9.9.10

Und dann war ich offline

Ich wollte noch was schreiben, dazu, wie es war, mal wieder wirklich offline zu sein für zwei Wochen. Als ich im August Urlaub hatte. Und dann war ich wieder online und hab es verdrängt. Aber da Stephan Uhrenbacher gestern seine Erfahrungen und Schlüsse aufgeschrieben hat, ziehe ich nun doch noch mal nach.

Auf meiner Homepage (ja, so was hab ich wieder) nenne ich mich "realtimeweb immigrant". Obwohl ich (unter beruflichen Gesichtspunkten) dieses Echtzeitweb für überbewertet halte, nutze ich es persönlich mit großer Freude und intensiv. Deshalb war ich gespannt, wie mir das Experiment gelingen und gefallen würde. Die letzten Jahre habe ich auch im Familienurlaub immer irgendwie gearbeitet und war online - einerseits erreichbar für Mails und um dann doch noch mal in Projekte einzugreifen, andererseits via twitter, flickr, facebook.

Schritt 1: die richtige Vorbereitung
Schon über eine Woche vor dem Urlaub habe ich auf Twitter darauf hingewiesen, dass ich zwei Wochen offline sein werde. So ganz habe ich mir nicht vertraut, aber so war ich im Zugzwang. In der Agentur habe ich mit den Kolleginnen, mit denen ich an aktuellen Projekten saß, genauer besprochen, wie ich für den Notfall erreichbar sein werde (nicht per Mail, nur per SMS und dann einem Rückruf meinerseits). Zum ersten Mal habe ich bei meiner privaten Mailadresse eine Nichterreichbarkeitsnachricht hinterlassen. Im Blog und auf Facebook habe ich mich ordnungsgemäß verabschiedet. Vorbereitung ist wichtig, auch um Erwartungsmanagement zu betreiben. Wer mich länger kennt, wird zwar wissen, dass E-Mail ohnehin der langsamste Weg ist, mit mir Kontakt zu haben, aber immerhin.

Schritt 2: Das Abschalten
Am Morgen, an dem es losging in den Urlaub, habe ich Mail auf dem iPhone abgeschaltet und die Social-Media-Apps in einen Ordner gepackt und ganz nach hinten verschoben, auf den vierten Bildschirm. So waren sie irgendwie da, aber eben doch nicht in der Nähe. Alle Push-Notifications habe ich ausgeschaltet (und die meisten seitdem auch nicht wieder eingeschaltet übrigens, außer bei Sport1, Fußballs wegen). Datenroaming habe ich vorsichtshalber gleich mal deaktiviert, so dass auch nicht aus Versehen irgendwas durchgestellt wird, ebenso die Wifi-Funktion - nicht, dass ich durch ein in Dänemark ja durchaus nicht unübliches öffentliches Wifi in Versuchung geführt werde.

Schritt 3: Der Entzug
Ich war mir nicht sicher, wie ich reagieren werde. Denn bisher habe ich es zwar oft so gemacht, dass ich den "großen Rechner" das ganze Wochenende aus hatte, aber so ganz ohne Datenverbindung? Höchstens mal am Reitwochenende in Hochfeldhufe, weil das Telekomnetz da keinen Empfang hat, ha. Und ja, klar, ich hab auch immer mal einen Tag lang nicht getwittert oder so. Aber vor zwei Wochen hatte ich irgendwie Angst. Aber ich hatte es versprochen - meiner Süßen und meinen Kindern (denn die durften auch keine DVDs mitnehmen und keinen DS, außer für die Fahrt).

Am Überraschendsten war für mich, dass ich zwar an den ersten zwei Tagen immer mal dachte, dass ich mich ja hier einchecken könnte (hey, ich wäre Mayor von allen Orten auf Læsø), dass ich dies oder das twittern könnte - dass genau dies aber nachließ. Und weil ich die meiner Süßen eigentlich abgetrotzten Ohrstöpsel (für die Hörbücher auf dem Weg zum Bäcker oder mit dem Hund morgens früh) zu Hause vergessen hatte, lag das nun zum Telefon degradierte iPhone als Wecker und Taschenlampe neben meinem Bett - und wurde nur ein, zwei Mal am Tag für den SMS-Check eingeschaltet. Insofern ging der Entzug leicht.

