich nichts ändern?

Pfui. Ich ekele mich vor dieser Äußerung.

4 Kommentare:

  1. Ein schöner Beitrag Wolfgang. Stimme deiner Kritik zu, mit einem solchen Statement so kurz nach der Verleihung zu kommen riecht zehn Meilen gegen den Wind nach einer äußerst unsensiblen lobbyistischen, generalumschlags- Positionierung für die guten und gar nicht bösen chinesischen Geschäftspartner der Stadt Hamburg.

    In eine rStellunganahme wird kommen, diese seien Garanten für den kränkelnden Hamburger Hafen und das zärtlich anlaufende Exportgeschäft.

    Krass, agreed, Rücktritt!

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  2. Anonym11.10.10

    Also, um das zu beurteilen, fehlt mir der Zusammenhang des Artikels. Aber nur aus dem Zitat kann ich ehrlich gesagt nur herauslesen, dass sie nicht glaubt, dass die Verleihung des politischen Preises die wirtschaftlichen Beziehungen *negativ* beeinträchtigt.

    Ich kann dir nicht ganz folgen, wenn du daraus schließt, sie würde die Verleihung des Preises indirekt kritisieren. Ein Umkehrschluß aus einer Nichterwähnung eines Sachverhalts in einem Zitat finde ich generell unzulässig. Oder übersehe ich da etwas?

    LG,
    Rolf

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  3. Rolf, wenn jemand gefragt wird, doch mal was zur Verleihung des Preises zu sagen, und ihr dann nur einfällt, die *Hoffnung* zu äußern, dass er nicht schadet, während alle anderen Zitate von mehr oder weniger Prominenten sich freuen und die Hoffnung äußern, dass dadurch etwas in China sich ändern könnte, dann finde ich es nicht so weit hergeholt, die Frage zu stellen, wes Geistes Kind Frau Nienstedt ist.

    Aber sie ist auf mein Angebot, es richtig zu stellen, wenn sie sich unfair oder falsch behandelt fühlt durch meine Einschätzung, nicht eingegangen. Seit Montag habe ich dafür einige hundert Seitenaufrufe aus den IP-Bereichen der deutschen IHKn gehabt. Schaun mer mal.

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