11.12.14

Internetz und Schule und so

Anfang des Jahres hatte ich allen, die nicht bei drei auf den Bäumen waren, das wunderbare Buch von Tanja und Johnny Haeusler mit auf den Weg gegeben. In der Hoffnung, dass sich die Sicht anderer Eltern und von Lehrerinnen auf das Thema “Internet und unsere Kinder” etwas ändern möge. Denn es ist meine Empfehlung dieses Jahr gewesen als Kontrastprogramm zu den üblichen Elternfortbildungen rund um das Internet, die überwiegend mit der Angst spielten.

Womit wir bei der Medienkompetenz wären. Der Ausschnitt, den ich selbst beobachten konnte, ist begrenzt, aber doch nicht zu sehr - von Grundschule über Förderschulen und mittlere Schulformen (die in Hamburg Stadtteilschulen heißen und Gesamtschulen mit Oberstufen sind) bis hin zu Gymnasium und einem Abiturjahrgang reicht es dann doch. Dazu kommen die Gespräche mit anderen Eltern und Lehrerinnen. Und die gute Nachricht ist, dass die Medienkompetenz in den letzten Jahren an den Schulen und bei den Lehrerinnen massiv zugenommen hat. Internetbasierte Arbeitsweisen gehören zum Methodencurriculum aller Schulformen, auch schon der Grundschulen.

Computerraum in einer Schule 2005
Symbolbild "Schule und Internet"

Und ich bin froh, dass “das Netz” vor allem dort zu Hause ist. Methodencurriculum (das jede Schule für sich entwickelt haben muss) heißt ja, dass es verbindliche Aussagen darüber gibt, welche Methoden in der Schule wann und wie gelernt und angewendet werden. Und “das Internet” gehört da flächendeckend dazu, inzwischen nach meiner Beobachtung auch in einer Art und Weise, die ich oft als angemessen empfinde.

Das geht von selbstbestimmten Lernkontrollen in der Grundschule, die über Internetseiten stattfinden, so dass meine Tochter sowohl in der Schule als auch zu Hause auf den gleichen Stand zurück greifen kann, ihre Aufzeichungen und Fragen zu Büchern in der Freiarbeit in der Schule oder in der Hausarbeit am Küchentisch erledigen kann. Und es endet nicht bei Recherchen zu internationalen Diskussionen im Politikunterricht der Oberstufe.

Und wenn das Internet eher unter den Methoden abgehandelt wird, ist das auch ein gutes Zeichen dafür, dass es in der Mitte der Schule angekommen ist. Wie sehr, hängt dann noch etwas zu sehr vom eigenen Geschmack der jeweiligen Lehrerin ab, aber selbst die hartnäckigsten Anhängerinnen von baumbasierten Nachschlagewerken kommen nicht mehr umhin, Recherchen und Quellenarbeit auch anders anzuleiten und zuzulassen.

Symbolbild "Wände in Schulgebäuden"
Inzwischen sind wir in den Schulen schon so weit, dass wir nicht mehr jede Grundsätzlichkeit diskutieren - sondern uns eher damit auseinandersetzen, dass es kein Netz gibt, weil mobiles Internet in den Betonklötzen nicht funktioniert und das schuleigene Netz, ob über Kabel oder WLAN wieder einmal down ist. Weil es niemanden gibt, der oder die sich damit auskennt und die Firma, die beauftragt ist, den Server und die Computer wieder flott zu machen, über die die Smartboards angesteuert werden, erst in vier Wochen vorbei kommt. Das Service Level Agreement und das Geld, das die Schulbehörde dafür investiert, reicht nicht zu mehr. Weshalb ja auch die Lehrerinnen die Zeugnisse zu Hause schreiben, weil sie nicht ins Netzwerk kommen. Oder ihr privates Handy nutzen, um einen Hotspot für die Schülerinnen zu bauen, wenn ihr Klassenraum weit genug an der Außenwand liegt, um zumindest eine EDGE-Verbindung zuzulassen.

Wer hätte gedacht, dass 2014 die technische Ausstattung das größere Problem ist als die Bereitschaft oder Kompetenz der Lehrerinnen. Der Generationswechsel macht sich inzwischen eben doch bemerkbar.

Also bringen die Schülerinnen ihre eigene IT mit. Smartphones und Tablets vor allem, auch ihr eigenes Internet, wenn es denn funktioniert, siehe oben. Weshalb nach Stricken und Rauchen nun also die Nutzung von mobilen Internetzugangsgeräten kontrovers zwischen Eltern, Schülerinnen und Lehrkörpern diskutiert wird.

An allen Schulen, an denen ich als Vater mehr oder weniger nicht aktiv bin, haben wir in diesem Jahr diese Frage verhandelt. Und sind an jeder Schule zu einem anderen Ergebnis gekommen. Spannend war dabei, dass der Riss immer einmal quer durch Kollegien und Elternschaft ging. Nur die Schülerinnen waren sich immer recht einig.

Von Handy- und Tablet-Verbot auf dem Schulgelände über gescheitere Regelungsversuche bis hin zu spannenden Kompromissen, die sehr differenziert zwischen Unterricht, Freiarbeitszeiten und Pausen unterschieden und Handy-Zonen auf dem Schulhof schufen, habe ich alles miterlebt.

Traurig macht mich, dass wir 2014 kaum einen Schritt damit weiter gekommen sind, Informatik als Pflichtfach für alle einzuführen. Dass die Sensibilität dafür immer noch kaum vorhanden ist -  und es uns kaum gelungen ist, neue Verbündete zu finden -, dass es eine wichtige Zukunftsfrage für unsere Kinder ist, ob sie die Grundprinzipien von Programmen verstehen, ob sie in Ansätzen Code lesen können, ob sie eine Vorstellung davon haben, wie mächtig Algorithmen sind und wie viel Macht es verleihen kann, sie zu kennen und ändern zu können. Vielleicht sogar eine wichtigere Frage als die nach der Position von Brom im Periodensystem.

Belustigt stand ich vor den Diskussionen anderer Eltern und einiger Lehrerinnen über Facebook. Während unsere Kinder schon längst Freshtorge auf Youtube folgten und sich via Instagram die nächste große Liebe andeutete. Während sich die einen darüber beklagten, dass ihre Kinder die Lokalzeitung nicht mehr lesen (oder die Zeitungsverleger gar nach dem Schutzzollgesetz auch noch das Pflichtfach Medienarchäologie an den Schulen forderten), war ich überrascht, was mein 12-Jähriger alles über die Welt und die Politik weiß - bis ich rausfand, dass er natürlich Le Floid auf Youtube abonniert hat. Ganz ehrlich: mir ist das Medienverhalten meiner Kinder auch fremd. Aber ich finde es faszinierend.

Und seit in der Schule im sozialen Brennpunkt die Kommunikation zwischen der Klassenlehrerin und den Schülerinnen über Whats App läuft, vergessen die auch ihren Turnbeutel nicht mehr. Eine kurze Nachricht morgens - und alles ist geritzt.

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Etwas bearbeitet ist dieser Text auch im Jahresrückblickbuch von iRights  media erschienen. 
Hier kann man ihn online lesen.

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