7.7.14

Innovation egal. Hauptsache immer mal den Job wechseln

Das ist alarmierend. Nehmen wir mal an, dass ein Top-Gehalt etwas über die Bedeutung aussagt, die jemand für eine Organisation, ein Unternehmen hat. Gerade im Vergleich zu anderen. Ja, das ist ein kleines bisschen zu holzschnittartig, aber als Denkmodell nicht völlig abwegig.

Und betrachten wir mal, dass bei der Umfrage von news aktuell zwar nicht so unendlich viele Kolleginnen mitgemacht haben, aber doch einige. Von denen rund 70% nicht zu denen mit dem Top-Gehalt gehören (wie ein Blick in die Hierarchiezusammensetzung der Teilnehmerinnen der Befragung zeigt). Dass es also zu einem großen Teil die Wahrnehmung der normalen Professionals auf die mit den Top-Gehältern ist. Denn dann ist es noch alarmierender. Und sagt unglaublich viel über die Branche der PR-Leute aus.

Denn was ich zum Aufstieg nach ganz oben und in die richtig gut bezahlte Liga brauche, ist  - so weit so normal - Erfolg, den ich mir ans Revers heften kann. Aber aus Sicht der Kolleginnen zeichnen sich die Top-Verdienerinnen ansonsten vor allem durch Netzwerken, Verhandlungsgeschick und (häufigere) Arbeitsgeberinnenwechsel aus. Während Leute, die ein Unternehmen oder eine Agentur voranbringen wollen (Loyalität) und innovativ sind (First Mover), eher schlechtere Chancen haben. Jedenfalls sind das Faktoren, die nach Meinung der Befragten kaum eine Rolle spielen, wenn es um ein Top-Gehalt geht. Besonders dramatisch: beide Zahlen sind für Agenturen noch niedriger (Loyalität 5%, First Mover 6%) als für Unternehmen - und das, obwohl Agenturen noch stärker von ihren Leuten leben und davon, ihren Kundinnen ein, zwei Schritte voraus zu sein.

Selbst Schlüsselfähigkeiten, die aus meiner Sicht einen sehr großen Teil des "Wertes" einer Mitarbeiterin in der Kommunikation ausmachen und also auch ein höheres Gehalt rechtfertigen könnten, werden von den Befragten erstaunlich gering gewichtet. Auch hier ist es bei den Agenturen skurril: Nur 15% denken, dass besondere Stärken in der Konzeption zu den wichtigsten drei Faktoren für ein hohes Gehalt gehören. Nur Ideen spielen in Agenturen eine geringfügig größere Rolle als in Unternehmen.

Infografik obs/news aktuell GmbH/Sebastian Könnicke

Ganz ehrlich? Ich finde das Ergebnis schlimm. Und es illustriert vielleicht trotzdem gerade deshalb, in welcher Krise sich die PR-Branche befindet. Was eigentlich absurd ist, weil die Methoden der PR in der Kommunikation eine immer größere Rolle spielen. Und das disziplinenübergreifend. Aber wenn es wirklich mehr darauf ankommen sollte, wie häufig ich den Job wechsele und wie gut ich vernetzt in der Branche bin, als darauf, wie ich mein Unternehmen nach vorne bringe und wie sehr ich strategisch stark und innovativ in Denken und Handeln bin. Mehr wie sehr ich mein eigenes Fortkommen in den Fokus nehme als wie ich schlaue und gute Arbeit mache. Dann irritiert mich das schon, um es mal zahm zu formulieren.

Vielleicht ist es ja nicht wirklich so dramatisch, denn trotz allem liegen die Zahlen ja dicht beieinander und ist die Grundgesamtheit - äh - überschaubar. Und immerhin scheint es Konsens zu sein, dass es um Erfolge geht. Aber Erfolge sind rückwärtsgewandt. First Mover sein, ist vorwärts gewandt. Und nicht karriererelevant nach Meinung derer, die eine Karriere zum großen Teil noch vor sich haben. Doof das.

disclosure: (1) Ich würde wohl nach Branchendings irgendwo in der Nähe von Top-Gehalt rangieren und bin in der Hierarchie schon ziemlich weit oben, habe viel Berufserfahrung. Das mag den Blickwinkel verzerren. Macht mich aber nicht optimistischer. (2) Ich war von 1999 bis 2005 bei news aktuell, die die Studie durchgeführt haben, angestellt, kenne da noch viele Leute, mag viele, bin mit einigen sogar befreundet.

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