Schritt 4: Das Nippen
Und dann war ich doch einmal online. Einer Freundin hatte ich versprochen, einen Text für sie zu verfassen, das hatte ich nicht rechtzeitig abgeschickt. In Vesterø also ein offenes Wifi gefunden, die Mail abgeschickt - und dabei diesen einen Tweet statt Karten geschickt und mich einmal bei Latitude finden lassen, damit im Blog sichtbar ist, wo ich bin. Geschafft, nicht auf die Twitter-Replys zu gucken, die in der Zwischenzeit aufgelaufen waren. Beim notgedrungenen Ausflug aufs Festland dann noch einmal online gewesen, die Fähre hat ein offenes Wifi, aber Twitter und Facebook und sogar Foursquare keines Blickes gewürdigt. Fein, geht doch.

Schritt 5: Das Zurückkommen
Zurück in Hamburg habe ich alles wieder eingeschaltet, die Social-Media-Apps weiterhin in einem Ordner gelassen, aber auf dem ersten Homebildschirm immerhin. Wieder losgelegt. Aber: Ähnlich wie Stephan es in seinem Post beschreibt, habe auch ich ein paar Dinge geändert.

Ich checke mich weniger ein. Immer noch viel, aber nur noch, wenn ich dran denke und Lust dazu habe. Ich lasse das iPhone bewusst in der Tasche, wenn ich in Gesprächen bin oder im Restaurant sitze (wodurch ich mich da auch weniger einchecke, was fast schade ist, aber damit kann ich leben). Und ich habe gemerkt, wofür ich all dieses Echtzeitdingens mag und wofür nicht. So wie das Blog ganz am Anfang (früher, als man fett noch mit "o" schrieb, 2003 und so) so etwas wie die virtuelle Raucherpause war und Twitter eine Überbrückung von Wartezeiten.

Dann hat es sich breit gemacht und immer mehr den Alltag durchzogen. Aus meinem Alltag ist es nur noch schwer wegzudenken, weil ich einen großen Teil des "white noise" und der Nachrichten und Infos, die mich privat und beruflich interessieren, daraus ziehe. Es muss und wird auch nicht aus dem Alltag rausgehen. Aber zum einen aus Teilen der Familienzeit. Und zum anderen habe ich seit dem Experiment mehr darauf geachtet, dass dieser permanente Strom aus Gesprächsfetzen nicht mehr so disruptiv ist. So wie ich auch schon lange ausgeschaltet habe, dass ich informiert werde, wenn neue E-Mails da sind.

Fasten hilft, Genuss, Essen, Trinken und so weiter bewusster wahrzunehmen. Fasten hat mir auch geholfen, genauer festzustellen, warum ich was mache, wenn ich on bin.

2 Kommentare:

  1. Was ich an dem "Ich bin dann mal offline"-Hype nicht verstehe ist, man ist doch auch im Rest des Jahres freiwillig und gerne online. Ich bin sogar super gerne online und lese gerne Twitter, weil ich mich mit den Menschen verbunden fühle, denen ich folge und die mir folgen. Warum soll ich dann plötzlich im Urlaub auf etwas verzichten, was ich mag und mir wichtig ist? Aber ich habe auch im Rest des Jahres keinen Druck durch Twitter, Foursquare & Co. Ich mache das nur aus Spass. Und wenn ich keine Lust habe, lass ich es. Und was das Fasten angeht: Ich sehe Sinn darin, mal auf Schokolade und Alkohol zu verzichten, aber Twitter? Man verzichtet ja dann in gewisser Weise auf Kommunikation. Was soll daran gut sein?

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  2. Hm, musste ich länger drüber nachdenken. Aber ich denke - abgesehen davon, dass ich den Hype auch nicht verstehe, sondern in meinem Fall lediglich meiner Familie zwei Wochen lang ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt habe, was sehr schön war -, dass Kommunikationsverzicht durchaus gut sein kann. Andere gehen ins Kloster zum Schweigen, andere verzichten ausfs Lesen, um einmal nach Innen zu schauen.
    Das Ergebnis bei mir war ja gerade, dass ich gemerkt habe, dass ich keinen Druck habe, aber spannenderweise für eine begrenzte Zeit auch nichts vermisste. Ob mir das auch für längere Zeit so ginge, bezweifle ich. Aber auch langes Fasten ist ja nicht wirklich gesund...

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